European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00241.22F.0127.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Familienrecht (ohne Unterhalt), Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die mittlerweile geschiedenen Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer einer während ihrer Ehe gemeinsam erworbenen Liegenschaft, die bis 2011 als Ehewohnung diente und auf der sie – beide sind von Beruf Psychotherapeuten – auch jeweils eine Praxis für Psychotherapie errichteten. Im Jahr 2011 übersiedelte die Familie auf eine – in der Folge als „Ehewohnung“ bezeichnete – Liegenschaft, die die Frau von ihrer Mutter noch vor der Eheschließung übergeben bekommen hatte und die in ihrem Alleineigentum steht. Auf dieser Liegenschaft war ein Wohnungsgebrauchsrecht und ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Mutter der Frau intabuliert. 2011 einigten sich die Eheleute mit der Mutter der Fraudarauf, dass diese auf ihre Rechte an der Liegenschaft der Frau verzichtet und in den Wohntrakt des Hauses auf der im Hälfteeigentum der Eheleute stehenden Liegenschaft übersiedelt, wo ihr die Ehegatten „im Gegenzug“ ein Wohnrecht (nur Wohntrakt) sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot (bezüglich der gesamten Liegenschaft) einräumten.
[2] Der Mann begehrte von der Frau im Rahmen des Verfahrens nach §§ 81 ff EheG eine angemessene Ausgleichszahlung insbesondere für die Wertsteigerung, die bei der Ehewohnung dadurch eingetreten sei, dass die Dienstbarkeit und das Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Mutter der Frau dort gelöscht und im Gegenzug auf der in seinem Hälfteeigentum stehenden Liegenschaft eingetragen worden seien. Seinem Antrag lag erkennbar zugrunde, dass sein Hälfteanteil an der gemeinsamen Liegenschaft der Frau übertragen werden sollte.
[3] Die Frau wandte vor allem ein, dass die Ehewohnung ebenso wenig der Aufteilung unterliege wie die Unternehmensräumlichkeiten auf der gemeinsamen Liegenschaft.
[4] Soweit für das Verständnis des Revisionsrekursverfahrens von Interesse, übertrug das Erstgericht „das Eigentumsrecht [des Mannes] am Hälfteanteil der [gemeinsamen Liegenschaft] – soweit es nicht den eindeutig abgrenzbaren straßenseitig gelegenen Praxistrakt der Liegenschaft betrifft –“ auf die Frau und verpflichtete diese zu einer Ausgleichszahlung von insgesamt 73.000 EUR. Dabeiberücksichtigte es insbesondere einen Betrag von 79.000 EUR als anteilige Werterhöhung für die Lastenfreistellung der Ehewohnung. Das Eigentum an der Ehewohnung sollte der Frau verbleiben.
[5] Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs beider Parteien diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass das Eigentumsrecht des Mannes an der Liegenschaft zu 305/1000‑Anteilen auf die Frau übertragen werde, sodass diese in Ansehung der Liegenschaft Eigentümerin von insgesamt 805/1000‑Anteilen werde. In Ansehung der von den Ehegatten gemeinsam erworbenen Liegenschaft unterliege nur jener Teil der Eigentumsrechte der Aufteilung, der nicht dem Unternehmen zuzuordnen und von diesem eindeutig abgegrenzt sei. Der unternehmerisch genützte Anteil bleibe im gemeinsamen Eigentum. Ausgehend von dem (vom Erstgericht unbekämpft angenommenen) (Flächen-)Verhältnis zwischen „Wohntrakt“ und „Praxistrakt“ von 61 % zu 39 % sei der Frau nur jener prozentuelle Miteigentumsanteil vom Hälfteanteil des Mannes zu übertragen, der in die Aufteilungsmasse falle, sodass ihre Miteigentumsquote insgesamt 80,5 % betrage und dem Mann Miteigentum von 19,5 % verbleibe. Die Bereitschaft des Mannes, an der durch den Entfall der Dienstbarkeiten eingetretenen Wertsteigerung der im Alleineigentum der Rekurswerberin stehenden Liegenschaft mitzuwirken, indem er einer Verringerung seines eigenen Vermögens in Form der Belastung der in seinem Hälfteeigentum stehenden Liegenschaft zugestimmt habe, sei zweifellos als berücksichtigungswürdiger Beitrag des Mannes zu verstehen.
