OGH 1Ob73/12k

OGH1Ob73/12k1.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. F***** P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, gegen die Antragsgegnerin U***** L*****, vertreten durch Dr. Armin Grünbart, Rechtsanwalt in Ried, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 7. März 2012, GZ 21 R 60/12s‑236, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gmunden vom 30. Dezember 2011, GZ 1 C 176/04k‑229, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Oberster Grundsatz bei der Aufteilung der Vermögenswerte nach den §§ 81 ff EheG ist die Billigkeit (RIS‑Justiz RS0079235 [T1]). Ob eine von den Vorinstanzen auferlegte Ausgleichszahlung diesem Grundsatz entspricht, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls und begründet damit, außer bei grober Fehlbeurteilung, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0115637). Die Entscheidung des Rekursgerichts lässt keine solche Fehlbeurteilung erkennen.

Zum Revisionsrekurs der Antragsgegnerin:

Nach § 81 Abs 3 EheG sind eheliche Ersparnisse Wertanlagen, gleich welcher Art, die die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelt haben und die ihrer Art nach, dh nach der Verkehrsauffassung für eine Verwertung bestimmt sind (RIS‑Justiz RS0057792; RS0057524; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR § 81 EheG Rz 24; Koch in KBB³ § 81 EheG Rz 7). Dabei ist nicht die subjektive Widmung während aufrechter Ehe entscheidend, sondern ein objektiver Maßstab (RIS‑Justiz RS0057524). Demgegenüber hat die Antragstellerin ausschließlich ihre subjektive, in diesem Zusammenhang aber unbeachtliche Vorstellung vor Augen, wenn sie sich gegen die Einbeziehung der von ihr mit ehelichen Ersparnissen erworbenen Liegenschaft in die Aufteilungsmasse wendet, weil diese niemals zur Verwertung, sondern lediglich zur Befriedigung ihres Wohnbedarfs bestimmt gewesen sei.

Zum Revisionsrekurs des Antragstellers:

1.1 Der Aufteilung unterliegt die eheliche Errungenschaft, dass heißt das, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben (RIS‑Justiz RS0057486). Der Wert des Aufteilungsvermögens vermindert sich durch Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen („konnexe Schulden“; § 81 Abs 1 Satz 2 EheG). Daher sind nur jene Verbindlichkeiten in Anschlag zu bringen, die zur Herstellung, Anschaffung, Instandhaltung oder Verbesserung von der Aufteilung unterliegenden Gegenständen eingegangen wurden (vgl Koch aaO Rz 8; RIS‑Justiz RS0057635).

1.2 Von der Aufteilung auszuscheiden sind alle Sachen, die zu einem Unternehmen gehören (§ 82 Abs 1 Z 3 EheG; RIS‑Justiz RS0057528). Kredite, die der Finanzierung von zu Unternehmen gehörigen Sachen dienten, sind mit von der Aufteilung ausgenommen (zutr Gitschthaler, Aufteilung (2009] Rz 198). Auch eine Arztpraxis ist, wie schon das Erstgericht darlegte, ein Unternehmen iSd § 82 Abs 1 Z 3 EheG (RIS‑Justiz RS0057772; zuletzt 3 Ob 122/04v = SZ 2005/62; Deixler‑Hübner aaO § 82 EheG Rz 16).

1.3 Befinden sich auf einer gemeinsamen Liegenschaft sowohl die Ehewohnung wie auch ein Hausteil, der zum Unternehmen eines Ehegatten gehört oder seiner Berufsausübung dient, dann ist letzterer Teil der Liegenschaft von der Aufteilung ausgenommen, wenn er von der Ehewohnung eindeutig abgegrenzt ist (7 Ob 533/92 = EvBl 1992/157 ua; RIS‑Justiz RS0057727; 1 Ob 94/99a). Das ist hier der Fall, weil an dem Teil des gemeinsam errichteten Hauses, in dem der Antragsteller seine Ordination betreibt, Wohnungseigentum zu seinen Gunsten begründet ist. Unterliegt dieser Teil des Hauses nicht der Aufteilung, entspricht es der Billigkeit, den darauf entfallenden Anteil der Verbindlichkeiten als nicht „konnex“ iSd § 82 Abs 1 Z 3 EheG von der Aufteilung auszunehmen. Die Ansicht des Rekursgerichts, der dem Verhältnis der Ordinationsräumlichkeiten zum Gesamtobjekt entsprechende Anteil an den zur Errichtung des Hauses aufgenommenen Bauspardarlehen sei als unternehmensbezogene Verbindlichkeit nicht in die Aufteilung einzubeziehen, ist damit nicht korrekturbedürftig.

