AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W112.2248801.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch RA Mag. Thomas KLEIN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2021, GZ XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.07.2023, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 Abs. 2 Z 2, Abs. 4, 8 Abs. 1 Z 2, 10 Abs. 1 Z 4, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 3, Abs. 9, 53 Abs. 3 Z 5, 55 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass das Einreiseverbot mit fünf Jahren befristet wird.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer reiste am 29.10.2004 mit XXXX Jahren mit seinen Eltern und seinem Bruder ins Bundesgebiet ein und stellte am 30.10.2004 einen Asylantrag.
In der Einvernahme am 04.11.2004 gab die Mutter des Beschwerdeführers an, dass der Vater des Beschwerdeführers im Dezember 2000 mitgenommen und gegen Geldzahlung freigelassen worden sei, ein weiteres Mal mitgenommen worden und vier Wochen im Gefängnis gewesen sei und 2002 mitgenommen, in einem unbekannten Gefängnis angehalten und nach zwei Wochen zusammengeschlagen auf der Straße gefunden worden sei. Sie wisse nicht, warum der Vater des Beschwerdeführers mitgenommen worden sei. Tschetschenen werden in ganz RUSSLAND verfolgt, es sei derzeit nicht möglich, sich als Tschetschene in einem anderen Teil der RUSSISCHEN FÖDERATION niederzulassen. Das seien alle ihre Fluchtgründe. Für ihre Kinder gelten dieselben Fluchtgründe.
Der Vater des Beschwerdeführers gab in der Einvernahme am 01.02.2005 an, am 30.12.2000 von russischen Soldaten verhaftet und drei Monate lang inhaftiert worden zu sein. Am 01.03.2002 sei er wieder von russischen Soldaten verhaftet worden, er sei einen Monat lang inhaftiert worden. Am 06.08.2004 sei er wieder von russischen Soldaten verhaftet und zwei Wochen inhaftiert worden. Er habe keine Kraft mehr gehabt, die Situation im Heimatland zu ertragen. Er sei seit seiner ersten Verhaftung im Jahr 2000 ständig damit bedroht worden, dass er getötet werde. Er sei bei jeder Verhaftung geschlagen und gefragt worden, wo MASCHADOV sei und wo sich die Kämpfer aufhalten. Er sei Wächter gewesen und habe Regierungsgebäude bewacht. Er habe keine Waffe getragen. Er habe auf die allgemeinen Ordnung im Gebäude geachtet, darauf, dass nichts am Boden liegt und Personen bestimmte Areale nicht betreten. Er habe einen Gummiknüppel und ein Funkgerät gehabt. Er habe nicht gekämpft. Er sei nicht die persönliche Wache des ehemaligen Präsidenten gewesen. Er habe vor dem Krieg als Wächter aufgehört. Während des Krieges habe er seinen Freunden geholfen. Er habe nicht gekämpft, sondern seinen Freunden Nahrungsmitteln gebracht. Sie seien nicht früher ausgereist, weil sie das Geld für die Flucht nicht beisammengehabt haben. Im Falle der Rückkehr nehme er an, dass er von russischen Soldaten der Spezialeinheit getötet werde. Er sei ein Patriot und könne nicht in einem anderen Teil der RUSSISCHEN FÖDERATION leben. Er würde als Patriot verhaftet werden. Die Tschetschenen, die in Russland leben, seien den Russen gegenüber loyal.
Mit Bescheid vom 14.02.2005 gab das Bundesasylamt dem Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 statt und stellte gemäß § 12 AsylG 1997 fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Im Aktenvermerk vom 14.02.2005 hielt das Bundesasylamt dazu fest, dass der Beschwerdeführer durch seine gesetzliche Vertretung glaubhaft machte, dass er der tschetschenischen Volksgruppe angehöre und ihm wegen der glaubhaften Verfolgungen seiner Eltern im Heimatland im Falle einer Rückkehr Verfolgung iSd GFK drohe.
1.2. Am XXXX kam XXXX als Tochter des Beschwerdeführers und von XXXX in XXXX zur Welt. Mit Bescheid vom 08.02.2017 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) ihrem Antrag auf internationalen Schutz statt und erkannte ihr im Familienverfahren nach dem Beschwerdeführer den Status der Asylberechtigten zu.
Am 20.03.2017 heiratete der Beschwerdeführer im Standesamt XXXX XXXX , eine russische Staatsangehörige, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, geboren in GROSNY, Religionsbekenntnis Islam. Mit Bescheid vom 29.10.2003 hatte das Bundesasylamt dem Asylerstreckungsantrag von XXXX gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 stattgegeben, und ihr im Wege der Erstreckung nach ihrem Vater XXXX Asyl zuerkannt und gemäß § 12 festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Am XXXX kamen XXXX und XXXX als Töchter des Beschwerdeführers und von XXXX in XXXX zur Welt. Mit Bescheiden vom 09.10.2018 gab das Bundesamt ihren Anträgen auf internationalen Schutz statt und erkannte ihnen im Familienverfahren nach dem Beschwerdeführer den Status von Asylberechtigten zu.
1.3. Am 20.03.2019 wurde der Beschwerdeführer, der damals XXXX Jahre alt war, festgenommen und ab 22.03.2019 in die Justizanstalt XXXX - XXXX angehalten. Am 24.03.2019 wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt.
Die Staatsanwaltschaft XXXX erhob am 09.09.2019 gegen den Beschwerdeführer, XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX Anklage. Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 1 und Z 2, 130 Abs. 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 zweiter Fall StGB begangen zu haben.
Am 22.11.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft entlassen.
Am 09.12.2019 erhob die Staatsanwaltschaft XXXX gegen den Beschwerdeführer, XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX Anklage. Der Beschwerdeführer sei Mitglied in einer kriminellen Vereinigung und habe die Verbrechen des teils versuchten schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB sowie die Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, der Urkundenunterdrückung nach § 339 Abs. 1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB begangen.
1.4. Am 13.09.2019 leitete das Bundesamt ein Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ein.
1.5. Mit Beschluss vom 16.01.2020 nahm der Oberste Gerichtshof dem Landesgericht für Strafsachen WIEN das Verfahren ab und delegierte es an das Landesgericht für Strafsachen XXXX .
Am 02.07.2020 verurteilte das Landesgericht für Strafsachen XXXX den Beschwerdeführer als Schöffengericht nach einer mehrtätigen mündlichen Verhandlung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Dazu sprach es den Beschwerdeführer betreffend v.a. aus:
„ XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX sind schuldig,
es haben in XXXX
A) XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, nämlich eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung mehrere Verbrechen, nämlich Raubüberfälle auf Taxifahrer und Tankstellen ausgeführt werden, unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung, und zwar
I. den nachgenannten Personen teils mit Gewalt gegen eine Person, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), teils unter Verwendung einer Waffe, die nachangeführten fremden beweglichen Sachen mit dem Vorsatz teils weggenommen oder abgenötigt, teils wegzunehmen oder abzunötigen versucht, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1. XXXX am 30. November 2018 in XXXX dem Geldboten der A1-TANKSTELLE XXXX , XXXX , Bargeld in der Höhe von 14.326,78 Euro sowie einen Regenschirm im Wert von 9,99 Euro, indem er dem Genannten mehrere Faustschläge gegen die linke Schulter sowie den Hinterkopf versetzte, wodurch dieser zu Boden stürzte, und ihm in der Folge einen Stoffsack, in welchem sich die angeführte Raubbeute befand, entriss,
2. XXXX am 13. Februar 2019 in XXXX der Angestellten der ENI-TANKSTELLE XXXX , XXXX , Bargeld in der Höhe von 1.623 Euro sowie Süßigkeiten und Getränke im Gesamtwert von 11,04 Euro, indem er mit den Worten „Geld! Hände hoch! Geld raus!“ eine Gas-Alarmpistole gegen die Genannte richtete und die Waffe repetierte, woraufhin diese die Kassa öffnete, aus welcher er sodann das angeführte Bargeld und in der Folge aus einem Verkaufspult die angeführten Süßigkeiten und Getränke entnahm,
3. XXXX und XXXX am 18. März 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken dem Taxifahrer XXXX Bargeld in der Höhe von 350 Euro, indem XXXX eine Gas-Alarmpistole dem Genannten an den Kopf ansetzte und beide Angeklagten von ihm Geld forderten, woraufhin XXXX eine Geldbörse, in welcher sich die angeführte Raubbeute befand, an XXXX aushändigte,
4. XXXX und XXXX am 19. März 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken unter Verwendung einer Gas-Alarmpistole, welche XXXX mit sich führte, dem Taxifahrer XXXX Bargeld in unbekannter Höhe, indem sie dem Genannten am Tatort, zu welchem sie ihn zuvor über die Taxizentrale bestellt hatten, auflauerten, wobei es aufgrund des Umstandes, dass sie beim Eintreffen des Taxifahrzeuges in dessen Scheinwerferlicht gerieten und sich entdeckt wähnten, weshalb sie die Flucht ergriffen, beim Versuch blieb,
5. XXXX und XXXX am 19. März 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken dem Taxifahrer XXXX Bargeld in der Höhe von insgesamt ca. 170 Euro, indem XXXX eine Gas-Alarmpistole gegen den Genannten richtete und XXXX zu ihm sagte „Motor aus! Geldtasche her!“, woraufhin XXXX eine Geldbörse, in welcher sich die angeführte Raubbeute befand, an XXXX aushändigte, welcher sie daraufhin an XXXX weitergab und
6. XXXX und XXXX am 20. März 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken dem Taxifahrer XXXX Bargeld in der Höhe von insgesamt 325 Euro, indem XXXX mit den Worten „Geld her! Brieftasche her!“ eine Gas-Alarmpistole gegen den Genannten richtete, woraufhin dieser ihnen die angeführte Raubbeute aushändigte
II. in Kenntnis des Tatplanes und der Tatmodalitäten zur Ausführung der nachangeführten strafbaren Handlungen beigetragen, und zwar
1. am 30. November 2018 in XXXX zur Ausführung des zu A.I.1. geschilderten, von XXXX verübten Raubüberfalls auf den Geldboten der A1-TANKSTELLE XXXX , XXXX , und zwar
a) XXXX , indem er während der Tatausführung auf XXXX wartete und diesen samt der Raubbeute nach der Tat zur schnelleren Flucht vom Tatort in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufnahm, und
b) XXXX , indem er XXXX für die Durchführung des Raubüberfalls hilfreiche Informationen über die Tatörtlichkeit und die zeitliche Abfolge des Geldtransportes mitteilte und ihm schließlich den Geldboten auf der Straße zeigte,
2. am 13. Februar 2019 in XXXX zur Ausführung des zu A.I.2. geschilderten, von XXXX verübten Raubüberfalls auf die ENI-TANKSTELLE XXXX , und zwar
a) XXXX , indem er XXXX mit seinem Fahrzeug zum Tatort chauffierte und dort während der Tatausführung Aufpasserdienste leistete, und
b) XXXX , indem er XXXX für die Durchführung des Raubüberfalls hilfreiche Informationen über die räumliche Aufteilung der Tankstelle mitteilte, XXXX als Fahrer zum Tatort organisierte und ihm seine Wohnung als Fluchtmöglichkeit zur Verfügung stellte,
3. XXXX , indem er die unmittelbaren Täter XXXX und XXXX teilweise in ihrem Entschluss zur Tatausführung bestärkte sowie sie bei Auskundschaftung der Tatorte und zu den Tatorten chauffierte, wo er während der Tatausführung auf sie wartete, um sie tatplangemäß samt der Raubbeute nach den Taten zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, und zwar
a) am 18. März 2019 in XXXX zur Ausführung des zu A.I.3. geschilderten Raubüberfalls auf den Taxifahrer XXXX ,
b) am 19. März 2019 in XXXX zur Ausführung des zu A.I.4. geschilderten versuchten Raubüberfalls auf den Taxifahrer XXXX ,
c) am 19. März 2019 in XXXX zur Ausführung des zu A.I.5. geschilderten Raubüberfalls auf den Taxifahrer XXXX und
d) am 20. März 2019 in XXXX zur Ausführung des zu A.I.6. geschilderten Raubüberfalls auf den Taxifahrer XXXX ;
B) XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, nämlich eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung mehrere Verbrechen, nämlich Raubüberfälle auf Taxifahrer, Tankstellen, Supermärkte und Sportwettlokale ausgeführt werden, unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung, und zwar
I. den nachgenannten Personen teils mit Gewalt gegen eine Person, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), teils unter Verwendung einer Waffe, die nachangeführten fremden beweglichen Sachen mit dem Vorsatz teils weggenommen oder abgenötigt, teils wegzunehmen oder abzunötigen versucht, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1. XXXX am 16. Jänner 2019 in XXXX dem Taxifahrer XXXX Bargeld in der Höhe von ca. 320 Euro sowie eine Kellnergeldbörse im Wert von ca. 30 Euro, indem er mit den Worten „Her mit dem Geld!“ eine Schreckschusspistole gegen den Genannten richtete, die Waffe repetierte und dem Genannten an den Hals ansetzte, worauf ihm dieser die angeführte Raubbeute aushändigte,
2. XXXX am 19. Jänner 2019 in XXXX dem Taxifahrer XXXX Bargeld in der Höhe von ca. 120 Euro sowie eine Kellnergeldbörse im Wert von ca. 30 Euro, indem er mit den Worten „Geld her!“ eine Schreckschusspistole, die er zuvor von XXXX erhalten hatte, repetierte und dem Genannten an den Hals ansetzte, worauf ihm dieser die angeführte Raubbeute aushändigte,
3. XXXX und XXXX am 1. Februar 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken der Angestellten des PENNY-MARKTES XXXX , XXXX , Bargeld in der Höhe von 3.527,18 Euro, indem XXXX mit den Worten „Kassa, Kassa!“ eine Schreckschusspistole gegen die Genannte richtete, ihr sodann am Rücken ansetzte, die Waffe repetierte und die Genannte derart in den Kassenbereich drängte, worauf sie in der Folge die angeführte Raubbeute aus der zuvor von XXXX geöffneten Kassa entnahmen,
4. XXXX am 10. Februar 2019 in XXXX der Taxifahrerin XXXX Bargeld in unbekannter Höhe, indem er der Genannten mit den Worten „Und jetzt gib deine Geldtasche her!“ eine Schreckschusspistole an den Hals ansetzte, wobei es jedoch aufgrund der Flucht der Genannten beim Versuch blieb,
5. XXXX und XXXX am 16. Februar 2019 in LIEBOCH im bewussten und gewollten Zusammenwirken unter Verwendung einer Schreckschusspistole, welche XXXX mit sich führte, namentlich nicht bekannten Angestellten der OMV-TANKSTELLE XXXX Bargeld in unbekannter Höhe, wobei es aufgrund des Umstandes, dass die Tankstelle bereits geschlossen hatte, beim Versuch blieb,
6. XXXX und XXXX am 17. Februar 2019 in SEIERSBERG im bewussten und gewollten Zusammenwirken dem Angestellten der SHELL-TANKSTELLE XXXX , XXXX , Bargeld in der Höhe von 655 Euro, Zigaretten im Gesamtwert von 34,50 Euro sowie zwei Flaschen Whiskey im Gesamtwert von 93,98 Euro, indem XXXX mit den Worten „Gib uns Geld, gib uns Geld!“ eine Schreckschusspistole gegen den Genannten richtete und die Waffe repetierte, woraufhin XXXX aus einem Nebenraum das angeführte Bargeld und schließlich XXXX aus Verkaufspulten die angeführten Zigaretten und Getränke an sich nahm,
7. XXXX und XXXX am 23. Februar 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken der Angestellten des Wettlokals PANTHER GAMING, XXXX , Bargeld in der Höhe von 303 Euro, indem XXXX mit den Worten „Überfall, Geld her!“ eine Schreckschusspistole gegen die Genannte richtete und die Waffe repetierte, woraufhin XXXX über das Verkaufspult sprang und eine zuvor von der Genannten aus einer Schublade entnommene Geldkassette, in welcher sich die angeführte Raubbeute befand, an sich nahm,
8. XXXX und XXXX am 25. Februar 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken unter Verwendung einer Schreckschusspistole, welche XXXX mit sich führte, namentlich nicht bekannten Angestellten des BILLA-MARKTES XXXX Bargeld in unbekannter Höhe, wobei es aufgrund des Umstandes, dass das Geschäft bereits geschlossen hatte, beim Versuch blieb,
9. XXXX mit einem weiteren bislang unbekannten Mittäter am 28. Februar 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken den Angestellten des BILLA-MARKTES XXXX , XXXX und XXXX R, Bargeld in unbekannter Höhe, indem sie die Genannten, welche GERADE im Begriff waren, das Geschäft zu verlassen, zurück in das Gebäude drängten, XXXX mit den Worten „Geld von Billa!“ eine Schreckschusspistole gegen XXXX richtete und die Genannte an den Haaren erfasste und ihren Kopf nach unten zog, wobei es aufgrund der Gegenwehr und Flucht der Tatopfer beim Versuch blieb,
II. in Kenntnis des Tatplanes und der Tatmodalitäten zur Ausführung der nachangeführten strafbaren Handlungen beigetragen, und zwar
1. am 16. Jänner 2019 in XXXX zur Ausführung des zu B.I.1. geschilderten, von XXXX verübten Raubüberfalls auf den Taxifahrer XXXX , und zwar
a) XXXX , indem er XXXX in seinem Tatentschluss bestärkte, mit diesem den Tatplan besprach und ihm die Tatwaffe zur Verfügung stellte, und
b) XXXX , indem er XXXX in seinem Tatentschluss bestärkte, mit diesem den Tatplan besprach und ihm seine Wohnung als Fluchtmöglichkeit zur Verfügung stellte,
2. am 1. Februar 2019 in XXXX zur Ausführung des zu B.I.3. geschilderten, von XXXX und XXXX verübten Raubüberfalls auf den PENNY-MARKT XXXX , und zwar
a) XXXX , indem er sich in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufhielt und Aufpasserdienste leistete,
b) XXXX , indem er sich in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufhielt und Aufpasserdienste leistete sowie XXXX eine Baseballkappe zur Verfügung stellte, und
c) XXXX , indem er sich in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufhielt, XXXX eine Jogginghose zur Verfügung stellte und Aufpasserdienste leistete sowie nach der Tatausführung tatplangemäß von den das Geschäft verlassenden unmittelbaren Tätern die angeführte Raubbeute übernahm,
3. am 10. Februar 2019 in XXXX zur Ausführung des zu B.I.4. geschilderten, von XXXX verübten Raubüberfalles auf die Taxifahrerin XXXX , und zwar
a) XXXX , indem er XXXX in seinem Tatentschluss bestärkte, mit diesem den Tatplan besprach, diesem die Tatwaffe zur Verfügung stellte und am Tatort für den Fall erforderlichen Eingreifens anwesend war, und
b) XXXX , indem er XXXX in seinem Tatentschluss bestärkte, mit diesem den Tatplan besprach und am Tatort für den Fall erforderlichen Eingreifens anwesend war,
4. am 16. Februar 2019 in LIEBOCH zur Ausführung des zu B.I.5. geschilderten, von XXXX und XXXX verübten Raubüberfalls auf die OMV-TANKSTELLE XXXX und zwar
a) XXXX , indem er XXXX und XXXX mit seinem Fahrzeug zum Tatort chauffierte und dort während der Tatausführung Aufpasserdienste leistete, und
b) XXXX , indem die Tatwaffe sowie eine Kapuzenjacke zur Verfügung stellte und während der Tatausführung Aufpasserdienste leistete,
5. am 17. Februar 2019 in SEIERSBERG zur Ausführung des zu B.I.6. geschilderten, von XXXX und XXXX verübten Raubüberfalls auf die SHELL-TANKSTELLE XXXX und zwar
a) XXXX , indem er XXXX und XXXX mit seinem Fahrzeug zum Tatort chauffierte und dort während der Tatausführung Aufpasserdienste leistete, und
b) XXXX , indem er die Tatwaffe sowie eine Kapuzenjacke zur Verfügung stellte, im Internet nach einem geeigneten Tatobjekt suchte und während der Tatausführung Aufpasserdienste leistete,
6. am 23. Februar 2019 in XXXX zur Ausführung des zu B.I.7. geschilderten, von XXXX und XXXX verübten Raubüberfalls auf das Wettlokal PANTHER GAMING, und zwar
a) XXXX , indem er XXXX und XXXX in ihrem Tatentschluss bestärkte, mit diesen den Tatplan besprach und die Tatwaffe zur Verfügung stellte,
7. XXXX am 25. Februar 2019 in XXXX zur Ausführung des zu B.I.8. geschilderten, von XXXX und XXXX verübten Raubüberfalls auf den BILLA-MARKT XXXX , indem er während der Tatausführung Aufpasserdienste leistete,
C) die nachgenannten Personen zu nachstehenden Handlungen und Unterlassungen teils genötigt, teils zu nötigen versucht, und zwar
I. XXXX am 17. Februar 2019 in SEIERSBERG XXXX durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Abstandnahme von der Verständigung der Polizei, indem er dem Genannten im Anschluss an den zu B.I.6. geschilderten Raubüberfall auf die SHELL-TANKSTELLE durch Vorhalten der Schreckschusspistole ankündigte „Wenn du die Polizei rufst, werde ich dich umbringen!“, wobei es beim Versuch blieb,
II. XXXX am 23. Februar 2019 in XXXX XXXX durch gefährliche Drohung mit dem Tod zum Verlassen der Räumlichkeit und zur Rückkehr in einen Nebenraum, indem er dem Genannten während des zu B.I.7. geschilderten Raubüberfalls auf das Wettlokal PANTHER GAMING unter Vorhalt der Schreckschusspistole mehrmals zurief „Tür zu! Ich schieße!“,
III. XXXX und XXXX am 20. März 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken XXXX im Zuge des zu A.I.6. geschilderten Raubüberfalls mit Gewalt, nämlich Versetzen mehrerer Schläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen sowie zur Ausfolgung seines Mobiltelefons und
IV. XXXX am 24. April 2019 in XXXX XXXX durch die Ankündigung „Wenn ihr hereinkommt, bring‘ ich euch alle und mich um! Ihr seid alles Hurensöhne und Arschlöcher. Ich werde euch alle umbringen!“, mithin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, zur Abstandnahme vom Betreten seines Haftraums in der Justizanstalt XXXX - XXXX , wobei es beim Versuch blieb;
D) in XXXX Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar
I. XXXX am 19. Jänner 2019 in XXXX die Sozialversicherungskarte des XXXX , indem er diese anlässlich des zu B.I.2. geschilderten Raubüberfalls an sich brachte und in der Folge in der Wohnung des XXXX versteckte,
II. XXXX am 18. März 2019 den Taxilenkerausweis des XXXX sowie den Zulassungsschein und die Tankkarte der XXXX , indem er diese Dokumente anlässlich des zu A.I.3. geschilderten Raubüberfalls an sich brachte und in der Folge in die Mur warf, und
III. XXXX am 19. März 2019 den Taxischein des XXXX , indem er diesen anlässlich des zu A.I.5. geschilderten Raubüberfalls an sich brachte und in der Folge wegwarf;
E) in XXXX fremde Sachen teils beschädigt, teils zerstört und dadurch einen 5.000 Euro nicht übersteigenden Schaden herbeigeführt, und zwar
I. XXXX am 18. März 2019 die Brille des XXXX , indem er diese anlässlich des zu A.I.3. geschilderten Raubüberfalls zusammendrückte (Schaden in nicht feststellbarer Höhe),
II. am 19. März 2019 anlässlich des zu A.I.5. geschilderten Raubüberfalls, und zwar
1. XXXX das Funkgerät sowie die Registrierkasse des Taxifahrzeugs, indem er das Funkgerät aus der Verankerung riss und die Registrierkasse beschädigte, und
2. XXXX den Innenspiegel des Taxifahrzeugs, indem er diesen aus der Verankerung riss, (Schaden zum Nachteil des XXXX in der Höhe von insgesamt 405,70 Euro),
III. XXXX am 20. März 2019 den Innenspiegel samt Taxameter sowie das Funkgerät des Taxifahrzeugs, indem er diese anlässlich des zu A.I.6. geschilderten Raubüberfalls aus der Verankerung riss (Schaden zum Nachteil der XXXX in der Höhe von insgesamt 993,10 Euro) und
IV. XXXX am 24. April 2019, indem er einen Sessel seines Haftraums in der Justizanstalt XXXX - XXXX zertrümmerte (Schaden in nicht feststellbarer Höhe);
V. XXXX zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 06.04.2019 und 01.08.2019, indem er an einem wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs 1 Z 1 StGB) einen Sachschaden in Höhe von € 96,63 herbeiführte, indem er an der Vergitterung eines Zellenfensters mittels eines Besenstieles Schweißnähte öffnete.
F) in XXXX die nachgenannten Personen dadurch geschädigt, dass sie die nachangeführten fremden beweglichen Sachen in einem 5.000 Euro nicht übersteigenden Gesamtwert aus deren Gewahrsam dauernd entzogen, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, und zwar
I. XXXX am 18. März 2019, indem er das Tablet, das Mobiltelefon und die Geldbörse des XXXX im Gesamtwert von zumindest 420 Euro, welche Gegenstände er anlässlich des zu A.I.3.. geschilderten Raubüberfalls an sich gebracht hatte, in die Mur warf, und
II. XXXX am 19. März 2019, indem er den Fahrzeugschlüssel und die Geldbörse, welche Gegenstände er anlässlich des zu A.I.5. geschilderten Raubüberfalls an sich gebracht hatte, wegwarf (Schaden zum Nachteil des XXXX und des XXXX in jeweils nicht feststellbarer Höhe),
G) XXXX am 1. Februar 2019 in XXXX es mit dem Vorsatz, dass vorsätzlich eine mit Strafe bedrohte Handlung, nämlich das Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, begangen werde, unterlassen, ihre unmittelbar bevorstehende Ausführung zu verhindern, indem er in Kenntnis des Tatplans von XXXX und XXXX die Örtlichkeit verließ, ohne die Genannten von der angekündigten Tat abzuhalten oder die in Aussicht genommenen Tatopfer zu warnen;
H) in XXXX Beamte teils mit Gewalt, teils durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern versucht, und zwar
I. XXXX am 24. März 2019, und zwar
1. XXXX und Insp. XXXX , welche Polizeibeamten im Begriffe standen, seine Festnahme zu vollziehen, indem er auf die Genannten zuging, während er ein geöffnetes Klappmesser drohend gegen sie richtete, und
2. Insp. XXXX , welcher ihn nach erfolgter Festnahme gerade einer Personsdurchsuchung unterzog, indem er diesem ankündigte: „Ich bring dich um, du Bullenschwein! Bist du schwul, oder warum greifst du mich an! Ich ficke dich und deine Familie! Wie heißt du, du Schwein, ich mach dich kaputt!“ und
II. XXXX am 24. April 2019 AbtInsp. XXXX , BezInsp. XXXX , GrInsp. XXXX , GrInsp. XXXX und Insp. XXXX , welche Justizwachebeamte der Justizanstalt XXXX - XXXX im Begriffe standen, ihn wegen der zu C.IV. und E.IV. geschilderten Tathandlungen in einen Sicherheitshaftraum zu verlegen, indem er heftigen Widerstand in Form von Schlägen und Tritten leistete;
I) in XXXX die nachgenannten Personen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
I. XXXX und XXXX am 20. März 2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken XXXX durch die zu C. III. geschilderte Tathandlung (Kopfprellung, Hämatome und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand),
II. XXXX am 24. April 2019 Insp. XXXX durch die zu H) II. geschilderte Tathandlung, mithin einen Beamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben (Abschürfungen und Rötungen am rechten Handgelenk),
III. XXXX , und zwar
1. am 13. Mai 2019 XXXX durch Versetzen von Faustschlägen in das Gesicht (Hämatom im Bereich des linken Auges) und
2. am 26. August 2019 XXXX durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht, wobei er neben einer leichten Körperverletzung, nämlich einem Hämatom im Bereich des linken Auges, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) des Genannten, nämlich eine Unterkieferfraktur, herbeiführte;
IV. XXXX am 26. Jänner 2019 durch Versetzen von Faustschlägen gegen deren Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
1. XXXX (Schwellung und Bluterguss im Bereich der Lippe)
2. XXXX (Prellungen und Schwellungen im Gesicht);
J) XXXX im Zeitraum 25. April bis 2. Dezember 2018 in LAA mit dem Vorsatz, sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, XXXX dadurch in einem 5.000 Euro nicht übersteigenden Gesamtbetrag am Vermögen geschädigt, dass er in zahlreichen Angriffen mit einem jeweils zuvor entfremdeten Tankchip des Transportunternehmens „ XXXX “ das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch Eingabe von Daten oder sonst durch Einwirken auf den Ablauf des Verarbeitungsvorgangs beeinflusste, indem er mit dem angeführten Tankchip bei der Selbstbedienungs-Tankstelle der XXXX unberechtigt unter Eingabe des Codes Treibstoff tankte und dadurch Transaktionen in der Höhe von zumindest EUR 1.800,-- vornahm, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen und er mehr als zwei solche Taten binnen Jahresfrist beging (§ 70 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 StGB);
K) XXXX am 24. August 2019 in XXXX als Lenker des PKW VW Touran, Kennzeichen XXXX , durch Außerachtlassen der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, dadurch, dass er unter Missachtung des Rotlichtes der Verkehrsampel in die Kreuzung XXXX einfuhr und mit dem vorschriftsgemäß in die Kreuzung einfahrenden PKW des XXXX kollidierte, mithin grob fahrlässig (§ 6 Abs. 3 StGB), die nachgenannten Personen am Körper verletzt, und zwar
I. XXXX , wobei die Tat neben Hämatomen im Bereich des Bauchfells und des linken Knies, einer Prellung des linken Knies, einer Ruptur einer Nierenzyste und Abschürfungen am linken Ellenbogen eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB), nämlich eine Schambein- und Kreuzbeinfraktur zur Folge hatte,
II. XXXX , wobei die Tat neben einer Hirnhautblutung, Prellungen der linken Hüfte und des linken Brustbereichs sowie Rissquetschwunden im Bereich beider Unterschenkel eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB), nämlich eine Schambeinfraktur zur Folge hatte,
III. XXXX (Prellungen des rechtes Ellenbogens und des linken Brustbereichs sowie Hämatome im Bereich des rechten Unterarms, der linken Brust und des linken Brustkorbs) und
IV. XXXX (stumpfes Bauchtrauma, Prellung beider Kniegelenke und Zerrung der Halswirbelsäule),
nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand (0,63 mg/l Atemalkoholgehalt ca. 45 Minuten nach dem Unfall) versetzt hatte, obwohl er vorhergesehen hatte oder hätte vorhersehen können, dass ihm mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges eine Tätigkeit bevorstand, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei.
L) XXXX am 26. Jänner 2019 in XXXX die nachgenannten Personen nach den zu I) IV. geschilderten Tathandlungen mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
I. XXXX durch die Ankündigung, ihn „beim nächsten Mal abzustechen“, und ihn „umzubringen, wenn er ihn noch einmal sehe“, und
II. XXXX durch die Ankündigung, er „würde beim nächsten Mal nicht überleben“.
M) XXXX
I. am 14. Jänner 2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem bislang unbekannten Komplizen XXXX und XXXX durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe, nämlich Vorhalten einer Schreckschusspistole, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von 60 Euro sowie Kopfhörer im Wert von 7 Euro, mit dem Vorsatz abgenötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und
II. am 19. Jänner 2019 zur Ausführung der strafbaren Handlung des zu B.I.2. geschilderten, von XXXX verübten Raubüberfalls auf den Taxifahrer XXXX , dadurch beigetragen, indem er in Kenntnis des Tatplans und der Tatmodalitäten XXXX zuvor die Schreckschusspistole zur Verfügung stellte und überdies ebenfalls mit dem Taxi mitfuhr, um für den Fall erforderlichen Eingreifens anwesend zu sein.
N) XXXX als Beitragstäter zur Tathandlung der diesbezüglich abgesondert verfolgten unmittelbaren Täter XXXX , XXXX und XXXX beigetragen, die fremde bewegliche Sachen in einem EUR 5.000,00 nicht übersteigenden Wert Nachgenannten mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch in ein Gebäude weggenommen haben, und zwar, indem er mit dem Vorsatz, zur Tatausführung der unmittelbaren Täter beizutragen, Nachgenannte mit seinem PKW zum Tatort brachte und dort auf sie wartete, und zwar
I. am 08. Jänner 2019 in XXXX die diesbezüglich abgesondert verfolgten XXXX , XXXX und XXXX , die XXXX als Berechtigtem des Billardcafés „ XXXX “ Vorhängeschlösser, Zigarettenpackungen, Bonier-Schlüssel, eine Handkasse sowie Billard- und Getränkegutscheine im Gesamtwert von EUR 568,50, indem sie durch Aufdrücken eines Fensters ins Lokal gelangten, an sich nahmen.
O) XXXX am 7. Dezember 2018 in XXXX die nachgenannten Personen mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
I. eine bislang unbekannte Person namens „ XXXX “ durch die via Facebook Posting getätigte Äußerung „Sei leise, bei mir ist nur in mein kopf die ganze zeit dich zu ermorden“ und „Du weißt ned wie gern ich dich foltern würde“,
II. eine bislang unbekannte Person namens „ XXXX “ durch die via Facebook Posting getätigte Äußerung „Würde deine fresse so zerschlagen dass man ned mehr reparieren kann“ und
III. eine bislang unbekannte Person namens „ XXXX “ durch die via Facebook Posting getätigte Äußerung „Willst auch ned morgen überleben oder wie“ und „Diese mädchen ist schon bereits tot und das wilsst auch ned mit dir passieren oda?“.
[…]
Es haben hiedurch
1. XXXX
zu A.I. 3., 4., 5. und 6.: die Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB,
zu C. III.: das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB,
zu D. III.: das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB,
zu E. II.2. und III.: die Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB,
zu F. II.: das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und
zu I.I. das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB,
zu N.: das Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall,
[…]
begangen und werden hiefür
1. XXXX unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 143 Abs. 1 StGB
zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren
[…]
Gemäß § 38 Abs 1 StGB werden die Vorhaften
hinsichtlich XXXX vom 20. März 2019, 19.25 Uhr, bis 22. November 2019, 10.12 Uhr,
[…]
Gemäß § 20 Abs 3 und 4 StGB wird
1.) hinsichtlich XXXX ein Betrag in Höhe von EUR 280,--,
[…]
für verfallen erklärt.
[…]
III.) FREISPRÜCHE
Hingegen werden die Angeklagten XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX von der wider sie mit Strafantrag vom 9.9.2019 bzw. Anklageschrift vom 9.12.2019 darüber hinausgehenden Anklage, nämlich
1.) XXXX habe als Beitragstäter zur Tathandlung der diesbezüglich abgesondert verfolgten unmittelbaren Täter XXXX , XXXX und XXXX beigetragen, die fremde bewegliche Sachen in einem EUR 5.000,00 nicht übersteigenden Wert (EUR 1.218,50) Nachgenannten mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch in Gebäude und Transportmittel und Aufbrechen von Behältnissen teils weggenommen, teils wegzunehmen versucht haben, wobei XXXX die Taten auch in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und bereits zwei solche Taten begangen hat sowie die Taten zudem als Mitglied der kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung beging, und zwar, indem er mit dem Vorsatz, zur Tatausführung der unmittelbaren Täter beizutragen, Nachgenannte mit seinem PKW zum Tatort brachte und dort auf sie wartete, und zwar am 28. Dezember 2018 in XXXX die diesbezüglich abgesondert verfolgten XXXX und XXXX , die im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter wegnahmen bzw. wegzunehmen versuchten,
1. XXXX als Berechtigter des Lokals „ XXXX “ nicht näher bekannte Gegenstände, indem sie durch Aufbrechen des Fensters des Wintergartens ins Lokal gelangten und dort einen Geldautomaten aufbrachen, jedoch kein geeignetes Diebesgut fanden,
2. XXXX als Berechtigter des Friseursalons „ XXXX “ Bargeld in der Höhe von EUR 250,00, indem sie durch Aufbrechen eines Küchenfensters in den Friseursalon gelangten und das Bargeld aus der Wechselgeld- und der Kaffeekasse an sich nahmen (Faktum 6),
3. XXXX als Berechtigtem des Lokals „ XXXX “ eine Kellnerbrieftasche in unbekanntem Wert samt Bargeld in der Höhe von EUR 400,00, indem sie durch Aufbrechen eines Fensters ins Lokal gelangten und die Brieftasche samt Bargeld an sich nahmen.
[…]
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
[…]
ZU DEN PERSONEN:
Der im XXXX . Lebensjahr stehende Erstangeklagte XXXX wurde in GROZNY, Russische Föderation, geboren und ist russischer Staatsangehöriger. Er kam im Jahr 2004 mit seinen Eltern nach Österreich, wo er zunächst zwei Jahre die Volksschule, anschließend vier Jahre die Neue Mittelschule und schließlich zwei Jahre die Handelsschule besuchte. Im Anschluss absolvierte er vier Jahre die Berufsschule.