[6] Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil – soweit überblickbar – keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, „inwiefern das Ausscheiden eines unternehmerisch genützten Teils einer Liegenschaft aus der Aufteilungsmasse mangels Differenzierbarkeit der abgegrenzten Liegenschaftsteile im Grundbuch der Einverleibung von Miteigentumsanteilen an der gesamten Liegenschaft“ entgegenstehe.
[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich der – vom Mann beantwortete – Revisionsrekurs der Frau, mit dem sie sich gegen die Begründung von neuen Miteigentumsanteilen an der gemeinsamen Liegenschaft (statt der Übertragung der Liegenschaft in ihr Alleineigentum) und gegen die ihr auferlegte Ausgleichszahlung wendet.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Wirkung eines eingetragenen Veräußerungsverbots nicht berücksichtigt hat. Er ist im Sinne eines Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[9] 1. § 82 Abs 1 Z 3 EheG scheidet alle einem Unternehmen gewidmeten Sachen von der Aufteilung aus. Dazu gehören auch im Miteigentum der ehemaligen Ehegatten stehende Liegenschaften (3 Ob 292/04v mwN). Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, was zu gelten hat, wenn eine gemeinsame Liegenschaft nur teilweise einem Unternehmen gewidmet ist, teilweise hingegen nicht („gemischte Nutzung“).
[10] 1.1. Aus der Entscheidung 8 Ob 569/85 folgt ganz grundsätzlich, dass dann, wenn gemäß § 82 Abs 1 Z 3 EheG Liegenschaften, die zu einem Unternehmen gehören, nicht in die Aufteilung einzubeziehen sind, einzelne Teile solcher Liegenschaften, sofern sie nicht zu einem Unternehmen gehören, in die Aufteilung einbezogen werden können, sollte es sich dabei um eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliches Ersparnis handeln.
[11] Zu 7 Ob 381/97y wurde eine Liegenschaft zur Gänze aus der Aufteilung ausgeschieden, weil sie zum Großteil einem Unternehmen gewidmet war. Eine Eigentumsübertragung hinsichtlich der Ehewohnung an den anderen Teil wurde aus diesem Grund abgelehnt. Allerdings trug dort schon das Rekursgericht dem Erstgericht auf, im fortgesetzten Verfahren eine andere Anordnung nach § 87 Abs 1 EheG bezüglich der Ehewohnung zu treffen und dieses Recht sowie den nicht zum Betrieb gehörigen Teil der Liegenschaft zu bewerten, um allenfalls eine Ausgleichszahlung anordnen zu können.
[12] 1.2. Nach Ansicht von Steininger (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 82 EheG Rz 63) überzeugt ein Abstellen auf ein Überwiegen der Unternehmenswidmung, soweit keine Teilbarkeit gegeben sei. Sei eine Sache überwiegend dem Unternehmen gewidmet, falle sie (zur Gänze) aus der Aufteilungsmasse heraus; eine anteilige Widmung zu Privatzwecken könne dann im Rahmen eines Benachteiligungsausgleichs nach § 91 EheG berücksichtigt werden. Sei dies nicht der Fall, so sei die Sache in die Aufteilungsmasse miteinzubeziehen, wobei eine teilweise Unternehmenswidmung im Rahmen der Billigkeit berücksichtigt werden könne. Bei Teilbarkeit könnten allerdings die zum Unternehmen gehörenden Teile real ausgenommen und nur die nicht zum Unternehmen gehörenden Teile in die Aufteilung miteinbezogen werden.
[13] Eine ähnliche Meinung vertritt mit ausführlicher Begründung auch Oberhumer (Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögensaufteilung [2011] 128 f). Bei teilbaren Sachen wie Liegenschaften, die (überwiegend) zu Unternehmenszwecken gewidmet seien, sollten einzelne Grundstücke in natura aufgeteilt werden, wenn diese zu Nicht-Unternehmenszwecken gewidmet seien. Er verweist aber darauf, dass in einem ersten Schritt zu klären sei, ob das Aufteilungsgericht eine Sache in natura aufteilen könne oder nicht.