2. Richtig ist, dass die dem Antragsteller nach dem Aufteilungsstichtag für davor liegende Zeiträume auferlegte Einkommenssteuernachzahlung von 5.399,59 EUR nicht schon allein aus diesem Grund bzw „wegen des Zusammenhangs mit dem Betrieb des Antragstellers als Arzt“, wie das Rekursgericht meint, bei der Ermittlung der Aufteilungsmasse nicht zu berücksichtigen wäre. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Verpflichtung zu einer Steuernachzahlung nach Maßgabe des § 81 Abs 1 letzter Satz EheG als Schuld in Anschlag gebracht werden kann, wenn die Anschaffung des aufzuteilenden Gebrauchsvermögens oder die Ansammlung der aufzuteilenden Ersparnisse dadurch ermöglicht oder zumindest erleichtert wurde, dass Steuern nicht dem Gesetz entsprechend abgeführt wurden (3 Ob 541/88 = EvBl 1989/166 ua; RIS‑Justiz RS0057633). Dass dies der Fall gewesen wäre, hat der Antragsteller im Verfahren erster Instanz aber gar nicht geltend gemacht. Soweit er erstmals im außerordentlichen Rechtsmittel ein Vorbringen erstattet, das in diese Richtung weist, liegt eine unzulässige Neuerung vor.

3. Nach § 91 EheG ist der Wert des Fehlenden in die Aufteilung miteinzubeziehen, wenn ein Ehepartner frühestens zwei Jahre vor Einbringung der Klage auf Auflösung der Ehe oder, wenn dies davor geschah, vor Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft Gebrauchsvermögen oder Ersparnisse ohne Zustimmung des anderen in einer Weise verringert hat, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse während der ehelichen Lebensgemeinschaft widerspricht. Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung auch für eine solche Verringerung ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse, die erst nach der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft stattfindet (RIS‑Justiz RS0057933). Das Rekursgericht hat den von der Antragsgegnerin nach dem Aufteilungsstichtag eigenmächtig behobenen Betrag von 23.255,31 EUR der Aufteilungsmasse nicht hinzugerechnet, weil auch der Antragsteller ‑ vor Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft, aber innerhalb der Frist des § 91 EheG ‑ einen Betrag in etwa derselben Höhe behoben hatte. In Anbetracht des außer Streit stehenden Aufteilungsschlüssels von 1 : 1 entspricht das dadurch erzielte Ergebnis rechnerisch einer Hinzurechnung beider Entnahmen zur Aufteilungsmasse und damit der Zielsetzung des § 91 EheG. Dass der Antragsteller nach den Feststellungen einen Betrag von „annähernd gleicher Höhe“ entnommen hat, steht der vom Rekursgericht gewählten Lösung schon deshalb nicht entgegen, weil eine Ausgleichszahlung grundsätzlich nicht mit (scheinbar) mathematischer Genauigkeit festzusetzen ist (5 Ob 221/10a = RIS‑Justiz RS0113732 [T4]; vgl RS0057596).

4. Der erkennende Senat hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Ablauf der Frist des § 95 EheG einer Aufteilungsentscheidung nur insoweit entgegensteht, als es um die Zuweisung von Vermögensgegenständen geht, die nicht innerhalb der Jahresfrist zum Gegenstand eines darauf abzielenden Antrags gemacht wurden (1 Ob 158/08d = iFamZ 2009/84, 107 [Deixler-Hübner]; 1 Ob 26/11x = iFamZ 2011/123, 165 [Deixler-Hübner]; 1 Ob 57/11f = NZ 2011/120, 365 [zust Hoyer] = JBl 2011, 715 [Fucik]; 1 Ob 32/12f = EF‑Z 2012/106, 167 [Gitschthaler]). Geht es, wie hier, hingegen lediglich um die Ausgleichszahlung, ist grundsätzlich das gesamte nach den §§ 81 f EheG der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen. Das verkennt der Antragsteller, wenn er sich mit der Behauptung der Verfristung gegen die Berücksichtigung einer der Antragsgegnerin zugewiesenen Kreditschuld als eheliche Verbindlichkeit wendet.

Da die Streitteile somit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen, sind ihre außerordentlichen Revisionsrekurse zurückzuweisen.

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