Danach ging er verschiedenen Gelegenheitstätigkeiten nach, war jedoch seit September 2018 ohne Beschäftigung. Nunmehr arbeitet er als Hilfsarbeiter in einem Frisiersalon und verfügt über ein monatliches Einkommen iHv EUR 700,-- netto. Er ist verheiratet und sorgepflichtig für drei minderjährige Kinder, besitzt nach eigenen Angaben kein Vermögen und hat Verbindlichkeiten iHv 1.500 Euro.
Der Erstangeklagte ist in Österreich gerichtlich unbescholten.
ZUR SACHE:
Zur kriminellen Vereinigung von XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 30. November 2018 beschlossen XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX ihre damals herrschende triste finanzielle Situation durch Begehung von (größtenteils) bewaffneten Raubüberfällen zu beheben.
Zu diesem Zweck schlossen sich die Genannten zu einer Vereinigung zusammen und vereinbarten, dass im Rahmen dieses Zusammenschlusses längere Zeit hindurch – zumindest einige Monate – von einem – unter Mitwirkung zumindest eines weiteren Mitglieds dieser Vereinigung – oder mehreren Mitgliedern (großteils bewaffnete) Raubüberfälle insbesondere auf Tankstellen und Taxilenker ausgeführt werden sollen. In Umsetzung dieses Tatvorhabens beteiligten sich teils als unmittelbare Täter, teils als Beitragstäter, XXXX und XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , als Mitglieder dieser kriminellen Vereinigung. XXXX und XXXX , XXXX , XXXX und XXXX wussten, dass sie sich durch die nachfolgend beschriebenen Handlungen an dieser kriminellen Vereinigung beteiligen, und wollten dies auch. Soweit sie Beitragstäter waren, handelten sie darüber hinausgehend im Wissen, durch ihre Beitragshandlungen die kriminellen Ziele der Vereinigung, nämlich konkret in nachangeführten Täterkonstellationen die folgenden strafbaren Handlungen zu fördern, und wollten dies auch.
[…]
Vorfall vom 18. März 2019 A.I.3. und II.3.a, D.II., E.I. und F.I.:
Am Abend des 17. März 2019 trafen sich XXXX , XXXX und XXXX und beschlossen, einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Taxilenker zu begehen, wobei nicht mehr feststellbar ist, von wem der Vorschlag dafür kam.
XXXX war mit dem PKW seines Vaters unterwegs.
Es wurde vereinbart, dass XXXX seine Komplizen mit seinem PKW in die Nähe des ins Auge gefassten Tatortes bringen und während der Tatausführung in der Nähe des Tatortes warten sollte, um sie samt der Raubbeute nach dem Überfall zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, während XXXX und der mit der Gas-Alarmpistole bewaffnete XXXX als unmittelbare Täter fungieren sollten.
XXXX fuhr mit seinen Komplizen zunächst ziellos in der Stadt umher, um einen geeigneten Tatort auszukundschaften, und kaufte XXXX in einem Internetcafé noch ein Handy, um mit diesem den Taxifunk anrufen zu können.
Gegen 4.00 Uhr früh des 18. März 2019 stellte schließlich XXXX sein Fahrzeug im Bereich der XXXX ab. XXXX und XXXX verließen das Fahrzeug, XXXX nahm im Wissen der beiden anderen Täter die sich im Auto des XXXX befindliche und in dessen Eigentum stehende Waffe der Marke „Reck Miami 92F“ mit und sie gingen zu Fuß zu dem in unmittelbarer Nähe befindlichen Parkplatz des Fußballvereins XXXX , wobei sie sich mit ihren bis zu den Augen hochgezogenen T-Shirts sowie tief in den Kopf gezogenen Kapuzen ihrer Pullover vermummt hatten. Nachdem XXXX oder XXXX mit dem eigens für diesen Überfall gekauften Mobiltelefon über die Taxi-Zentrale 2801 mit verstellter Stimme ein Taxi zur angeführten Örtlichkeit bestellt hatte, näherte sich kurze Zeit später das von XXXX gelenkte Taxi.
XXXX und XXXX setzten sich beide auf die Rückbank des Taxis und, nachdem sich XXXX zu den Angeklagten umgedreht hatte, um nach dem Fahrziel zu fragen, zog XXXX die Gas-Alarmpistole aus seinem Hosenbund, setzte diese dem Taxilenker im Bereich des rechten Ohrs an den Kopf und forderten beide Angeklagte in englischer Sprache mit den Worten „Money, Money, Money!“ die Herausgabe von Bargeld. Währenddessen griff XXXX nach vorne, öffnete das Handschuhfach und durchsuchte dieses. Der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen und der Gesten lautete, XXXX ist ernsthaft willens und in der Lage, XXXX unmittelbar, ohne Zeitverzug, eine Schussverletzung, dh eine Verletzung am Körper zuzufügen, wenn er das von ihm geforderte Geld nicht gegen seinen Willen herausgibt.
Völlig überrascht und durch die Schusswaffe eingeschüchtert holte XXXX seine Geldbörse hervor, in welcher sich zu diesem Zeitpunkt Bargeld in der Höhe von EUR 350,-- , der Taxilenkerausweis des XXXX sowie der Zulassungsschein und die Tankkarte der XXXX befanden, und übergab diese an einen der Angeklagten.
Um zu verhindern, dass XXXX nach der Tat mit dem Fahrzeug davonfahren und umgehend die Polizei alarmieren kann sowie auch, damit er die Täter nicht so gut erkennt, zerstörte XXXX absichtlich die Brille des Taxilenkers, indem er diese zerdrückte. Um eine rasche Alarmierung der Polizei zu erschweren, forderten die Angeklagten XXXX zusätzlich auf, ihnen sein Tablet sowie sein Mobiltelefon der Marke HUAWEI P20 auszuhändigen, was er auch machte.
Die beiden Angeklagten nahmen XXXX schließlich noch seinen Fahrzeugschlüssel weg, damit dieser keine Verfolgung aufnehmen konnte.
Danach verließen XXXX und XXXX das Taxi und liefen zum Fahrzeug des XXXX , der vereinbarungsgemäß auf sie wartete. Nachdem sie in das Fahrzeug eingestiegen waren, fuhr XXXX in Richtung Wohnung des XXXX . Am Weg dorthin warf XXXX das Tablet, das Mobiltelefon und die Geldbörse des XXXX , aus der er zuvor das Bargeld entnommen hatte und in der sich der Zulassungsschein und die Tankkarte der XXXX sowie der Taxilenkerausweis des XXXX befanden, sowie das für diesen Überfall angeschaffte Mobiltelefon in die Mur.
Die Beute wurde schließlich unter XXXX , XXXX und XXXX aufgeteilt.
XXXX wurde durch die Tat zwar nicht verletzt, erlitt jedoch einen heftigen Schock.
XXXX ist durch die Tat ein Schaden iHv EUR 285,-- (EUR 150,-- Brille; EUR 75,-- pauschale Unkosten und EUR 60,-- Mobiltelefon) und der XXXX ein Schaden iHv von insgesamt EUR 565,-- (EUR 350,-- Bargeld; EUR 140,-- Tablet und EUR 75,-- Fahrzeugschlüssel) entstanden.
XXXX und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem XXXX ein Gasalarmpistole gegen den Genannten richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich die Geldbörse samt Bargeld iHv EUR 350,-- abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich verwendete XXXX bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der von XXXX und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „„Reck Miami 92F“, zur Verübung der Tat.
XXXX wusste, dass er zum Raubüberfall des XXXX und des XXXX dadurch beitrug, dass er diese zum Tatort chauffierte, wo er während der Tatausführung auf sie wartete, um sie samt der Raubbeute nach der Tat zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, und wollte er dies auch, ebenso wie ohne Rechtsanspruch einen Teil der Beute erlangen.
XXXX wusste, dass er über den Taxilenkerausweis des XXXX sowie den Zulassungsschein und die Tankkarte der XXXX , also Urkunden, nicht verfügen durfte, nahm sie trotzdem als Inhalt der Geldbörse an sich. Er hielt es ernstlich für möglich, dass er durch das Wegwerfen der Urkunden in die Mur, als deren Unterdrückung, verhinderte, dass diese von XXXX bzw. der XXXX im Rechtsverkehr benutzt werden können, und fand sich damit ab.
XXXX wusste darüber hinaus, dass er, indem er die Geldbörse sowie das Tablet und das Mobiltelefon des XXXX in die Mur warf, dass die Berechtigten dadurch geschädigt wurden, dass er die angeführten Gegenstände aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, und wollte er dies auch.
Er wusste auch, dass er durch das Zusammendrücken der Brille des Taxifahrers diese, sohin eine fremde bewegliche Sache, zerstört und dadurch dem XXXX ein Schaden entsteht, und wollte er dies auch.
Vorfall vom 19. März 2019 A.I.4. und II.3.b.:
Nach erfolgreichem Raubüberfall auf XXXX einen Tag zuvor trafen sich XXXX , XXXX und XXXX am nächsten Tag, also am 19.3.2019 erneut, um wieder einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Taxifahrer zu verüben.
XXXX war wieder mit dem PKW seines Vaters unterwegs.
Alles sollte gleich ablaufen wie am Vortag.
Es wurde wieder vereinbart, dass XXXX seine Komplizen mit seinem PKW in die Nähe des ins Auge gefassten Tatortes bringt und während der Tatausführung in der Nähe des Tatortes warten sollte, um sie samt der Raubbeute nach dem Überfall zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, während XXXX und XXXX als unmittelbare Täter fungieren sollten.
Die Beute hätte wieder unter allen drei Angeklagten aufgeteilt werden sollen.
Auch hier kaufte XXXX ein Handy, um mit diesem in weiterer Folge ein Taxi rufen zu können.
In dem von XXXX gelenkten Fahrzeug suchten sie zunächst eine passende Örtlichkeit für den geplanten Raubüberfall, welche sie schließlich in der XXXX fanden. Gegen 3.00 Uhr des 19. März 2019 stellte XXXX sein Fahrzeug in einiger Entfernung zum beabsichtigten Tatort ab, um vereinbarungsgemäß nach verübter Raubtat seine Komplizen wiederum im Fahrzeug aufzunehmen.
XXXX übergab diesmal XXXX seine Waffe der Marke „Reck Miami 92F“, damit dieser sie beim Raubüberfall verwende, und wussten sämtliche beteiligte Angeklagte darüber Bescheid.
XXXX und XXXX verließen daraufhin das Fahrzeug, maskierten sich mit schwarzen Sturmhauben, begaben sich vor das Haus XXXX , wo XXXX mit einem eigens für diesen Raubüberfall gekauften Mobiltelefon über die Funkgruppe 889 ein Taxi bestellte.
Kurze Zeit später traf XXXX mit seinem Taxi ein. Dabei gerieten XXXX und XXXX jedoch in das Scheinwerferlicht des Fahrzeuges, weshalb die Angeklagten vermeinten, vom Taxilenker entdeckt worden zu sein. Sie gaben den Tatentschluss deswegen auf und flüchteten zu ihrem Komplizen XXXX .
In weiterer Folge erzählten sie ihm vom fehlgeschlagenen Raubüberfall und kamen überein, sich gleich einen anderen Tatort zu suchen und neuerlich einen Taxiraub zu begehen.
XXXX und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper Bargeld in unbekannter Höhe abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich bzw. Dritte dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich wollte XXXX bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der von XXXX und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde und mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „Reck Miami 92F“, zur Verübung der Tat verwenden, wobei es nur deswegen nicht zur Durchführung des Raubüberfalls kam, weil XXXX und XXXX ins Scheinwerferlicht des Taxis gerieten, sich entdeckt wähnten und daher die Flucht ergriffen. XXXX wusste, dass er zum Raubüberfall des XXXX und des XXXX dadurch beitrug, dass er diese zum Tatort chauffierte, wo er während der Tatausführung auf sie wartete, um sie samt der Raubbeute nach der Tat zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, und wollte er dies auch. Schließlich wollte er bewusst einen Teil der Beute, ohne hiezu berechtigt zu sein, bekommen.
Vorfall vom 19. März 2019 A.I.5. und II.3.c., D.III., E.II. und F.II.:
Nachdem XXXX und XXXX nach dem zuvor geschilderten fehlgeschlagenen Raubüberfall auf XXXX wieder in das Fahrzeug des XXXX gestiegen waren, beschlossen die drei, noch in derselben Nacht einen weiteren Raubüberfall auf einen Taxifahrer zu verüben. Auch diesmal sollte wiederum XXXX als Fahrer des Fluchtfahrzeuges fungieren, während XXXX und XXXX den Raubüberfall unter Verwendung der Waffe des XXXX unmittelbar begehen sollten, wobei sie nunmehr die XXXX als Tatort auswählten.
Gegen 4.00 Uhr früh stellte XXXX sein Fahrzeug in unmittelbarer Tatortnähe ab, um tatplangemäß seine Komplizen XXXX und XXXX nach verübtem Raubüberfall wieder in dieses aufzunehmen. XXXX und XXXX , die nach wie vor mit schwarzen Sturmhauben maskiert waren, begaben sich daraufhin zum XXXX wobei wiederum XXXX die angeführte Gas-Alarmpistole mit sich führte.
Nachdem XXXX mit dem eigens hiefür von XXXX beschafften Mobiltelefon über die Funkgruppe 889 ein Taxi zur angeführten Örtlichkeit beordert hatte, kam einige Minuten später das von XXXX gelenkte Taxi an.
Als dieses neben den beiden Angeklagten angehalten hatte, stiegen sie in das Fahrzeug ein, wobei sich XXXX auf den Beifahrersitz setzte, während XXXX auf der Rückbank Platz nahm.
XXXX sagte zum Taxifahrer „Motor aus! Geldtasche her!“, während XXXX im selben Moment die Gas-Alarmpistole gegen den Taxifahrer richtete.
Gleichzeitig riss XXXX den Innenspiegel des Taxis aus der Verankerung, weil er vermutete, dass dort eine Kamera eingebaut wäre, und wurde dieser dadurch beschädigt.
Der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen und der Gesten lautete, XXXX ist ernsthaft willens und in der Lage, XXXX unmittelbar, ohne Zeitverzug, eine Schussverletzung, dh eine Verletzung am Körper zuzufügen, wenn er das von ihm geforderte Geld nicht gegen seinen Willen herausgibt.
Völlig überrascht und geschockt stellte XXXX umgehend das Fahrzeug ab, nahm seine im Fach der Fahrertür deponierte Geldbörse, in welcher sich Bargeld in der Höhe von ca. 170 Euro befand, hervor und händigte diese XXXX aus.
XXXX durchwühlte daraufhin die Mittelkonsole und forderte XXXX auf, ihm den Autoschlüssel auszuhändigen. Nachdem XXXX dem nachgekommen war, durchsuchten die Angeklagten weiter das Fahrzeug, wobei XXXX den Taxilenker weiterhin mit vorgehaltener Waffe in Schach hielt. Dabei fanden sie das Tablet und ein älteres Handy des XXXX und nahmen diese Gegenstände ebenso an sich. Um die rasche Alarmierung der Polizei zu verhindern, riss XXXX schließlich das Funkgerät des Taxifahrzeugs aus der Verankerung und beschädigte überdies die Registrierkasse des Fahrzeugs.
Schließlich verließen XXXX und XXXX fluchtartig das Fahrzeug und liefen tatplangemäß zu ihrem in seinem Fahrzeug wartenden Komplizen XXXX zurück. Dabei warf XXXX den Fahrzeugschlüssel in hohem Bogen weg, während sich XXXX des Tablets entledigte. XXXX warf die Geldbörse in unbekanntem Wert, in welcher sich der Taxischein des XXXX befand, ebenfalls weg. Während das Tablet schließlich wieder sichergestellt und XXXX unbeschädigt ausgefolgt werden konnte, konnten der Fahrzeugschlüssel, die Geldbörse und der Taxischein nicht mehr vorgefunden werden.
Nachdem XXXX und XXXX in das Fahrzeug des XXXX eingestiegen waren, fuhr dieser davon und sie teilten in weiterer Folge die Raubbeute untereinander auf. Aufgrund des „großen Erfolgs“ vereinbarten die drei Angeklagten, am nächsten Tag wiederum einen Taxifahrer zu überfallen.
XXXX blieb unverletzt, erlitt jedoch einen Schock.
XXXX als Taxiunternehmer und Eigentümer des gegenständlichen Taxis entstand durch den Überfall ein Gesamtschaden von EUR 834,70. Dieser setzt sich zusammen aus der weggenommenen Tageslosung iHv EUR 145,70, EUR 110,-- für die Neuprogrammierung des Keyless-Key (Fahrzeugschlüssel) und EUR 150,-- für den Wiedereinbau und die Verkabelung der Registrierkasse.
Darüber hinaus konnte das gegenständliche Taxi – aufgrund des Überfalls – 3 Tage nicht für Taxifahrten herangezogen werden (Schaden ebenso zum Nachteil des XXXX , Stehtage, EUR 3x EUR 143,--).
XXXX ist durch die Tat ein Schaden iHv ca. EUR 100,-- entstanden. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus EUR 30,-- bis EUR 50,-- an weggenommenem Wechselgeld; Wiederbeschaffungskosten für den Taxischein iHv EUR 20,--; Wert des weggenommenen Handys und der weggenommenen Geldbörse jeweils etwa EUR 20,--.
XXXX und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem XXXX eine Gasalarmpistole gegen den Genannten richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich die Geldbörse samt Bargeld iHv ca. EUR 170,-- abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich bzw. Dritte dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich verwendete XXXX bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der von XXXX und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „„Reck Miami 92F“, zur Verübung der Tat.
XXXX wusste, dass er zum Raubüberfall des XXXX und des XXXX dadurch beitrug, dass er diese zum Tatort chauffierte, wo er während der Tatausführung auf sie wartete, um sie samt der Raubbeute nach der Tat zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, und wollte er dies ebenso wie einen Teil der Beute auch.
XXXX wusste, dass er über den Taxischein des XXXX , also eine Urkunde, nicht verfügen durfte, nahm sie trotzdem als Inhalt der Geldbörse an sich. Er hielt es ernstlich für möglich, dass er durch das Wegwerfen der Urkunde, also deren Unterdrückung, verhinderte, dass diese von XXXX im Rechtsverkehr benutzt werden kann, und fand sich damit ab.
XXXX wusste darüber hinaus, dass, indem er die Geldbörse sowie den Fahrzeugschlüssel des XXXX wegwarf, die Berechtigten ( XXXX und XXXX ) dadurch geschädigt wurden, dass er die angeführten Gegenstände aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, und wollte er dies auch.
XXXX und XXXX wussten, dass sie durch das Herausreißen des Innenspiegels bzw. des Funkgerätes sowie der Registrierkasse des Taxis diese, sohin fremde bewegliche Sachen, zerstören und dadurch dem XXXX ein Schaden zufügen, und wollten sie dies auch.
Vorfall vom 20. März 2019 A.I.6. und II.3.d. C.III., E.III. und I.I.:
Vereinbarungsgemäß trafen sich die Angeklagten XXXX , XXXX und XXXX um 1.00 Uhr früh des 20. März 2019 in der Wohnung des XXXX in der XXXX , um neuerlich einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Taxilenker zu begehen. Geplant war dieselbe Vorgehensweise wie bei den Raubüberfällen zuvor, nämlich, dass XXXX wieder das Fluchtfahrzeug lenken sollte und XXXX und XXXX als unmittelbare Täter fungieren sollten, und zwar unter Verwendung der Waffe des XXXX . Diesmal war XXXX mit der angeführten Gas-Alarmpistole bewaffnet.
Nachdem sie zuvor wiederum mit dem Fahrzeug des XXXX unterwegs nach geeigneten Tatörtlichkeiten Ausschau gehalten hatten, entschlossen sich die Angeklagten, den geplanten Raubüberfall vor dem Haus XXXX auszuführen. Tatplangemäß stellte XXXX sein Fahrzeug in unmittelbarer Tatortnähe ab, um seine Komplizen nach verübter Tat zur schnelleren Flucht wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen.
Nachdem XXXX und XXXX , welche wiederum maskiert waren, das Fahrzeug verlassen und sich zu Fuß zum Haus XXXX begeben hatten, rief XXXX mit einem eigens für diesen Überfall von XXXX beschafften Mobiltelefon die Funkgruppe 878 an und beorderte ein Taxi zur angeführten Örtlichkeit. Nachdem das vom Taxifahrer XXXX gelenkte Taxi aufgrund dieser Bestellung eingetroffen war und dort angehalten hatte, stiegen die beiden Angeklagten tatplangemäß in das Fahrzeug, wobei XXXX das Fahrzeug über die hintere Türe der Fahrerseite bestieg und auf der Rückbank Platz nahm, während XXXX die Beifahrertüre aufriss und die Schusswaffe mit den Worten „Geld her! Brieftasche her!“ auf den Taxilenker richtete.
Der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen und der Gesten lautete, XXXX ist ernsthaft willens und in der Lage, XXXX unmittelbar, ohne Zeitverzug, eine Schussverletzung, dh eine Verletzung am Körper zuzufügen, wenn er das von ihm geforderte Geld nicht gegen seinen Willen herausgibt.
Während XXXX den Taxilenker mit vorgehaltener Schusswaffe in Schach hielt, riss er mit der anderen Hand den im Innenspiegel befindlichen Taxameter sowie das Funkgerät des Taxifahrzeugs aus der Verankerung und durchwühlte das Handschuhfach.
Gleichzeitig durchsuchte XXXX die Mittelkonsole nach weiterer Raubbeute. Überrascht und schockiert übergab XXXX zunächst aus seiner privaten Geldbörse einen Bargeldbetrag von EUR 70,-- und händigte schließlich auch seine Taxigeldbörse, in welcher sich ein Bargeldbetrag von EUR 255,-- befand, aus.
Nachdem XXXX den Autoschlüssel abgezogen und an sich genommen hatte, öffnete XXXX die Fahrertüre und schrie lautstark um Hilfe. Daraufhin lief XXXX um das Fahrzeug zur Fahrertüre, während auch XXXX rasch aus dem Taxi ausstieg. Die beiden Angeklagten versetzten XXXX in der Folge mehrere Faustschläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, um ihn dazu zu bringen, von weiteren Hilferufen Abstand zu nehmen. Als sie dabei das weiße Kabel seines am Mobiltelefon angeschlossenen Kopfhörers bemerkten, forderten sie ihn während dieser Schläge überdies auf, ihnen umgehend das Mobiltelefon auszuhändigen. Aufgrund dieser Tätlichkeiten beendete XXXX seine Hilferufe und händigte den Angeklagten sein Mobiltelefon der Marke HUAWEI aus.
Nachdem XXXX auf die Hilferufe aufmerksam geworden war und das Fenster geöffnet und „He“ hinausgerufen hatte, verließen XXXX und XXXX fluchtartig die Tatörtlichkeit, nachdem sie noch zuvor den Fahrzeugschlüssel in die Wiese warfen, und liefen zu ihrem in seinem Fahrzeug wartenden Komplizen XXXX . Dort bestiegen sie das Fahrzeug und fuhren davon. Danach teilten sie schließlich die Raubbeute unter sich auf.
XXXX behielt die Waffe des XXXX bei sich, gab sie in eine Sporttasche und versteckte diese bei einer Bekannten, wo sie schließlich durch die Polizei sichergestellt wurde.
XXXX erlitt durch die geschilderten Tätlichkeiten eine Kopfprellung sowie Hämatome und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand. Sein Mobiltelefon, welches von einem der beteiligten Angeklagten auf der Flucht weggeworfen worden war, konnte aufgefunden und dem Raubopfer rückausgefolgt werden.
XXXX entstand durch die Wegnahme des in seinem Eigentum stehenden Wechselgeldes ein Schaden iHv EUR 130,--.
Der zum Nachteil der XXXX entstandene Sachschaden durch die Beschädigung des Innenspiegels sowie des Funkgerätes des Taxifahrzeugs beläuft sich auf insgesamt EUR 993,10.
XXXX und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem XXXX eine Gas-Alarmpistole gegen den Genannten richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld iHv EUR 325,-- abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich bzw. Dritte dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich verwendete XXXX bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der von XXXX und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „„Reck Miami 92F“, zur Verübung der Tat.
XXXX wusste, dass er zum Raubüberfall des XXXX und des XXXX dadurch beitrug, dass er diese zum Tatort chauffierte, wo er während der Tatausführung auf sie wartete, um sie samt der Raubbeute nach der Tat zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, und wollte er dies auch. Ebenso wollte er ohne Rechtsanspruch einen Teil der Beute sich zueignen.
XXXX und XXXX wussten, dass sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken, durch das Versetzen von mehreren Schlägen gegen den Kopf und Oberkörper des XXXX , zum einen diesen mit Gewalt zu einem Unterlassen sowie einer Handlung, nämlich zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen und der Herausgabe eines Mobiltelefones, nötigen und zum anderen dadurch am Körper verletzen, und wollten dies auch.
XXXX wusste, dass er durch Herausreißen des Funkgerätes sowie des Innenspiegels samt Taxameter diese, sohin fremde bewegliche Sachen, zerstört und dadurch der XXXX ein Schaden entsteht, und wollte dies auch.
[…]
Zur kriminellen Vereinigung von XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX :
Die Tatsache, wonach sich XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX zu einer kriminellen Vereinigung zusammenschlossen, ergab sich bereits aus dem Umstand, dass sie die Raubüberfälle in unterschiedlichen Täterkonstellationen und in Absprache miteinander begingen. Die Täter wechselten sich jeweils entweder bei ihren Beitragshandlungen oder als unmittelbare Täter in unterschiedlichen Konstellationen ab, sodass das Gericht zweifelsfrei den Schluss ziehen konnte, dass offenkundig bereits vorab eine Absprache bzw. eine Verständigung dahingehend vorlag, dass sich die eben Genannten zu einer kriminellen Vereinigung zusammenschließen wollten. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die kriminelle Vereinigung konnten bereits aus dem äußeren Tatgeschehen abgeleitet werden, da sich die einzelnen Personen jeweils an der kriminellen Vereinigung durch die in Folge beschriebenen Raubüberfälle beteiligten. Dass die Beitragstäter im Wissen und willentlich handelten, die kriminellen Ziele der Vereinigung zu fördern, war aufgrund des objektiven Umstandes der entsprechenden Beitragshandlungen im Zusammenhalt mit den diesen vorausgehenden Absprachen zu schließen. Auch aus ihren ständigen Zusammentreffen im Zusammenhalt mit ihrer finanziell prekären Situation konnte auf einen längeren Zusammenschluss von zumindest mehreren Monaten geschlossen werden, zumal schon ein entsprechendes Netzwerk in Parks und um die sodann verwendete Schreckschusspistole aufgebaut worden war.[…]
Zur kriminellen Vereinigung von XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX
Die Angeklagten XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX haben zu A.I.1. bis 6. und A.II.1. bis 3. jeweils das/die Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und teilweise zweiter Fall StGB sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht teilweise als unmittelbare Täter teilweise als Beitragstäter verwirklicht, weil sie als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, nämlich eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung Raubüberfälle auf Taxifahrer und Tankstellen ausgeführt werden, unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung den angeführten Personen teils mit Gewalt gegen eine Person, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), teils unter Verwendung von Waffen, nämlich – wenngleich ungeladener – Schreckschusspistolen und Gas-Alarmpistolen (vgl. hiezu RIS-Justiz RS0081899; RS0094078 [T7]; RS0094112 [T1]; RS0094098) die angeführten fremden beweglichen Sachen mit einem auf unrechtmäßige Bereicherung abzielenden Vorsatz teils weggenommen oder abgenötigt, teils wegzunehmen oder abzunötigen versucht haben.
Zur Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB; C.III.:
Die Angeklagten XXXX und XXXX haben in objektiver und subjektiver Hinsicht zu C.III. das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB zu verantworten, weil sie XXXX durch die geschilderten Tätlichkeiten, mithin mit Gewalt, zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen sowie zur Ausfolgung seines Mobiltelefons nötigten.
Zur Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB; D.II. und III.:
Darüber hinaus haben die Angeklagten XXXX zu D.II. und XXXX zu D.III. in objektiver und subjektiver Hinsicht die Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB verwirklicht, weil sie die angeführten Urkunden, über die sie nicht verfügen durften und die sie anlässlich der angeführten Raubüberfälle an sich gebracht hatten, mit dem Vorsatz unterdrückten, zu verhindern, dass diese Dokumente im Rechtsverkehr zum Beweis der sich daraus ergebenden Rechte, Rechtsverhältnisse oder Tatsachen gebraucht werden.
Zur Sachbeschädigung nach § 125 StGB; E.I. und II.1. sowie E.II.2. und III.:
Weiters haben die Angeklagten XXXX zu E.I. und II.1. sowie XXXX zu E.II.2. und III. in objektiver und subjektiver Hinsicht die Vergehen der Sachbeschädigung begangen, weil sie im Rahmen der angeführten Raubüberfälle die im Anklagetenor angeführten fremden Sachen teils beschädigten, teils zerstörten, und dadurch ihren Opfern einen 5.000 Euro nicht übersteigenden Schaden zufügten.
Zur schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB; E.V.:
XXXX hat nach dem festgestellten Sachverhalt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu E.V. das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB verwirklicht.
Eine schwere Sachbeschädigung nach § 126 Abs 1 Z 5 StGB begeht, wer diese an einem wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs 1 Z 11) begeht. Wesentliche Bedeutung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit haben Einrichtungen, Anlagen oder Systeme etwa der Justizwache, der Polizei, der städtischen Sicherheitswachen und der Zollwache. Wesentliche Bestandteile einer solchen kritischen Infrastruktur sind etwa Justizanstalten, gerichtliche Gefangenenhäuser, polizeiliche Verwahrungsräume, Einsatzfahrzeuge, etc. (Rebisant in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 126, Rz 40 und 41). Die Art der Beschädigung der Sache muss geeignet sein, deren Funktionsfähigkeit als solche zumindest abstrakt zu beeinträchtigen und eine abstrakte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hervorzurufen, etwa bei der Beschädigung des Außenzauns einer Justizanstalt oder der Außenwand eines Haftraums einer Justizanstalt und der Ausbruchssicherung an Fenstern eines gerichtlichen Gefangenenhauses (Rebisant in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 126, Rz 42).
Feststellungsgemäß beschädigte XXXX das am Fenster vor den Gitterstäben angebrachte Streckmetallgitter seines Haftraumes der Justizanstalt XXXX - XXXX , das jedenfalls einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur darstellt, zumal mit diesem Streckmetallgitter unter anderem verhindert werden soll, dass Häftlinge diverse Gegenstände gegenseitig austauschen können. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts verantwortet XXXX daher zu Faktum E.V. das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht.
Zur dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB; F.I. und II.:
Die Angeklagten XXXX zu F.I. und XXXX zu F.II. haben darüber hinaus das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht zu verantworten, weil sie die im Spruch angeführten fremden Sachen in einem 5.000 Euro nicht übersteigenden Gesamtwert, die sie anlässlich der geschilderten Raubüberfälle an sich gebracht hatten, durch Wegwerfen aus dem Gewahrsam der Berechtigten dauernd entzogen, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen.
Zu den Widerständen gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 vierter Fall StGB; H.I.:
XXXX hat nach dem festgestellten Sachverhalt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu H.I. die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 vierter Fall StGB verwirklicht.
Zu den Körperverletzungen nach § 83 Abs 1 StGB und § 84 Abs 4 StGB; I.I. und I.III.1.:
Durch die zu H. des Anklagetenors geschilderten Tätlichkeiten haben die Angeklagten XXXX (zu I.I.) und XXXX (zu I.III.1) jeweils das bzw. die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht begangen.
Zur schweren Körperverletzungen nach § 84 Abs 4 StGB; I.III.2.:
XXXX hat nach dem festgestellten Sachverhalt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu I.III.2. das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB verwirklicht.
Die Qualifikation einer Körperverletzung im Sinne des § 83 Abs 1 StGB zur schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB setzt den Eintritt entweder einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit oder eine an sich schwere Verletzung oder Gesundheitsschädigung voraus (Burgstaller/Fabrizy in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 84 Rz 68).
Bei den erlittenen Verletzungen des XXXX handelt es sich um eine an sich schwere Körperverletzung. Die Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit hat über 14 Tage betragen.
Aus dem Wortlaut des § 84 Abs 4 StGB ergeben sich im Hinblick auf die subjektive Tatseite zwei Verwirklichungsmöglichkeiten: Wenn eine Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB einen der in § 84 Abs 1 StGB angeführten Erfolge nach sich gezogen hat, so ist dieser Erfolg zuzurechnen, wenn er vom Täter entweder fahrlässig oder aber auch vorsätzlich herbeigeführt wurde (Burgstaller/Fabrizy in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 84 Rz 70).
Im gegenständlichen Fall konnte neben dem direkten Verletzungsvorsatz zumindest bedingter Vorsatz des Zweitangeklagten in Bezug auf die schweren Folgen festgestellt werden.
Zum betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauch nach § 148a Abs 1 und 2 erster Fall StGB; J.:
Der Angeklagte XXXX hat weiters das Vergehen des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs. 1 und 2 erster Fall StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen, da er durch die geschilderte widerrechtliche Verwendung des von ihm zuvor entfremdeten Tankchips seines Arbeitgebers und der damit unberechtigt unter Eingabe des Codes erfolgten Betankung von Fahrzeugen mit Treibstoff im Gesamtwert von zumindest EUR 1.800,-- das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch Eingabe von Daten oder sonst durch Einwirken auf den Ablauf des Verarbeitungsvorgangs beeinflusst und dadurch seinen ehemaligen Arbeitgeber XXXX in einem 5.000 Euro nicht übersteigenden Betrag, sich oder andere unrechtmäßig bereichernd, am Vermögen geschädigt hat, wobei er gewerbsmäßig im Sinne des § 70 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 StGB handelte.
Zum Einbruchsdiebstahl nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB; N.:
Vorfälle vom 28. Dezember 2018, vom 8. Jänner 2019 und vom 25. Dezember 2018:
XXXX hat nach dem festgestellten Sachverhalt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu N. das Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB verwirklicht.
Aufgrund des Umstandes, dass XXXX lediglich zu einem Einbruch einen Beitrag leistete, war jedenfalls nicht davon auszugehen, dass er die Tat gewerbsmäßig oder im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen hat.
Hinsichtlich der freigesprochenen Einbruchsdiebstähle war eine Täterschaft des XXXX nicht erweislich. Dies gilt ebenso in Bezug auf XXXX .
Feststellungsgemäß begingen XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX diverse Raubüberfälle in verschiedener Zusammensetzung. Teilweise fungierten die Angeklagten als Fahrer, Aufpasser oder stellten Waffen zur Verfügung, sohin als Beitragstäter zu den Raubüberfällen. Es schlossen sich XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX dieser kriminellen Vereinigung an und begingen als Mitglieder dieser gemeinsam in unterschiedlichen Konstellationen die festgestellten Raubüberfälle, wobei im einzelnen auszuführen ist, wie folgt:
Vorfälle vom 30. November 2018 A.I.1. und II.1., vom 13. Februar 2019 A.I.2. und II.2., vom 18. März 2019 A.I.3. und II.3.a, D.II., E.I. und F.I., vom 19. März 2019 A.I.4. und II.3.b., vom 19. März 2019 A.I.5. und II.3.c., D.III., E.II. und F.II. sowie vom 20. März 2019 A.I.6. und II.3.d., C.III., E.III. und I.I.:
XXXX hat nach dem festgestellten Sachverhalt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu A.I. 3. 4. 5. und 6. die Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB, zu C.III. das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, zu D.III. das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, zu E.II.2. und III. die Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, zu F.II. das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, zu I.I. das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und zu N. das Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB verwirklicht.
XXXX hat nach dem festgestellten Sachverhalt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu A.I.1. das Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster Fall StGB, zu A.I 2., 3., 4., 5. und 6. die Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB, zu C.III. das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, zu D.II. das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, zu E.I. und II.1. die Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, zu F.I. das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, zu H.I. die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 vierter Fall StGB, zu I.I. und III.1. die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie zu I.III.2. das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB verwirklicht.
XXXX hat nach dem festgestellten Sachverhalt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu A.II.3. die Verbrechen des schweren Raubes als Beitragstäter nach den §§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB sowie zu J. das Vergehen des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs. 1 und 2 erster Fall StGB verwirklicht.
XXXX hat nach dem festgestellten Sachverhalt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu A.II.1.a. das Verbrechen des schweren Raubes als Beitragstäter nach den §§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster Fall StGB, zu A.II.2.a. das Verbrechen des schweren Raubes als Beitragstäter nach den §§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall StGB sowie zu E.V. das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB verwirklicht.
XXXX hat nach dem festgestellten Sachverhalt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu A.II.1.b. das Verbrechen des schweren Raubes als Beitragstäter nach den §§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster Fall StGB und zu A.II.2.b. das Verbrechen des schweren Raubes als Beitragstäter nach den §§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall StGB verwirklicht.
[…]“
Als erschwerend wurde das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die zweifache Qualifikation beim schweren Raum und die Tatwiederholung gewertet. Als mildernd wertete das Gericht die geständige Verantwortung des Beschwerdeführers, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die teilweise Schadenswiedergutmachung.