[14] 1.3. Diese Ansätze spiegeln sich in der (vom Rekursgericht herangezogenen) Rechtsprechung zu den Fällen, in denen die Ehewohnung auch dem Unternehmen eines Ehegatten dient:
[15] Befindet sich auf einem gemeinsamen Liegenschaftsbesitz sowohl die Ehewohnung als auch ein Hausteil, der zum Unternehmen eines Ehegatten gehört oder seiner Berufsausübung dient, ist letzterer Teil nur dann von der Aufteilung ausgenommen, wenn er von der Ehewohnung eindeutig abgegrenzt ist (RS0057479 [T4]; RS0057727 [insb T3]). In einem solchen Fall entspricht es der Billigkeit, auch den darauf entfallenden Anteil der Verbindlichkeiten als nicht „konnex“ iSd § 82 Abs 1 Z 3 EheG von der Aufteilung auszunehmen (RS0057727 [T4]). Sind hingegen die unternehmerisch genützten Räumlichkeiten keiner Realteilung zugänglich und von der Ehewohnung auch nicht abgrenzbar, unterliegt die gesamte Liegenschaft der nachehelichen Aufteilung (1 Ob 135/17k; 1 Ob 180/18d). Eine eindeutige Abgrenzung von der Ehewohnung wurde für den Fall angenommen, dass an dem Teil des gemeinsam errichteten Hauses, in dem ein Ehegatte seine Ordination betrieb, Wohnungseigentum zu seinen Gunsten begründet war (1 Ob 73/12k). In dem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof auch bereits die Möglichkeit des Gerichts bejaht, iSd § 86 Abs 1 EheG den der Ehewohnung dienenden und damit der Aufteilung unterliegenden Grundstücksteil von einem betrieblich genutzten Teil abzutrennen und einem Ehegatten zuzuweisen (1 Ob 145/11x; 4 Ob 18/99x; vgl auch Garber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 86 EheG Rz 2).
[16] 1.4. Aus all dem ergibt sich zunächst als verallgemeinerungsfähiger Grundsatz, dass jedenfalls dann, wenn eine Realteilung möglich ist, der privat genutzte Teil der Liegenschaft der Aufteilung unterliegt und der unternehmerisch genutzte Teil aus der Aufteilung ausscheidet. 1.4.1. Im Aufteilungsverfahren steht dem Gericht auch die Befugnis zu, Wohnungseigentum zu begründen (§ 3 Abs 1 Z 4 WEG iVm § 86 EheG; Pittl in GeKo Wohnrecht II § 3 WEG Rz 48 ff). Als Sonderform der Naturalteilung (RS0106352) kann die Einräumung von Wohnungseigentum auch herangezogen werden, um einen der Aufteilung unterliegenden von einem unternehmerisch genutzten Liegenschaftsteil eindeutig abzugrenzen. Dabei handelt es sich nicht um eine Realteilung im eigentlichen Sinn, bei der jedem Miteigentümer grundsätzlich Wohnungseigentum entsprechend seinem Anteil einzuräumen ist (RS0101771, näher unten 2.2.). Vielmehr geht es um die Begründung zweier Wohnungseigentumsobjekte, von denen das unternehmerische genutzte mangels Anordnungsbefugnis des Außerstreitgerichts in Form einer Eigentümerpartnerschaft im Miteigentum der Parteien verbleibt, während das andere in die Aufteilungsmasse fällt und einem der Gatten zugewiesen werden kann.
[17] 1.4.2. Ob im vorliegenden Fall die Begründung von Wohnungseigentum in Betracht kommt, um den Wohn- und den Praxistrakt voneinander zu trennen, wurde nicht erörtert und steht auch nicht fest. Aus den knappen Ausführungen des Erstgerichts in seiner rechtlichen Beurteilung, wonach die Parteien im „eindeutig abgrenzbaren“ straßenseitigen Vordertrakt des auf der gemeinsamen Liegenschaft befindlichen Gebäudes jeweils eine Praxis für Psychotherapie betrieben, lässt sich dazu nichts gewinnen, weil völlig unklar bleibt, was mit „eindeutig abgrenzbar“ überhaupt gemeint ist.
[18] Daher muss (vorbehaltlich der Ausführungen zu Punkt 2.) in einem ersten Schritt geklärt werden, ob bei der Liegenschaft durch die Begründung von Wohnungseigentum der unternehmerisch genutzte Teil vom Wohntrakt abgetrennt werden kann.