Die übrigen Angeklagten wurden zu Freiheitsstrafen von neun, acht, drei Jahren, drei Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren und drei Monaten, (betreffend den einzigen Minderjährigen) fünfzehn Monaten bzw. Zusatzfreiheitsstrafen von drei Jahren, zwei Jahren, zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
Dazu führte das Landesgericht für Strafsachen XXXX Folgendes aus:
„Angesichts der hohen kriminellen Energie, der Vielzahl an Raubüberfällen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und der Brutalität gegenüber ihren Tatopfern waren hinsichtlich sämtlicher Angeklagter – mit Ausnahme von XXXX – jedenfalls empfindliche unbedingte Freiheitsstrafen zu verhängen, muss den Angeklagten klar das Unrecht ihres Handelns vor Augen geführt werden.
Die entsprechenden Abstufungen in der Höhe der Freiheitsstrafen ergeben sich einerseits auf Grund der Anzahl der Raubüberfälle, des Umstandes, ob es sich um einen Jugendlichen, einen jungen Erwachsenen oder einen Erwachsenen handelt, ob als unmittelbarer Täter oder Beitragstäter gehandelt wurde und überdies ob eine umfassende Verantwortung von den Angeklagten übernommen wurde.“
1.6. Mit Urteil vom 27.05.2021 verwarf der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers, weil er diese nicht ausgeführt hatte. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden sprach ihn der Oberste Gerichtshof gemäß § 259 Z 3 StPO von den Vorwürden frei, er habe am 20. März 2019 in XXXX in einverständlichen Zusammenwirken mit XXXX im Zuge des Raubüberfalls laut Schuldspruch A./I./6./ XXXX mit Gewalt, nämlich durch Versetzen mehrere Schläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, zu einer Handlung und Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen sowie zur Ausfolgung seines Mobiletelefons genötigt und in Form einer Kopfprellung, Hämatomen und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand am Körper verletzt zu haben, weil das Urteil in diesem Umfang von Rechtsfehlern behaftet war, da beim Verbrechen des Raubes alle Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung des räuberischen Vorsatzes bis zur materiellen Vollendung der Tat, demnach auch eine gegen das Raubopfer gerichtete und mit der Sachwegnahme noch in Zusammenhang stehende, mit einer leichten Körperverletzung verbundene Nötigung grundsätzlich als deliktsspezifische Einheit anzusehen sind, die unter der Voraussetzung eines direkten sachlichen Konnexes keiner gesonderten strafrechtlichen Zuordnung zugänglich sind. Daher seien diese strafbaren Handlungen von der Verurteilung gemäß § 105 StGB konsumiert und der Beschwerdeführer von diesen abgeurteilten Taten freizusprechen.
Für die ihm nach den unberührt bleibenden Schuldsprüchen zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich die Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB (A./I./3./, 4./, 5./ und 6./), das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (D./III./), das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (E./II./2./ und III./), das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB (F./II./) und das Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB (N./) wurde er unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 143 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
„Bei der erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof
- In Bezug auf den Angeklagten XXXX erschwerend das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen samt der zweifachen Raubqualifikation und der Tatwiederholung (§ 33 Abs. 1 Z 1 StGB) und als mildern die bisherige Unbescholtenheit (§ 34 Abs. 1 Z 3 StGB), den Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind (§ 34 Abs. 1 Z 13 StGB), die teilweise Schadensgutmachung (§ 34 Abs. 1 Z 14 StGB) und das reumütige Geständnis (§ 34 Abs. 1 Z 17 StGB);
[…]
Vor diesem Hintergrund erachtete der Oberste Gerichtshof bei XXXX eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und bei XXXX eine solche von acht Jahren als tat- und schuldangemessen. Dabei war neben der massiven Delinquenz vor allem die reifliche Planung und Vorbereitung der Taten sowie die besonders brutale, rücksichtslose und für die jeweiligen Opfer traumatisierende Tatbegehung anlässlich der jeweiligen Raubüberfälle zu berücksichtigen (§ 32 Abs. 3 StGB), die sich etwa im Ansetzen der Tatwaffe an den Kopf des Opfers bei XXXX (vgl. US 38) und im Reptieren der Tatwaffe bei XXXX (vgl. US 36) manifestierte.“
1.7. Am 09.08.2021 trat der Beschwerdeführer seine Freiheitsstrafe an; das errechnete Strafende ist der 06.12.2026.
1.8. Das Bundesamt räumte dem Beschwerdeführer am 14.10.2024 Parteiengehör im Aberkennungsverfahren ein.
Im Aberkennungsverfahren des Beschwerdeführers vernahm das Bundesamt seine Ehefrau, XXXX am 12.10.2021 niederschriftlich ein:
„Fragen zu Ihrer Identität, Ihrem Privat- und Familienleben:
F. Wie heißen Sie und wie lautet ihr Geburtsdatum?
A. Ich heiße XXXX , bin am XXXX geboren und bin Staatsangehörige der Russischen Föderation.
F. Haben Sie Dokumente, welche Ihre Identität bestätigen?
A: Konventionsreisepass Nr. XXXX , ausgestellt am 06.06.2017
Geburtsurkunde mit Übersetzung
Bescheid vom Jahr 29.10.2003
Heiratsurkunde
F: Wer lebt noch alles bei Ihnen?
A: Nur meine Kinder, mein Mann ist zwar gemeldet aber er ist in Haft
F: Wann haben Sie erstmalig den K-Pass erhalten?
A: Ca. 2010
F: Sind Sie beruflich tätig?
A: Derzeit bin ich beim AMS arbeitslos gemeldet. Vorher war ich für 1 Jahr im Einzelhandel tätig
F: Wie ist Ihr Familienstand?
A: Ich bin verheiratet mit XXXX , geb. am XXXX . Geheiratet haben wir am XXXX in XXXX .
F: Haben Sie Dokumente, welche die Ehe bestätigen?
A: Partei legt eine Heiratsurkunde vor
F: Nennen Sie bitte die Namen aller Ihrer Kinder
A: XXXX , geb. XXXX , XXXX und XXXX (Zwillinge, geb. XXXX ). Die Geburtsurkunden meiner Kinder müssten bei Ihnen aufliegen.
Anm.: Nach Durchsicht der Akten konnte diese ermittelt werden.
F: Partei wird über das weitere Vorgehen wegen der Verfahren aufgeklärt. Den Kindern wird der Asylstatus aberkannt, allerdings wird den Kindern ein Aufenthaltstitel erteilt. Dadurch gibt es keine Probleme mit der Schule oder Kindergarten. Die Kinder dürfen bei Ihnen bleiben und werden nicht abgeschoben.
A: Ich habe das verstanden
F: Wie geht es Ihnen mit Ihrem Mann?
A: Gut, wir wollen nach der Haft wieder gemeinsam leben. Es ist eine schwere Situation.
F: Können Sie sich vorstellen mit Ihrem Mann gemeinsam wieder in der RUSSISCHEN FÖDERATION zu leben?
A: Nein, kann ich mir nicht. Ich habe dort nichts Eigenes.“
Am 22.10.2021 legte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers Vollmacht und erstattete eine Stellungnahme, in der er ausführt, dass seine gesamte Familie in Österreich lebe – seine Eltern, drei Geschwister, seine Gattin und seine drei Kinder. Er habe zahlreiche Freunde in Österreich. Er habe eine Lehre als KFZ-Techniker begonnen und nach drei Jahren abgebrochen. Er habe bei den Firmen XXXX und XXXX gearbeitet. In Österreich habe er ein Jahr lang die Volksschule, vier Jahre lang die Hauptschule und ein Jahr lang das Oberstufenrealgymnasium besucht. Er verfüge derzeit über kein Einkommen und kein Vermögen. In der RUSSISCHEN FÖDERATION habe er keine Anknüpfungspunkte, er habe in keinem anderen Land Angehörige oder Verwandte. Eine Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION sei ihm nicht zumutbar, zumal sich sein Vater aktiv am Krieg in TSCHETSCHENIEN beteiligt habe und gefoltert worden sei. Im Falle der Rückkehr werde im Rahmen der Sippenhaft inhaftiert und gefoltert. Er verfüge über keinen russischen Reisepass. Er konsumiere keine Suchtmittel. Er habe dauernde Schmerzen im Rücken auf Grund eines Unfalles; derzeit müsse er keine Medikamente einnehmen.
Er lebe seit seiner Kindheit durchgehend in Österreich. Seither sei er nie in der RUSSISCHEN FÖDERATION gewesen. Dies sei ein eindeutiger Beweis dafür, dass er im Heimatstaat über keine Bindungen verfüge. Er habe seine schulische Ausbildung in Österreich gemacht und sei sozial, persönlich und familiär in Österreich integriert. Die Sozialisation des Beschwerdeführers habe fast zur Gänze in Österreich stattgefunden. Sein Freundeskreis bestehe ausscließlich aus Österreichern mit deutscher Muttersprache, worauf auch die Tatsache zurückzuführen sei, dass der Beschwerdeführer die Amtssprache seines Heimatstaates nicht bzw. nur auf einfachem Niveau beherrsche. Der Beschwerdeführer könne jedoch in der Amtssprache seines Heimatstaates weder schreiben noch lesen. Seine schulische Ausbildung habe er in Österreich abgeschlossen. Die Lehre als KFZ-Techniker habe er nicht abschließen können und in weiterer Folge bei XXXX und XXXX gearbeitet.
Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass mit zunehmender Dauer des Aufenthalts eines Fremden im Aufnahmestaat und den damit verbundenen zunehmenden Beziehungen dort im entsprechenden Ausmaß auch die persönlichen Bindungen eines Fremden im früheren Heimatstaat an Bedeutung verlieren werden. Mit andere Worten werde also der Verlust an Bindungen eines Fremden zum Heimatstaat umso stärker sein, je länger sein Aufenthalt im Aufnahmestaat andauere und je stärker es hier zum Aufbau neuer (persönlicher) Bindungen komme. Mit der Abnahme der Bindungen im Herkunftsstaat werde gleichzeitig auch der Integrationsgrad eines Fremden im Aufnahmestaat zunehmen und für die Frage der Reintegration des Fremden im Heimatland Bedeutung erlangen.
Der EGMR subsumiere auch Aspekte, die ansonsten innerstaatlich durch das Grundrecht der Berufsfreiheit geschützt seien, unter den Schutzbereich des Art. 8 EMRK. Da die Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, insbesondere auch die Chance impliziere, Beziehungen zui anderen aufzubauen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, um das Privatleben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, sehe der EGMR das Ergreifen eines Berufes bzw. die fortgesetzte Ausübung als Bestandteile des durch Art. 8 EMRK geschützten Rechts auf Privatleben.
Zwar werde weiterhin nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, der Beschwerdeführer bereue seine Taten jedoch sehr und sei wieder in der Lage, sein Leben in den Griff zu bekommen.
Der EGMR habe in der Rechtssache MASLOV gegen Österreich die Verletzung des Art. 8 EMRK bejaht, obwohl der betroffene bulgarische Staatsangehörige auf Grund der Begehung mehrerer Delikte, u.a. gewerbsmäßigen Diebstahls, Erpressung und Körperverletzung verurteilt worden sei. Der EGMR habe die Meinung vertreten, dass die Einreise des Fremden im Alter von sechs Jahren und die Begehung dieser Taten im jungen Alter, die Beherrschung der deutschen Sprache und seiner fehlenden Beziehung zum Heimatstaat Tatsachen darstellen, die mehr wiegen als die Erhaltung der öffentlichen Ordnung, die in einer demokratischen Ordnung notwendig sei. Idente Sachverhaltselemente weise auch der Beschwerdeführer auf, zumal er im Kindesalter nach Österreich gekommen sei, die Schulbildung in Österreich abgeschlossen habe und keine Bindung mehr zum Herkunftsstaat aufweise.
Der VwGH habe im Erkenntnis 15.12.2011, 2011/21/0237, zum FPG erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer eines Einreiseverbotes nach dem FRÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen sei. Dabei habe die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus der weitere Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde oder andere in Art. 8 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.
Es sei diesbezüglich festzuhalten, dass in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrundeliegende Verhalten – Einzelfallprüfung – abzustellen sei. Maßgeblich seien Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf komme es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes an. Maßgeblich sei nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung bzw. mehrere strafgerichtliche Verurteilungen ausgesprochen wurden, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen sei. Es sei also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden müsse, dass der Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
In seiner Entscheidung vom 16.05.2019, Ra 2019/21/0104, habe der VwGH festgehalten, dass in Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen sei, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt sei. Dabei sei – abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Fremden – darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren sei. Diese Prognose sei nachvollziehbar zu begründen.
Der Verwaltungsgerichtshof habe im Übrigen bereits mehrfach festgehalten, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens kein absoluter Charakter zukomme. Vielmehr sei eine gewichtende Gegenüberstellung des erwähnten öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem geordneten Fremdenwesen mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
Zu diesem Abwägungsvorgang habe der VwGH festgehalten, dass das Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts zunehme. Aus den erwähnten Gründen sei wohl auch beim Beschwerdeführer davon auszugehen, dass angesichts seines 15jährigen Aufenthalts in Österreich und der bestehenden Integration vor allem im Hinblick darauf, dass er in TSCHETSCHENIEN keine Bindung aufweise, die Verhängung eines Einreiseverbotes unter Bedachtnahme auf die Gewährleistung der Achtung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK unzulässig sei.
Der Beschwerdeführer müsse im Falle der Rückkehr in das – ihm mittlerweile völlig fremde – TSCHETSCHENIEN eine völlig neue Existenz aufbauen und sich in eine ihm mittlerweile völlig fremd gewordene Gesellschaftsstruktur reintegrieren, was ihm angesichts seines langjährigen Auslandsaufenthalts nicht möglich sei. Über ein familiäres oder soziales Netzwerk verfüge er in TSCHETSCHENIEN nicht.
Daher drohe ihm weiters im Falle einer Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK, 6., 13. ZPEMRK. Weiters werde auf das Ausgeführte hinsichtlich der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verwiesen.
1.9. Gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX erhoben XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und die Staatsanwaltschaft Berufung. Das Oberlandesgericht XXXX gab den Berufungen mit Urteil vom 25.08.2021 nicht Folge. Unter einem gab es den Beschwerden der Staatsanwaltschaft sowie von XXXX und XXXX gegen zugleich gefasste Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten bzw auf Verlängerung von Probezeiten nicht Folge.
1.10. Mit Beschluss vom 20.10.2021 wies das Bezirksgericht XXXX - XXXX die Anträge der Kinder des Beschwerdeführers auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen vom 03.09.2021 ab. Begründend führte es dazu im Wesentlichen aus:
„Da in der gegenständlichen Unterhaltsvorschusssache die Asylbescheide der Eltern vor über 10 Jahren erlassen wurden, sich der Asylstatus der Minderjährigen von Ihrem Vater ableitetet – gegen welchen mittlerweile ein Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde und auch gegenüber den Minderjährigen eingeleitet werden muss – und es der Mutter auch nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass die Flüchtlingseigenschaft aktuell noch besteht bzw. die Rückkehr in das Heimatland unmöglich ist, sind die Anträge auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen abzuweisen.“
1.11. Mit Bescheid vom 10.11.2021 erkannte das Bundesamt dem Beschwerdeführer den ihm mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.02.2005 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab, stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetztes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig ist (Spruchpunkt V.) räumte dem Beschwerdeführer eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein (Spruchpunkt VI.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1, 5 FPG ein achtjähriges Einreiseverbot gegen ihn.
Diesen gründete es abgesehen vom Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 18.05.2021, auf folgende Feststellungen:
„Zu Ihrer Person:
Ihre Identität steht nicht einwandfrei fest. Sie sind Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION und ethnischer Tschetschene und bekennen sich zum islamischen Glauben.
Sie sind gemeinsam mit Ihren Eltern und Ihrem Bruder illegal ins österreichische Bundesgebiet eingereist.
Sie sind zum Entscheidungszeitpunkt volljährig, gesund und arbeitsfähig. Sie sind verheiratet und haben drei minderjährige Kinder. Ihr Hauptwohnsitz befindet sich seit 16.03.2021 in 8020 XXXX , XXXX , wo auch Ihre Gattin und Ihre Kinder leben.
Sie wurden in Österreich massiv straffällig und rechtskräftig zu sechs Jahren verurteilt. Am 13.09.2019 wurde gegen Sie ein Waffenverbot durch die LPD XXXX . bis zum 13.09.2024 verhängt. Inhaftiert sind Sie derzeit in der Justizanstalt XXXX - XXXX .
Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:
Ihnen wurde der Status des Asylberechtigten vom Bundesasylamt lediglich deshalb zugesprochen, da sich Ihr Verfahren auf jenes Ihrer Mutter erstreckte.
Festgestellt werden konnte, dass der Sachverhalt der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nun nicht mehr vorliegt und Ihre Strafdelikte als ausschlaggebend angesehen werden.
Sie wurden gemeinsam mit zwölf Komplizen in Österreich massiv straffällig. In Ihrem Strafregister scheint folgende Verurteilung auf:
01) LG F.STRAFS. XXXX XXXX vom 02.07.2020 RK 27.05.2021
§ 229 (1) StGB
§§ 15, 142 (1), 143 (1) 1.2. Fall StGB
§§ 12 3. Fall, 127, 129 (1) 1. Fall StGB
§ 135 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat 20.03.2019
Freiheitsstrafe 6 Jahre
Gegen dieses Urteil erhoben Sie eine Nichtigkeitsbeschwerde. Da Sie diese nicht ausgeführt und auch bei deren Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet haben, war dieses Rechtsmittel zu verwerfen.
Bei der erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof in Bezug auf Ihre Person erschwerend das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen samt der zweifachen Raubqualifikation und der Tatwiederholung (§ 33 Abs. 1 Z 1 StGB) und als mildernd die bisherige Unbescholtenheit (§ 34 Abs. 1 Z 3 StGB), den Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind (§ 34 Abs. 1 Z 13 StGB), die teilweise Schadensgutmachung (§ 34 Abs. 1 Z 14 StGB) und das reumütige Geständnis (§34 Abs. 1 Z 17 StGB).
Vor diesem Hintergrund erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitstrafe von sechs Jahren als tat- und schuldangemessen. Dabei war neben der massiven Delinquenz vor allem die reifliche Planung und Vorbereitung der Taten sowie die besonders brutale, rücksichtlose und für die jeweiligen Opfer traumatisierende Tatbegehung anlässlich der jeweiligen Raubüberfälle zu berücksichtigen (§ 32 Abs. 3 StGB), die sich etwa im Ansetzen der Tatwaffe an den Kopf des Opfers manifestierte.
Es kann somit festgestellt werden, dass Sie eine Gefahr für die Allgemeinheit, öffentliche Sicherheit und Ordnung sind. Gegen Sie besteht ebenso ein aufrechtes Waffenverbot.
Der Bestand des § 7 Abs. 1 Z 1 Asyl ist somit erfüllt, da Sie von einem inländischen Gericht wegen besonders schwerer Verbrechen schuldig gesprochen und rechtskräftig verurteilt wurden. Sie verbüßen eine langjährige Haftstrafe und befinden sich derzeit in der Justizanstalt XXXX - XXXX .
Abschließend wird festgestellt, dass die Justizanstalt XXXX - XXXX beabsichtigt gegen Sie ein Verfahren auf Überstellung zum weiteren Strafvollzug in Ihrem Herkunftsstaat einzuleiten.
Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:
Es konnten keine stichhaltigen Gründe festgestellt werden, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprechen.
Sie sind Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION. Als russischer Staatsangehöriger haben Sie Anrecht auf Grundversorgung und Unterstützung. Sie können auch von Ihren Familienangehörigen in Österreich finanziell unterstützt werden. Eine Unzulässigkeit Ihrer Rückkehr aus Gründen der EMRK (Europäischen Menschenrechtskonvention) konnte nicht festgestellt werden. Dass Ihre Familie über keinen Verwandten- bzw. Bekanntenkreis mehr in der RUSSISCHEN FÖDERATION haben konnte nicht festgestellt werden.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie in TSCHETSCHENIEN respektive in der RUSSISCHEN FÖDERATION aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Ansichten bedroht wären. Es konnte zum Zeitpunkt der Entscheidung keine aktuelle Gefährdung festgestellt werden. Sie haben den Herkunftsstaat im Kindesalter verlassen und waren nie einer individuellen Verfolgung ausgesetzt und haben auch im nunmehrigen Verfahren keine Befürchtungen vor einer spezifischen Gefahrenlage für den Fall Ihrer Rückkehr geäußert. Sie waren nie einer persönlichen Verfolgung unterworfen. Sie haben ursprünglich im Rahmen des Familienverfahrens den Asylstatus erhalten.
Nicht festgestellt werden konnte, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat von solchen Verhältnissen betroffen sind, die dazu führen, dass Sie wenn Sie sich dort aufhalten, einem realem Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt zu sein oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen sind.
Die Lage in Ihrer Herkunftsregion hat sich im Verhältnis zum Zeitpunkt der Asylgewährung deutlich verbessert und herrscht auch kein Krieg mehr.
Festgestellt werden kann, dass Sie durchaus die Möglichkeit haben, gemeinsam mit Ihrer Gattin und Ihren Kindern in die Russische Föderation zurückkehren zu können, zumal Sie beide lediglich aufgrund des Familienverfahrens den Asylstatus erhalten haben. Eigene Gründe wurden für Sie beiden niemals vorgebracht. Ihre Kinder befinden sich in einem anpassungsfähigen Alter und könnten durchaus auch in der Russischen Föderation den Kindergarten, Schule und Universitäten besuchen.
Zu Ihrem Privat- und Familienleben und Ihrem Aufenthalt in Österreich:
Sie halten sich seit Ihrem neunten Lebensjahr durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. In Österreich haben Sie pflichtgemäß die Schule besucht und von XXXX eine Lehre begonnen, die Sie jedoch nicht abgeschlossen haben.
Vom XXXX haben Sie Arbeitslosengeld sowie Notstandshilfe/Überbrückungshilfe bezogen. Vom XXXX waren Sie in verschiedenen Branchen geringfügig (weniger als ein Monat) beschäftigt. Vom XXXX , vom XXXX und vom XXXX waren Sie als Arbeiter bei drei verschiedenen Firmen angestellt, danach wiederum bei verschiedenen Arbeitsgebern geringfügig beschäftigt. Zuletzt waren Sie vom XXXX in einem Frisörsalon tätig.
Verheiratet sind Sie seit XXXX mit Frau XXXX , geb. am XXXX , StA. d. Russischen Förderation. Diese verfügt ebenfalls über den Asylstatus, welcher ihr auch im Zuge des Familienverfahrens zuerkannt wurde. Ihre Gattin ist derzeit arbeitslos gemeldet.
Ihre Gattin und Sie haben drei gemeinsame Kinder, XXXX , geb. XXXX ; XXXX und XXXX (Zwillinge, geb. am XXXX ).
Ihre Gattin hat Sie während Ihrer Haftzeit im Zeitraum von XXXX lediglich zwei Mal besucht.
Ihre Eltern und Ihr Bruder halten sich ebenso im Bundesgebiet auf, zu denen jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis besteht.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration Ihrerseits in Österreich vorliegt.
Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:
Sie wurden von einem inländischen Gericht wegen besonders schweren Verbrechen rechtskräftig verurteilt und sind Sie somit wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft und die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Es ist von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen.“
Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen Folgendes aus:
„Zu Spruchpunkt I.:
[…]
Es ist in weiterer Folge die Frage zu klären, ob die von Ihnen begangenen Taten als „besonders schweres Verbrechen" anzusehen sind.
Einleitend ist festzuhalten, dass der asylrechtliche Verbrechensbegriff schon vor dem Lichte seiner im Völkerecht liegenden Entstehungsgeschichte nicht mit dem Verbrechensbegriff des österreichischen StGB identisch ist. In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005 wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG u.a. verweist, erläuternd - wenngleich nur demonstrativ – hierzu Folgendes ausgeführt:
„Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter [den] Begriff ‚besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. Mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch – auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen – mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des „besonders schweren Verbrechens" des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind zu den besonders schweren Verbrechen nur Straftaten zu zählen, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter – insbesondere Leib und Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit – betreffen. Sie wurden wiederholt wegen ähnlich gelagerter Delikte, welche die körperliche Unversehrtheit betreffen, wie Verbrechen des räuberischen Diebstahls am 08.07.2011 Raufhandel am 22.09.2011, schwere Körperverletzung am 13.12.2012, versuchter Raub am 11.03.2013 und auch mehrfach wegen (schweren gewerbsmäßigen) Diebstahles durch Einbruch, z.T. in krimineller Vereinigung, zuletzt am 21.02.2019.
[…]
Sie wurden von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Konkret erkannte das Landesgericht für Strafsachen XXXX in seinem Urteil zu Recht, dass Sie als Mitglied einer kriminellen Vereinigung darauf ausgerichtet waren, gemeinsam mit einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung mehrere Verbrechen, nämlich Raubüberfälle auf Taxifahrer und Tankstellen auszuführen. Die Durchführung erfolgte unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung, und zwar teils mit Gewalt gegen eine Person, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), teils unter Verwendung einer Waffe, mit dem Vorsatz fremdes Eigentum (teils weggenommen oder abgenötigt, teils wegzunehmen oder abzunötigen versucht), durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern.
Sie haben hierdurch
• die Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB
• das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB,
• das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB,
• die Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB,
• das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB,
• das Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall,
begangen und wurden unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB nach § 143 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt.
Bei der erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof in Bezug auf Ihre Person erschwerend das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen samt der zweifachen Raubqualifikation und der Tatwiederholung (§ 33 Abs. 1 Z 1 StGB) und als mildernd die bisherige Unbescholtenheit (§ 34 Abs. 1 Z 3 StGB), den Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind (§ 34 Abs. 1 Z 13 StGB), die teilweise Schadensgutmachung (§ 34 Abs. 1 Z 14 StGB) und das reumütige Geständnis (§34 Abs. 1 Z 17 StGB).
Vor diesem Hintergrund erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitstrafe von sechs Jahren als tat- und schuldangemessen. Dabei war neben der massiven Delinquenz vor allem die reifliche Planung und Vorbereitung der Taten sowie die besonders brutale, rücksichtlose und für die jeweiligen Opfer traumatisierende Tatbegehung anlässlich der jeweiligen Raubüberfälle zu berücksichtigen (§ 32 Abs. 3 StGB), die sich etwa im Ansetzen der Tatwaffe an den Kopf des Opfers manifestierte.
Es kann somit festgestellt werden, dass Sie eine Gefahr für die Allgemeinheit, öffentliche Sicherheit und Ordnung sind.
Gegen Sie besteht ebenso ein aufrechtes Waffenverbot.
Die Taten stellen sich sowohl abstrakt als auch in den konkreten Einzelfällen aufgrund der Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit von Personen objektiv und subjektiv als besonders schwerwiegend dar. Das Bundesamt geht daher davon aus, dass der Begriff des besonders schweren Verbrechens verwirklicht ist.
Ihre Tathandlungen waren in Summe als gemeingefährlich zu qualifizieren, da Ihre Einstellungen gegenüber dem Staat und der Gemeinschaft der in diesem Staat lebenden Bürgern durch Ihre gesetzten Handlungen geeignet waren, das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft zu gefährden. Eine positive Zukunftsprognose ist nicht ersichtlich.
Sie sind mit bedeutsamer krimineller Energie ausgestattet, weswegen die Annahme absolut gerechtfertigt ist, dass von Ihnen auch weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann.
Der Schutzzweck der GFK verlangt zudem eine Interessenabwägung, wobei die Verwerflichkeit des Verbrechens und die potentielle Gefahr für die Allgemeinheit den Schutzinteressen des Asylwerbers (beinhaltend das Ausmaß und die Art der ihm drohenden Maßnahmen) gegenübergestellt wird. Eine Bedrohung im Heimatstaat tritt dann zurück, wenn die Gefahr für die Sicherheit oder die Gemeinschaft des Aufenthaltslandes trotz bestehender Bedrohung des Lebens oder der Freiheit eines Flüchtlings aus Konventionsgründen zu seinen Ungunsten ausfällt. Es handelt sich dabei um einen gravierenden Eingriff in die persönliche Rechtssphäre eines Flüchtlings, von dem nur dann Gebrauch gemacht werden soll, wenn er aus einem der darin genannten Gründen tatsächlich erforderlich ist (VwGH 10.10.1996, 95/20/0247).
Auch eine Interessensabwägung, wie international gepflogen und vom VwGH verlangt, geht gegen Ihre Person aus.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0288, zu den weiteren Voraussetzungen für eine Verbringung in den Heimat- oder Herkunftsstaat trotz drohender Verfolgung weiters ausgeführt hat, dürfen nur gemeingefährliche Straftäter in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden. Bestehe für das zukünftige Verhalten des Täters eine günstige Prognose, dürfe § 13 Abs. 2 AsylG (im gegenständlichen Fall § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005) im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK nicht angewendet werden. Hinsichtlich der Frage Ihrer Gemeingefährlichkeit ist Folgendes vorauszuschicken:
Im Zusammenhang mit der Strafdrohung der durch Sie begangenen Handlungen ist festzuhalten, dass Sie Straftaten mit erheblichen sozialen Unwert verwirklicht haben, welche sich gegen die Bewegungsfreiheit, gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen fremdes Eigentum, aber auch in der Vergangenheit das Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Vollzug des Fremden- und Niederlassungsrechts richtete.
Die oa. Ausführungen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Straftaten durch Sie als nicht niedrig eingestuft werden kann, zumal Sie sich in entsprechenden Situationen einen langen Zeitraum hinweg in entsprechenden Situationen immer wieder zur Begehung von Straftaten hinreißen ließen. Es kann daher angenommen werden, dass Sie sich auch zukünftig wieder dazu hinreißen lassen könnten. Aufgrund der oa. Ausführungen kann in Bezug auf Sie keine positive Zukunftsprognose getroffen werden.
In Bezug auf die durchzuführende Interessensabwägung wird auf die bereits getroffenen Feststellungen zur Lage in der RUSSISCHEN FÖDERATION allgemein, zu Ihrer Person, sowie zu den getroffenen Feststellungen in Bezug auf ihre individuelle Lage im Falle einer Rückkehr, sowie auf die noch zutreffenden Ausführungen in Bezug auf Ihre privaten Interessen verwiesen. Hieraus ergibt sich in Verbindung mit den bereits getroffenen Feststellungen zu Ihrer Delinquenz, dass von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen auszugehen ist. Somit war in der Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aberkennung des Status des Asylberechtigten, welches aus den oben getroffenen Ausführungen zu Ihrem strafbaren Verhalten, der besonderen Schwere und Vorwerfbarkeit desselben und der fehlenden positiven Zukunftsprognose resultiert, gegenüber einem allfälligen individuellen Schutzinteresse von Ihnen mangels drohender Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr vom Zutreffen der Voraussetzungen insgesamt für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 Z. 4 AsylG 2005 auszugehen. Weitere, detaillierte Ausführungen zur Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen im gegenständlichen Fall sind den Ausführungen zur Rückkehrentscheidung ersichtlich.
Schließlich sind außer spezialpräventiven Momenten, wie Sie von weiteren Straftaten im Bundesgebiet abzuhalten, auch noch generalpräventive Momente zu berücksichtigen, insbesondere auch als "Signal" an die gut vernetzte tschetschenische Diaspora in Österreich, dass ein derartiges gewalttätiges Verhalten von Flüchtlingen in Österreich nicht toleriert wird.
Wenn auch in dem angeführten Urteil als Minderungsgrund das teilweise Geständnis zu berücksichtigen ist, so ist zu Ihrem Nachteil die auf einer im Wesentlichen gleichen schädlichen Neigung, nämlich hoher Gewaltbereitschaft zu berücksichtigen. Schuldausschließungs- und Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. Ihre nahezu nicht vorhandene Integration in Österreich lassen auch keine allgemeine günstige Zukunftsprognose zu. In Anbetracht Ihrer Handlungen kann bei Ihnen durchaus von einer Gemeingefährlichkeit gesprochen werden.
Auch wenn Sie zuvor strafrechtlich unbescholten waren, so zeigen Ihre nunmehr begangenen Straftaten, dass Sie über ein erhebliches kriminelles Potential verfügen. Wie bereits festgestellt, stellen Sie eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Die Einschätzung der aktuellen Gemeingefährlichkeit und negativen Zukunftsprognose ergibt sich aus dem Urteil des Landesgerichtes sowie jenem des Oberlandesgerichtes.
Als Rechtsfolge der oa. Entscheidung ist gem. § 7 Abs. 4 AsylG festzustellen, dass Ihnen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Im Rahmen der Gesamtabwägung gelangt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Ansicht, dass Sie pro futuro eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellen und in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von schwerer Kriminalität überwiegen die öffentlichen Ihren privaten Interessen bei weitem.
In diesem Zusammenhang muss vom Bundesamt angemerkt werden, dass Schwerkriminalität nicht zuletzt durch Berichterstattung auch auf das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung überaus negative Auswirkungen entfaltet.
Aufgrund der Aktenlage war Ihnen daher gem. § 7 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten abzuerkennen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II.:
[…]
Aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergab sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Ihrem Fall nicht vorliegen.
Die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde im Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates aus dem Jahre 2004 im Wesentlichen mit der Erstreckung in Bezug auf Ihren Vater begründet. Die Versorgungslage in TSCHETSCHENIEN bzw. im Herkunftsland hat sich – wie sich zweifelsfrei aus den getroffenen Länderfeststellungen ergibt – nachhaltig stabilisiert, wobei Sie in der Zwischenzeit auch längst volljährig sind.
Auch kann nicht unerwähnt bleiben, dass es Ihnen als Erwachsener zumutbar ist, vermutlich nach anfänglichen Schwierigkeiten, sich in Ihrer Heimat selbst ohne familiäre Anknüpfungspunkte eine Existenz aufzubauen. Deshalb kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass Sie aus subjektiven Gründen in eine Notlage geraten können, zumal Sie volljährig, gesund und arbeitsfähig sind.
Auch kann nicht angenommen werden, dass Sie als Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale einer Verfolgung ausgesetzt wären.
Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Ihre Abschiebung für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. In der RUSSISCHEN FÖDERATION bzw. im NORDKAUKASUS ist eine Zivilperson nicht allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom 13.09.2016, wonach die Situation im NORDKAUKASUS – trotz dort festzustellender schwerer Menschenrechtsverletzungen – nicht so geartet ist, dass die Abschiebung dorthin automatisch eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde (vgl. EGMR 13.09.2016, A.A. und A.A. gegen Frankreich, Zl. 39707/13, Rz. 61). Diesbezüglich sind keine Anhaltspunkte für eine maßgebliche Lageänderung aufgetreten.
Ihnen bzw. Ihrer Vertretung ist es – wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt wurde – auch sonst nicht gelungen, individuelle Gründe für eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (in Folge: EMRK) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention glaubhaft zu machen.
Der Vollständigkeit halber ist noch zu ergänzen, dass unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten aber auch nicht angenommen werden kann, dass Sie als mittlerweile 28-jähriger, gesunder und arbeitsfähiger Mann auch ohne Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat nach einer Rückkehr in Ihre Heimat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären. Diesbezüglich ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, Zl. 2001/01/0021). Selbst wenn vor dem Hintergrund dessen, dass Sie bei einer Rückkehr in eine in materieller Hinsicht beschwerliche Lebenssituation gelangen könnten, war aus diesen Erwägungen nicht abzuleiten, dass im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen würden, die die hohe Schwelle eines Eingriffs iSv Art. 2 und 3 EMRK erreichen würden.
Unabhängig davon würden aber humanitäre Ermessensgründe – selbst bei hypothetischer Feststellung einer realen Gefahr einer Verletzung des BF nach Art. 3 EMRK – ohne Akteur, von dem der Schaden ausgeht und vor dem Sie geschützt werden müssen, im Sinne des Urteils des EuGH vom 24.04.2018, C-353/16, eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes sachlich nicht erfüllen (vgl. dazu auch VwGH 06.11.2018, Zl. 2018/01/0106).
Vor dem Hintergrund der Feststellungen konnte sohin nicht erkannt werden, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um Ihre Außerlandesschaffung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Es liegen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass Sie mit der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit befürchten müssten, im Herkunftsland Übergriffen von im gegebenen Zusammenhang ausreichender Intensität ausgesetzt zu sein.
Da in Ihrem Fall die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen, war der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen.
Zu Spruchpunkt III.:
[…]
In Ihrem Fall liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 von Amts wegen vor, noch sind Fälle hinsichtlich einer notwendigen Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von mit diesen im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen bekannt. Sie sind auch kein Zeuge oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel. Auch ist nicht amtskundig, dass Sie Opfer von Gewalt sind.
Daher ist ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht zu erteilen.
Zu Spruchpunkt IV.:
[…]
Sie sind verheiratet und sind Vater dreier minderjähriger Kinder. Sie haben durchaus die Möglichkeit, gemeinsam mit Ihrer Gattin und Ihren Kindern in die RUSSISCHE FÖDERATION zurückzukehren. Die Aufrechterhaltung des Familienlebens zu Ihren Eltern und Ihrem Bruder ist Ihnen über elektronische Kommunikationsmittel oder Besuche möglich.
Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichert dem Einzelnen zudem einen Bereich, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen kann.
Sie gehen derzeit keiner Beschäftigung nach und befinden sich in der JA XXXX - XXXX . Sie sind nicht selbsterhaltungsfähig. Sie wurden strafrechtlich zu sechs Jahren rechtskräftig verurteilt. Sie leiden an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, welche Sie am Erwerbsleben einschränken würden. Sie sind gesellschaftlich nicht integriert.
Angesicht der strafrechtlichen Verurteilung, wobei Sie besonders schwere Verbrechen begangen haben kann von keiner entsprechenden guten Integration, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen, ausgegangen werden. In Abwägung der öffentlichen Interessen und trotz der Tatsache, dass Sie seit Ihrem Kindesalter in Österreich leben, hier die Schule besucht haben, hat sich seit Ihren Verbrechen eine Gefährlichkeit Ihrer Person manifestiert und stehen Ihren privaten und familiären Interessen gegenüber. Seitens der Behörde sind die öffentlichen Interessen aufgrund der Gefährlichkeit Ihrer Person höher zu bewerten als Ihre familiären und privaten Interessen. Einem Aufenthalt hier in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einer Verhinderung weiterer schwerer Straftaten gegenüber.
Sie sprechen zwar Deutsch verfügen jedoch über keine weiteren nennenswerten Integrationsmerkmale. In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die – hier bei weitem nicht vorhandenen – Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt. (Erk. d. VwGH vom 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029.
Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Das BFA ist eine öffentliche Behörde im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK; der Eingriff ist – wie bereits oben dargestellt – in § 10 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 3 FPG gesetzlich vorgesehen.
Daher ist zu prüfen, ob der Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt. Es ist eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.
Ihre privaten Interessen sind im Hinblick auf die Interessenabwägung im Sinn des Art 8 EMRK nicht ausreichend, um daraus abzuleiten, dass Ihr Interesse, in Österreich zu bleiben, dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und somit einer Rückkehrentscheidung überwiegt.
Die Behörde verkennt auch nicht, dass Sie im Kindesalter in Österreich illegal mit Ihren Eltern eingereist sind und sich seit mehreren Jahren nicht im Herkunftsstaat aufgehalten haben. In der Zusammenschau und unter Berücksichtigung der individuellen Umstände kann von keiner Entwurzelung respektive mit einer Rückkehr verbundene unzumutbare Härte seitens der Behörde erkannt werden, zumal sich Ihre Verwandten jederzeit die Möglichkeit bietet, Sie aus Österreich zu unterstützen.
Aufgrund dieser Gesamtabwägung der Interessen und unter Beachtung aller bekannten Umstände ergibt sich, dass Ihre Rückkehrentscheidung gerechtfertigt ist. Bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen können keine Hinweise gefunden werden, welche den Schluss zuließen, dass durch Ihre Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in Ihr Recht auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen würde.
Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG hat zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist (§ 58 Abs. 2 AsylG).
Da Ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt wird und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig ist, ist gem. § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 3 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.
Zu Spruchpunkt V.:
Gem. § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gem. § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung durchsetzbar ist, sind gem. § 46 Abs. 1 FPG von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn die Überwachung der Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint, sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder dies aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist oder der Fremde einem Einreise- oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist.
Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist gem. § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Wie bereits unter Spruchpunkt II. dargelegt, ergibt sich in Ihrem Fall keine derartige Gefährdung.
Gem. § 50 Abs. 2 FPG ist eine Abschiebung auch dann unzulässig, wenn dem Fremden die Flüchtlingseigenschaft zukommen sollte. Auch dies wurde bereits verneint.
Gem. § 50 Abs. 3 FPG ist eine Abschiebung schließlich unzulässig, wenn die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihr entgegenstehe. Eine solche vorläufige Maßnahme wurde in Ihrem Fall nicht empfohlen.
Es ist somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen Ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist.
Zu Spruchpunkt VI.:
Gem. § 55 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wird, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
In Ihrem Fall konnten solche Gründe nicht festgestellt werden.
Das bedeutet, dass Sie ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen verpflichtet sind.
[…]
Zu Spruchpunkt VII.:
[…]
Sie wurden von einem inländischen Gericht wegen eines schwerwiegenden Verbrechens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Derzeit befinden Sie sich in der JA XXXX - XXXX . Gegen Sie wurde auch ein Waffenverbot erlassen.
Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert gemäß § 53 Abs. 3 das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Bei der Bemessung ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).
Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens ist unter Bedachtnahme auf Ihr Gesamtverhalten, d.h. im Hinblick darauf, wie Sie Ihr Leben in Österreich insgesamt gestalten, davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme, dass Sie eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, gerechtfertigt ist.
Wie bereits in der Beweiswürdigung näher ausgeführt stellen Sie eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar und ist seitens der Behörde aufgrund Ihres Persönlichkeitsbildes keine positive Zukunftsprognose abzugeben.
Bei der Bemessung des Einreiseverbotes, kann sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (VwgH 7.11.2012, 2012/18/0057).
Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, sind Ihre familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Sie sind volljährig, gesund und arbeitswillig. Sie wurden von einem inländischen Gericht wegen div. Verbrechen, darunter schwerer Raub, Körperverletzung, schwere Körperverletzung und diverse andere Verbrechen und Vergehen in teilweise in mehrfacher Ausführung verurteilt. Eine positive Zukunftsprognose kann nicht erfolgen. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletzt in Ihrem Fall Art. 8 EMRK nicht. Es muss daher nun, unter Berücksichtigung des in § 53 Abs. 3 genannten Tatbestandes ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.
Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot ist daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
Das Einreiseverbot bezieht sich gem. § 53 Abs. 1 FPG auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, womit lt. VwGH vom 22.5.2013, 2013/18/0021 jene Staaten erfasst sind, für die die Rückführungsrichtlinie, (RL 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger) gilt.
Aus dem 134-seitigem Strafurteil vom 02.07.2020, Zahl: 16 Hv 90/19m, ist zu entnehmen, dass Sie bei einer Vielzahl von bewaffneten Raubüberfällen und Gewalttaten eine entscheidende Rolle sowohl in der Planung als auch in der Ausführung gespielt haben. Unter allen beteiligten Tätern haben Sie die zweithöchste Strafe erhalten, eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren nach dem Jugendstrafrecht. Sie sind bei Ihren Straftaten – wie in der Feststellung bereits konkret erörtert - mit besonderer Brutalität vorgegangen.
Demnach umfasst das Einreiseverbot alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland und das Vereinigte Königreich. Umfasst sind allerdings weiters Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein.“
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters am 16.11.2021 zugestellt.
1.12. Mit Schriftsatz vom 24.11.2021 erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen diesen Bescheid. Darin führt er im Wesentlichen Folgendes aus:
„1.) Sachverhalt und bisheriges Verfahren:
Der BF wurde am XXXX in GROZNY geboren, ist Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Im Alter von XXXX Jahren reiste er im Oktober 2004 gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten seine Eltern einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom XXXX erkannte das damalige Bundesasylamt den Eltern des BF den Status des Asylberechtigten zu, von ihnen abgeleitet dem BF.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX wurde der BF rechtskräftig wegen der Verbrechen des schweren Raubes gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Mit Bescheid vom 10. November 2021 erkannte das BFA dem BF den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte fest, dass ihm keine Flüchtlingseigenschaft mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gewährt (Spruchpunkt III.). Das BFA erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zudem legte es die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest (Spruchpunkt VI.) und verhängte es ein Einreiseverbot in Höhe von acht Jahren (Spruchpunkt VII.)
Das BFA begründete die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen mit der erfolgten Verurteilung des BF. Der BF stelle eine Gefahr für die Gemeinschaft dar, weil er wegen schwerer Verbrechen rechtskräftig verurteilt worden und seine gemeingefährliche Einstellung gegenüber dem Staat und der Gemeinschaft der in diesem Staat bzw. in der EU lebenden Personen geeignet sei, das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft zu gefährden. Es könne nicht festgestellt werden, dass er in seinem Herkunftsstaat einem realen Risiko unterworfen wäre, einer Art 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll widersprechenden Behandlung unterworfen zu sein, zumal sich die Lage in seiner Herkunftsprovinz deutlich verbessert habe und kein Krieg mehr herrsche. Eine verfestigte soziale und berufliche Integration (in Österreich) liege nicht vor. Ferner könne der BF mit seiner Gattin und seinen mj. Kindern in die Russische Föderation zurückkehren, zumal er und seine Gattin lediglich aufgrund des Familien-verfahrens den Asylstatus erhalten hätten. Eigene Gründe habe er nie vorgebracht. Seine mj. Kinder befänden sich im anpassungsfähigen Alter und könnten diese durchaus auch in der RUSSISCHEN FÖDERATION den Kindergarten, die Schule und Universitäten besuchen (vgl. Seite 7 Bescheid).
Dieser mit 10.11.2021 datierte Bescheid wurde dem BF am 11.11.2021 zugestellt, weshalb die vorliegende Beschwerde des BF unter Wahrung der hierfür normierten Frist von vier Wochen eingebracht wird.
2.) Begründung:
Durch den nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX 2021 erachtet sich der BF in seinem Recht auf Parteiengehör gem. § 45 Abs. 3 AVG, in seinem Recht, den Status eines Asylberechtigten gem § 3 AsylG 2005 zuerkannt zu erhalten, und in seinem Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK verletzt. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen alle Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides. Diese werden wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in seinem gesamten Umfang angefochten.
2.1.) Zur mangelhaften Beweiswürdigung der belangten Behörde und zur Verletzung von § 45 Abs. 3 AVG:
Vorauszuschicken ist, dass der BF im Rahmen des Aberkennungsverfahrens nicht persönlich einvernommen wurde, sondern ihm das BFA nur mittels schriftlichen Aufforderungsschreiben v. 12.10.2021 die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme einräumte.
Weiters sind dem BFA widersprüchliche Feststellungen unterlaufen: Während es auf Seite 5 des Bescheids feststellt, dass der Status des Asylberechtigten dem BF seitens seiner Mutter erstreckt wurde, hält es auf Seite 67 des Bescheids fest, dass eine Erstreckung seitens des Vaters begründet worden sei.
Weiters stellt das BF ohne jegliches Tatsachensubstrat fest, dass der BF durchaus die Möglichkeit habe, gemeinsam mit seiner Gattin und den mj. Kindern in die RUSSISCHE FÖDERATION zurückzukehren, obwohl diese im österreichischen Bundesgebiet aufgrund der Verfolgung in der RUSSISCHEN FÖDERATION asylberechtigt sind. Begründend führt es aus, dass die Gattin den Asylstatus auch lediglich aufgrund des Familienverfahrens habe (vgl. Seite 7 Bescheid). Nähere, nachvollziehbare Ausführungen, wie das BFA zu dieser Schlussfolgerung gelangt, legt das BFA nicht offen. Feststeht vielmehr, dass die Gattin und mj. Kinder des BF hier asylberechtigt sind und daher gerade nicht in die RUSSISCHE FÖDERATION ausreisen können und dürfen, da ansonsten mit einer Verletzung der in Art 2 und 3 EMRK genannten Rechte zu rechnen ist oder die Asylaberkennung seitens der belangten Behörde aufgrund einer „Unterschutzstellung“ droht.
Das BFA führte offensichtlich eine Einvernahme mit der Gattin des BF durch. Den Inhalt dieser Einvernahme brachte das BFA dem BF oder seiner Rechtsvertretung aber weder mittels schriftlichem Parteiengehör noch im Rahmen des Bescheids zur Kenntnis. Dies ist deswegen verfahrensrelevant, da das BFA wie bereits zuvor dargelegt, der Ehegattin des BF und seinen mj. Kindern ohne weiteres im Bescheid unterstellt, als hier Asylberechtigte mit dem BF in die RUSSISCHE FÖDERATION zurückkehren zu können.
Hinsichtlich der persönlichen Lebensumstände des BF (darauf aufbauend die Rückkehrentscheidung) und der Gefährdungsprognose traf das BFA keine Feststellungen zu einer etwaigen finanziellen Abhängigkeit des BF zu seinen Eltern, seinem Bruder oder der Ehegattin des BF. Es steht gerade nicht fest, ob der BF auch in der Haft finanzielle Zuwendungen seitens seiner Familienmitglieder erhält, er in der Haft arbeitet oder sich seit Haftantritt (mitsamt der Vorhaft) wohlverhalten hat. Weiters steht – entgegen der offensichtlichen Unterstellung des BFA (Seite 7 und 51 Bescheid) – nicht fest, ob der BF der russischen (Schrift-)Sprache mächtig ist und ob er auf allfällige Verwandte in der RUSSISCHEN FÖDERATION zurückgreifen könnte. Das BFA traf auch, obwohl sich dies aus dem Strafakt des BF zweifelsfrei ergibt und sich das BFA auch immer wieder auf diesen bezieht (vgl. zB Seite 53 Bescheid), keine Feststellungen zum Gesundheitszustand seiner mj. Kinder oder den persönlichen Lebensumständen dieser und seiner Ehegattin. Dies ist deshalb verfahrensrelevant, weil der BF bereits während seiner Haftverhandlung angab, bei der Fa. XXXX deshalb aufgehört habe, damit er bei seiner kranken Tochter zu Hause sein kann. Eine seiner Zwillingstöchter sei nämlich schwer krank, die Ärzte meinen, dass sie nur 10 Jahre alt werden wird. Der Vater seiner Frau starb auch nur ein paar Monate bevor er das mit seiner Tochter erfahren habe. Er sei dann mit meinen Gedanken einfach nicht mehr klargekommen (vgl. Protokoll der Haftverhandlung des LGS XXXX v. 6.11.19 zu GZ: 21 HR 71/19h). Vor dem Hintergrund einer offensichtlich vorliegenden schweren Erkrankung einer seiner Töchter hätte das BFA den BF dazu zu befragen gehabt und nicht ohne weiteres annehmen dürfen, dass eine Wohnsitzaufnahme mit seiner Familie in der russischen Föderation ohnehin möglich sei.
2.2.) Zur mangelhaften Gefährdungsprognose:
Unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH zum Vorliegen eines „besonders schweren Verbrechens“, der Tatsache, dass der BF unter Zuhilfenahme einer Gaspistole das Verbrechen des schweren Raubes beging und aufgrund der konkret verhängten Strafhöhe schickt der BF voraus, ein besonders schweres Verbrechen begangen zu haben. Das BFA führte eine konkrete fallbezogene Prüfung der vom BF begangenen Taten durch und kann seiner Annahme, dass der BF im vorliegenden Fall ein schweres Verbrechen im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 verübte, nicht entgegengetreten werden.
Damit rückt aber fallbezogen die Frage einer vom BF ausgehenden Gefährlichkeit in das Blickfeld.
Betrachtet man die Begründung des BFA zum Bestehen einer negativen Zukunftsprognose auf Seite 62 des Bescheids, so kann im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, dass die vom BFA vorgenommene Zukunftsprognose auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt wäre. Das BFA hat nämlich nicht nachvollziehbar begründet – wonach der RW, der zuvor unbescholten war und sich zu den Taten aus finanzieller Not (seine Tochter ist schwer krank und bedarf kostspieliger Behandlung, siehe ausführlich unten in Punkt 2.5.) hinreißen ließ, er Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt und Schaden gutgemacht hat – es dennoch davon ausgeht, dass der BF auch nach Verspüren des ersten Haftübels in Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Entgegen der Ansicht des BFA kann nämlich nicht angenommen werden, dass diese für den BF sprechenden Umstände schon dadurch vollkommen entkräftet worden wären, als er eben mit seiner Verurteilung seine Gemeingefährlichkeit bewiesen habe.
Der Verweis des BFA, dass „die Einschätzung der aktuellen Gemeingefährlichkeit und negativen Zukunftsprognose sich aus dem Urteil des Landesgerichts sowie jenem des Oberlandesgerichts ergebe“ (Seite 62 Bescheid) ist nicht ausreichend. Da das BFA die nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 gebotene Prognoseentscheidung nicht ausreichend begründet und daher nicht in gesetzmäßiger Weise durchgeführt hat, aberkannte es dem BF den Asylstatus zu Unrecht, erließ zu Unrecht die Rückkehrentscheidung und das auf 8 Jahre befristete Einreiseverbot gegen den BF (siehe zur mangelhaften Begründung der Dauer des Einreiseverbotes Punkt 2.4))
2.3.) Zur Verletzung des Familienlebens des BF:
Die gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmende Abwägung der privaten bzw. familiären Interessen (einschließlich der familiären Interessen seiner Gattin und des Kindeswohles seiner mj. Kinder) führte die belangte Behörde mangelhaft und unvertretbar durch.
2.3.1.) Zur Rechtsprechung des VfGH: Wie der VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Aufenthaltsbeendigung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art 8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl die in VfSlg 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Auswirkungen der Entscheidung und die Konsequenzen einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers auf das Familienleben und auf das Kindeswohl etwaiger Kinder des Betroffenen zu erörtern (vgl hiezu VfGH 24.9.2018, E1416/2018; zur Bedeutung der mit einer Trennung des Beschwerdeführers von seinem Kind verbundenen Auswirkungen VfSlg 19.362/2011). Einer mit der Ausweisung verbundenen Trennung von Familienmitgliedern kommt eine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (vgl VfSlg 18.388/2008, 18.389/2008, 18.392/2008). Die Intensität der privaten und familiären Bindungen im Inland ist dabei zu berücksichtigen (VfSlg 18.748/2009).
Dabei sind insbesondere die Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Familienleben zwischen Eltern und Kindern in der Abwägung zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entsteht ein von Art 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl 10.730/84 [Z21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl 16.969/90 [Z44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl 23.218/94 [Z32]). Ferner ist es nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein grundlegender Bestandteil des Familienlebens, dass sich Eltern und Kinder der Gesellschaft des jeweiligen anderen Teiles erfreuen können; die Familienbeziehung wird insbesondere nicht dadurch beendet, dass das Kind in staatliche Pflege genommen wird (vgl VfSlg 16.777/2003 mit Hinweis auf EGMR 25.2.1992, Fall Margareta und Roger Andersson, Appl 12.963/87 [Z72] mwN; zu den Voraussetzungen für ein [potentielles] Familienleben zwischen einem Kind und dessen Vater siehe auch EGMR 15.9.2011, Fall Schneider, Appl 17.080/07 [Z81] mwN). Davon ausgehend kann eine unzureichende Berücksichtigung des Kindeswohles zur Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung und somit zu einer Verletzung des Art 8 EMRK führen (vgl VfGH 28.2.2012, B1644/10 mit Hinweis auf EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl 50.435/99 sowie insbesondere EGMR 28.6.2011, Fall Nunez, Appl 55.597/09; VfGH 12.10.2016, E1349/2016).
Nach der Rechtsprechung des VfGH sind die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung für einen Elternteil auf das Wohl eines Kindes zu ermitteln und bei der Interessenabwägung nach Art 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen (vgl VfSlg 19.362/2011; VfGH 25.2.2013, U2241/2012; 19.6.2015, E426/2015; 9.6.2016, E2617/2015; 12.10.2016, E1349/2016; 14.3.2018, E3964/2017; 11.6.2018, E343/2018 ua; 11.6.2018, E435/2018). Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, es sei lebensfremd anzunehmen, dass der Kontakt zwischen einem Kleinkind und einem Elternteil über Telekommunikation und elektronische Medien aufrechterhalten werden könne (vgl dazu VfGH 25.2.2013, U2241/2012; 19.6.2015, E426/2015; 12.10.2016, E1349/2016; 11.6.2018, E343/2018 ua; 3.10.2019, E3456/2019; 28.11.2019, E707/2019).
2.3.2.) Zur gg unzureichenden Interessenabwägung des BFA:
Vor dem Hintergrund oben zitierter Rechtsprechung des VfGH und EGMR erweist sich die Interessenabwägung nach Art 8 Abs. 2 EMRK, die das BFA vornimmt, als unzureichend:
Das BFA führt in seinen Feststellungen aus, dass der BF seit XXXX mit Fr. XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörige der RUSSISCHEN FÖDERATION und im Bundesgebiet asylberechtigt, verheiratet sei. Mit ihr habe er drei gemeinsame Kinder, XXXX , geb. XXXX sowie die am XXXX geborenen Zwillingsmädchen XXXX und XXXX . Mit diesen habe der BF im gemeinsamen Haushalt gelebt (Seite 8 Bescheid).
Aus diesen Umständen schließt das BFA (offensichtlich) zunächst zutreffend, dass zwischen dem BF, seiner Gattin und seinen drei mj. Kindern ein Familienleben iSd Art 8 EMRK besteht (vgl. Seite 70 ff Bescheid), auf das Kindeswohl geht es im Rahmen der Interessenabwägung aber nicht ein.
Das BFA führt aus, dass eine Fortsetzung des Familienlebens im gemeinsamen Herkunftsland (RUSSISCHE FÖDERATION) durchaus möglich erscheine (vgl. Seite 7 und 72 Bescheid). Die mj. Kinder seien im anpassungsfähigen Alter und auch in der RUSSISCHEN FÖDERATION könnten diese den Kindergarten, die Schule und Universität besuchen (Seite 7 Bescheid). Dabei lässt das BFA zum einen den Aufenthaltsstatus seiner Ehefrau und mj. Kinder, die in Österreich asylberechtigt sind, außer Betracht; daran ändert auch weder ihre Befragung, die das BFA nicht zur Verfügung stellt noch der Verweis darauf, dass ihr der Asylstatus ohnehin nur aufgrund ihrer Familieneigenschaft zukomme.
Da aus diesem Grund weder die Ehefrau noch die mj. Kinder des BF sich in der RUSSISCHEN FÖDERATION – wie es das BFA ohne weiteres annimmt – niederlassen können, scheitert die vom BFA verfügte Rückkehrentscheidung und Erlassung eines Einreiseverbotes bereits am mangelhaft vorgenommenen und unverhältnismäßigen Eingriff in das Familienleben des BF, seiner Ehefrau und mj. Kindern. Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass der weitere persönliche Kontakt des BF mit seinen mj. Kindern im Alter von drei und vier Jahren über Telekommunikation bzw elektronische Medien der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl zB VfGH 12.10.2016, E1349/2016; 11.6.2018, E343/2018 ua) widersprechen würde.
In der rechtlichen Beurteilung zur Rückkehrentscheidung unterlässt das BFA ferner eine konkrete Auseinandersetzung sowohl mit der Beziehung des BF zu seinen Kindern als auch mit dem Kindeswohl seiner Töchter (vgl VfGH 3.10.2019, E3456/2019). Damit lässt es die konkrete Lebenssituation wie zB Intensität der Beziehung, Betreuung der Kinder, Alter und Bedürfnisse der Kinder, Gesundheitszustand etc. sowie die Auswirkungen auf das Kindeswohl außer Acht. Das BFA kommt somit der grundrechtlichen Verpflichtung nicht nach, die Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auf die Beziehung des BF zu seinen Töchtern und das Kindeswohl zu ermitteln (VfGH 28.11.2019, E707/2019 mwN). Vor dem Hintergrund seiner Feststellungen zu den persönlichen und familiären Lebensumständen des BF hätte das BFA eingehend begründen müssen, weshalb die aufenthaltsbeendende Maßnahme gegenüber dem BF und die damit verbundene Trennung von seinen mj. Kinder, wovon eines schwer krank ist, im öffentlichen Interesse geboten ist. Damit hat das BFA einen wesentlichen Gesichtspunkt des konkreten Sachverhaltes, nämlich die Auswirkungen der Aufenthaltsbeendigung auf die Lebenssituation des BF – insbesondere die Beziehung zu seinen minderjährigen Kindern – sowie das Kindeswohl seiner Kinder vollständig außer Acht gelassen (vgl VfSlg 19.776/2013; VfGH 11.3.2015, E1884/2014; 27.2.2018, E3775/2017, jeweils mwN).
Indem das BFA diese Umstände bei seiner Interessenabwägung nicht berücksichtigt hat, hat es – unabhängig von seiner mangelhaften Auseinandersetzung mit dem Privatleben des BF – diese mit Rechtswidrigkeit belastet.
2.4.) Zur mangelhaften Bemessung des Einreiseverbotes:
Aus advokatorischer Vorsicht darf der Form halber noch festgehalten werden, dass das BFA nicht nur, wie bereits oben ausgeführt, das Einreiseverbot zu Unrecht gegen den BF verfügte, sondern sich auch die Begründung der Dauer als ungenügend erweist.
2.4.1.) Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL) sei, bei der nicht nur auf das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen und das deshalb prognostizierte Vorliegen der von ihm ausgehenden Gefährdung, sondern auch auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen ist (vgl. noch einmal VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0009, nunmehr Rn. 36, mwN). Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
In seiner Entscheidung vom 16.05.2019 zu Ra 2019/21/0104 hielt der VwGH fest, dass in Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen sei, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei sei – abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Fremden – darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Diese Prognose sei nachvollziehbar zu begründen (vgl. VwGH 16.05.2019, Ra 2019/21/0104 mit Hinweis auf VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002, mwN).
2.4.2.) Fallgegenständlich begnügt sich das BFA damit festzuhalten, dass die „familiären und privaten Anknüpfungspunkte [des BF] in Österreich nicht dergestalt [seien], dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden“ (vgl. Seite 78 Bescheid).
Eine, wie vom VwGH geforderte, Einzelfallprüfung kann den Ausführungen des BFA auf Seite 78 des Bescheids nicht entnommen werden, wenn es floskelhaft festhält, dass die Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seinen Anknüpfungspunkten im Zuge der Abwägungsentscheidung ergeben habe, dass die Erlassung in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei. Wie die Behörde das Auslangen mit einem auf 8 Jahre befristeten Einreiseverbot, das sich auch auf alle Staaten der Europäischen Union erstreckt, finden mag, legt es nicht offen. Vielmehr wirkt die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes durch die belangte Behörde rein subjektiv.
Wie bereits zur Rückkehrentscheidung ausführlich ausgeführt, übersieht das BFA bei seiner lotterieartigen Bemessung des Einreiseverbotes, dass die Gattin und drei mj. Töchter des BF russische Staatsangehörige und im Bundesgebiet asylberechtigt sind. Das heißt, dass diese den BF für zumindest 8 Jahre nicht in einem Staat der europäischen Union oder der RUSSISCHEN FÖDERATION besuchen könnten. Da damit eine völlige Entfremdung des BF mit seinen Kindern im Alter von 3 und 4 Jahren einhergehen würde und ein Wiedersehen frühestens in der Pubertät möglich wäre, steht bereits das Kindeswohl der ungenügend begründeten Dauer des Einreiseverbotes von 8 Jahren entgegen. Auch hat das BFA übersehen, dass eine seiner mj. Töchter, XXXX an einer schweren unheilbaren Krankheit leidet und die Ärzte eine maximale Lebensdauer von bis zu 10 Jahren diagnostizierten. Würde das Einreiseverbot gegen den BF in dieser Dauer rechtskräftig werden, muss damit gerechnet werden, dass er seine Tochter XXXX nie wieder persönlich sehen wird können.
Auch ist die Ausführung des BFA, wonach es beim BF von einer „nahezu nicht vorhandenen Integration“ ausgeht (Seite 62 Bescheid), lediglich zynisch und für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes ungeeignet. Der Behörde nur insofern zugestanden werden, dass die strafrechtliche Verurteilung des BF im Blickwinkel des § 9 Abs 2 Z 6 BFA-VG die öffentlichen Interessen grds erhöhen mag, damit kann der bisherige Aufenthalt des BF und die darin stattgefundene Integration aber nicht per se relativiert werden, wie es das BFA zu versuchen wünscht (siehe Seite 72 Bescheid).
Die belangte Behörde übersieht, dass der BF mit XXXX Jahren nach Österreich kam und mittlerweile XXXX Jahre hier lebt. Seine Eltern, sein Bruder, seine Gattin und seine mj. drei Kinder sind allesamt hier aufenthaltsberechtigt. Der BF hat in der RUSSISCHEN FÖDERATION niemanden. Der BF besuchte hier die Schule, war vom XXXX als Lehrling beschäftigt, von XXXX in mehreren Branchen geringfügig tätig, vom XXXX , vom XXXX und vom XXXX als Arbeiter bei drei verschiedenen Firmen angestellt, danach geringfügig beschäftigt und zuletzt vom XXXX in einem Friseursalon tätig. Dem BF kann man anhand dieser Tatsachen jedenfalls nicht unterstellen, arbeitsunwillig zu sein. Der BF ist der deutschen Sprache mächtig, im Gegensatz zur Annahme der belangten Behörde, aber nicht der russischen (Schrift-) Sprache (vgl. Seite 51 Bescheid).
Der BF war vor seiner strafgerichtlichen Verurteilung unbescholten und verspürt das erste Mal das Haftübel. Der BF war von Anfang an geständig, reumütig und erklärte bereits dem LGS XXXX gegenüber, wieso er sich zu den Taten hinreißen ließ. Anhand welcher Fakten das BFA die voraussichtliche Dauer seiner Gefährlichkeit und damit das Einreiseverbot in Höhe von 8 Jahren als gerechtfertigt empfindet, kann den Ausführungen des BFA nicht entnommen werden. Seine Bemessung erweist sich daher, sowie bereits die Asylaberkennung, die Erlassung der Rückkehrentscheidung und Verfügung des Einreiseverbotes als unzureichend und nicht gerechtfertigt.
2.5.) Mündliche Verhandlung:
Beantragt wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem § 24 VwGVG, um dem BF die Möglichkeit zu geben, die aktuell (noch immer) vorliegende Gefahr der Verletzung von Art 3 und 8 EMRK persönlich und unmittelbar vor dem unabhängig erkennenden Gericht darzulegen.
Das BFA verabsäumte, den BF zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen sowie zu den Hintergründen für seine Tat zu befragen und sich einen persönlichen Eindruck vom BF zu verschaffen. Dies ist aus diesem Grund nicht zu vertreten, da das BFA sich zwar damit begnügt, auf den Strafakt des BF zu verweisen, offensichtlich aber nur jene Tatsachen heranzieht, welche es für die Erlassung des angefochtenen Bescheids gebrauchen kann. Alle für den BF sprechenden Fakten ließ es unerwähnt. Der BF hatte stets ein ordentliches Leben und brachten ihn Schicksalsschläge dazu, straffällig zu werden. Dies geht nicht nur aus den Protokollen der Haftverhandlungen hervor, sondern auch aus dem Schlussplädoyer in der Hauptverhandlung vor dem LGS XXXX .
Der BF handelte bei seinen Taten aus Verzweiflung. Vor seiner Straffälligkeit bekam der BF die Diagnose übermittelt, dass eines seiner Zwillingsmädchen XXXX , an einer schweren unheilbaren Krankheit leide. Der BF war bei etlichen Ärzten, welche ihn meistens Prognosen für die Lebensdauer seines Kindes von 5 bis 10 Jahren gaben, und ihn und seine ebenfalls verzweifelten Gattin an Spezialisten verwiesen, welche allerdings zu bezahlen wären, was sich der BF nicht leisten konnte. Aufgrund chronischer Rückenprobleme fand er keinen adäquaten Job, um die anfallenden Kosten zu decken. Eines Tages kam der BF auf die wahnwitzige Idee, durch Sportwetten das nötige Geld zu verdienen. Als auch das nichts half, wandte er sich den Spielautomaten zu. Das Ergebnis war logischerweise das Abrutschen in die Spielsucht. Der bis dahin völlig unbescholtene BF verdingte sich bei einem Einbruch als Fluchtfahrer, auch da kam nichts heraus. Schließlich beging er mit seinen Komplizen die Raubüberfälle, wegen welchen er rechtskräftig verurteilt wurde.
Da das BFA dem BF keine Gelegenheit gab, sich zu den Tatumständen zu erklären und er auch nicht persönlich vorstellig werden durfte, wird, um diesen Verfahrensmangel zu beheben, ausdrücklich die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt. Verwiesen wird diesbezüglich auf Art 47 GRC, dem zufolge „jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird“.
3.) Anträge:
Aus den dargelegten Gründen erweist sich der gesamte Bescheid vom 10.11.2021 als rechtswidrig. Daher werden für den BF die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht wolle
- eine mündliche Verhandlung mit dem BF gem. § 24 VwGVG im Sinne des obigen Punktes 2. dieser Beschwerde durchführen und der Beschwerde stattgeben sowie den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben
in eventu
- der Beschwerde stattgeben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen
in eventu
- der Beschwerde stattgeben, die Rückkehrentscheidung für unzulässig erklären und dem BF eine Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG erteilen
in eventu
- der Beschwerde stattgeben und das verhängte Einreiseverbot aufheben oder verkürzen
in eventu
- den angefochtenen Bescheid mit Beschluss gem. § 28 Abs 3 VwGVG aufheben und das Verfahren des BF zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.“
1.13. Am 27.11.2021 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Verwaltungsakt vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
1.14. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die Rechtssache am 03.10.2022 der Gerichtsabteilung W112 zugeteilt.
Das Bundesveraltungsgericht räumte dem Beschwerdeführer am 23.02.2023 Parteiengehör ein. Insbesondere wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Folgendes vorzulegen:
- Schulzeugnisse
- Arbeitszeugnisse
- den im Jahr 2017 ausgestellten Konventionsreisepass
- Belege betreffend den in der Beschwerde relevierten Unfall samt Behandlungsbestätigungen
- Belege betreffend die in der Beschwerde relevierte Erkrankung seiner Tochter XXXX
Das Bundesverwaltungsgericht ersuchte den Beschwerdeführer um Zustimmung, seinen Krankenakt von der Justizanstalt sowie den Pflegschaftsakt seiner minderjährigen Kinder vom Bezirksgericht anzufordern.
1.15. Weiters schaffte das Gericht die Strafakten des Beschwerdeführers sowie die in den Asylverfahren seiner Familienangehörigen ergangenen Entscheidungen bei sowie einen Führungsbericht von der Justizanstalt und die Besucherliste.
Am 01.03.2023 übermittelte der Leiter der Justizanstalt XXXX - XXXX folgenden Führungsbericht:
„Zu oa. Bezug wird mitgeteilt, dass der Strafgefangene XXXX am 14.09.2021 in die ho. Anstalt überstellt wurde. Er befindet sich seit seiner Einlieferung im Erstvollzug und ist seit 06.02.2023 in der Außenstelle XXXX im gelockerten Vollzug untergebracht. Nach telefonischer Rücksprache mit dem zuständigen Kommandanten der Außenstelle […] wird die Arbeitsleistung (Betrieb XXXX ) des Insassen als sehr gut beschrieben. Auf der Abteilung wird seine Führung als ruhig und entsprechend beschrieben. Führungsmäßig weist er bisher 6 Ordnungsstrafen in der Justizanstalt XXXX XXXX auf (unerlaubte Gewahrsame, ungebührliches Verhalten). Der Strfg. XXXX hat im Jahre 2023 bisher 14 Besuche erhalten (siehe Beilage).“
In der beigelegten Besucherliste scheinen folgende Besuche auf:
- 01.01.2023 XXXX (Ehefrau des Beschwerdeführers)
- 05.01.2023 XXXX (Geschwister des Beschwerdeführers)
- 07.01.2023 XXXX (Ehefrau des Beschwerdeführers)
- 14.01.2023 XXXX (Ehefrau des Beschwerdeführers)
- 17.01.2023 XXXX (Ehefrau des Beschwerdeführers)
- 18.01.2023 RA ROBIER MARTIN (Anwalt)
- 21.01.2023 XXXX (Bekannte des Beschwerdeführers)
- 25.01.2023 XXXX (Ehefrau des Beschwerdeführers), XXXX (Bruder des Beschwerdeführers)
- 23.02.2023 XXXX (Bekannte des Beschwerdeführers)
Die Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers durch die Justizanstalt XXXX - XXXX am 08.09.2022 über die Übernahme der Strafvollstreckung durch RUSSLAND wurde ebenfalls vorgelegt. Der Beschwerdeführer stimmte der Übernahme der Strafvollstreckung durch RUSSLAND nicht zu, weil seine gesamten sozialen Kontakte in Österreich seien, er haben niemanden in RUSSLAND, da er seit 18 Jahren in Österreich lebe. Seine gesamte Familie sei in Österreich wohnhaft. Über ihn sei kein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt worden. In der RUSSISCHEN FÖDERATION habe er keine sozialen Kontakte, in Österreich seine Gattin, seine Eltern, seine Kinder und seine Geschwister XXXX . Er sei verheiratet, seine Gattin lebe in XXXX , ebenfalls seine Kinder. Sein künftiger Arbeitgeber in Österreich sei die Pizzeria XXXX in XXXX .
1.16. Am 31.03.2023 urgierte das Bundesverwaltungsgericht wegen des Parteiengehörs vom 23.02.2023. Der Beschwerdeführer teilte mit, dass die gewünschten Dokumente schnellstmöglich vorgelegt werden.
Mit Schriftsatz vom 06.04.2023 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung die Zustimmung zur Beischaffung der Akten.
Am 17.04.2023 übermittelte die Justizanstalt XXXX - XXXX den Krankenakt des Beschwerdeführers. Dieser beinhaltet:
- Revers vom 26.07.2022, dass der Beschwerdeführer die empfohlene Ausführung in ein Krankenhaus bzw. zu einem Facharzt nach einer Verletzung am Vortag ablehnte, weil er an dem Tag Besuch bekam und ihm das wichtiger war
- Nachweis COVID-19 Schutzimpfung
- Laborbefund ohne Auffälligkeiten
- Behandlungsmitteilung, derzufolge der Beschwerdeführer bis 25.10.2021 CATAPRESAN, QUETIAPIN, RIVOTRIL, TRAMABENE und TRILEPTAL einnahm
- Risikodokumentation vom 10.08.2021, derzufolge der Beschwerdeführer Suchtmittel konsumierte – COCAIN und TRADOLAN – und ca. 20 Zigaretten pro Tag rauchte. Weitere Risikofaktoren wurden nicht festgestellt.