[19] 1.4.3. Dabei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung die Zulässigkeit (Tunlichkeit) der Teilung ins Wohnungseigentum durch Begründung einer Eigentümerpartnerschaft (und nur diese ist in Bezug auf den unternehmerisch genutzten Liegenschaftsteil denkbar) der Zustimmung der möglichen Eigentümerpartner bedarf (5 Ob 4/09p; RS0124807). Denn die Eigentümerpartnerschaft bildet eine besondere Gemeinschaft innerhalb der Eigentümergemeinschaft, bei der spezielle Regelungen für die Aufhebung und die Veräußerung eines Anteils am Mindestanteil gelten; bisher schlichte Miteigentümer können nicht gegen ihren Willen verpflichtet werden, eine solche gegenüber schlichtem Miteigentum viel enger verbindende Gemeinschaft einzugehen (5 Ob 4/09p mwN).
[20] Diese Rechtsprechung hat sich zwar im Zusammenhang mit der Realteilung im engeren Sinn entwickelt, ihre Begründung erfasst aber auch die hier zu beurteilende Begründung von Wohnungseigentum in einem Aufteilungsverfahren. Da dem Außerstreitgericht in Bezug auf den unternehmerisch genutzten Teil (vorbehaltlich der Erwägungen zu Punkt 1.5.) keine Anordnungsbefugnis zukommt, kann insofern eine Eigentümergemeinschaft nur mit Zustimmung beider Gatten begründet werden.
[21] 1.4.4. Die oben (Punkt 1.4.1.) erwogene Vorgangsweise käme daher nur in Betracht, wenn die beiden Liegenschaftsteile faktisch trennbar sind und die Parteien beim unternehmerisch genutzten Teil der Begründung einer Eigentümerpartnerschaft zustimmen. Eine Teilbarkeit in diesem Sinn hätte zur Konsequenz, dass das privat genutzte Wohnungseigentumsobjekt der Aufteilung und daher grundsätzlich der Anordnungsbefugnis des Außerstreitgerichts unterläge, das unternehmerisch genutzte Wohnungseigentumsobjekt hingegen nicht, sodass insofern eine Eigentumspartnerschaft der ehemaligen Ehegatten (§ 13 WEG) bestehen bliebe.
[22] 1.4.5. Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, dass die auf die Liegenschaft bezogenen Schulden und der zur Finanzierung abgeschlossene Tilgungsträger das Schicksal der Liegenschaft teilen, also (allenfalls aliquot) in die Aufteilungsmasse einzubeziehen oder aber als nicht „konnex“ iSd § 82 Abs 1 Z 3 EheG auszuscheiden sind, wovon bereits die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen sind.
[23] 1.5. Sollte hingegen eine Begründung von Wohnungseigentum nicht möglich sein, wäre in einem zweiten Schritt zu fragen, ob die dann unteilbare – teils privat, teils unternehmerisch genutzte – Liegenschaft zur Gänze in die Aufteilungsmasse fällt oder nicht. Das ist nach dem Überwiegen der Widmung zu beurteilen (vgl 7 Ob 381/97y). Dabei ist nicht allein auf den Flächenanteil des Wohn- gegenüber dem Praxistrakt abzustellen, sondern ist im Sinn eines „beweglichen Systems“ insbesondere auch die wirtschaftliche Bedeutung der unterschiedlichen Verwendungszwecke zu veranschlagen (vgl Oberhumer, Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögensaufteilung [2011] 128 f).
[24] Zu beachten ist in dem Zusammenhang, dass es sich bei der im Hälfteeigentum der Eheleute stehenden Liegenschaft nicht um die Ehewohnung, sondern (nach dem Vorbringen des Mannes) um eheliche Ersparnisse handelt (vgl RS0057809). Die auf die Ehewohnung zugeschnittene Rechtsprechung, hinter der auch die Sonderbestimmungen über die Anordnungsbefugnisse des Gerichts nach §§ 87 und 88 EheG stehen, lässt sich nicht ohne Weiteres auf eheliche Ersparnisse übertragen, denen anders als der Ehewohnung keine Sonderstellung im Aufteilungsverfahren zukommt. Die Wertung, dass mangels eindeutiger Abgrenzung das Haus die Qualifikation als Ehewohnung nicht verliert, wenngleich es zum Teil auch dem Unternehmen eines Ehegatten dient (so RS0057727 [T5]), gilt hier daher nicht sinngemäß. Oberhumer (Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögensaufteilung [2011] 130) meint vielmehr, dass der Schutzzweck des § 82 Abs 1 Z 3 EheG im Zweifel eher für die Ausnahme einer Sache spreche. Das ergibt sich außerhalb des Sonderfalls Ehewohnung (vgl auch § 82 Abs 2 EheG) aus einem Umkehrschluss zum Grundsatz, dass der Zweck der Vorschrift des § 82 Abs 1 Z 3 EheG, nämlich die tunlichste Erhaltung von Unternehmen, eine einschränkende Auslegung verbietet (RS0057534).