- Im Diagnoseblatt vom 13.09.2021 scheinen keine Diagnosen auf, nur Röntgenuntersuchungen am 10.04.2019 und 26.08.2021.
Das Standesamt XXXX übermittelte im MÄRZ 2023 den Akt zur Eheschließung des Beschwerdeführers. Darin erlag auch das am 28.12.2004, sohin zwei Monate nach der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich, vom Standesamt des Bezirks XXXX der Stadt GROSNY ausgestellte Duplikat der Geburtsurkunde des Beschwerdeführers, eidesstattlich übersetzt in XXXX am 11.09.2013.
Das Bezirksgericht XXXX XXXX legte den Pflegschaftsakt betreffend die Kinder des Beschwerdeführers vor.
1.17. Die für 24.04.2023 anberaumte Verhandlung musste vertagt werden.
Am 04.07.2023 fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an der der Beschwerdeführer, sein Vertreter sowie XXXX und XXXX als Zeugen teilnahmen; das Bundesamt nahm nicht an der Verhandlung teil. Die Verhandlung gestaltete sich wie folgt:
„R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?
BF: Ich kann vielleicht nur 10% auf Russisch. Ich bin seit 19 Jahren hier. Ich kann besser Deutsch, als Tschetschenisch und Russisch.
R: Was ist Ihre Muttersprache?
BF: Tschetschenisch.
R: Laut Ihren Eltern sprechen Sie Russisch (AS 7) und Tschetschenisch.
BF: Ich habe mich seit 19 Jahren nicht mehr mit Russisch beschäftigt. Ich habe hier die Schulen absolviert.
[…]
R fragt BF: Haben Sie das Gefühl, dass Sie die Dolmetscherin gut verstehen?
BF: Ich verstehe es einigermaßen. Zurückreden ist nicht so.
R: Diese Verhandlung ist kein Deutschtest. Bitte antworten Sie in der Sprache – deutsch oder russisch – in der Sie sich am besten ausdrücken können. Die Fragen werden jedenfalls übersetzt, weil es sich zT um Rechtsterminologie handelt, wie auch Ihre Strafverhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch abgeführt wurde; eine Dolmetscherin für die Sprache Tschetschenisch war auch dort nicht dabei.
[…]
R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
BF: Sehr gut. Keine Beschwerden.
R: Brauchen Sie Therapien? Nehmen Sie Medikamente?
BF: Ich habe eine Drogentherapie in der XXXX abgeschlossen. Jetzt bin ich in der Außenstelle.
R: Laut Ihrer Stellungnahme haben Sie einen Unfall gehabt und dauernde Schmerzen im Rücken. Wie schränkt Sie das ein?
BF: Jetzt mit der Zeit ist es besser geworden. Davor gab es nicht so viele Möglichkeiten in der XXXX , Fitness zu machen. Jetzt, in der Außenstelle, habe ich Fitness und ich kann Therapieübungen machen.
R: Abgesehen von den Therapieübungen, werden die Rückenschmerzen derzeit nicht behandelt. Sehe ich das richtig?
BF: Nein. Diese werden nicht behandelt.
R befragt die BF, ob sie physisch und psychisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Beschwerdeverhandlung zu folgen und die an sie gerichteten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten bzw. ob irgendwelche Hinderungsgründe vorliegen.
BF: Ich fühle mich geistig und körperlich in der Lage an der Verhandlung teilzunehmen.
[…]
R: Sie werden von RA KLEIN vertreten. Bleibt die Vollmacht inkl. Zustellvollmacht aufrecht?
RV: Bleiben.
[…]
R: Im Strafverfahren wurde die Vollmacht substituiert. Sehe ich es richtig, dass in diesem Verfahren die Vollmacht nicht substituiert wird?
RV: Im Strafverfahren hat mein Konzipient vertreten. Hier nicht.
[…]
R: Sie Sind mit Ihrem Rechtsvertreter erschienen, kann eine Manuduktion gemäß § 13a AVG iVm § 17 VwGVG entfallen?
RV: Kann entfallen, ja. Wir haben gestern, weil der BF Freigang hatte, die Sache auch besprochen.
[…]
Befragung de[s] BF:
R: Geben Sie für das Protokoll Vor- und Familiennamen, Geburtsdatum und Staatsbürgerschaft an!
BF: XXXX . XXXX in GROSNY geboren, RUSSISCHE FÖDERATION. Staatsbürgerschaft: RUSSISCHE FÖDERATION (auf Deutsch).
R: Sie sind weder österreichischer Staatsangehöriger noch Unionsbürger und verfügen über abgesehen von dem Aufenthaltsrecht nach dem AsylG über keinen Aufenthaltstitel für einen Mitgliedsstaat der EU, ist das korrekt?
BF: Genau (auf Deutsch).
R: Ist Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46 FPG geduldet?
RV: Ja.
R: Sind Sie Opfer von Gewalt, weshalb eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382c EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder hätte erlassen werden können?
RV: Nein. Ist er nicht.
R: Haben Sie bisher die Wahrheit angegeben oder möchten Sie etwas richtigstellen oder ergänzen?
BF: Nein. Alles richtig (auf Deutsch).
R: Sind seit Beschwerdeerhebung neue Umstände eingetreten, die betreffend den Asylschutz zu berücksichtigen sind?
BF: Alles ist gleichgeblieben (auf Deutsch).
R: Sind seit der Beschwerdeerhebung neue Umstände eingetreten, die betreffend den subsidiären Schutz zu berücksichtigen sind?
RV: Keine.
R: Sind seit der Beschwerdeerhebung neue Umstände eingetreten, die betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu berücksichtigen sind?
RV: Insbesondere hat sich die geopolitische Lage verändert. Es ist gerichtsnotorisch, dass die Tschetschenen für den Fall einer Rückführung nach RUSSLAND, kurz darauf in den Kriegseinsatz in die UKRAINE geschickt werden, ob sie wollen oder nicht. Sie werden zwangsrekrutiert.
R: Sprechen Sie von „freiwilligen Bataillonen“ oder Einberufung zum Militärdienst?
RV: Einberufung zum Militärdienst. Aus meiner Sicht gibt es keine Umstände, in der Sphäre des BF.
R: Warum mussten Sie die RUSSISCHE FÖDERATION verlassen, als Sie 9 Jahre alt waren?
BF: Ich kann mich nicht an vieles erinnern. Aber damals hat sich langsam das KADYROW-Regime aufgebaut. Anfang 14, 15, bis zu erwachsenen Männern mussten sie sich entweder KADYROW anschließen, oder sie wurden in der Nacht entführt, gequält, in das Gefängnis „geschmissen“, oder sie sind verschwunden. Wenn jemand verschwunden ist, hat das KADYROW-Regime gesagt, dass der Typ krank war, dass sein Gesundheitszustand sehr schlecht war und er verstorben ist.
R: Warum konkret sind Sie mit Ihrer Familie ausgereist?
BF: Zu der Zeit wollte mich mein Vater beschützen. Ich war 9. Er wollte die ganze Familie beschützen. Ich kann mich nicht an alles erinnern. Ich weiß nur, wie schlimm die Lage war.
R: Was würde Sie und Ihre Familie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat jetzt konkret erwarten?
BF: Ich würde entführt, in den UKRAINE-Krieg geschickt, oder nach GEORGIEN in den Krieg geschickt. Ich habe dort keine Zukunft, weil ich dort keine Familie und keine Freunde habe und auch keine Verwandten. Ich lebe in Europa. Die seit 18, 19 Jahren geflüchtet sind, Leute, die so lange in Europa leben, zählen als Landesverräter. Seit ich hier bin, war ich kein einziges Mal „unten“.
R: Was würde passieren, wenn Sie (hypothetisch) an einen anderen Ort in der RUSSISCHEN FÖDERATION außerhalb TSCHETSCHENIENS zurückkehren müssten, z.B. nach ROSTOV, SARATOV, MOSKAU, OMSK, STAWROPOL oder WLADIWOSTOK?
BF: Das KADYROW-Regime hat überall Einflüsse, egal ob in OMSK oder TOMSK. Auch kenne ich mich nicht so gut aus in RUSSLAND.
R: Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?
BF: Nein.
R: Und Ihre Familienangehörigen?
BF: Nein. Sie waren keiner Bedrohung ausgesetzt.
R: Sie reisten am 25.10.2004 von Ihrer Heimatadresse nach DAGESTAN (AS 13), am 29.10. in die SLOWAKEI und am 30.10.2004 im Familienverband mit Ihrer Mutter, Ihrem Vater und Ihrem Bruder XXXX , geb. 1998, über die grüne Grenze bei KITTSEE nach Österreich ein (AS 1). Das heißt, Sie lebten die ersten 9 Jahre Ihres Lebens im Herkunftsstaat. Geben Sie einen Lebenslauf betreffend die ersten neun Jahre Ihres Lebens an: Wo haben Sie gelebt? Mit wem haben Sie zusammengelebt? Wovon haben Sie bzw. Ihre Obsorgeberechtigten gelebt? Wo und von wann bis wann haben Sie in der RUSSISCHEN FÖDERATION die Schule und den Kindergarten besucht?
BF: Ich kann mich wirklich an vieles nicht erinnern. Kindergarten war damals in TSCHETSCHENIEN nicht der Fall. Ich kann mich erinnern, dass ich dort die ersten beiden Klassen Volksschule besucht habe. Ich kann mich erinnern, dass ich damals mit meinen Eltern und mit meinem Bruder zusammengelebt habe.
R: Wovon hat Ihre Familie gelebt?
BF: Keiner hatte Geld. Man versuchte von Tag zu Tag durchzukommen. Wir waren damals schon froh, wenn wir abends etwas Brot und Spaghetti hatten.
R: Geboren sind Sie laut Asylakt in XXXX (AS 1), laut Strafurteil in GROSNY. Was stimmt?
BF: Bei uns ist es egal, in welcher Stadt man eingeschrieben wird. Es wurde damals immer nur die Hauptstadt eingetragen.
R: Wo sind Sie geboren?
BF: In XXXX . GROSNY ist allerdings eingetragen. Die Dörfer sind bei uns nicht so anerkannt.
R: Als Adresse gaben Ihre Eltern zunächst XXXX in GROSNY, RUSSISCHE FÖDERATION an (AS 1), dann XXXX (AS 9). An welcher von beiden haben Sie vor Ihrer Ausreise gewohnt und wer wohnte damals an diesen Adressen?
BF: Wir haben in XXXX gewohnt, soweit ich mich noch erinnern kann.
R: Wer wohnte an der Adresse XXXX in GROSNY?
BF: Ich weiß es nicht, ich war zu klein.
R: Was ist jetzt mit diesen beiden Häusern? Wem gehören diese jetzt?
BF: Keine Ahnung.
R: Mit Bescheid vom 14.02.2005 gab das Bundesasylamt Ihrem Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 statt. Laut AV deshalb, weil Ihre Mutter glaubhaft vorbrachte, dass Sie der tschetschenischen Volksgruppe anzugehören, und Ihren Eltern im Heimatland im Falle der Rückkehr Verfolgung droht: In Ihrer Heimat wurden TSCHETSCHENEN umgebracht und verschwanden spurlos. 2000 wurde Ihr Vater mitgenommen und gegen 50.000 USD entlassen. Das bezahlten die Verwandten Ihres Vaters. 2002 kamen maskierte Männer in Ihr Haus und nahmen Ihren Vater mit. Ihre Mutter wurde dabei geschlagen. Ihr Vater wurde nach vier Wochen Haft ohne Bezahlung enthaftet. Im August 2004 wurde Ihr Vater von Maskierten von der Straße geholt. Er war zwar Wochen in Haft. Er wurde dann von Leuten auf der Straße gefunden und nach Hause gebracht. Möchten Sie dazu etwas angeben?
BF: Es tut mir leid, es soll nicht beleidigend klingen, aber das mit dem Dolmetschen bringt mich durcheinander. Ich weiß, dass er einmal verhaftet worden ist. Meine Mutter wurde am Auge und an der Hand auch verletzt. Das zweite oder dritte Mal, ich kann mich nicht erinnern, wollte mir meine Mutter auch nicht sagen, dass er gefangengenommen worden ist, dass Geld ausgeborgt worden ist, um ihn frei zu kaufen, das stimmt auch. Das meinte ich vorher mit dem KADYROW-Regime. Es wurden Entführungen durchgeführt, wenn sie sich dem KADYROW-Regime nicht angeschlossen haben, wurden sie entführt und gequält. Es wurden sehr hohe Summen verlangt. 10.000 US-Dollar waren damals schon sehr viel Geld.
R: Hat das alle Fluchtgründe umfasst, die ich vorgelesen habe? Gibt es etwas, wovon ich noch nichts weiß?
BF: Nein. Das sind die Hauptgründe.
R: Welche anderen Gründe gab es noch?
BF: Da hat man keine Zukunft. Jeden Tag stehen die Soldaten der russischen Armee da, die alte russische Armee, die KADYROW-Armee. Sie schauen, wo die Väter und die Söhne sind. Bis heute haben viele Leute,… auch wenn es scheint, dass dort drüben kein Krieg ist. Sie haben keine Zukunft.
R: Wenn Sie sagen, Sie haben seit 19 Jahren nichts mit RUSSLAND zu tun, woher haben Sie diese Informationen?
BF: Es gibt genug Infos in Österreich. In den letzten 10 Jahren passieren in WIEN auch Attentate auf Tschetschenen und so. Der jüngste Fall ist glaublich 2 Jahre her und die Infos werden überall gezeigt, im Fernsehen, im Internet. Selbst ein kleines Kind hat auf YOUTUBE Zugriff.
R: Sind Sie selbst journalistisch, als Blogger oder als Menschenrechtsaktivist tätig?
BF: Nein, aber ich lese. Ich informiere mich gerne.
R: Welche Angehörigen väterlicherseits haben Sie also noch in der RUSSISCHEN FÖDERATION?
BF: Was ich weiß, habe ich keine Verwandten. Damals war es üblich, dass die Dörfer zusammengehalten haben. Es war üblich, dass man die Leute Verwandte nannte, wenn man sie seit 10 Jahren kennt.
R: Welche Nachbarn borgen einem 50.000 Dollar?
BF: Ich war noch ein Kind. Ich weiß es nicht. Kein 9jähriger weiß, was die Eltern machen.
R: Hatten Sie Onkel und Tanten?
BF: Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern.
R: Großeltern?
BF: Daran kann ich mich auch nicht erinnern. Ich habe meine Eltern mit Vornamen angesprochen.
R: Cousins und Cousinen?
BF: Schüttelt den Kopf. Ich kann mich nicht erinnern. Bis heute habe ich mit niemanden von unten Kontakt.
R: Mit wem haben Sie als 9jähriger gespielt?
BF: Mit den Nachbarkindern.
R: Im Rahmen der Grundversorgung waren Sie in XXXX untergebracht. Das Quartier in XXXX verließen Sie mit Ihrer Familie unabgemeldet und waren von 11.11.2004 bis 29.11.2004 unbekannten Aufenthalts, bevor Sie in XXXX in die Grundversorgung aufgenommen wurden. Wo waren Sie in diesen zwei Wochen in Österreich?
RV: Wenn du etwas nicht verstehst, musst du nachfragen.
BF: Daran kann ich mich gar nicht erinnern. Ich verstehe die Frage. Dass wir 2 Wochen verschwunden sind,….
R: Haben Sie seit der Asylantragstellung am 30.10.2004 Österreich jemals verlassen?
BF: Nicht einmal für einen Urlaub.
R: Sie reisten mit Ihrer Geburtsurkunde aus RUSSLAND aus, Ihre Eltern mit ihren Inlandsreisepässen (AS 13). Wurde Ihnen jemals ein RUSSISCHER Reisepass ausgestellt?
BF: Ich weiß nicht einmal, welchen Pass es gibt.
R: Als Asylberechtigter lebten Sie dann ab 20.07.2005 in XXXX – am XXXX und am XXXX , einer Wohnung der Stadt XXXX , mit Ihrer Familie. Ihre Schwester XXXX kam am XXXX und Ihre Schwester XXXX am XXXX in Österreich zur Welt. Als Sie nach XXXX zogen, waren Sie 10 Jahre alt. Welche Schul- und Ausbildung haben Sie in Österreich gemacht?
RV legt Zeugnisse vor.
BF: Volksschule habe ich gemacht (3. Klasse, 4, Klasse), die Hauptschule, 4 Klassen. Die Berufsschule, Mechaniker, 4 Klassen. Das war es.
R: Laut Ihrer Angaben in der Beschuldigteneinvernahme haben Sie vier Jahre lang die Volksschule und vier Jahre lang die Hauptschule besucht. Lt. Gerichtsurteil haben Sie zwei Jahre lang die Volksschule, vier Jahre lang die Neue Mittelschule, zwei Jahre lang die Handelsschule und vier Jahre lang die Berufsschule absolviert. Laut Ihrer Stellungnahme haben Sie ein Jahr die Volksschule, vier Jahre lang die Hauptschule und ein Jahr lang das Oberstufenrealgymnasium besucht. Was stimmt?
BF: Dass ich 2 Jahren die HASCH besucht habe, stimmt. Dadurch, dass ich es nicht positiv abgeschlossen habe, war das peinlich. Deswegen habe ich zu der Zeit vergessen, es zu erwähnen.
R: Sie waren also nicht im Gymnasium?
BF: Nein.
RV: Ich habe es in der Stellungnahme gelesen. Ich kann es nicht aufklären.
R: Ist eine Berufsschule nicht eigentlich 3jährig?
BF: Zu der Zeit, wo ich sie gemacht habe, war die Mechanikerlehre für 3,5 Jahre ausgeschrieben. Es sind aber 4 Klassen zu machen.
BF legt vor:
Volksschule. 1. Halbjahr 2005/2006. 3 Klasse, außerordentlicher Schüler. 1. Halbjahr 2006/2007 Volksschule 4. Klasse. Schuljahr 2006/2007: Volksschulabschlusszeugnis. Im Original und [als] Zweitschrift. Schuljahr 2008/2009: Neue Mittelschule. 2. Klasse. Die Physik-Note ist verschwunden. Schuljahr 2008/2009: Neue Mittelschule. 2. Klasse, 2. Leistungsgruppe. Schulnachricht 2009/2010. Neue Mittelschule, 3. Klasse. 2. Leistungsgruppe. Schuljahr 2010/2011: Schulnachricht 4. Klasse. 2. Leistungsgruppe. Jahreszeugnis 2014/2015: Berufsschule 1. Klasse. Schuljahr 2015/2016: Berufsschule 2. Klasse. Schuljahr 2015/2016: Berufsschule 3. Klasse. Schuljahr 2016/2017: Berufsschule 4. Klasse.
R: Was haben Sie in den Schuljahren 2011/2012 bis 2013/2014 gemacht? Das sind 3 Jahre.
BF: Ich habe in der Zeit die 2 Jahre Handelsschule gemacht.
R: Und im Dritten?
BF: Im Dritten war ich auf der Suche nach einem Job. Ich war bei XXXX . Das war ein Projekt vom Staat. Ich habe in verschiedene Arbeitsrichtungen hineingeschnuppert. Es war so, dass die Firmen keine Lehrlinge aufgenommen haben. Das Projekt XXXX hat uns die Möglichkeit gegeben, eine überbetriebliche Lehre zu machen.
R: Sie geben laut Beschuldigteneinvernahme an, Mechaniker zu sein. Das ist ein Lehrberuf. Das Strafgericht ging davon aus, dass Sie Hilfsarbeiter sind. Haben Sie eine Lehre zum Mechaniker gemacht und abgeschlossen?
BF: Nein (auf Deutsch). Ich habe die LAP (Lehrabschlussprüfung) nicht abgeschlossen. Es war keine Hilfsarbeit. Es war so, dass wir über XXXX die Lehre gemacht haben. Wir haben Langzeitpraktika in Firmen gemacht. Wir waren über XXXX kranken- und unfallversichert. Dadurch war es den Firmen leichter, Lehrlinge zu nehmen und ihnen nicht mehr Lohn zu zahlen. Die ersten beiden Lehrjahre haben wir 300 Euro bekommen, danach 400 Euro.
R: Warum haben Sie die LAP nicht gemacht?
BF: Am Anfang hatte ich Prüfungsängste. Danach ist alles so gekommen,… Wir haben Kinder bekommen. Nach einiger Zeit habe ich mich für den Termin für die LAP angemeldet, als ich erfahren habe, dass meine Tochter krank ist, habe ich den schlechten Weg eingeschlagen.
R: Haben Sie die LAP jemals nachgeholt?
BF: Ich hatte nicht die Möglichkeit, weil ich in Haft war.
R: Zwischen U-Haft und Haft war fast 1 Jahr.
BF: Ich war 9 Monate in U-Haft. Am XXXX bin ich herausgekommen. Am XXXX war wieder der Haftantritt.
R: Das sind 1,5 Jahre. Warum konnten Sie in der Zeit die LAP nicht nachmachen?
BF: Zu der Zeit musste ich abwarten, was alles mit dem Gericht ist. Ich bin herausgekommen. Nach einem halben Jahr haben wir die Hauptverhandlung gehabt. Ich musste abwarten, was beim Gericht herauskommt. Ich war in der JA XXXX und jetzt bin ich in der Außenstelle. Ich habe mich informiert über die LAP und den Führerschein und man sagte mir, dass ich dieses Gerichtsverfahren abwarten muss, sonst habe ich keine Erlaubnis.
R: Warum haben Sie den schlechten Weg eingeschlagen?
BF: Ich habe eine jetzt XXXX Tochter. Das ist die Erste. Ich habe XXXX Zwillinge. Davon ist einer krank. Die Krankheit wurde von den Ärzten noch schlimmer dargestellt, als sie im schlimmsten Fall war. Ich habe alles in mich „hineingefressen“. Ich wollte mit niemandem reden, damit ich davon wegkomme und mich ablenke, habe ich alles Mögliche gemacht. Es hat nichts gebracht. Dann habe ich zu Drogen gegriffen und Spielsucht.
R: Was ist mit dem Vorbringen, dass der BF keine Drogen genommen hat?
RV: Dieses Vorbringen wird zurückgezogen.
R: Abgesehen vom Gymnasium und keinen Drogen, gibt es noch etwas, was Sie zurückziehen möchten?
RV: Nein.
R: Die vorgelegten Zeugnisse werden in Kopie zum Akt genommen und dem BF retourniert.
R: Am XXXX wurden Sie volljährig. Am XXXX zogen Sie aus der Familienwohnung aus und meldeten sich in der XXXX . In welcher Beziehung stehen Sie zu XXXX ?
BF: Ich habe eine Freundschaft mit ihm.
R: Von 03.10.2014 bis 18.01.2016 – also 1 Jahr und 3 Monate lang, waren Sie bei der XXXX obdachlos gemeldet. Warum?
BF: Ich habe mich zu der Zeit nicht gut mit meinen Eltern verstanden. Es war eine Zeit, wo alle Sachen ich gerade kennengelernt habe. Ich war mit vielen Freunden unterwegs und ich habe immer bei verschiedenen Freunden geschlafen.
R: Welche Sachen haben Sie kennengelernt?
BF: In die Disco gehen. Nach WIEN fahren.
R: Haben Sie nicht schon da mit den Drogen angefangen?
BF: Nein. Ich habe nur manchmal MARIHUANA geraucht.
R: Laut SVA-Auszug haben Sie von 07.10.2013 bis 26.11.2013 und von 28.11.bis 29.11.2013 Arbeitslosengeld bezogen und waren von 03.12.2013 bis 31.01.2017 als Arbeiterlehrling bei XXXX . In diesem Zeitraum waren Sie obdachlos gemeldet. Sie waren also in Österreich. Warum haben Sie Ihren Wohnsitz nie gemeldet? Das ist ein bisschen lang für „Couch-Surfing“.
BF: Ich weiß, dass es ein längerer Zeitraum war. Es war meine Jugendzeit. Ich wollte immer nur mit Freunden unterwegs sein. Es war nicht so, dass ich 1 Jahr und 3 Monate immer nur eine Nacht bei einer Person geschlafen habe. Da hätte ich [mich] bei ganz Österreich aufgehalten.
R: Wo haben Sie sich aufgehalten?
BF: Wochenlang habe ich bei einem Freund und wochenlang bei einem anderen Freund geschlafen.
R: Warum haben Sie sich dort nicht angemeldet?
BF: Das wollte keiner. Ich habe nicht 3, 4 Monate bei einem Freund geschlafen.
R: Ab 18.01.2016 haben Sie in der XXXX gelebt, einer Wohnung der Stadt XXXX ; dort war ab XXXX auch Ihre Gattin gemeldet. Am 03.02.2017 wurde Ihnen ein Konventionsreisepass ausgestellt. Das ist der erste Konventionsreisepass, den ich im IZR finde. Hatten Sie bis 2017 keine Ausweisdokumente?
BF: Sicher habe ich Konventionspässe gehabt. Das müssten Sie doch sehen.
R: Ich sehe weder im IZR, noch im vorgelegten Akt etwas. Darum frage ich.
BF: Vielleicht ist der Eintrag deswegen, weil ich damals für meine 1. Tochter einen Konventionsreisepass habe ausstellen lassen.
R: Am XXXX haben Sie in Österreich standesamtlich geheiratet. Bei der Eheschließung legten Sie Ihre am 28.12.2004 im Bezirk KURCHALOVSKIY der Stadt GROSNY ausgestellte Geburtsurkunde vor. Da lebten Sie bereits seit zwei Monaten in Österreich. Wie kamen Sie an diese Geburtsurkunde?
BF: Das weiß ich selbst nicht. Bei der Hochzeit habe ich es erst bekommen, gemeint die Geburtsurkunde.
R: Von wem haben Sie vor der Hochzeit die Geburtsurkunde bekommen?
BF: Von meinen Eltern.
R: Wenn niemand von Ihrer Familie nach RUSSLAND fährt und Sie keine Verwandten dort haben, wer hat dann die Geburtsurkunde ausstellen lassen, während Sie in Österreich waren?
BF: Ich war kein einziges Mal unten. Ich weiß nicht, wie meine Geburtsurkunde ausgestellt worden ist. Wenn ich hinuntergefahren wäre, müsste auf meinem Pass ein Stempel sein.
R: Mit dem Konventionsreisepass können Sie nicht nach RUSSLAND einreisen und darin gibt es [daher] auch keinen Stempel. Dazu müssen Sie einen russischen Reisepass haben, von dem Sie angeben, dass Sie keinen haben.
BF: Habe ich auch nicht.
R: Wann und wo haben Sie traditionell tschetschenisch geheiratet?
BF: In XXXX . Österreich. Nicht nach tschetschenischer, sondern nach islamischer Tradition.
R: Wann, in welchem Jahr haben Sie nach islamischer Tradition geheiratet?
BF: 2017.
R: Am XXXX kam Ihre Tochter XXXX auf die Welt. Haben Sie vorher oder nachher islamisch geheiratet?
BF: Vorher. 2016.
R: Mehr als 9 Monate vor der Geburt der Tochter?
BF: Ja. Das Sozialamt hat gesagt,… Dort ist auch das Standesamt. Diese haben den Termin immer wieder verschoben, weil sie gesagt haben, dass sie 18 sein muss.
R: Wie alt war Ihre Frau, als Sie islamisch geheiratet haben?
BF: 17,5.
R: Sind sowohl die traditionell-islamische als auch die standesamtliche Ehe noch aufrecht?
BF: Natürlich.
R: Beschreiben Sie, wann, wo und wie Sie Ihre Gattin XXXX , geb. XXXX in GROSNY, StA RUSSISCHE FÖDERATION, ebenfalls tschetschenische Volksgruppenangehörige und muslimischen Glaubens, kennengelernt haben!
BF: Ich war in XXXX , einen guten Freund von mir besuchen. Ich habe sie mit ihrer Freundin am BODENSEE gesehen und ich habe sie da angesprochen. So habe ich sie kennengelernt.
R: Es liegt also keine arrangierte Ehe vor?
BF: Nein. Das würden meine Eltern auch nicht zulassen.
R: Sie haben sich auch nicht über Social Media vorher kennengelernt?
BF: Dazu müsste ich mehr als 50% Russisch können.
R: Warum war Ihr Schwiegervater in der RUSSISCHEN FÖDERATION Verfolgung ausgesetzt?
BF: Bei uns ist es üblich, dass man von der Tradition her, aus islamischer Sicht, nicht mit ihm über seine Vergangenheit redet. Er ist auch verstorben. Ich habe danach nichts über ihn gefragt.
R: D.h. Sie wissen nicht, warum Ihr Schwiegervater in RUSSLAND verfolgt wurde?
BF: Ich habe mich, ehrlich gesagt, nie über das informiert, weil wir keine Zukunft in TSCHETSCHENIEN und RUSSLAND haben. Wir wollten keinen Schritt nach hinten, sondern nach vorne machen.
R: Warum ist Ihre Frau in RUSSLAND Verfolgung ausgesetzt?
BF: Sie ist noch sehr jung hergekommen. Auch wenn ich mich nicht erkundigt habe, weiß ich, dass auch bei ihren Eltern die gleichen Gründe, wie bei mir, vorgelegen sind.
R: XXXX , ihren Schwestern XXXX und XXXX sowie ihrer Mutter XXXX , erkannte das Bundesasylamt mit Bescheid vom XXXX den Status von Asylberechtigten im Wege der Erstreckung nach ihrem Vater XXXX zu, dem das Bundesasylamt mit Bescheid vom XXXX Asyl zuerkannte. Ihren Angaben zufolge starb Ihr Schwiegervater, als Sie delinquierten. Wo ist er beerdigt?
BF: Er ist gestorben. Sein letzter Wunsch war in seinem Heimatland bestattet zu werden. Das ist in TSCHETSCHENIEN.
R: Wie wurde Ihr Schwiegervater von Österreich nach TSCHETSCHENIEN überstellt?
BF: Das weiß ich nicht, weil ich in der Zeit in Haft war und mit allen sehr wenig zu tun hatte.
R: Am XXXX kam Ihre Tochter XXXX zur Welt. Sie erkannten die Vaterschaft an. Wer hat die Obsorge für sie?
BF: Wir haben die gemeinsame Obsorge.
R: Vier Monate später meldete sich Ihr Bruder bei Ihnen an und blieb bis 04.01.2018 bei Ihnen gemeldet. Hat er auch bei Ihnen gelebt?
BF: Ja.
R: Warum?
BF: Er wollte auch ein bisschen Pause von den Eltern.
R: Sie und Ihre Frau haben frisch Familie gegründet und statt Zweisamkeit holen Sie sich gleich den Bruder in die Wohnung, ist das nicht ein bisschen ungewöhnlich?
BF: Sie haben das wahrscheinlich schon öfters in Verhandlungen gehört. Bei uns ist die Familie heilig.
R: Darum wundert es mich so, dass Sie nicht wissen, ob Sie Großeltern, Onkel und Tanten haben!
BF: Sie fragen mich was war, als ich 9 Jahre alt war. Ich bin in einem Kriegsgebiet aufgewachsen mit Granaten, Soldaten, Schäferhunde wurden auf alle losgelassen. Jeden Tag musste man aufpassen, wohin man geht. Wie soll ich mich da als 9j Kind,…. Entschuldigung ich bin sehr dankbar an Österreich, dass ich hier eine gute Vergangenheit hatte, aber 90%, außer den Großeltern, wissen hier nicht, wie es ist, aus einem Kriegsgebiet zu kommen.
R: Wohin zog Ihr Bruder, als er bei Ihnen abgemeldet wurde?
BF: Das ist schon so lange her. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern.
R: Wenn Familie so heilig ist, müssen Sie doch wissen, wohin Ihr Bruder geht, wenn er von Ihnen auszieht!
BF: Ich will Sie nicht beleidigen, aber ich weiß nicht, ob Sie noch wissen, was Sie am XXXX gemacht haben.
R: Ihr Bruder war von XXXX nicht gemeldet, er hatte nur von XXXX eine Obdachlosenmeldung. Wo hat er gelebt?
BF: Er hat ab und zu bei seinen Freunden geschlafen,… Ab und zu hat er auch bei mir geschlafen, aber nicht durchgehend, das war nicht der Fall.
[…]
R: Ist Ihnen in der Pause etwas eingefallen, was Sie verbessern möchten?
BF: Nein. Eigentlich nicht.
R: Wenn 1998 Ihre Frau geboren ist, war sie schon volljährig 2016. Einer standesamtlichen Ehe wäre nichts im Wege gestanden. Wann haben Sie sich also kennengelernt?
BF: Ich habe gesagt, das Hauptproblem war, dass das Standesamt immer den Termin verschoben hat.
R: In welchem Jahr haben Sie sich kennengelernt?
BF: 2015. Ende 2014/Anfang 2015 haben wir uns kennengelernt.
R: D.h. Sie sind im Winter am BODENSEE spazieren gegangen?
BF: Es muss nicht unbedingt Frühling oder Sommer zum Spazierengehen. Ich war zufällig einen Freund besuchen.
R: Am XXXX kamen Ihre Töchter XXXX und XXXX zur Welt. Mit Bescheid vom XXXX erkannte das Bundesamt Ihrer Tochter XXXX den Status der Asylberechtigten im Familienverfahren nach Ihnen zu, mit Bescheiden vom XXXX Ihren Töchtern XXXX . In diesen scheinen sowohl Sie als auch Ihre Gattin als Obsorgeberechtigte auf. Laut Pflegschaftsakt ist Ihre Gattin die Obsorgeberechtigte, Pflege und Erziehung liegen bei ihr. Was stimmt?
BF: Am Anfang haben wir bei der 1. Tochter beide die Obsorge gehabt. Anfangs auch bei den Zwillingen. Dadurch, dass ich jetzt im Gefängnis bin, haben wir gesagt, dass sie die Obsorge hat.
R: Wie haben Sie bisher zu Pflege, Erziehung und Obsorge Ihrer Kinder beigetragen?
BF: Wir haben allgemein viele Sachen zusammen unternommen. Wir waren viel auf Spielplätzen. Ich habe ihnen viel beigebracht. Sie sprechen mit 4 und 6 Jahren besser Deutsch, als unsere Leute, Ausländer und sogar manche Österreicher.
R: Was haben Sie noch für Ihre Kinder gemacht?
BF: Viel anderen Kindern vorgestellt. Viel mit anderen Kindern spielen lassen, damit sie sich den Regeln anpassen, wie sie sich hier zu benehmen haben. Wie sie hier Kontakt zu anderen Kindern knüpfen. Wir waren viel in der Natur unterwegs. Wir waren meistens am Spielplatz. Das war die Hauptsache, dass sie Spaß haben.
R: D.h. den Haushalt, die Körperpflege hat Ihre Gattin gemacht?
BF: Nein. Das haben wir beide gemeinsam gemacht. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie gefragt haben, was ich mit den Kindern unternommen habe.
R: Wovon haben Sie als Familie Ihren Lebensunterhalt bestritten?
BF: Am Anfang habe ich über XXXX ,… Der Staat hat mir geholfen, als ich die Mechanikerlehre gemacht habe. Ich habe zuletzt bei XXXX gearbeitet. Ich habe im Lager von XXXX gearbeitet. Ich habe bei XXXX gearbeitet. Das war auch meine letzte Arbeit. Ich habe dort in der Produktion gearbeitet.
R: Wie geht es Ihren Kindern gesundheitlich?
BF: Einer Tochter XXXX , geht es nicht so gut. Sie hat KONRADI HÜHNERMANN-SYNDROM. Das hat nur ein Kind von hunderttausend Kindern bekommen, jetzt sogar nur mehr eines von 400.000 Kindern. Sie wird kleinwüchsig bleiben. Anfangs hieß es, dass sie erst im Alter von 3-4 Jahren gehen lernen wird. Im Alter von 2-4 Jahren hieß es, würde sie reden lernen. Wir haben damals viele Ärzte aufgesucht. Ich habe durch diese Krankheit begonnen, alles in mich „hineinzufressen“. Ich bin so auf den schiefen Weg gelangt. Ihre Füße stehen wie bei einem Pinguin auseinander. Wir haben ihr immer die Füße massiert. Sie hat mit 13, 14 Monaten begonnen zu gehen. Jeden Tag haben wir 15-20 Minuten ihre Füße massiert. Die Füße haben wir langsam hergerichtet. Die Ärzte waren verwundert, warum sie auf einmal so schnell gehen kann. Sie hat das Problem, dass sich immer wieder ihre Hüfte ausrenkt. Das war, bis sie 2 Jahre alt war. Sie hat damals einen Hüftgips bekommen. Sie hat auch viele Nächte mit meiner Frau im Krankenhaus verbringen müssen. Ich habe die Nächte mit meinen anderen beiden Töchtern verbracht. Das Hauptproblem ist, dass die Krankheit da ist.
R: Wie geht es den anderen beiden Kindern?
BF: Der 2. Zwilling ist nicht so schlimm wie XXXX betroffen. Für XXXX haben wir Frühforderung. Diese kommt und betreut XXXX 1-3 Stunden, je nachdem, was sie machen will. Sie geht mit ihr in den Park.
R wiederholt die Frage.
BF: Den anderen beiden geht es gut.
R: Sie haben gesagt, dem 2. Zwilling geht es nicht so schlimm.
BF: Es ist die gleiche Krankheit, aber bei ihr nicht so stark vorhanden.
R: Welchen Pflegebedarf hat XXXX ?
BF: Langsam fängt bei ihr auch die Frühförderung an.
R: Abgesehen von der Frühförderung, hat XXXX Pflegebedarf?
BF: Darüber hinaus besteht kein Pflegebedarf.
R: Welcher Pflegebedarf besteht bei XXXX , abgesehen von Frühförderung?
BF: Bei ihr ist es auch nicht so, dass man extremen Pflegebedarf hat. Manchmal geht es ihr schlimm, die Füße schwellen an. Dann muss man zum Arzt. Es ist nicht so, dass wir jeden Monat in das Spital müssen.
R: Wenn ich die Befunde richtig gelesen habe, dann macht immer die Spitalstermine Ihre Gattin.
BF: Ja. Genau.
R: Wenn Sie in Haft sind, wer passt auf Ihre anderen beiden Kinder auf?
BF: Der Kindergarten oder meine Mutter.
R: Sie sind an der MED. UNI XXXX in Behandlung. Wird diese von der Krankenkasse gedeckt?
BF: Ja.
R: Wer kommt für die Frühförderung auf?
BF: Diese wird uns vom Staat zur Verfügung gestellt.
R: Bekommen Sie erhöhtes Kindergeld für XXXX ?
BF: Nein.
R: Wie geht es Ihrer Gattin gesundheitlich?
BF: Soweit geht es ihr gut.
R: Benötigt Sie irgendwelche Therapien usw.?
BF: Nein.
R: Sie sind in Haft. Wovon lebt Ihre Familie?
BF: Meine Frau hat einen längeren Kurs zur Kinderbetreuerin gemacht. Sie arbeitet als Kinderbetreuerin, manchmal von 10 bis 15 Uhr, manchmal von 11 Uhr bis 15 Uhr. Sie kann wegen unserer drei Kinder nicht Vollzeit arbeiten. Die Kinder dürfen nicht länger als bis 16 Uhr im Kindergarten sein. Einen Teil bekommt sie vom Sozialamt, den restlichen Teil von der Arbeit.
R: Vom 26.-30.09.2017 waren Sie in einem Lokal geringfügig beschäftigt. Als was haben Sie gearbeitet und warum so kurz?
BF: So genau kann ich mich nicht erinnern. Das war in der XXXX , STADTHALLE. Er hat ein Lokal. Das war, dass man Werbung für das Lokal macht. Wir haben dort eine kleine Küche aufgebaut und wieder abgebaut. Er wollte, dass ich nicht schwarzarbeite.
R: Vom 23.-30.10.2017 waren Sie in einem Personalleasingunternehmen beschäftigt. Als was haben Sie dort gearbeitet und warum so kurz, nur eine Woche?
BF: Das waren so Arbeiten, die ich bei der STADTHALLE gesucht habe an verschiedenen Plätzen. Ich wollte es nicht schwarz machen.
R: Vom 28.02.-07.05.2018 waren Sie bei der XXXX GmbH geringfügig beschäftigt, 2 Monate und 1 Woche. Als was waren Sie dort tätig und warum so kurz?
BF: Ich habe dort alles vorbereitet, ich und ein Kollege, wir haben die Ware für ganz Österreich vorbereitet. Die Firma, das sind 2 Brüder, aber die Materialien waren für beide. Am Anfang war es schön dort zu arbeiten, aber als die neue Chefin gekommen ist, haben manche Leute,… Wie soll ich das sagen? Wenn ein Bäcker etwas brauchte, dann hat er es geschmissen. Er wollte nicht hinübergehen. Es ist auf den Boden gefallen. Die Chefin hat wollen, dass wir die Arbeitsleistung verdoppeln, dass Sachen, die in 10 Stunden erledigt werden, in 5 erledigt sind. Dann haben alle angefangen zu kündigen, nachdem sie begonnen hat. Am Ende habe ich alleine die Ware vorbereitet. Früher haben das drei gemacht. Am Ende waren das zu viel.
R: Vom 14.05.-05.06.2018, also insgesamt 3 Wochen lang, waren Sie in BRATISLAVA beschäftigt. Als was und warum so kurz?
BF: Der Firmensitz ist in WIEN gewesen. Ich dachte, dass es eine legale Firma sei. Das ist kein Geheimnis. Das war in der Zeitung. Das Finanzamt hat die Firma „auseinandergenommen“. Dort habe ich in einem Wettbüro als Kellner gearbeitet.
R: Sie sind spielsüchtig und arbeiten in einem Wettbüro?
BF: Schauen Sie sich die Daten an. Damals war ich noch nicht spielsüchtig. Nicht so, dass ich reingesteigert, dass ich die ganze Zeit Casino spielen musste. Ein Freund hat mir diese Arbeit besorgt. Der Chef sagte mir, ich dürfe einen Raum nicht betreten. Er war extra abgesperrt. Nach 2 Wochen hat mich das aber interessiert. Da merkte ich, da könnte ein Casino sein und ich habe gekündigt.
R: Vom 09.-10.03.2019 und 22.06.2018 waren Sie bei einem Ziviltechniker geringfügig beschäftigt. Als was haben Sie für den Ziviltechniker gearbeitet und warum so kurz?
BF: Ich kann mich daran nicht erinnern.
R: Am 08.07.2018 und 19.07.-19.09.2018 (2 Monate) waren Sie in einem Lokal geringfügig beschäftigt. Als was und warum nur so kurz?
BF: XXXX ? Das war wahrscheinlich Security-Arbeit.
R: Vom 20.08.-09.10.2018 waren Sie in einem Personaldienstleistungsunternehmen beschäftigt. Als was und warum so kurz?
BF: Das ist eine Leihfirma.
R: Als was haben Sie in dieser Leihfirma gearbeitet?
BF: Die Leihfirmen sind so in XXXX : Man meldet sich bei ihnen an und sie haben mich an XXXX in der Produktion vermittelt.
R: D.h. entgegen Ihrer Stellungnahme waren Sie nie bei XXXX angestellt, korrekt?
BF: Sozusagen.
R: Sie haben angegeben, dass die Familie von Ihrem Erwerbseinkommen gelebt hat. Wovon hat Ihre Familie gelebt? Sehr viel waren Sie nicht erwerbstätig.
BF: Es ist so arg, wenn ich bei der Arbeit bin, wird immer ein Teil vom Staat genommen. Es war mit der Miete so, dass ich vorlegen musste, wie viel ich bezahle. Einen Teil zahlte der Arbeitgeber und einen Teil der Staat.
RV: Der BF meint bedarfsorientierte Mindestsicherung.
R: Im Übrigen haben Sie in folgenden Zeiträumen Arbeitslosengeld bezogen:
Vom 02.02.-16.10.2017
Vom 18.-22.10.2017
Notstandshilfe haben Sie in folgenden Zeiträumen bezogen:
Vom05.12.2017-27.02.2018
Vom 06.06.2018-19.07.2018
Vom 21.07.2018-12.08.2018
Vom 17.-19.09.2018
Vom 12.10.2018 – 18.02.2019
Vom 28.02.2019 – 10.03.2019
Möchten Sie dazu etwas angeben?
BF: Wenn ich eine Arbeit angemeldet habe, musste ich mich vom AMS abmelden. Danach,… mit den Kurzzeitjobs musste ich mich immer wieder ummelden, auch mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Arbeitslosengeld habe ich nie bekommen, aber schon Notstandshilfe.
R: Am 20.03.2019 wurden Sie vom Sondereinsatzkommando COBRA festgenommen. Die Untersuchungshaft wurde über Sie verhängt. Sie waren in der JA XXXX - XXXX inhaftiert. Ihr Komplize XXXX musste am 08.07.2019 in eine andere Haftanstalt verlegt werden, weil seine Sicherheit in der JA XXXX XXXX nicht gewährleistet werden konnte. Er wurde von seinen Komplizen bedroht. Möchten Sie dazu etwas angeben?
BF: Bis jetzt in der Sekunde habe ich nicht gewusst, dass XXXX mein Komplize ist.
R: Sie wurden aber schon in derselben Hauptverhandlung (HV) verurteilt.
BF: Das ist der, der 9 Jahre bekommen hat, aber dennoch nicht mein Komplize.
R: Am 22.11.2019 wurden Sie aus der Untersuchungshaft entlassen. Beschreiben Sie Ihre Lebensumstände danach!
BF: Danach habe ich mich als Arbeitsloser beim AMS angemeldet. Sie fragten, was ich in den letzten 8,5 Monaten gemacht habe. Ich musste denen etwas vorlegen, oder ihnen wahrheitsgemäß sagen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich in U-Haft war. Auch der Firma, an die ich vermittelt wurde, musste ich das sagen. Zu 99% habe ich immer ein Nein bekommen. Das AMS wollte mich nicht so oft vermitteln, weil ich noch die Gerichtsverhandlung vor mir hatte. Sie sagten, ich solle abwarten, was dabei herauskommt. Ich habe zwar immer Arbeitsvorschläge bekommen, aber denen musste ich auch sagen, dass ich die HV vor mir habe.
R: In der Hauptverhandlung gaben Sie an, Hilfsarbeiter in einem Friseursalon zu sein und dafür € 700 zu verdienen. Laut SVA-Auszug waren Sie dort nur drei Wochen, von 16.06.2020 bis 06.07.2020 beschäftigt – Sie haben dort also zwei Tage vor der Hauptverhandlung begonnen und vier Tage nach Ende der Hauptverhandlung aufgehört. Davor und danach, vom 25.11.2019-15.06.2020 und vom 16.07.2020-18.09.2020 sowie vom 18.12.2020 – 19.04.2021 haben Sie Notstandshilfe bezogen, vom 06.05.2021-30.06.2021 Arbeitslosengeld. Was sagen Sie dazu?
BF: Das Problem, als ich beim Frisör angefangen habe: Er hat allgemein Arbeiter gesucht, weil er neu gearbeitet hat. Das hatte ich vergessen zu sagen. 10 oder 11 Tage hatten wir Gerichtsverhandlung. Ich habe ihm gesagt, dass ich dies und das erledigen muss. Irgendwann hat er gemerkt, dass in XXXX ein großer Prozess läuft. Er fragte mich, warum ich schon nach 3-4 Tagen gefehlt habe. Ich habe mich bei ihm entschuldigt. Er hat mir dennoch die Chance gegeben, noch ein bisschen dort zu bleiben. Aber ich habe ihm dann dennoch gesagt, dass ich Gericht habe und dass ich bald meine Strafe antreten müsse. Ich wollte allgemein hineinschnuppern, wie es ist. Er hat Lehrlinge gesucht, aber er hat mir gesagt, dass es nichts bringt, dort eine Lehre anzufangen.
R: Ich habe Sie eingangs über Wahrheitspflicht und Glaubwürdigkeit belehrt.
R: Sie waren in diesem Frisörstudio nicht geringfügig. Dort waren Sie 3 Wochen und hatten keinen Urlaubsanspruch. Von den 21 Tagen hatten Sie 11 Tage Gerichtsverhandlung. Sie mussten Ihrem Dienstgeber die Ladung vorlegen, um arbeitsfrei zu bekommen. Das, was Sie mir eben geschildert haben, kann nicht stimmen.
BF: Ich habe ihm keine Ladung gezeigt. Ich habe dort nicht als Lehrling angefangen, sondern den 1. Monat nur geschnuppert.
R: Das ist ein lustiger Chef, der nicht „mitbekommt“, dass sein Mitarbeiter die Hälfte der Zeit, für die er ihn bezahlt, nicht da ist.
BF: Mit der Zeit habe ich ihm gesagt, was los war. Ob er mir dennoch die Chance gibt, danach dort ein bisschen weiter zu arbeiten. Aber aus seiner Sicht war das so,… Niemand will einen Häftling.
R: Warum hatten Sie vom 18.09.2020-18.12.2020 und vom 19.04.2021-06.05.2021 Bezugsunterbrechungen? Sie haben weder AMS-Geld noch Notstandshilfe bezogen.
BF: Wegen eines verpassten Termins haben sie mich gesperrt. Ich kann mich nicht 100%ig daran erinnern, ich weiß, dass sie mich gesperrt haben.
R: Der Strafantrag langte am 11.09.2019 ein. Ab 14.10.2019 wurden Sie nicht von RA Dr. KONRAD als Substitut Ihres Vertreters vertreten. Am 05.11.2019 beantragten Sie die Delegierung Ihres Verfahrens nach XXXX . Dem Antrag entsprach der OGH mit Beschluss vom 16.01.2020. Mit Urteil vom 02.07.2020 verurteilte Sie das Landesgericht für Strafsachen XXXX .
Sie haben mit XXXX , XXXX , XXXX und XXXX als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, der nachweislich 13 Personen angehörten, Raubüberfälle auf Taxifahrer und Tankstellen verübt. Nach XXXX und XXXX waren Sie der älteste in der Gruppe. Ich zähle in diesem Urteil – unter Außerachtlassung der Beitragstaten – insg. 107 einzelne Delikte.
Sie haben zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 30.11.2018 beschlossen, Ihre triste finanzielle Situation durch die Begehung von (größtenteils) bewaffneten Raubüberfällen zu beheben. Dazu schlossen Sie sich zu einer Vereinigung zusammen und vereinbarten, dass im Rahmen dieses Zusammenschlusses längere Zeit hindurch – zumindest einige Monate – von einem – unter Mitwirkung zumindest eines weiteren Mitglieds dieser Vereinigung oder mehreren Mitgliedern (großteils bewaffnete) Raubüberfälle insbesondere auf Tankstellen und Taxilenker ausgeführt werden sollen. Dazu haben Sie sich teils als unmittelbare Täter, teils als Beitragstäter beteiligt. Sie wollten dies auch. Soweit Sie Beitragstäter waren, handelten Sie darüber hinaus in dem Wissen, durch Ihre Beitragshandlungen die kriminellen Ziele der Vereinigung, strafbare Handlungen zu fördern.
Sie haben mit XXXX am XXXX in XXXX einem Taxifahrer Bargeld in der Höhe von 350 € weggenommen, indem Sie dem Taxifahrer eine Gas-Alarmpistole an den Kopf gehalten und von ihm mit XXXX Geld gefordert haben, woraufhin er Ihnen seine Geldbörse aushändigte. Bei diesem Raubüberfall beschädigten Sie den Innenspiegel des Taxis, indem Sie ihn aus der Verankerung rissen.
Sie haben am XXXX mit XXXX in XXXX einem Taxifahrer Bargeld in unbekannter Höhe wegzunehmen versucht, indem Sie den Taxifahrer am Tatort, zu dem Sie ihn zuvor über die Taxizentrale bestellt hatten, aufgelauert haben. Es blieb beim Versuch, weil Sie sich entdeckt wähnten, als das Scheinwerferlicht des Taxis auf Sie fiel und Sie die Flucht ergriffen.
Sie haben am XXXX mit XXXX in XXXX einem Taxifahrer ca. 170 Euro weggenommen, indem Ihr Komplize eine Gas-Alarmpistole gegen ihn richtete und Sie „Motor aus! Geldtasche her!“ sagten, worauf er Ihnen die Geldbörse aushändigte, die Sie an XXXX weiterreichten. Sie unterdrückten den Taxischein Ihres Opfers, indem Sie ihn im Zuge des Raubüberfalls an sich brachten und wegwarfen. Sie entzogen dem Opfer den Fahrzeugschlüssel und die Geldbörse, die Sie im Zuge des Raubüberfalls an sich gebracht hatten, indem Sie sie wegwarfen.
Sie haben am XXXX mit XXXX in XXXX einen Taxifahrer Bargeld iHv € 325 weggenommen, indem Sie mit den Worten „Geld her! Brieftasche her!“ eine Gas-Alarmpistole gegen den Taxifahrer richteten, woraufhin dieser Ihnen das Geld aushändigte. Im Zuge des Raubüberfalls nötigten Sie das Opfer mit Gewalt, nämlich dem Versetzen mehrerer Schläge gegen den Kopf und den Oberkörper zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen und zur Ausfolgung seines Mobiltelefons. Im Zuge des Raubüberfalls beschädigten Sie den Innenspiegel samt Taxameter und Funkgerät des Taxis, indem Sie ihn aus der Verankerung rissen. Sie verletzten Ihr Opfer am Körper; er erlitt eine Kopfprellung, Hämatome und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand.
Sie haben zur Tat von XXXX , XXXX und XXXX beigetragen, dem Sie diese mit Ihrem PKW zum Tatort brachten und dort auf sie warteten, als diese am 08.01.2019 in XXXX in das XXXX einbrachen.
Sie haben die Verbrechen des schweren Raubes und die Vergehen der Nötigung, Urkundenunterdrückung, Sachbeschädigung, dauernden Sachentziehung, Körperverletzung und des Einbruchsdiebstahls als Beitragstäter begangen.
Sie wurden zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, der dritthöchsten Freiheitsstrafe in Ihrer kriminellen Vereinigung, nur XXXX und XXXX wurden mit neun und acht Jahren zu höheren Strafen verurteilt. Das Gericht würdigte das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die zweifache Qualifikation beim schweren Raub und die Tatwiederholung erschwerend, die geständige Verantwortung, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb und die teilweise Schadenswidergutmachung mildernd. Angesichts der hohen kriminellen Energie, der Vielzahl an Raubüberfällen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und der Brutalität gegenüber den Opfern waren hinsichtlich sämtlicher Angeklagten, außer einem, empfindliche unbedingte Freiheitsstrafen zu verhängen, um den Angeklagten das Unrecht Ihres Handelns vor Augen zu führen.
Sie haben nicht Berufung oder Beschwerde an das Oberlandesgericht erhoben, aber einige Ihrer Komplizen. Das Oberlandesgericht XXXX gab deren Berufungen mit Beschluss vom 25.08.2021 nicht Folge und führte aus, dass auf Grund der beträchtlichen Tat- und Tätermehrheit und des damit verbundenen erhöhten Ermittlungs- und Verfahrensaufwandes von einer Unverhältnismäßigkeit der Verfahrensdauer noch keine Rede sein könne.
Sie haben Nichtigkeitsbeschwerde an den OGH erhoben. Dieser verwarf mit Urteil vom 27.05.2021 Ihre Nichtigkeitsbeschwerde. Aus Anlass der weiteren Beschwerden wurden die Verurteilung wegen Nötigung und Körperverletzung aber behoben, weil diese mit dem Raub als deliktspezifische Einheit zu sehen war. Vereinfacht: Sie haben auch diese Tat begangen, rechtlich ist sie aber bereits vom Raub „konsumiert“. Die verhängte Freiheitsstrafe blieb bei sechs Jahren. Der Oberste Gerichtshof ergänzte, dass neben der massiven Delinquenz vor allem die reifliche Planung und Vorbereitung der Taten sowie die besonders brutale, rücksichtslose und für die jeweiligen Opfer traumatisierende Tatbegehung anlässlich der jeweiligen Raubüberfälle zu berücksichtigen waren, die sich etwa im Ansetzen der Tatwaffe an den Kopf des Opfers durch Sie und das Repetieren der Tatwaffe bei XXXX zeigte. Möchten Sie dazu etwas angeben?
BF: Was soll ich sagen? Ich habe das wirklich sehr tief bereut. Das war die Zeit, als ich den Abschluss hatte. Bis heute bereue ich es, weil ich weiß, was ich denen angetan habe. Ich habe jetzt im Gefängnis genug Zeit nachzudenken, was ich denen angetan habe. Aber dadurch, dass ich damals unter Drogen war und die Spielsucht hatte, habe ich meiner Familie auch finanziell sehr geschadet. Meine Familie wusste nicht, dass ich spielsüchtig und auf Drogen bin. Ich wollte das Geld, das ich dafür ausgegeben habe, durch meine Taten wieder einnehmen. Aber wenn man auf Drogen ist, weiß man nicht, was man dem Menschen antut. Man nimmt es nicht so schlimm wahr.
R: Was für eine Art Firma ist die XXXX in XXXX ?
BF: ,……
R: Was haben Sie für diese vom 05.5.2017 – 31.07.2017 dort gearbeitet?
BF: XXXX war das. Da[…]s ist Security-Arbeit, die man in Stadien und bei Konzerten und auch beim Formel 1 Rennen in SPIELBERG, verrichtet.
R: Laut SVA-Auszug waren Sie vom 11.-12.02.2017, am 28.05.2017, am 01.06.2017, vom 12.02.-05.05.2017, vom 07.07.2017-27.07.2017 bei Security Firmen beschäftigt. Ich gehe davon aus, Sie hatten eine Einschulung. Wie sehen Sie Ihre Straftaten, insbesondere die besondere Brutalität der Tatausführung, die der OGH feststellte und dass man nicht mitbekommt, was man den Menschen antut, vor dem Hintergrund dieser Einschulung in der Ausbildung?
BF: 2 Jahre davor war die Einschulung und das alles. Das war 2 Jahre zuvor. Da stand ich nicht unter Drogen.
R: Sie haben ziemlich genau gewusst, wie man jemandem wehtut und dieses Wissen auch noch eingesetzt.
BF: Einen haben wir verletzt, aber ich war nicht alleine, der ihn verletzt hat. Ich will niemandem etwas vorwerfen. Aber wenn man auf KOKAIN ist,…. vergisst man alles und ist einfach gierig. Nachdem ich in Haft war und davon herunterkam, habe ich realisiert, was ich denen angetan habe.
R: Halten Sie vor diesem Hintergrund Ihr Vorbringen in der Stellungnahme der BF habe die Taten zur Finanzierung der Behandlung der Tochter begangen, vor dem Hintergrund seiner Aussagen, dass er sie zur Finanzierung der Spielsucht und Drogensucht beging, aufrecht?
RV: Nein.
R: Ein Betrag von € 280 wurde für verfallen erklärt. Sie hatten bei der Verurteilung Schulden iHv € 1500 und kein Vermögen. Sie wurden in fünf Fällen zu Schadenersatz an die Opfer verfällt. Haben Sie diesen Schadenersatz bereits geleistet?
BF: Nein. Bei mir waren es nur drei. XXXX und XXXX haben nicht zu uns gehört. Wir wollten den Opfern auch Geld geben, sie haben gesagt, dass sie mit uns nichts zu tun haben wollen. Ich verstehe das auch, weil sie schlaflose Nächte aus psychischen Gründen wegen uns hatten.
R: Das Oberlandesgericht WIEN gab Ihrem Antrag auf Befreiung von den Gerichtsgebühren von 650 € als Unterhaltsschuldner mit Bescheid vom 13.08.2019 nicht Folge, mit Beschluss vom 03.10.2019 gab es Ihrem Antrag auf Stundung bis 15.03.2020 statt. Sie wurden am 22.11.2019 enthaftet. Haben Sie die Gerichtsgebühren mittlerweile entrichtet aus dem Unterhaltsverfahren?
BF: Nein, es ist nicht abbezahlt. Ein Antrag wurde auf Ratenzahlung gestellt. 200 bis 300 Euro habe ich gezahlt, aber noch nicht fertig.
R: Sie sind Unterhaltsschuldner für Ihre Kinder, es gibt aber keinen Unterhaltstitel. Mit Beschluss vom 25.06.2019 gewährte das Bezirksgericht Ihren Kindern Unterhaltsvorschuss. Das Bezirksgericht ging davon aus, dass die Kinder weiterhin asylberechtigt sind, weil Ihnen als Kinder Ihrer Gattin Verfolgung wegen Ihres Schwiegervaters drohte. Eine Verfolgung Ihretwegen stellte das Bezirksgericht nicht fest. Möchten Sie dazu etwas angeben?
RV: Das wird zur Kenntnis genommen.
R: Der Unterhaltsvorschuss wurde mit Ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft am 22.11.2019 eingestellt. Wie haben Sie Ihren Kindern danach wieder den Unterhalt gewährt? Arbeiten waren Sie ja nur während der Hauptverhandlung drei Wochen lang und wegen Missachtung von Kontrollterminen wurden Ihnen 2x auch die Notstandshilfebezüge eingestellt. Wie haben Sie zwischen U-Haft und Strafhaft Ihrer Familie den Unterhalt gewährt?
BF: Auch, wenn ich damals vom AMS gesperrt worden bin, haben das Sozialamt und Familienbeihilfe uns geholfen.
R: Der Präsident des OLG XXXX beantragte, Sie zu verpflichten, die Unterhaltsvorschüsse von € 1284 € pro Kind in Raten zurückzuzahlen. Diesen Antrag wies das Bezirksgericht XXXX - XXXX mangels finanzieller Leistungsfähigkeit Ihrerseits ab. Am 01.09.2021 wurden erneut Unterhaltsvorschüsse beantragt. Wegen des anhängigen Asylaberkennungsverfahrens Sie betreffend wies das Bezirksgericht XXXX - XXXX die Anträge Ihrer Kinder auf Unterhaltsvorschuss mit Beschluss vom 20.10.2021 ab. Den Unterhaltsvorschuss gibt es nicht mehr, seitdem Sie in Strafhaft sind. Wovon leben Ihre Kinder jetzt?
BF: Ich habe bereits gesagt, dass meine Frau als Kinderbetreuerin arbeitet und sie bekommt auch eine Unterstützung vom Sozialamt.
R: Was ist mit Ihren Schulden, die Sie angehäuft haben?
BF: Wenn ich herauskomme, werde ich diese von meiner Rücklage abzahlen.
R: Am 16.03.2021 zogen Sie in XXXX in die XXXX um Ihre Gattin ist dort seit 02.04.2021 gemeldet, ebenso Ihre Kinder. Wie groß ist die Wohnung und wieviel kostet sie?
BF: Das ist keine Gemeindewohnung. Das ist eine private Wohnung. Sie hat 90m² und kostet ca. 900 Euro.
R: Am 14.09.2021 traten Sie Ihre Freiheitsstrafe in der JA XXXX XXXX an. Die Termine für die bedingte Entlassung sind 06.12.2023 oder 06.12.2024. Das Bundesamt räumte Ihnen Parteiengehör ein und vernahm Ihre Gattin am 12.10.2021 niederschriftlich ein. Dabei gab Ihre Gattin an, Arbeitslosengeld zu beziehen und zuvor ein Jahr im Einzelhandel gearbeitet zu haben. In der RUSSISCHEN FÖDERATION könne Sie nicht mit Ihnen leben, weil Sie dort nichts Eigenes habe. Andere Gründe brachte sie dafür nicht vor, warum sie mit Ihnen nicht in RUSSLAND leben kann. Möchten Sie dazu etwas sagen?
BF: Ich weiß nicht ganz genau, was sie angegeben hat. Sie ist auch nicht mehr arbeitslos. Sie ist schon in Österreich, seit sie 2 Jahre alt ist. Sie weiß auch nicht die größten Gründe, warum sie nicht dort leben kann. Sie kann auch nicht perfekt Russisch,…
R: Laut Ihrer Stellungnahme haben Sie einen Freundeskreis der ausschließlich aus Österreichern mit deutscher Muttersprache besteht. Ihre Komplizen waren neben einem kroatischen, einem syrischen, einem serbischen und einem österreichischen Staatsbürger, XXXX aus NATERYCKI, XXXX aus NOVOLASKOE in DAGESTAN, XXXX aus KOMSOMOISKI, XXXX aus MOSKAU, XXXX aus GROZNY, XXXX aus GROZNY, XXXX aus GUDERMES und XXXX aus MESKITI. Sehe ich es richtig, dass die alle tschetschenische Volksgruppenangehörige sind, wie auch XXXX , der Sie neben XXXX in der Haft besucht? Was möchten Sie dazu sagen? Sehe ich es richtig, das sind alles Tschetschenen?
BF: Das waren nicht alle meine Komplizen. XXXX waren die einzigen. Das Problem war, dass Ela mit diesen Leuten zu tun hatte und wir als Bande hingestellt wurden. Bei meiner Sache waren nur 2 Leute.
R: Möchten Sie Ihr Vorbringen, dass der BF österreichische Freunde mit deutscher Muttersprache hat, aufrecht halten?
RV: Ja, weil was sind das für Freunde? Das sind aus Sicht des BF keine Freunde, sondern verurteilte Mittäter. Sie waren auch vor den Taten nicht befreundet.
R: Sie werden in der Haft regelmäßig von Ihrer Gattin und Ihren Geschwistern besucht, von Ihren Kindern sehe ich nur einen Besuch von Ihrer Tochter XXXX , sonst nichts. Werden Sie in der Haft von Ihren Kindern nicht besucht?
BF: Sie sind die ganze Zeit in der XXXX . 1x Minimum sind sie auf Besuch pro Woche gekommen, oder jede 2. Woche.
R: Ihre Eltern haben Sie nie besucht?
BF: Doch, aber nicht jede Woche. XXXX hat mit meinen Taten und mit meinen Komplizen nichts zu tun. Wegen CORONA durften in der XXXX maximal 2 Personen zu Besuch gekommen. Anfangs durfte man nur 1x pro Woche Besuch haben. Da waren die CORONA-Maßnahmen extrem streng. Nach ein paar Monaten durfte man 2x pro Woche Besuch haben. 1x pro Woche Minimum, war meine Frau da. Alle 1-2 Wochen waren auch meine Kinder mit ihr da.
R: Sie werden im gelockerten Vollzug angehalten. Was bedeutet das?
BF: Da ich keine Gefährlichkeit und keine Strafauffälligkeiten im Gefängnis hatte, wurde ich in den Erstvollzug verlegt. In der XXXX ist es verpflichtend, dass man einen Job haben muss. Seit Feb. 2023 bin ich in der Außenstelle, wo ich 4 Tage pro Monat Ausgang habe. Seit gestern und bis morgen bin ich auf Ausgang. Seither ist mir auch nicht in den Sinn gekommen, Blödsinn zu machen.
R: Sie arbeiten in der Haft, wobei Ihre Arbeitsleistung als sehr gut beschrieben wird. Was arbeiten Sie?
BF: Ich habe da mehrere Arbeiten gemacht. Im U-Betrieb, im eigenen Bereich, arbeite ich. Für XXXX und andere Baufirmen stellen wir Material her. Vor 3 Monaten war ich Schweißer-Vorarbeiter.
R: Einerseits wird Ihr Verhalten in der Haft als ruhig und entsprechend beschrieben, andererseits weisen Sie in den weniger als zwei Jahren Anhaltung bereits sechs Ordnungsstrafen u.a. wegen unerlaubter Gewahrsame und ungebührlichen Verhaltens auf. Wie geht sich ruhig und entsprechend mit 6 Ordnungsstrafen pro 2 Jahre aus? Möchten Sie dazu etwas angeben?
BF: Das ist in der XXXX so: Wir sind 6 Leute im Zimmer. Ich war 2 Jahre lang nur mit 6 Leuten in der Zelle. Wenn einer etwas Unerlaubtes gemacht hat, bekommen alle die Strafen. An 6 Ordnungsstrafen kann ich mich nicht erinnern. An 3 Abmahnungen kann ich mich erinnern. Wenn sie etwas gefunden haben und die Schuld nicht nachweisbar war, haben sie abgemahnt und die Ordnungsstrafe weggenommen. Wenn man z.B. den TV unabsichtlich kaputt macht, bekommt man trotzdem eine Meldung, dass man den TV bezahlen muss.
RV: Würde der BF grobe Sachen machen, wäre seine Verlegung in die Außenstelle undenkbar. Die Verlegung in die Außenstelle ist bei Häftlingen sehr begehrt.
R: Bei ungebührlichem Verhalten ist aber klar, wer die Tat begangen hat.
R: Sie waren laut Hauptverhandlung spielsüchtig. Ich sehe aus dem Führungsbericht nicht, dass Sie jemals wegen Spielsucht in Therapie waren, auch nicht nach dem Krankenakt der JA. Was sagen Sie dazu?
BF: Als ich zwischen U-Haft und Strafhaft 1,5 Jahre draußen war, habe ich selbst an mir gearbeitet und vom Spielen Abstand gehalten. In der XXXX haben sie mich beobachtet und dann festgestellt, dass ich keine Therapie wegen Spielsucht benötige, nur wegen der Drogen. Ich war der Einzige, der in den letzten 3,4 Jahren die Drogentherapie in 6 Monaten abgeschlossen hat. Ohne dass ich das abgeschlossen hätte, wäre die Verlegung in die Außenstelle nicht möglich gewesen.
R: In Ihrem Krankenakt findet sich ein Revers vom 26.07.2022, dass Sie sich verletzt haben, aber die Ausführung zu einem Facharzt verweigern, weil Sie Besuch bekommen und Ihnen das wichtiger ist. Ist das die von Ihnen angegebene Verletzung am Rücken, die Sie in der Beschwerde angegeben haben?
BF: Das war nicht das mit dem Rücken. Ich habe mich beim Fußballspielen verletzt. Ich wollte am selben Tag zum Arzt. Sie sagten, dass das nicht ging. Am nächsten Tag wollten sie mich zum Arzt ausführen, aber mir ging es besser und ich hatte Besuch. Das war mir wichtiger. Nach 1 Tag haben dann die Schmerzen aufgehört.
R: Ihr Vorbringen von heute betreffend den Entzug, passt mit Ihrem Krankenblatt zusammen. Sie nahmen 2021 nicht unerhebliche Dosen von QUETIAPIN, einem Stimmungsaufheller, RIVOTRIL, einem Benzodiazepin, TRAMABENE, einem stark wirksamen Schmerzmittel, und TRILEPTAL, einem Antiepileptikum, sowie CATAPRESAN, einem Blutdruckmittel […]. Laut Krankenakt konsumierten Sie im Gegensatz zu Ihrer Beschwerde Suchtmittel, nämlich COCAIN und TRADOLAN, ein Schmerzmittel, das angstlösend wirkt, und rauchten ein Päckchen Zigaretten pro Tag, möchten Sie dazu etwas angeben?
BF: TRADOLAN kenne ich nicht. QUETIAPIN ist ein Schlafmittel. CATAPRESAN sagt mir nichts, das könnte aber am Anfang der Fall gewesen sein. Vielleicht war es eine andere Marke.
R: In der Einvernahme betreffend die Strafvollstreckung im Herkunftsstaat am 08.09.2022 gaben Sie nicht an, dort verfolgt zu werden, sondern der Strafvollstreckung im Herkunftsstaat nicht zuzustimmen, weil Sie Ihre gesamten sozialen Kontakte in Österreich haben, niemanden in RUSSLAND und weil Sie seit 18 Jahren in Österreich leben. Ihre gesamte Familie sei in Österreich wohnhaft und ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot sei nicht über Sie verhängt worden. Was sagen Sie dazu?
BF: An was ich mich erinnern kann: Herr XXXX hat mich einvernommen. Ich habe erwähnt, dass es keine Chance gibt, dass ich dorthin zurückkehren darf. Wir sind von dort geflüchtet und auch keine Wirtschaftsflüchtlinge. Das habe ich dort gesagt. Das kann auch sein, dass er mich oder ich ihn falsch verstanden habe.
R: Gibt es etwas, was Ihnen wesentlich erscheint und noch nicht gesagt wurde?
BF: Ich wollte schon seit längerem bei meiner Familie wieder alles gut machen. Ich habe angefangen, nach vorne zu blicken. Durch einen Kollegen habe ich versucht, zu einem der Opfer Kontakt aufzunehmen, weil ich gehört habe, dass es ihm ganz schlimm gegangen ist. Ich wollte mich mit ihm treffen und mich entschuldigen, auch wenn es dafür keine Entschuldigung gibt. Ich bin kein „Schleimer“. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier aufwachsen durfte. Ich hoffe, dass ich weiter hierbleiben darf. Ich weiß nicht, ob ich in Tschetschenien noch am Leben wäre. Mit dem Regime, das wir haben, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich schon tot wäre. Für mich und meine Familie gibt es in TSCHETSCHENIEN keine Zukunft. Es sind bald 19 Jahre, dass ich nicht in RUSSLAND, in TSCHETSCHENIEN, war. Ich habe auch nie vorgehabt, zurückzublicken. Das Regime hat geschafft, dass ich auf meine eigene Heimat Hass bekomme. Die ersten drei Jahre war ein Albtraum, weil ich glaubte, die Russen oder die Tschetschenen holen uns. Es tut mir wirklich für alles leid.
R: Festgehalten wird, dass der BF alle Fragen auf Deutsch beantwortete und gut Deutsch spricht. Etwaige Fehler wurden im Zuge der Niederschrift ausgebessert. Festgehalten wird, dass der BF Augenkontakt mit der D hielt, wenn auf Russisch übersetzt wurde.
R: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?
BF: Nicht alles, aber verstanden schon.
R: Wollen Sie die Niederschrift zur Durchsicht oder rückübersetzt haben?
BF: Zur Durchsicht.
R: Möchten Sie an den BF Fragen stellen?
RV: In der Stellungnahme sind österreichische Freunde mit deutscher Muttersprache angeführt. Können Sie da welche nennen?