[25] Je nach Zugehörigkeit der gesamten Liegenschaft zur Aufteilungsmasse oder zum Ausnahmetatbestand kann der Anteil, der für die Einordnung nicht ausschlaggebend ist, unter Umständen im Rahmen der Billigkeit bzw nach § 91 EheG zu berücksichtigen sein.
[26] Die bislang getroffenen Feststellungen lassen auch dahingehend keine abschließende Beurteilung zu.
[27] 1.6. Dagegen ist die Vorgangsweise der Vorinstanzen, der Frau zusätzlich zu den bereits ihr gehörigen Anteilen 305/1000‑Anteile des Mannes an der Liegenschaft zuzuweisen, nicht haltbar:
[28] 1.6.1. Die Entscheidung 7 Ob 533/92, nach der der (von einem oder beiden Ehegatten) unternehmerisch genützte Anteil an der gemeinsamen Liegenschaft im gemeinsamen Eigentum bleibt, auch wenn dem Ehegatten, der das Unternehmen führt, auch der Liegenschaftsanteil seines früheren Partners am Wohnteil zugesprochen wird, scheint zwar dafür zu sprechen, dass in einem solchen Fall auch die Übertragung einzelner Miteigentumsanteile in Betracht kommt, sodass eine zwischen den Ehegatten bereits bestehende Miteigentumsgemeinschaft mit anderen Anteilen fortgeführt wird (vgl zu dieser Option ganz grundsätzlich Guggenberger, Die Ehewohnung in der nachehelichen Vermögensaufteilung [2019] 115 [Fn 672]; Jesser-Huß in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 87 EheG Rz 12). Der Oberste Gerichtshof hat aber schon in der Entscheidung 3 Ob 292/04v (anknüpfend an 7 Ob 509/94) die Frage aufgeworfen, wenn auch letztlich offen gelassen, „ob dann, wenn die Ehewohnung nur einen Teil der Gesamtnutzung einer unbeweglichen Sache bildet, nur das Benützungsrecht oder auch das Grundeigentum einzubeziehen ist“. Die Einräumung bloß eines Benützungsrechts liegt nahe, wenn die Liegenschaft zwar nicht real geteilt werden kann, aber die Abtrennung der unternehmerisch genutzten Räumlichkeiten von der Ehewohnung dennoch technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist (vgl 7 Ob 546/82 [unveröff]).
[29] 1.6.2. Die Beibehaltung des Miteigentums an einer gemeinsamen Liegenschaft mit veränderten Anteilen stellt grundsätzlich kein probates Mittel dar, um die zukünftigen Lebensbereiche der ehemaligen Ehegatten zu trennen und eine spätere Auseinandersetzung im Rahmen einer Teilungsklage zu verhindern. Die Bestimmung des § 84 EheG steht zwar der Beibehaltung des Miteigentums an einer gemeinsamen Liegenschaft nicht entgegen, die von den Ehegatten offenbar nicht benutzt wird und die auch keine besonderen Verwaltungsmaßnahmen erfordert (3 Ob 541/88 = EFSlg 60.409). Aus einer Verschiebung bloßer Miteigentumsanteile zugunsten des einen und zulasten des anderen Miteigentümers – ohne Schaffung rechtlich selbständiger Objekte, durch die die (hier relevante) Trennung eines unternehmerisch und eines privat genutzten Liegenschaftsteils auch nach außen tritt – ist aber kein (weiterer) Vorteil für die Beteiligten zu erkennen. Soweit aus der Entscheidung 7 Ob 533/92 etwas anderes abgeleitet werden könnte, wird diese Schlussfolgerung abgelehnt.
[30] 2. Abgesehen davonstellt sich im vorliegenden Fall aber das (von den Vorinstanzen nicht bedachte) Sonderproblem, dass auf der Liegenschaft zugunsten der Mutter der Frau (zu C-Ln 6a) ein Veräußerungsverbotverbüchert ist. Es ist zu prüfen, inwieweit es den oben (Punkt 1) erwogenen Vorgangsweisen entgegensteht.