BF: Ja. XXXX . Das sind sehr gute Freunde, sie sind wie Familie für mich. Sie sprechen perfekt Deutsch, wie Muttersprache. Die Jungs haben mir viel Rückhalt gegeben. Sie helfen mir seit dem 1. Tag bis heute.
RV: Was sind Ihre Zukunftspläne für die Zeit nach der Haft, wenn Sie in Ö bleiben können?
BF: Ich habe auf dieses Gericht gewartet, weil ich meine LAP machen möchte. Ich darf über die Außenstelle die LAP machen. Das BFA hat auch gewartet auf dieses Verfahren damit gewartet, dass ich meinen Führerschein machen darf. Das BFA entscheidet das in der Außenstelle. Nach der LAP möchte ich 2-3 Jahre als Mechaniker arbeiten und dann in den Gastro-Bereich hineinschnuppern. Dann möchte ich mich mit italienischem Essen selbständig machen.
RV: Zu XXXX : Ist es richtig, dass bei ihr die Lebenserwartung stark herabgesetzt ist? Wie alt wird normal ein Kind mit diesem Syndrom?
BF: Bis zu 16 JAHREN leben meist die Mädchen. Burschen sterben mit dieser Krankheit bei der Geburt. So haben es uns die Leute vermittelt. Ich habe es deswegen verniedlicht, weil es mir wehtut, darüber zu sprechen. Ein Vater will auch nicht akzeptieren, dass seine Tochter krank ist.
RV: KONRADI-HÜHNERMANN-SYNDROM: Ist in TSCHETSCHENIEN eine adäquate Behandlung nicht möglich?
BF: Es gibt dort auch keine Form der Frühförderung. Für diese Krankheit müsste es richtige Ärzte in TSCHETSCHENIEN geben. Seit ich weiß, dass ich Gericht habe, habe ich begonnen, mich über die Krankheit in anderen Ländern zu erkundigen. Diese Krankheit kennt fast keiner, auch wenn man ältere TSCHETSCHENEN fragt.
RV: Warum glauben Sie, dass Sie in Zukunft keine Straftaten mehr begehen wollen?
BF: Meine Freunde haben mir die Augen aufgemacht und ich distanziere mich jetzt von den Drogen. Ich bin ein Familienmensch geworden. Wenn ich nicht einen Schritt nach vorn hätte machen wollen, hätte ich die Therapie nicht abgeschlossen. Ich würde auch nicht die LAP im Gastro-Bereich machen wollen.
R: Die vorgelegten Befunde werden in Kopie zum Akt genommen und die Originale dem BF zurückgestellt.
R: Bei der Erkrankung handelt es sich um einen dominant vererbten Gen-Defekt am X-Chromosom. Stammt dieser Gen-Defekt von Ihnen oder von Ihrer Frau? Ich sehe das Ergebnis nicht.
BF: Wir warten auf den Befund. Zunächst haben sie gesagt, es hängt von meiner Frau ab. 3 Jahre nach der Geburt, heute vor 5 Monaten, als ich in der XXXX war, wollten sie nochmals unser Blut testen. Wir haben das Blut abgegeben. Jetzt warten wir immer noch auf die Antwort.
R: Bei einem dominant vererbten Gen-Defekt muss die Erkrankung aber in der Familie bekannt sein!
BF: Die Ärzte haben sich gewundert aus diesem Grund, warum in der Familie sonst niemand betroffen ist. Die Ärzte haben gesagt, es ist vererbbar, muss aber nicht ausbrechen. Deswegen haben wir uns beide gewundert.
Der BF und RV erhält eine Kopie der Verhandlungsschrift zum Durchlesen.
[…]
Festgehalten wird, dass das Strafverfahren von XXXX ausgeschieden wurde.
RV und BF haben gegen die Niederschrift keine Einwendungen.
R: Möchten Sie eine Stellungnahme zum Länderinformationsblatt abgeben?
[…]
Einvernahme des Zeugen XXXX
R: Bitte geben Sie Ihren vollen Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Staatsangehörigkeit an.
Z1: XXXX , geboren am XXXX . Ich wurde in der Stadt GROSNY geboren. Russische, wahrscheinlich. Auch hatte ich schon die tschetschenische.
R: In welcher Beziehung stehen Sie zum BF?
Z1: Das ist XXXX , mein Sohn.
R: Wollen Sie im Verfahren Ihres Sohnes eine Aussage machen?
Z1: Fragen Sie.
R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?
Z1: Ich spreche Tschetschenisch. Das ist die 1. Sprache. Russisch spreche ich so wie Tschetschenisch. Auch verstehe ich Deutsch, aber ich spreche nicht so gut Deutsch wie Tschetschenisch.
R: Die Befragung wird unter Beiziehung der Dolmetscherin für die Sprache Russisch durchgeführt. Sie können die Fragen auf Deutsch oder Russisch beantworten, wie es Ihnen leichter fällt.
R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Z1: Ich habe Diabetes. Ich habe Asthma und auch viele Allergien.
R: Brauchen Sie Therapien?
Z1: Ja. Ich bin in Behandlung.
R: Nehmen Sie irgendwelche Medikamente, die Sie beeinträchtigen?
Z1: Nein.
R: Sind Sie in der Lage, heute hier Fragen zu beantworten?
Z1: Ja.
[…]
R: Was würde Sie und Ihre Familie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?
Z1: Wenn man mich nicht gleich umbringen wird, dann verschwinde ich spurlos, oder ich werde in das Gefängnis gebracht.
R: Wer konkret sollte Ihnen warum konkret etwas antun wollen?
Z1: Ich war bei der Präsidentengarde dabei. Ich war dort als Bewacher. Ich wurde dann ergriffen, gefoltert, ich habe auch Körperverletzungen erlitten. Aus diesem Grund bin ich ausgereist. Ich bin ein ITSCHKERIA-Anhänger.
R: Sind Sin in Ö exilpolitisch tätig?
Z1: Nein. Ich beschäftige mich ausschließlich mit der Arbeit. Politik ist nicht meines.
R: Sind Sie Journalist, Blogger, Menschenrechtsaktivist?
Z1: Hier wurde ich mehrmals operiert und ich habe mit dem Gedächtnis Probleme.
R wiederholt die obige Frage.
Z1: Überhaupt nicht.
R: Sie haben Operationen erwähnt. Gibt es irgendeinen Pflegebedarf bei Ihnen?
Z1: Nein.
R: Sind Sie seit der Ausreise im Okt. 2004 nochmals in die RUSSISCHE FÖDERATION zurückgekehrt?
Z1: Nach RUSSLAND?
R: Ja.
Z1: Natürlich nicht.
R: Was würde Ihnen und Ihrer Familie passieren, wenn Sie (hypothetisch) an einen anderen Ort in der RUSSISCHEN FÖDERATION außerhalb TSCHETSCHENIENS zurückkehren müssten, z.B. nach ROSTOV, SARATOV, MOSKAU, OMSK, STAWROPOL oder WLADIWOSTOK?
Z1: Das ist kein Unterschied. Was dort, oder woanders ist.
R: Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?
BF: Nein. Ich lebe hier sehr ruhig.
R: Wo in der RUSSISCHEN FÖDERATION haben Sie nach der Geburt des Beschwerdeführers bis zur Ausreise in der RUSSISCHEN FÖDERATION gelebt? (1995 bis 2004).
Z1: Ich habe ständig in TSCHETSCHENIEN gelebt.
R: Wo in TSCHETSCHENIEN?
Z1: Ein bisschen kleiner als die STEIERMARK ist TSCHETSCHENIEN.
R: Wo?
Z1: In GROSNY und in meinem Heimatdorf. Immer, wenn es unmittelbare Kampfhandlungen gegeben hat, dort.
R: Mit wem haben Sie zusammengelebt?
Z1: Ich lebte beim Großvater. Aber Großvater, Großmutter und Vater sind alle verstorben, als ich schon da in Österreich war.
R: Habe ich es richtig verstanden: Mit Ihrer Frau und Ihrem Sohn haben Sie beim Großvater gelebt?
Z1: Ja.
R: Wovon haben Sie und Ihre Familie in der RUSSISCHEN FÖDERATION gelebt?
Z1: Dort haben alle irgendwie, jeder, wie er konnte, existiert. Während des Krieges gab es keine Möglichkeit, keinen Lohn und keine Arbeit.
R: Haben Sie einen Garten oder eine kleine Landwirtschaft gehabt?
Z1: Ich hatte keine Landwirtschaft. Vor dem Krieg war ich selbständig tätig. Wenn ich es Ihnen sage, werden Sie es nicht glauben. Ich hatte dort ein Grundstück. Das heißt hier Garten oder Augarten. Dort habe ich Erdöl gefördert.
R: Vor dem 1. Tschetschenienkrieg?
Z1: Vor dem 2. –krieg.
R: Was ist jetzt mit Ihrer Ölquelle?
Z1: Das wurde schon längst aufgeschüttet, weil das Wasser hochkommt.
R: Wie lange hat Ihr Sohn XXXX in der RUSSISCHEN FÖDERATION die Schule besucht?
Z1: Wenn ich mich nicht irre, dann 3. Klassen, glaube ich. Zwei oder drei. Ich kann mich an solche Sachen nicht mehr erinnern.
R: Als Adresse gaben Ihre Gattin bzw. Sie zunächst XXXX in GROSNY, RUSSISCHE FÖDERATION an (AS 1), dann XXXX (AS 9). An welcher von beiden haben Sie vor Ihrer Ausreise gewohnt. An welcher Adresse haben Sie wirklich vor der Ausreise gewohnt?
BF: Die letzte Adresse war XXXX . Dort haben wir tatsächlich gelebt.
R: Was ist jetzt mit diesen Häusern? Wem gehören die jetzt?
BF: Das Haus in XXXX ist an einer Hauptstraße. Die Obrigkeit von KADYROW hat alles abtragen lassen. Dort stehen heute Hochhäuser mit 15 Stockwerken (EG mit 14 Stockwerken).
R: Was ist mit der Adresse in GROSNY?
Z1: Dort wurde alles zerbombt während des Krieges und alles gereinigt. Dort wurde alles einfach abgetragen.
R: Haben Sie Geschwister?
Z1: Nicht leibliche. Cousins 3. Grades habe ich. Wir kennen uns nicht mehr. Seit fast 20 Jahren lebe ich hier.
R: Sie haben keinen Kontakt mehr zur RUSSISCHEN FÖDERATION?
Z1: Ich hatte einen Onkel. 2 Onkel hatte ich, diese sind in den letzten 1,5 Jahren verstorben. Dort waren das die letzten Verwandten.
RE: Woher haben Sie die ganzen Infos, was mit den Häusern passiert ist?
Z1: Kontakt zu den 2 Onkeln hatte ich, bis sie gestorben sind.
R: Diese waren unverheiratet?
Z1: Sie waren verheiratet und hatten beide Töchter, diese haben geheiratet.
R: Mit Bescheid vom 14.02.2005 gab das Bundesasylamt dem Asylantrag Ihres Sohnes gemäß § 7 AsylG 1997 statt, weil Ihre Gattin glaubhaft vorbrachte, dass er der tschetschenischen Volksgruppe angehört, und Ihnen im Heimatland im Falle der Rückkehr Verfolgung droht: In Ihrer Heimat wurden TSCHETSCHENEN umgebracht und verschwanden spurlos. 2000 wurden Sie mitgenommen und gegen 50.000 USD entlassen. Das bezahlten Ihre Verwandten. 2002 kamen maskierte Männer in Ihr Haus und nahmen Sie mit. Ihre Gattin wurde dabei geschlagen. Sie wurden nach vier Wochen Haft ohne Bezahlung enthaftet. Im August 2004 wurden Sie von Maskierten von der Straße geholt. Sie waren zwei Wochen in Haft. Er wurde dann von Leuten auf der Straße gefunden und nach Hause gebracht. Stimmt dieser Sachverhalt?
Z1: Ja. Das ist korrekt. Ganz genau.
R: Ausweislich Ihrer Angaben waren Sie Wächter von Regierungsgebäuden vor dem zweiten Tschetschenienkrieg, hatten aber keine besondere Funktion und waren auch nicht Wächter des Präsidenten. Sie haben Leuten gezeigt, wo sie hinmüssen. Waffen haben sie keine getragen. Während des Krieges haben Sie Ihren Freunden geholfen und Nahrungsmittel gebracht, gekämpft haben Sie nicht, eine Kampfausbildung hatten Sie auch nicht. Ihre Ausreise wurde von Ihren Großeltern und denen Ihrer Gattin finanziert. Ist das korrekt?
Z1: Ja. Das stimmt.
R: D.h. Sie waren zwar in der Präsidentengarde im Haus beschäftigt, [aber] um Menschen den Weg zu zeigen? Sonst nichts?
Z1: Das ist so wie hier, in diesem Gebäude. Da wird man auch überprüft, bevor man hineingeht und durchgelassen. Im wirtschaftlichen Teil hat es Arbeit gegeben.
R: Gleichzeitig haben Sie Ihre Ölquelle gehabt?
Z1: Ja. Vor dem Krieg.
R: Wann ist diese versandet?
Z1: Es wurde geschlossen, als man begonnen hat, die Stadt zu bombardieren.
R: Also ungefähr 2000?
Z1: Ja. Am Anfang.
R: Sie haben von Cousins dritten Grades gesprochen. Welche Angehörigen haben Sie noch in der RUSSISCHEN FÖDERATION?
Z1: Von denen, mit denen ich Kontakt hatte, ist jetzt niemand mehr da. Auch die, die mir bekannt waren, haben jetzt eine ganz andere Meinung als ich. Es gibt Meinungsverschiedenheiten.
R: Mit wem haben Sie Meinungsverschiedenheiten?
Z1: Sie sind pro-russisch und ich bin dagegen. Ich bin anders.
R wiederholt die Frage.
Z1: Ich meine alle Tschetschenen, die sich jetzt dort befinden.
R wiederholt die Frage.
Z1: Die Tschetschenen, die in Europa sind, gelten als Verräter.
R: Und welche Angehörigen hat Ihre Gattin noch in der RUSSISCHEN FÖDERATION?
Z1: Meine Frau hat überhaupt keine Verwandten.
R: Ist sie aus einem Waisenhaus?
Z1: Nein, aber ihre Mutter ist schon vor langer Zeit gestorben. Sie hat ein paar Cousinen, diese wohnen glaublich in DUBAI.
R: Welche Angehörigen haben Sie in Österreich?
Z1: Es gibt niemanden außer meiner Kernfamilie in Österreich/Europa, der zu meiner Verwandtschaft gehört.
R: Und Ihre Gattin?
Z1: Auch nicht. Sie hat niemanden, nur wir.
R: Ausweislich Ihrer Angaben im Asylverfahren haben Sie Schulden bei Ihren Angehörigen. Welche Angehörigen sind das? Wie hoch sind diese und wie zahlen Sie sie von Österreich aus zurück?
Z1: Ich habe die 2 Onkel gemeint, die ich hatte. Ich hätte ihnen Geld zurückzahlen sollen. Sie haben es mir verziehen.
R: Also geschenkt?
Z1: Bei uns spricht man sowieso nicht von Schulden innerhalb einer Verwandtschaft.
R: Sie wurden um 50.000 US-Dollar von Ihrer Familie freigekauft. Woher kam dieses Geld?
Z1: Alle.
R: Wer sind alle?
Z1: Onkel, Vater, Großvater, Großmutter. Alle.
R: Ihr Sohn legte bei der Eheschließung 2017 in Österreich eine im DEZEMBER 2004 – also nach Ihrer Ausreise – ausgestellte Geburtsurkunde aus GROSNY vor. Wie kamen Sie an diese? Er sagt, er hat sie von Ihnen und Ihrer Frau. Wie kamen Sie zu dieser, wenn Sie seit Okt. 2004 nicht mehr in TSCHETSCHENIEN waren?
Z1: Das ist kein Original. Das ist eine Kopie. Das ist eine normale Praxis. Dorthin macht man eine Anfrage, wenn man dort jemanden hat. In meinem Fall war das mein Onkel. Wenn man dort eine Anfrage macht, dann bekommt man eine Kopie. Das ist alles.
R: Auf der Kopie steht „Duplikat“. Die D wird gebeten, Einsicht zu nehmen.
D: Auf der Urkunde heißt es: „Nochmals ausgestellt“.
R: Wann wurde sie nochmals ausgestellt?
D: 28.12.2004.
R: Warum ließen Sie sich im Dez. 2004 ein Duplikat der Geburtsurkunde Ihres Sohnes ausstellen, während Sie in Österreich ein Asylverfahren führen?
Z1: Ich versuche mich zu erinnern. Wenn ich mich nicht irre, ich glaube das hing mit der Eheschließung zusammen. Wir hatten keine Dokumente, als wir hierherkamen.
R: Mit der Ihres Sohnes?
Z1: Nein. Es ging nicht um die Eheschließung zwischen mir und meiner Frau. So genau weiß ich es nicht mehr.
R: Wann haben Sie und Ihre Frau geheiratet?
Z1: Bei uns ist es nicht so wie in Österreich. Bei uns wird islamisch geheiratet.
RV: Aber wann?
Z1: Ich glaube, es ist schon 30 Jahre her.
R: Warum ließen Sie sich im Dez. 2004 während Ihres Asylverfahrens, ein Duplikat der Geburtsurkunde für Ihren Sohn ausstellen?
Z1: Ich weiß es nicht genau. Ich bin auch nicht 100%ig überzeugt, dass das, was ich gesagt habe, wirklich stimmt. Ich vermute es. Vielleicht kann sich meine Frau besser erinnern.
R: Wie bekamen Sie diese Geburtsurkunde, wenn Sie sie selbst nicht ausstellen ließen?
Z1: TSCHETSCHENIEN ist kein Österreich. Wenn man dort einen Verwandten hat, dann sage ich diesem, dass ich ein Duplikat oder eine Kopie brauche. Er geht zu dieser Organisation, macht eine Anfrage für eine Kopie oder ein Original.
R: War der Onkel einer Bedrohung oder einer Gefahr ausgesetzt?
Z1: Nein. Das ist kein Innenministerium. Zumindest damals nicht.
R: Sehe ich das richtig, Ihre 2 Onkel konnten in TSCHETSCHENIEN wohnen bleiben, bis sie vor 1, 2 Jahren gestorben sind?
Z1: Vor 1,5 oder 2 Jahren.
R: Sie konnten in TSCHETSCHENIEN bleiben?
Z1: Ja, sie haben keine Probleme. Deren Töchter leben irgendwo in TSCHETSCHENIEN. Wo genau., weiß ich nicht. Dort gibt es viele Dörfer.
R: Besuchen Sie Ihren Sohn in der Haft?
Z1: Ja.
R: Wie oft?
Z1: Jetzt hat er begonnen, nach Hause zu kommen. In XXXX habe ich ihn ständig besucht. Wenn ich nicht gerade in der Arbeit bin und Zeit habe, bringe ich ihn her und hole ihn ab.
R: Beschreiben Sie Ihr Verhältnis zu Ihrem Sohn zwischen seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft und Strafantritt! Wie war da Ihr Verhältnis?
Z1: Das 1. Jahr war ich sehr sauer auf ihn. Ich habe ihn erst zum Ende des Jahres besucht.
R wiederholt die Frage.
Z1: Ich habe es nicht verstanden.
D wiederholt die Frage.
Z1: Das 1. Jahr war er in der U-Haft. Es ist ein Verhältnis wie ein Vater zum Sohn.
R: Können Sie mir das näher beschreiben?
Z1: In meinen Augen hat er begonnen, sich zu verbessern. Es hat ihm vieles leidgetan in Bezug auf das, was er getan hat. Er hatte eigene Familie und seine Kinder sind auf die Welt gekommen. Die Mutter war sehr außer sich. Sie ist jetzt auch sehr krank. Meine Frau wird hier auch befragt?
R: Ja. Ich frage Sie nach Ihrem Verhältnis zu Ihrem Sohn.
Z1: Wir begannen mit ihm zu reden und das zu erörtern, wie das alles passiert ist. Er hat sich selbst das Leben zerstört. Das war auch ein Schlag für mich und seine Mutter, auch den Bruder und seine 2 Schwestern.
R: War Ihr Verhältnis anders, als vor der Untersuchungshaft, als er die Straftaten beging?
Z1: Sie meinen jetzt?
R: Wie war das Verhältnis zu Ihrem Sohn, als er straffällig war, als er die Taten beging?
Z1: Sie hätten es gleich so sagen können, dass ich es verstehe.
R: Wie war Ihr Verhältnis in der Zeit?
Z1: Zwischen uns gab es immer ein Verhältnis wie zwischen einem Sohn und einem Vater. Ich habe ihm ganz etwas Anderes beigebracht und nicht gedacht, dass er so etwas machen könnte.
R: Wo hat Ihr Sohn zwischen DEZEMBER 2013 und JÄNNER 2016 gelebt?
Z1: Was die Daten anbelangt, die Monate und so, das kann ich jetzt nicht sagen. Eine Zeitlang war ich schwer krank. Ich habe zu Hause keinen Lärm vertragen. Eine Zeitlang ist er von zu Hause weggegangen. Wahrscheinlich sprechen Sie über diese Zeitperiode?
R: Warum war Ihr Sohn von OKTOBER 2014 bis JÄNNER 2016 obdachlos?
Z1: Ich habe schon gesagt, dass ich schwer krank war.
R: Seit wann nahm er Drogen?
Z1: Ich habe gehört, dass das damals war, als er das 1. Mal verhaftet wurde.
R: Seit wann war er spielsüchtig?
Z1: Ich wusste nicht, ob er spielt oder nicht. Ich hätte auch etwas unternommen, wenn ich gewusst hätte, dass er Drogen nimmt.
R: Wie lernten er und seine Gattin XXXX sich kennen?
Z1: Da müssten Sie ihn fragen. Ich war nicht daran beteiligt. Als sie sich kennengelernt haben und er heiraten wollte, bin ich hingefahren, um in seinem Namen um die Hand seiner Frau anzuhalten. Ich kann nicht sagen, in welchem Jahr das war. Meine Enkelin ist jetzt 5 Jahre alt. Also vor ca. 5,5 oder 6 Jahren.
R: Ihre Schwiegertochter wurde erst schwanger, nachdem Sie verheiratet war?
Z1: Ja, das war vor mind. 6 Jahren.
R: Wo wohnt Ihr Sohn XXXX seit APRIL 2017, nachdem er bei Ihnen ausgezogen ist?
Z1: Bei einem Freund. Sie haben zusammen eine Wohnung gemietet.
R: Warum war Ihr Sohn XXXX bei Ihrem Sohn XXXX und warum war Ihr Sohn XXXX von 13.02.2018 bis 04.02.2019 obdachlos [gemeldet]?
Z1: Er war jung. Das, was ich gesagt habe, hat er damals nicht verstanden. Er hat mit mir gestritten, aber jetzt ist er groß geworden. Er versteht mich.
R: Ihre Tochter XXXX wird im NOVEMBER volljährig. Ist sie in einer Ausbildung und sind Sie noch unterhaltspflichtig für sie?
Z1: Ja. Ich erhalte sie auch.
R: Ihr Sohn XXXX arbeitete bis SEPTEMBER 2022, im DEZEMBER 2022 war er fast drei Wochen geringfügig beschäftigt, im JUNI 2023 eine Woche lang, sonst lebt er seither von Notstandshilfe und Überbrückungshilfe. Ihre Gattin arbeitet seit DEZEMBER 2022 nicht mehr und lebt von Notstandshilfe und Überbrückungshilfe. Ihre Tochter XXXX ist 15 Jahre alt und unterhaltsberechtigt bei Ihnen. Sie arbeiten seit 12.10.2022 bei XXXX . Sind Sie auf Unterstützung anderer Personen zur Bestreitung Ihres Lebensunterhalts angewiesen? Schaffen Sie, den Lebensunterhalt für sich und Ihre Familie alleine zu sichern?
Z1: Vorher habe ich auch bei der Zustellung gearbeitet. Vorher habe ich bei einer Schlosserei gearbeitet. Ja. Ich mache das.
R: Wie sind Sie in die Pflege und Erziehung Ihrer Enkelinnen XXXX involviert? Wie unterstützen Sie da?
Z1: Ich persönlich spiele mit ihnen. Meine Frau und ich versuchen, ihnen eine Erziehung zu geben und auch meinem Sohn.
R: Wie unterstützen Sie Ihre Schwiegertochter XXXX ?
Z1: Mit allem, was ich kann. Sie ist wie eine Tochter für mich. Mein Sohn XXXX arbeitet jetzt. Er ist selbständig.
R: Was macht er?
Z1: Fenster. Türen. Solche Sachen. Er hilft mir auch, uns allen.
R: Möchten Sie noch etwas angeben, was noch nicht zur Sprache kam und Ihnen wichtig erscheint?
Z1: Ja. Ich will etwas sagen. Ich will etwas über meinen Sohn sagen. Ich weiß, dass er einen großen Fehler begangen hat. Das wird immer ein Hindernis in seinem Leben sein, egal, wie lange er leben wird. Ich denke, dass er das verstanden hat. Wenn es die Möglichkeit gibt, dann geben Sie ihm eine Chance, sich zu verbessern. Das ist alles, was ich sagen wollte.
R: Festgehalten wird, dass der Z1 die Fragen auf Russisch beantwortet hat.
R: Wie war die Verständigung mit dem Z1 aus Ihrer Sicht?
D: Sehr gut.
R: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?
Z1: Ja.
R: Festgehalten wird, dass der Z1 mehrmals versuchte, mit dem BF Blickkontakt aufzunehmen, diesen aber der BF abblockt.
R: Haben Sie Fragen an den Zeugen?
RV: Danke.
R: Möchten Sie die Niederschrift Ihrer Einvernahme zur Durchsicht oder rückübersetzt?
Z1: Rückübersetzt.
[…]
Einvernahme der Zeugin XXXX
R: Bitte geben Sie Ihren vollen Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Staatsangehörigkeit an.
Z2: XXXX . Geboren am XXXX in GROSNY. Leider RUSSISCHE Staatsangehörigkeit. Wir haben noch keine österreichische Staatsbürgerschaft.
R: Haben Sie bereits einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gestellt?
Z2: Wir möchten, aber wir können erst ab NOV., wegen dem österreichischen Gesetz.
R: In welcher Beziehung stehen Sie zum BF?
Z2: Das ist mein Sohn.
R: Wollen Sie im Verfahren Ihres Sohnes eine Aussage machen?
Z2: Ja.
R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?
Z2: Russisch. Das ist die 2. Sprache. Tschetschenisch ist die Muttersprache. In Deutsch habe ich die A2-Prüfung gemacht.
R: In welcher Sprache fällt es Ihnen leichter, eine Frage zu beantworten?
Z2: Mal so. Mal so.
R: Die Befragung wird unter Beiziehung der Dolmetscherin für die Sprache Russisch durchgeführt. Sie antworten in der Sprache, wo es Ihnen leichter fällt.
R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Z2: Ich habe leider mein Gesundheitspapier nicht mitgebracht. Ich habe FIBROMYALGIE. Ich habe Rückenprobleme. Ich hatte eine Blockade am 23. Wirbel.
R: Brauchen Sie aktuell Medikamente oder Therapien?
Z2: Heute?
R: Nein. Jetzt im Moment.
Z2: Aktuell nicht. Ich habe alles gehabt.
R: Sie nehmen aktuell keine Medikamente, die Sie beeinträchtigen?
Z2: Meinen Sie in dieser Zeit, in dieser Stunde?
R: Welche Therapien oder Medikamente nehmen Sie?
Z2: Ich habe Schwierigkeiten mit meiner Gesundheit. Gerade bin ich auch im Krankenstand.
R: Sind Sie in der Lage, heute hier Fragen zu beantworten?
Z2: Ja.
[…]
R: Was würde Sie und Ihre Familie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?
Z2: Es ist für uns sehr, sehr gefährlich. Wir sind gekommen, weil mein Mann Probleme hatte. Wir haben dort niemanden. Wir sind nicht einmal nach Hause nach TSCHETSCHENIEN gefahren, in diesen 19 Jahren. Für uns ist das wirklich sehr, sehr gefährlich.
R: Wer konkret sollte Ihnen und Ihrer Familie warum etwas antun wollen?
Z2: Die ganze Politik da in TSCHETSCHENIEN. Die ganze Politik, die von RUSSLAND aus nach TSCHETSCHENIEN geht und was da passiert. Ich meine, jetzt ist es sowieso so, wir haben weder Bruder, noch Schwester, noch Vater, noch Mutter, ich meine mein Mann und ich. Wir haben keine nahen Verwandten, die etwas für uns sagen können. Es ist nichts, dass ein Bruder einem Bruder helfen, oder ein Bruder für einen Bruder etwas Gutes sagen kann. Wenn man niemanden hat, ist das sowieso,…. Mein Mann wurde 3x mitgenommen. Wir haben sehr viel Geld zahlen müssen, damit wir ihn von dort herausholen.
R: Woher hatten Sie dieses Geld?
Z2: Wir hatten das verkauft, was ich hatte. Goldsachen. Kleidung. Wir hatten auch bei anderen Leuten das Geld ausgeborgt.
R: Bei wem?
Z2: Ich persönlich habe mich damit nicht beschäftigt. Es ist auch viel Zeit vergangen.
R: Wer hat dann das Freikaufen organisiert, wenn Sie sich damit nicht beschäftigt haben?
Z2: In der Nachbarschaft. Wir haben das Dorf gefragt und andere Leute, damals hat man sich noch gegenseitig geholfen. Damals wurde ich zusammengeschlagen und ich hatte auch eine Kopfverletzung erlitten.
R: Was würde passieren, wenn Sie oder Ihre Familie (hypothetisch) an einen anderen Ort in der RUSSISCHEN FÖDERATION außerhalb TSCHETSCHENIENS zurückkehren müssten, z.B. nach ROSTOV, SARATOV, MOSKAU, OMSK, STAWROPOL oder WLADIWOSTOK? Was wäre dort?
Z2: Was ist das für ein Unterschied? TSCHETSCHENIEN ist in RUSSLAND. Du bist Tschetschene und kommst nach Russland. Du bist da. Sie können mit dir machen, was sie wollen.
R: Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?
Z2: Nein.
R: Haben Sie Angehörige in Ö?
Z2: Nein.
R: Wo haben Sie nach der Geburt des Beschwerdeführers, also 1995, bis zur Ausreise in der RUSSISCHEN FÖDERATION gelebt?
Z2: In TSCHETSCHENIEN. In GROSNY und XXXX .
R: Wem haben die Häuser dort gehört?
Z2: In GROSNY war unsere Wohnung. Wir haben das verkauft. Wir brauchten Geld. In XXXX haben wir das Haus gemietet.
R: Mit wem haben Sie zusammengelebt?
Z2: Mit meinen 2 Kindern und mit meinem Mann.
R: Laut Ihrem Mann hat sein Großvater bei Ihnen gelebt?
Z2: Ja. Aber nicht immer.
R: Wovon haben Sie und Ihre Familie in der RUSSISCHEN FÖDERATION gelebt?
Z2: In TSCHETSCHENIEN gibt es so etwas nicht, wie da. Mein Mann ist arbeiten gegangen und ich war Verkäuferin.
R: Wo und von wann bis wann hat Ihr Sohn XXXX in der RUSSISCHEN FÖDERATION die Schule und den Kindergarten besucht?
Z2: Er hat damals keinen Kindergarten gegeben. 1995 war er geboren. 1994 war der 1. Krieg. Ich weiß nicht genau. Die 1. Klasse bis Anfang der 3. Klasse ist er in die Schule gegangen. 2 Jahre hat er sicher abgeschlossen. Von der 3. Klasse hat er nur in XXXX 2 Wochen besucht.
R: Geboren ist Ihr Sohn laut Asylakt in XXXX (AS 1), laut Strafurteil in GROSNY. Was stimmt jetzt?
Z2: Wenn man in XXXX oder ARGUN geboren wurde, sagt man trotzdem, dass man in GROSNY geboren wurde. Das ist der Oberbegriff.
R: Als Adresse gaben Ihr Gatte bzw. Sie zunächst XXXX in GROSNY, RUSSISCHE FÖDERATION an (AS 1), dann XXXX (AS 9). An welcher von beiden haben Sie vor Ihrer Ausreise gewohnt?
Z2: Wie kann das sein? Wir haben gesagt, wir haben in XXXX gelebt. Aber die Anmeldung war in GROSNY.
R: Wann haben Sie in GROSNY die Wohnung verkauft?
Z2: Als wir meinen Mann herausholen mussten. Dort ist es nicht so, dass die Abmeldung automatisch passiert, wenn man sich woanders anmeldet. Es war im Krieg. Man hat uns damals nach der Anmeldung gefragt und daher haben wir die Anmeldung angegeben. Als wir gefragt wurden, haben wir gesagt, woher wir weggefahren sind. Wir haben nicht gelogen.
R: Mit Bescheid vom 14.02.2005 gab das Bundesasylamt dem Asylantrag Ihres Sohnes gemäß § 7 AsylG 1997 statt, weil Sie glaubhaft vorbrachten, dass er der tschetschenischen Volksgruppe angehört und ihm im Heimatland im Falle der Rückkehr Verfolgung droht: In Ihrer Heimat wurden TSCHETSCHENEN umgebracht und verschwanden spurlos. 2000 wurde Ihr Gatte mitgenommen und gegen 50.000 USD entlassen. Das bezahlten Ihre Verwandten. 2002 kamen maskierte Männer in Ihr Haus und nahmen Ihren Gatten mit. Sie wurden dabei geschlagen. Ihr Gatte wurde nach vier Wochen Haft ohne Bezahlung enthaftet. Im August 2004 wurde Ihr Gatte von Maskierten von der Straße geholt. Er war zwei Wochen in Haft. Er wurde dann von Leuten auf der Straße gefunden und nach Hause gebracht. Stimmt dieser Sachverhalt?
Z2: Ja.
R: Sind das alle Gründe für die Ausreise gewesen, oder gibt es noch etwas, wovon das Gericht keine Kenntnis hat?
Z2: Alle Gründe. Mein Mann wurde sehr stark verfolgt. Wenn mein Mann nicht zu Hause war, hat man auch die Kinder nach ihm befragt. Auch die Kinder wurden verfolgt.
R: Das haben Sie nicht in Ihrem Asylverfahren angegeben.
Z2: Das weiß ich nicht. Er, der BF, muss das wissen.
R: Gab es noch eine Verfolgung Ihres Mannes abgesehen von dem, was ich gerade vorgelesen habe?
Z2: Nein.
R: Wenn Ihre Verwandten, die 50.000 US-Dollar gezahlt haben, welche Verwandten waren das dann?
Z2: Weitschichtige Verwandte. Dazu gehören die älteren Leute im Dorf. Diese versammeln sich gemeinsam und sind dann wie Großväter. Sie entscheiden dann über die Angelegenheiten, man übergibt ihnen die Angelegenheiten, damit sie entscheiden. Das entscheiden nicht die Frauen. Abgesehen davon war ich noch jung.
R: Haben Sie umgekehrt auch für die Freilassung anderer bezahlt?
Z2: Woher sollte ich so viel Geld haben? Alles, was ich hatte, habe ich verkauft. Ich hatte den BF auf den Händen, er war noch klein, der andere war erst 2 Jahre alt. Woher sollte ich das Geld haben, um für jemand anderen zu zahlen?
R: Welche Angehörigen haben Sie also noch in der RUSSISCHEN FÖDERATION?
Z2: Niemanden. Mein Mann hat weitschichtige Verwandte. Sie stehen auch nicht zu uns in Kontakt.
R: Was ist mit Ihren Eltern?
Z2: Die Mutter ist 1991 verstorben, als ich 16 Jahre alt war.
R: Und Ihr Vater?
Z2: Mein Vater hat sich bei meiner Erziehung nicht beteiligt. Als ich im Erwachsenenalter war, habe ich erfahren, dass er verstorben war.
R: Wenn Ihre Mutter starb, als Sie 16 waren, bei wem sind Sie aufgewachsen?
Z2: Bei meiner Großmutter. Sie ist verstorben, eineinhalb Jahre, nachdem meine Mutter gestorben ist.
R: Da waren Sie noch immer mj. Bei wem sind Sie danach aufgewachsen?
Z2: Ich habe meinen Mann kennengelernt. Wir haben geheiratet.
R: War Ihre Mutter ein Einzelkind?
Z2: Ja.
R: Und Ihr Vater?
Z2: Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er gestorben ist.
R: Und welche Angehörigen hat Ihr Gatte noch in der RUSSISCHEN FÖDERATION? Sie haben von weitschichtigen Verwandten gesprochen?
Z2: Ich kenne sie nicht. Ich weiß es nicht. Ich habe gemeint, dass, selbst wenn er Verwandte hat, können das nur weitschichtige sein.
R: Welche Angehörigen hat Ihr Gatte in Österreich?
Z2: 4 Kinder und ich. Das ist alles, was wir haben.
R: Ausweislich Ihrer Angaben im Asylverfahren haben Sie Schulden bei Ihren Angehörigen. Wie hoch sind die und wie zahlen Sie sie von Österreich aus zurück?
Z2: Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich habe ich es nicht gesagt. Ich möchte sagen, dass es bei uns nicht wie in Ö ist. Es gibt Sachen, die die Frauen oder die Männer alleine lösen. Abgesehen erlaubt mir mein Mann mit meinen Erkrankungen nicht, dass ich mich mit solchen Sachen beschäftige.