[31] 2.1. Ein solches, auf § 364c ABGB gegründetes Verbot hindert grundsätzlich jede Übertragung der Sache (RS0010742). Dies gilt sowohl für den Fall eines in einem Verfahren zur nachehelichen Vermögensaufteilung ohne Zustimmung des Verbotsberechtigten geschlossenen Vergleichs (5 Ob 2171/96t) als auch dann, wenn die Übertragung in das Alleineigentum des anderen Ehegatten mangels Einigung der Eheleute der gerichtlichen Entscheidung im Aufteilungsverfahren vorbehalten bleiben soll (2 Ob 25/10f; Stabentheiner/Pierer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 86 EheG Rz 11). In dem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass dem Verbotsberechtigten, um seine Rechte zu wahren, im Aufteilungsverfahren Parteistellung (§ 2 Abs 1 Z 3 AußStrG) eingeräumt werden muss (2 Ob 25/10f mwN; Hopf/Kathrein, Eherecht3 § 86 EheG Rz 5).
[32] 2.2. Nach der Rechtsprechung steht ein zugunsten einer Dritten auf jedem Hälfteanteil einverleibtes Veräußerungs- und Belastungsverbot einer Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum nicht entgegen, weil bei der Begründung von Wohnungseigentum die Miteigentumsgemeinschaft nicht aufgehoben, sondern nur in anderer Form fortgesetzt wird (RS0101771 [T6]). Zufolge § 847 ABGB bleibt diese Last nach der Begründung von Wohnungseigentum auf den mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteilen der Teilhaber bestehen (5 Ob 138/18g).
[33] Eine Realteilung im engeren Sinn kann vorgenommen werden, wenn sie rechtlich wie faktisch möglich und tunlich ist. Nach der Rechtsprechung ist Realteilung regelmäßig dann möglich und tunlich, wenn die Sache (physisch bzw im Rechtssinn) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache zu einer wesentlichen Wertminderung käme und die Sache zwischen den Teilhabern so aufgeteilt werden kann, dass die entstehenden Teile den Anteilen etwa gleichwertig und diese annähernd gleich beschaffen sind, ohne dass ein unverhältnismäßiger Wertausgleich notwendig wird (RS0013852; RS0013854; RS0013831; RS0106352 uva). Geringfügige Umbaukosten schließen die Begründung von Wohnungseigentum nicht aus (5 Ob 209/98x; RS0013865 [T2, T3, T7]).
[34] Die Zuweisung des Wohnungseigentums am Wohntrakt bei Beibehaltung der Eigentumspartnerschaft an dem (nicht der Aufteilung unterliegenden) Praxistrakt an die Frau geht aber über eine solche Realteilung hinaus und bedürfte im Sinn der Entscheidung 2 Ob 25/10f einer Zustimmung der Verbotsberechtigten, um nicht den Verbotszweck („Veräußerung der Liegenschaft nur mit Zustimmung der Verbotsberechtigten“; vgl RS0010740) zu konterkarieren. Dabei ist zu beachten, dass die Zustimmung der Verbotsberechtigten zur Übertragung „vorbehaltlich der Aufrechterhaltung des Verbots“ nach herrschender Auffassung nicht möglich ist (RS0015101) und die uneingeschränkte Zustimmung zum Erlöschen des Verbots führen würde (RS0010805 [T2 und T3]).
[35] 2.3. Das Veräußerungsverbot und die sich daraus ergebenden Konsequenzen werden im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern sein:
[36] Sollte die Mutter auf ihr Veräußerungsverbot verzichten, wäre wie unter Punkt 1. dargestellt vorzugehen.
[37] Sollte die Mutter hingegen nicht verzichten, wäredas Gericht nicht befugt, einem der Miteigentümer die Miteigentumsanteile des anderen an der Liegenschaft (auch nur zum Teil) zu übertragen, soweit damit die Grenzen der Realteilung überschritten würden. Die Liegenschaft wäre daher im Miteigentum der ehemaligen Ehegatten zu belassen.
[38] 3. Als rechtsfehlerfrei erweist sich demgegenüber die Auffassung der Vorinstanzen, dass in einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die durch den Verzicht der Mutter herbeigeführte Wertsteigerung der Ehewohnung angemessen zu berücksichtigen ist.
[39] Weder liegt die in diesem Zusammenhang von der Rechtsmittelwerberin gerügte Aktenwidrigkeit vor, noch ist das Rekursgericht unzulässiger Weise von den Feststellungen abgewichen, nach denen die Mutter der Frau im Gegenzug für ein Wohnrecht an der im Hälfteeigentum der Eheleute stehenden Liegenschaft auf ihr Wohnrecht und das Veräußerungs- und Belastungsverbot auf der Liegenschaft der Frau verzichtete. Vielmehr steht seine Schlussfolgerung, dass die Formulierung „im Schenkungsweg“ im Notariatsakt nichts daran ändere, dass die Mutter in diesem Vertrag auf ihre bücherlichen Rechte an der einen Liegenschaft nur im Abtausch gegen die Einräumung von Rechten an der anderen Liegenschaft verzichtet habe, im Einklang mit den erstinstanzlichen Feststellungen. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass die Frau im erstinstanzlichen Verfahren auch nie bestritten hat, dass die beiden Rechtsgeschäfte in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Die Ausführungen der Rechtsmittelwerberin zu einem vermeintlichen Motivirrtum des Mannes gehen am Thema vorbei, stützt sich der Mann ja nicht auf eine allfällige Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte gegenüber der Frau oder ihrer Mutter. Aus der einen anders gelagerten Sachverhalt betreffenden Entscheidung 2 Ob 290/98f, nach der während der Ehe zu Gunsten des anderen Teils einverleibte bücherliche Rechte nicht bereinigt werden können, wenn die davon betroffene Liegenschaft nicht der Aufteilung unterliegt, ist, wie bereits das Rekursgericht festgehalten hat, für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen. Der Einwand der Frau, ihrer Mutter sei das Wohnungsrecht an der gemeinsamen Liegenschaft geschenkt worden, sodass dem Mann dafür nachträglich keine Ausgleichszahlung zustehe, ist somit nicht stichhältig.
[40] 4. Ungeachtet dessen ist eine gänzlicheAufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzengeboten. Auch wenn die Frau nur die Ausgleichszahlung und die Übertragung der Miteigentumsanteile anficht, stehen doch die übrigen Anordnungen des Erstgerichts damit in einem untrennbaren Zusammenhang, sodass keine Teilrechtskraft eintreten konnte (vgl RS0007209).
[41] Das Erstgericht wird die Verbotsberechtigte dem fortgesetzten Verfahren beizuziehen haben, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich ist. Es wird überdies mit sämtlichen Parteien die dargestellte Sach- und Rechtslage zu erörtern und sodann erneut über den Aufteilungsantrag zu entscheiden haben.
5. Die diese Entscheidung tragenden Grundsätze können wie folgt zusammengefasst werden :
[42] 5.1. Bei teils privat, teils unternehmerisch genutzten Liegenschaften ist im Aufteilungsverfahren vorzugsweise eine Realteilung, allenfalls auch durch Begründung von Wohnungseigentum, vorzunehmen, damit der als eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnis der Aufteilung unterliegende Teil einem der Ehegatten zugewiesen werden kann. Bei Unmöglichkeit und Untunlichkeit einer Realteilung entscheidet im Sinn eines beweglichen Systems das Überwiegen der Widmung, ob eine Liegenschaft mit gemischter Nutzung zur Gänze in die Aufteilungsmasse fällt oder nicht. Dabei spricht – außerhalb des Sonderfalls Ehewohnung – der Schutzzweck des § 82 Abs 1 Z 3 EheG im Zweifel für die Ausnahme einer Sache. Je nachdem kann ein Ausgleich im Rahmen der Billigkeit bzw § 91 EheG geboten sein. Die auf die Liegenschaft bezogenen Schulden und die zu ihrer Finanzierung abgeschlossenen Tilgungsträger teilen grundsätzlich das Schicksal der Liegenschaft.
[43] 5.2. Ein zugunsten eines Dritten auf einer im Miteigentum der Gatten stehenden Liegenschaft eingetragenes Veräußerungsverbot (§ 364c ABGB) hindert im Aufteilungsverfahrennicht eine – allenfalls auch mit geringfügigen Anteilsverschiebungen verbundene – Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum. Eine über eine solche Realteilung hinausgehende Verschiebung von Anteilen (etwa durch Zuweisung eines Wohnungseigentumsobjekts an einen der Gatten) bedarf aber der Zustimmung des Verbotsberechtigten.
[44] 6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG.
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