R: Sind Sie seit Oktober 2004 jemals in die RUSSISCHE FÖDERATION zurückgekehrt?
Z2: Kein einziges Mal.
R: Ihr Sohn legte bei der Eheschließung 2017 in Österreich eine im DEZEMBER 2004 – also nach Ihrer Ausreise – ausgestellte Geburtsurkunde aus GROSNY vor. Wie kamen Sie an diese?
Z2: Das wurde nicht in GROSNY ausgestellt. Das ist ein Duplikat. Man hat uns gebeten, irgendwelche Dokumente vorzulegen. Das war vor unserer Einvernahme, damit wir beweisen können, dass wir Tschetschenen sind. Ich weiß nicht, wie das meinem Mann gelungen ist. Es ist ihm gelungen, ein Duplikat zu bekommen. Das ist nicht aus GROSNY, das ist aus XXXX . Das haben wir für die Einvernahme gebraucht.
R an D: Wo wurde das Duplikat der Geburtsurkunde ausgestellt?
D: Laut dem rechteckigen Siegelabdruck in der TSCHETSCHENISCHEN REPUBLIK in der Rayonsabteilung des Standesamtes XXXX .
R: Wie haben Sie diese Geburtsurkunde bekommen?
Z2: Per Post, ich glaube, dass es auch per Post geschickt worden ist. Ich kann mich nicht erinnern. XXXX hat auf dem gleichen Weg eine Geburtsurkunde bekommen. Wir haben alle Dokumente verloren. Den Pass konnten wir nicht nachmachen lassen. Wir mussten für die Einvernahme etwas mitbringen.
R: Welche Dokumente haben Sie und Ihr Mann mitgenommen zur Einvernahme?
Z2: Die Heiratsurkunde.
R: Im Akt habe ich gelesen, dass Sie sich und Ihr Mann mit Inlandsreisepässen ausgewiesen haben?
Z2: Nein. Das gibt es gar nicht.
R: Laut AS 13 haben Sie diese mit den Inlandsreisepässen verlassen, wo sind diese geblieben?
Z2: Das ist mit unseren Taschen zurückgeblieben. Wir sind nur mit dem Gewand hergekommen, das wir getragen haben.
R: Haben Sie sich die Heiratsurkunde auch aus RUSSLAND schicken lassen?
Z2: Ja. Das war zusammen. Die 2 Geburtsurkunden und die Heiratsurkunde.
R: Gab es Probleme beim Ausstellen dieser Duplikate?
Z2: Fragen Sie bitte danach meinen Mann und nicht mich.
R: Wie oft besuchen Sie Ihren Sohn in der Haft?
Z2: Als er in XXXX war, haben wir ihn sehr oft besucht. 2x die Woche, einer von uns. Jetzt kommt er selbst zu uns. Er kann jetzt 48 Stunden zu Hause sein. Das ist ein großes Geschenk für uns und für seine Kinder.
R: Beschreiben Sie Ihr Verhältnis zu Ihrem Sohn zwischen seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft und Strafantritt, als er 1,5 Jahre auf freiem Fuß war!
Z2: Ich bin seine Mutter. Er ist immer für mich ein guter Sohn.
R: Haben Sie miteinander telefoniert, haben Sie ihn täglich gesehen, 1x im Monat?
Z2: Nicht jeden Tag, weil er eine eigene Familie hat, er ist zu uns gekommen. Wir sind zu ihm gegangen. Wir sind eine gute Familie. Jetzt, wo er nicht da ist, ist eine Tochter immer bei seiner Frau und hilft ihm mit den Kindern. Die eine Woche die eine, die andere Woche die 2. Tochter. Das muss so sein. Sie ist selbst jung und das eine Kind ist sehr krank, das andere auch krank.
R: Sollten Ihre Töchter jetzt nicht eine Ausbildung machen?
Z2: Die Kinder sind im Kindergarten. Wenn meine Töchter von der Schule heimkommen, gehen sie zur Schwiegertochter und helfen.
R: Sie haben Ihren eigenen Gesundheitszustand angesprochen. Brauchen Sie Hilfe und Pflege im Alltag?
Z2: Meine Familie ist mir eine Hilfe. Mein Mann hilft mir, meine Töchter und mein anderer Sohn. Der BF war gestern zu Hause. Er hat mir auch geholfen.
R: Konkret, welche Hilfe brauchen Sie?
Z2: Nicht wirklich. Bei der Hausarbeit hilft meine ganze Familie mit. Psychisch spricht meine ganze Familie mit mir. Ich bekomme auch gute Medizin in Österreich.
R: Inwieweit war es in der Zeit anders als davor, als er Raubüberfälle beging?
Z2: Mir ist nicht einmal in den Kopf gefallen, dass so etwas passieren kann, er hat mir niemals Schmerzen zugefügt. Deshalb ist es mir nie in den Sinn gekommen, ich habe das nicht geglaubt, als ich das gehört habe.
R: Wo hat Ihr Sohn zwischen DEZEMBER 2013 (Auszug bei Ihnen, davor ist er volljährig geworden) und JÄNNER 2016 gelebt?
Z2: Er hat bei einem und bei einem anderen Freund gelebt. Damals hat die Pubertätszeit begonnen. Er wollte ein selbständiges Leben führen. Dann hat es begonnen.
R: Warum war er von OKTOBER 2014 bis JÄNNER 2016 obdachlos?
Z2: Das wusste ich nicht.
R: Seit wann nahm er Drogen?
Z2: Das wusste ich auch nicht.
R: Seit wann war er spielsüchtig?
Z2: Das wusste ich auch nicht.
R: Wie lernten er und seine Gattin XXXX sich kennen?
Z2: Ich glaube, dass sie irgendjemand bekannt gemacht hat. Ich weiß es nicht. Er stand 2 Jahre mit ihr in Kontakt. Ich glaube 2 Jahre. Am 03. März haben sie islamisch geheiratet. 7 Jahre sind schon vergangen.
R: Wie lange vor XXXX Geburt?
Z2: 10 Monate nach der Heirat ist XXXX geboren.
R: Verstehe ich Sie richtig, 10 Monate vor der Geburt von XXXX war die muslimische Heirat. 2 Jahre davor standen Sie miteinander im Kontakt?
Z2: Ja. Das stimmt. Sie standen in telefonischem Kontakt. Bei den Moslems ist es so, dass sie vor der Heirat nicht einmal Händchen halten dürfen. Wenn er sie bei der Hand nimmt, muss sie 100%ig seine Frau sein. Dann muss er sie heiraten.
R: Entspricht es den muslimischen Gepflogenheiten, ein Mädchen, das man beim Spazierengehen trifft, anspricht und so zusammenkommt?
Z2: Ja. Aber es müssen Zeugen dabei sein.
R: Wo wohnt Ihr Sohn XXXX seit APRIL 2017, als er bei Ihnen ausgezogen ist?
Z2: Er hat mit einem Freund eine Wohnung gemietet. Sein Freund hat dann geheiratet und seit ca. 1 Jahr lebt er wieder bei uns.
R: Warum war Ihr Sohn XXXX zunächst bei Ihrem Sohn XXXX und von 13.02.2018 bis 04.02.2019 obdachlos gemeldet?
Z2: Er wollte selbständig sein, eigenes Geld haben und sich erwachsen fühlen (Pubertät).
R: Ihre Tochter XXXX wird im NOVEMBER volljährig. Ist sie in einer Ausbildung und sind Sie noch unterhaltspflichtig?
Z2: Sie geht in das BORG. Sie hat das 2. Jahr abgeschlossen. Die 2. Tochter geht in die HAK, Business-Klasse. XXXX geht eher in die medizinische Richtung.
R: Wenn ich es richtig sehe, sind Sie seit Dez. 2022 nicht mehr erwerbstätig? Warum?
Z2: Seit 2019 habe ich starke FIBROMYALGIE. Da ich noch keine 15 Jahre in Österreich gearbeitet habe, kann ich nicht um die Pension ansuchen. Dann war ich 1 Jahr im Krankenstand. Daher bin ich in AMS2. Dieses vergibt nur Projektarbeit. Meine Beraterin sucht für mich ein Projekt, in dem ich Teilzeit wäre, geringfügig ist wenig. Ich möchte versuchen, mehr zu tun.
R: Sind Sie und Ihre Familie aus anderen Gründen auf die Unterstützung anderer angewiesen? Z.B. wegen Erkrankungen und Pflegebedarf, aus finanziellen Gründen?
Z2: Wir wollen alles selbst machen, ohne Unterstützung von außen.
R: Wie sind Sie in die Pflege und Erziehung Ihrer Enkelinnen XXXX involviert?
Z2: Natürlich nehme ich teil. Natürlich bin ich involviert. Sie nennen mich Mutter und sagen XXXX zu ihrer Mutter. Ich weiß nicht warum. Sie sagen Mutter zu mir, weil sie mich so mögen. Das sind meine Enkelkinder. Das ist alles, was ich habe, das ist mein Schatz.
R: Wie konkret unterstützen Sie Ihre Schwiegertochter?
Z2: Fragen Sie meine Schwiegertochter. Sie ist wie eine 3. Tochter für mich. Sie kommt aus BREGENZ und fährt nur 2x pro Jahr ihre Familie besuchen, weil sie sagt, ihre Familie ist da in XXXX .
R: Wer passt auf XXXX und XXXX auf, wenn XXXX mit XXXX im Spital ist?
Z2: Wir alle. Ich, mein Mann. XXXX . XXXX . Alle.
R: Möchten Sie noch etwas angeben im Verfahren Ihres Sohnes, was noch nicht zur Sprache kam und Ihnen wichtig erscheint?
Z2: Er ist das beste Kind in dieser Welt. Das ist das 1. Kind, das ich hatte im Krieg, als draußen die Bomben fielen. Damals dachte ich, dass mein Mann gestorben ist. Damals wusste niemand, wo die anderen Familienangehörigen sind. Ich weiß nicht, wie das mit meinem Sohn passiert ist.
R hält fest, dass die Z2 sehr bemüht ist, auf Deutsch zu antworten, wobei ihre Deutschkenntnisse schlechter sind als bei ihrem Sohn. Etwaige Fehler wurden im Protokoll ausgebessert. Die Z2 antwortete teils Deutsch, teils Russisch.
R: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?
Z2: Ja.
R: Möchten Sie die Niederschrift Ihrer Einvernahme zur Durchsicht oder rückübersetzt?
Z2:
[…]
Einvernahme der Zeugin XXXX :
R: Bitte geben Sie Ihren vollen Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Staatsangehörigkeit an.
Z3: XXXX . Geboren: XXXX . RUSSISCHE FÖDERATION.
R: In welcher Beziehung stehen Sie zum BF?
Z3: Ich bin seine Frau.
R: Wollen Sie im Verfahren Ihres Gatten eine Aussage machen?
Z3: Ja.
R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?
Z3: Deutsch sehr gut. Tschetschenisch auch gut. Englisch. Russisch, ich verstehe es, aber ich spreche es nur nicht. Ich spreche es nur nicht.
R: Können Sie es lesen?
Z3: Nicht wirklich. Einige Buchstaben.
R: Die Befragung wird auf Deutsch durchgeführt.
R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Z3: Gut. Danke schön.
R: Brauchen Sie Therapien?
Z3: Nein. Nichts.
R: Sind Sie in der Lage, heute hier Fragen zu beantworten?
Z3: Ja.
[…]
R: Warum ist Ihr Gatte asylberechtigt in Österreich?
Z3: Wegen Verfolgung und Krieg.
R: Warum wird/wurde Ihr Mann in RUSSLAND verfolgt?
Z3: Wegen seines Vaters.
R: Warum wird/wurde Ihr Mann wegen seines Vaters verfolgt?
Z3: Das kann ich nicht beantworten. Das weiß ich leider nicht.
R: Warum sind Sie asylberechtigt?
Z3: Aus demselben Grund. Wegen meinem Papa.
R: Warum wurden Sie wegen Ihres Papas verfolgt?
Z3: Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mein Papa wurde verfolgt, weil er sich gegen RUSSLAND gestellt hat.
R: Was hat er gemacht?
Z3: Er hat gegen RUSSLAND gekämpft, mit den TSCHETSCHENEN zusammen.
R: Im 2. Tschetschenienkrieg oder im ersten?
Z3: Ich kann das Datum nicht sagen. Ich war zu klein.
R: Ihr Vater war in einem der Tschetschenienkriege aktiver Kämpfer?
Z3: Genau.
R: Hatte er eine besondere Funktion, war er einer von vielen Kämpfern?
Z3: Er war einer von vielen.
R: War Ihr Vater von Ö aus noch irgendwie exilpolitisch tätig? Z.B. in einer Vertretung von ITSCHKERIA?
Z3: Nein.
R: Sind Sie seit 2004 1x in die RUSSISCHE FÖDERATION zurückgekehrt?
Z3: Nein.
R: Was würde Sie und Ihre Familie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?
Z3: Man könnte Rache ausüben.
R: Wer sollte Rache ausüben?
Z3: Die Regierung in TSCHETSCHENIEN z.B. Sie hat ihre Befürworter.
R: Was würde passieren, wenn Sie oder Ihre Familie (hypothetisch) an einen anderen Ort in der Russischen Föderation außerhalb TSCHETSCHENIENS zurückkehren müssten, z.B. nach ROSTOV, SARATOV, MOSKAU, OMSK, STAWROPOL oder WLADIWOSTOK?
Z3: Das wäre kein Unterschied. Es ist trotzdem die russische Regierung.
R: Waren Sie in Österreich oder Ihre Familie jemals einer Bedrohung ausgesetzt?
Z3: Hier in Österreich?
R: Ja.
Z3: Nein.
R: Wann starb Ihr Vater?
Z3: 2018.
R: Wo ist er beerdigt?
Z3: Im Heimatort.
R: Er wurde überführt?
Z3: Genau.
R: Wer hat die Überführung gemacht?
Z3: Es tut mir leid. Ich weiß es nicht.
R: Haben Sie nicht Angehörige dort? Wer hat die Beerdigung organisiert?
Z3: Ich weiß es nicht.
R: Sie werden doch Fotos von der Beerdigung Ihres Vaters bekommen haben, oder so?
Z3: Ja. Aber da steht nichts darauf.
R: Warum konnte Ihnen im April 2023 die Abberaumung der Verhandlung nicht zugestellt werden?
Z3: Es könnte sein, dass ich es vergessen habe.
R: Waren Sie seit 2004 jemals außerhalb der Europäischen Union?
Z3 (denkt nach): Ich wüsste es nicht.
R: Welche Angehörigen haben Sie noch in der RUSSISCHEN FÖDERATION?
Z3 (denkt nach): Ich habe keine Kontakte nach RUSSLAND.
R: Sie sind in GROSNY geboren und reisten mit sechs Jahren nach Österreich ein. Wo haben Sie in der RUSSISCHEN FÖDERATION gelebt?
Z3 (denkt nach): Ich weiß, dass wir zuerst nach KASACHSTAN geflohen sind. Von dort aus sind wir hierher geflüchtet.
R: Wie haben Sie den BF kennengelernt?
Z3: Das war in VORARLBERG. Er hat seinen Freund besucht. So haben wir uns kennengelernt und später haben wir den Kontakt fortgeführt.
R: Wie lange nach dem Kennenlernen haben Sie muslimisch geheiratet?
Z3: Ich glaube, 1,5, 2 Jahre später.
R: Sind die standesamtliche Ehe und die traditionelle Ehe noch aufrecht?
Z3: Ja.
R: Bei der Eheschließung 2017 legten Sie dem Standesamt eine am 27.03.2013 ausgestellte Geburtsurkunde aus GROSNY, Bezirk XXXX , vor. Wie kamen Sie an diese?
Z3: nimmt Einsicht.
R: Wie kommen Sie zu dieser Geburtsurkunde, ausgestellt 2013?
Z3: Ich weiß es nicht. Ich müsste meine Mama fragen.
R: 2013 wurde nicht nur die Geburtsurkunde ausgestellt, der Eintrag ins Geburtenregister wurde erst am 27.03.2013 durchgeführt. Warum haben Sie als in Österreich Asylberechtigte in Ihrem Herkunftsstaat 2013 Ihre Geburt eintragen lassen?
Z3: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass das Papier alt ist.
R: In den Asylbescheiden Ihrer Kinder scheinen sowohl Sie als auch Ihr Gatte als Obsorgeberechtigte auf. Laut Pflegschaftsakt sind Sie die Obsorgeberechtigte, Pflege und Erziehung liegen bei Ihnen. Wer ist für Ihre Kinder aktuell obsorgeberechtigt?
Z3: Eigentlich wir beide.
R: Wie geht es Ihren Kindern gesundheitlich?
Z3: XXXX geht es gut. Sie macht keine Therapien und keine Krankheiten. Es ist ein Knochengendefekt bei den beiden anderen Kindern. Sie leiden ständig unter Schmerzen. Wenn sie zu viel geht, dann kann sie manchmal 1 Woche gar nicht laufen. Es schwillt an, wird rot und sie klagt über Schmerzen. Auch mit dem Rücken müssen wir immer kontrollieren, dass er gerade ist. Derzeit sind das die hauptsächlichen Probleme, dass sie nicht mehr machen kann. Derzeit benötigt sie keinen Rollstuhl, Rollator oder Krücken. Aber ich muss für sie immer noch den Kinderwagen benutzen, weil sie lange Strecken nicht schafft. Damit meine ich XXXX .
R: Welche konkreten Behandlungen müssen Sie mit ihr machen?
Z3: Es gibt keine konkreten Behandlungen. Sie hat eine Frühförderung.
R: Was macht diese?
Z3: Sie geht mit ihr hinaus, damit sie motorisch nicht hinten bleibt. Wir sind jährlich zur Kontrolle auf der Neuro-Pedeologie. Dadurch, dass die Krankheitsform, die sie hat, nicht in der Datenbank ist, gibt es noch keine Behandlung.
R: Wie geht es XXXX mit dieser Erkrankung?
Z3: Bis jetzt zeigt die Krankheit keine Auswirkungen bei ihr.
R: Ihre Mutter und Geschwister leben in VORARLBERG, Sie leben in XXXX . Ihr Gatte ist seit fast zwei Jahren in Haft. Wer unterstützt Sie mit den Kindern?
Z3: Meine Schwiegereltern. Dann habe ich eine Freundin hier, die jetzt leider weggezogen ist. Wenn mein Mann heraussen ist, auf Besuch, dann übernimmt er die Kinder.
R: Hat Ihr Schwager XXXX jemals bei Ihnen gelebt?
Z3: Ja.
R: Von wann bis wann?
Z3: Ich kann mich an 2017 erinnern, aber mehr nicht.
R: Ihr Mann wurde 2018, 2019 schwer strafbar. Wie war er in der Zeit? Sie saßen mit 3 kleinen Kindern zu Hause.
Z3: Zurückgezogen. Aber auch selbst habe mich zurückgezogen.
R: Wie konkret hat er mit der Kinderbetreuung und den ganzen Sachen geholfen?
Z3: Die Zwillinge hat er mir abgenommen. Manchmal ist er in den Park gegangen. Nachts hat er öfters die Zwillinge übernommen. Auf XXXX hat er ständig aufgepasst. Wir haben uns aufgeteilt.
R: Wie hat sich die Drogensucht Ihres Mannes damals auf Ihre Kinder ausgewirkt?
Z3: Das habe ich erst nach der Verhaftung erfahren.
R: Sie haben keine Persönlichkeitsänderung wahrgenommen?
Z3: Ich war in dem Zeitraum ein bisschen,…
R: Wie hat sich die Spielsucht Ihres Mannes auf die Familie ausgewirkt?
Z3 (keine Antwort).
R: Was ist jetzt mit den Schulden Ihres Mannes?
Z3: Er hat noch keine Arbeit gefunden. Sobald er arbeitet, schauen wir, dass wir alles zurückbezahlen.
R: Der Unterhaltsvorschuss für die Kinder wurde mit der Entlassung Ihres Gatten aus der Untersuchungshaft am 22.11.2019 eingestellt. Wegen des anhängigen Asylaberkennungsverfahrens wies das Bezirksgericht XXXX -OST die Anträge Ihrer Kinder auf Unterhaltsvorschuss mit Beschluss vom 20.10.2021 ab. Wovon leben Sie und Ihre Kinder jetzt?
Z3: Ich arbeite als Kinderbetreuerin. Wir bekommen noch Sozialunterstützung dazu und Familienbeihilfe.
R: Als Kinderbetreuerin arbeiten Sie ab 01.02. Ist das richtig?
Z3: Ja.
R: Haben die Kinder Ihren Vater in der Haft besucht?
Z3: Ja.
R: Wie war das für die Kinder?
Z3: Sie wollten meistens nicht wieder gehen und beim Papa bleiben.
R: Wie war das für Sie und die Kinder, als Ihr Mann seine Haft angetreten hat?
Z3: Nicht einfach.
R: Haben Sie sich die Hauptverhandlung im Verfahren Ihres Gatten angehört?
Z3: Nein.
R: Haben Sie das Strafurteil gelesen?
Z3: Das habe ich nicht gelesen.
R: Wissen Sie, weswegen er verurteilt wurde?
Z3: Ja.
R: Was sagen Sie dazu?
Z3: Schockiert.
R: XXXX ist 6,5 Jahre alt, XXXX und XXXX sind fast fünf Jahre alt. Gehen Sie schon in den Kindergarten bzw. in die Volksschule oder Vorschule?
Z3: XXXX geht ab September in die Volksschule. Die Zwillinge sind jetzt das 2. Jahr im Kindergarten. Im September beginnen sie das 3. Kindergartenjahr. Sie haben mit drei im Kindergarten bekommen.
R: Ist das für XXXX ein spezieller Integrationskindergarten?
Z3: Es ist ein pädagogischer Kindergarten.
R: Was heißt das?
Z3: Ich kann es mir nicht erklären.
R: Habe ich die Frühförderung so verstanden, dass das eine Art Physiotherapie ist?
Z3: Ja.
R: Abgesehen von jährlichen Kontrollterminen bekommt XXXX , abgesehen von der Physiotherapie, keine Therapien?
Z3: Nein. Aktuell nicht.
R: Sind spezielle Behandlungen konkret geplant?
Z3: Konkret geplant nicht. Es könnte im weiteren Verlauf notwendig sein.
R: Wer passt aktuell auf die drei auf?
Z3: Der Onkel und die Tanten, aber sie waren vorher im Kindergarten.
R: Was spricht dagegen, das Familienleben mit Ihrem Gatten in der RUSSISCHEN FÖDERATION fortzusetzen?
Z3: Auf Grund der Vergangenheit seines Vaters und wir kennen alle nicht das Land.
R: Was spricht dagegen, das Familienleben mit Ihrem Gatten durch Besuche in der RUSSISCHEN FÖDERATION fortzusetzen, also, dass Sie ihn regelmäßig besuchen?
Z3: Ich weiß nicht, was ich antworten soll.
R: Was spricht dagegen, das Familienleben mit Ihrem Gatten durch Besuch in Drittstaaten, z.B. BELARUS und im Übrigen elektronische Medien und Telefonate fortzusetzen?
Z3: Er hat niemanden in RUSSLAND. Ich wüsste nicht, wie er dort leben soll.
R: Möchten Sie noch etwas angeben, was noch nicht zur Sprache kam und Ihnen wichtig erscheint?
Z3: Nein.
R hält fest, dass die Einvernahme der Z3 ohne Verdolmetschung erfolgte und die Z3 hervorragend Deutsch spricht. Wie reden Sie zu Hause mit den Kindern?
Z3: Genauso. Deutsch ist eher die Familiensprache, einfach weil ich hier aufgewachsen bin.
R: Wie sprechen Ihre Kinder mit Ihren Schwiegereltern?
Z3: Auf Deutsch. Sie können eher wenig Tschetschenisch. Wir haben uns mit der Frühförderung ausgesprochen. Sie meinte, dass 2 Sprachen eher schwierig sind.
R: XXXX Muttersprache ist Tschetschenisch laut den vorliegenden Befunden.
Z3: Die Muttersprache ist Tschetschenisch. Mit Kindergartenbeginn habe ich auf Deutsch geswitscht. Bis zum Kindergartenbeginn war die Sprache Tschetschenisch.
R: Ich habe Ihre Einvernahme vor dem Bundesamt gelesen. Das BFA kündigte bei Ihnen und in den Verfahren Ihrer Kinder Asylaberkennungsverfahren an. Sie haben sich heute mit einem Konventionsreisepass ausgewiesen. Sehe ich es richtig, dass noch kein Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde?
Z3: Ich habe noch keine Information bekommen.
R: Haben Sie Fragen an die Zeugin3?
RV: Danke.
R an Z3: Ist Ihnen noch eingefallen, was Sie sagen wollten?
Z3: Ich weiß, dass die Umstände, weswegen wir heute hier sind, nicht zugunsten meines Mannes sind. Er war davor auch ein ganz toller Mensch. Wir haben uns auch viel ausgesprochen, nach all dem. Ich merke sehr, wie leid es ihm tut und dass er sehr wichtig ist für meine Kinder und seine Familie. Er hat sich sehr zum Besseren verändert. Ich wollte nur, dass das einmal heraussen ist.
R: Möchten Sie die Niederschrift Ihrer Einvernahme zur Durchsicht oder rückübersetzt?
Z3: Ich sehe mir die Niederschrift durch. Keine Fehler oder Richtigstellungen.
[…]
R: Sie haben die Einberufung zum Militärdienst angesprochen. Laut LIB S 33, besteht die Militärdienstpflicht bis 27 Jahre. Ihr Mandant ist 28. Warum sollte ihm die Einberufung zum Militärdienst drohen?
RV: Weil der BF, wie ich von vielen gehört habe, die nach RUSSLAND zurückkehren mussten und zum Militärdienst eingezogen wurden, obwohl sie das 27. Lebensjahr zum Teil bei weitem überschritten haben. Dem BF sind Fälle bekannt, in denen Betroffene bis zum 50. Lj. für den Militärdienst rekrutiert wurden und innerhalb einiger Wochen an die Front verbracht wurden.
R: Waren Sie jemals in RUSSLAND bei der Stellung?
RV: Nein. Der BF war 7 Jahre alt.
R: Haben Sie ein Wehrdienstbuch?
BF: Bei uns ist es nicht so, dass man antreten muss und für tauglich oder nicht tauglich befunden wird. Sie schauen nur ein bisschen auf die Gesundheit und schauen, ob man ein paar Fragen beantworten kann. Zu 90% ist es so, wenn man nicht körperlich eingeschränkt ist, dass man antreten muss.
R: Sie haben also kein Wehrdienstbuch?
BF: Nein.
R: Sie haben vor dem 28. Geburtstag nicht die Einberufung bekommen?
BF: Nein.
R: Was die Mobilmachungen anbelangt: Sehe ich das richtig, dass Sie nie den Grundwehrdienst ableisteten und nicht zur aktiven Reserve gehören?
BF: Ich gehöre nicht zur aktiven Reserve.
R: Dann gibt es die „Freiwilligen-Bataillone“. So wie ich das LIB und das EUAA Dossier zur Mobilmachung in Russland lese, tut sich KADYROW besonders hervor bei der Rekrutierung von „Freiwilligen“. Könnte es sein, dass Sie davon gesprochen haben?
RV: Ja. Davon gehe ich jetzt auch selbst aus.
R: Laut dem EUAA-Dossier kann kein real risk festgestellt werden, in anderen Landesteilen zwangsrekrutiert zu werden.
RV: In SIBIRIEN würde er nicht rekrutiert werden.
BF: Nein. Das ist ganz gleich. Dadurch, dass KADYROW mit PUTIN zusammenarbeitet. Die Aufpasser und Sicherheitsleute von PUTIN sind von der OMON und der SABR-Einheit. Diese sind beide tschetschenische Spezialeinheiten. Jeder redet nur mehr vom UKRAINE-Krieg. Man redet nicht mehr von GEORGIEN und SYRIEN. Das hat man vergessen. Selbst PUTIN lässt Häftlinge frei, seit über 1,5 Jahren. Er bietet denen Geld und die Freiheit an, wenn sie kämpfen. Das war auch in Österreich in den Medien.
R: Möchten Sie abschließend noch etwas angeben?
RV: Nein.
R: Möchten Sie eine abschließende Stellungnahme abgeben?
BF: Wenn es mich im schlimmsten Fall treffen sollte, hoffentlich passiert nichts meinen Familien.“
Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer (teilweise) die Zeugnisse und medizinische Unterlagen bezüglich der Krankheit seiner Tochter XXXX in Vorlage, die er bereits auf Grund des Parteiengehörs vom 23.02.2023 vorlegen hätte sollen. Die Arbeitszeugnisse und den Konventionsreisepass legte er aufforderungswidrig nie vor.
1.18 Mit Schriftsatz vom 06.07.2023 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer Parteiengehör zum aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 04.07.2023, Version 12, ein.
Mit Stellungnahme vom 19.07.2023 führte der Beschwerdeführer Folgendes aus:
„Eine erhöhte Gefährdung kann sich nach einem Asylantrag im Ausland bei Rückkehr nach Tschetschenien für diejenigen Personen ergeben, welche bereits vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitskräften hatten. Der Kontrolldruck der Sicherheitsbehörden gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. NGOs berichten von willkürlichem Vorgehen der Polizei bei Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen. Letztere finden vor allem in Tschetschenien auch ohne Durchsuchungsbefehle statt (Seite 113 des LIB)
Das Vorgehen der Behörden gegen Extremismusverdächtige ist von Menschenrechts- und Rechtsstaatswidrigkeit gekennzeichnet. Die Bekämpfung von Extremisten geht laut NGOs mit rechtswidrigen Festnahmen, Sippenhaft, Kollektivstrafen, Verschwindenlassen, Folter zur Erlangung von Geständnissen, fingierten Straftaten, außergerichtlichen Tötungen und Geheimgefängnissen, in welchen gefoltert wird, einher. Tschetschenische Strafverfolgungsbehörden werfen vermeintlichen Salafisten und Wahhabiten unbegründet terroristische Machenschaften vor und erzwingen Geständnisse durch Folter. (Seite 67 des BVwG)
Tschetschenische Behörden unterdrücken alle Formen abweichender Meinungen. Kadyrow droht denjenigen Personen öffentlich, welche ihn und seine Familie kritisieren. Mit der Unterstützung Moskaus wird gewaltsam gegen Kritiker des Kadyrow-Regimes vorgegangen. Regimekritiker müssen mit Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten sowie physischen Übergriffen bis hin zu Mord rechnen. In mehreren Fällen kam es zu Folterungen. Auch kann es zu Sippenhaft von Familienangehörigen kommen. Bürger, welche sich über örtliche Angelegenheiten beschweren (beispielsweise Krankenhausschließung), sind Belästigungen oder Demütigungen ausgesetzt. Kritiker des Kadyrow-Regimes werden systematisch zu Entschuldigungen gezwungen. Oppositionelle, Regimekritiker und Personen, die sich gegen Republiksoberhaupt Kadyrow bzw. dessen Clan aufgelehnt haben, genießen keinen effektiven Rechtsschutz. Wer aus politischen Gründen strafrechtlich verfolgt wird, kann nicht mit einem fairen Gerichtsverfahren rechnen. Die Opposition hat sich wegen der Unmöglichkeit von Straßenprotesten in Tschetschenien in soziale Netze und Messenger verlagert. Einer der bekanntesten Oppositionskanäle ist der Telegram-Kanal 1ADAT. Die Inhalte von 1ADAT wurden gerichtlich als extremistisch eingestuft. 1ADAT steht dem tschetschenischen Republiksoberhaupt Kadyrow äußerst kritisch gegenüber und lässt regelmäßig Stimmen tschetschenischer Dissidenten zu Wort kommen. Der Kanal sammelt Informationen über Verbrechen in Tschetschenien und führt eine Entführungsstatistik. Mitarbeiter von 1ADAT sind Festnahmen und Folter durch die ’Kadyrowzy’ ausgesetzt. Die Kadyrowzy stellen die persönliche Armee von Kadyrow dar. Sie werden für zahlreiche Missbrauchshandlungen verantwortlich gemacht, darunter willkürliche Festnahmen, Folter und außergerichtliche Tötungen. Strafrechtliche Konsequenzen haben die Handlungen der Kadyrowzy keine. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlen sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem Regime Kadyrows nicht sicher. Sicherheitskräfte, welche Kadyrow zuzurechnen sind, sind nach Aussagen von NGOs auch in Moskau präsent. Jedenfalls stehen Tschetschenen in größeren russischen Städten unter Beobachtung ihrer Landsleute, und ’falsches’ Verhalten kann ebenfalls das Interesse der tschetschenischen Sicherheitsstrukturen wecken. Gemäß Berichten verfolgen in Einzelfällen die
Familien der Betroffenen oder tschetschenische Behörden (welche Zugriff auf russlandweite Informationssysteme haben) Flüchtende in andere Landesteile. Auch wird von verschiedenen Personengruppen berichtet, die gegen ihren Willen von einem innerstaatlichen Zufluchtsort nach Tschetschenien zurückgeholt und dort Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden sind. Zu den Betroffenen gehören Oppositionelle und Regimekritiker, darunter ehemalige Kämpfer und Anhänger der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung. In mehreren Fällen wurden Kritiker Kadyrows, welche außerhalb Russlands lebten, Opfer von Attentaten. Eine erhöhte Gefährdung kann sich nach einem Asylantrag im Ausland bei Rückkehr nach Tschetschenien für diejenigen Personen ergeben, welche bereits vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitskräften hatten. Im Dezember 2022 wurden einige Familienmitglieder von fünf tschetschenischen Bloggern und Aktivisten, welche im Ausland leben und Kadyrow online kritisiert haben, durch tschetschenische Sicherheitskräfte misshandelt und in Isolationshaft gehalten. Die Familien wurden gezwungen, sich zu entschuldigen und sich öffentlich von ihren Verwandten im Exil loszusagen (Seite 50 des BVwG).
Nach Aussage von Republikoberhaupt Kadyrow sind alle in der Ukraine kämpfenden Tschetschenen, darunter auch die Sicherheitskräfte, Freiwillige. Tatsächlich finden in Tschetschenien Rekrutierungen von Kämpfern in einer allgemeinen Atmosphäre des Zwanges und unter Verletzung von Menschenrechtsstandards statt. In vielen Fällen erfolgen Zwangsrekrutierungen, wobei Methoden wie Drohungen und Entführungen angewandt werden. Behörden in Tschetschenien betreiben eine aggressive Anwerbungskampagne, um Einheimische als
’freiwillige’ Kämpfer für die Ukraine zu gewinnen. Kadyrow drohte Kampfunwilligen mit der ’Hölle’ und ordnete die Streichung von Sozialleistungen für Familien von Kriegsdienstverweigerern an. In Tschetschenien gibt es keine NGOs, welche eingezogene Personen unterstützen (Seite 36 des BVwG)“.
Anhand der vorhin wiedergegebenen Feststellungen ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass dem BF im Falle der Rückkehr jedenfalls die Verfolgung durch Kadyrow-Regierung droht, zumal der Vater des BF als Oppositioneller gilt. Der Umstand, dass der Vater des BF während des Krieges lediglich seinen Freunden geholfen und Nahrungsmittel gebracht, jedoch selbst nicht gekämpft habe, ändert nichts daran, dass der Vater des BF für die Kadyrow-Regierung als Oppositioneller gilt und der BF aufgrund der Familienangehörigeneigenschaft ebenfalls einer Gefahr der Verfolgung ausgesetzt. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass sowohl der BF als auch sein Vater bzw. seine Familie seit 2 Jahrzehnten in Österreich als Asylberechtigte leben.
Des Weiteren ist der Feststellung laut Seite 36 des BVwG zu entnehmen, dass der BF im Falle der Rückkehr aufgrund seines Alters und körperlichen Zustands mit einer Zwangsrekrutierung im Ukraine-Krieg zu rechnen hat.
Darüber hinaus darf über die Tatsache nicht hinweggesehen werden, dass sich der BF nach den der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Tathandlungen wohl verhalten hat. Er hat sich seither keine strafbaren Handlungen zu Schulden kommen lassen.
Da der BF seit dem 9. Lebensjahr in Österreich aufhältig ist und hier aufgewachsen ist sowie langjährig rechtmäßig in Österreich niedergelassen ist, hätte er den Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 9 Abs 4 Z 2 BFA-VG idF vor dem FrÄG 2018 erfüllt, nach dem gegen Drittstaatsangehörige, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten sowie „von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen waren“ keine Rückkehrentscheidung erlassen werden durfte. Diese Bestimmung wurde zwar mit Ablauf 31.08.2018 aufgehoben, die darin enthaltenen Wertungen sind jedoch im Rahmen der Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG weiter beachtlich. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer darauf abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen. Orientierung für eine derartige Gefährdung bieten die schon bisher in § 9 Abs 3 Z 1 BFA-VG normierten Ausnahme bei Erfüllung der Einreiseverbottatbestände nach den Z 6, 7 und 8 des § 53 Abs 3 FPG, wo als Beispiele für in der bisherigen Rechtsprechung als ausreichend schwerwiegend angesehene Straftaten Vergewaltigung und grenzüberschreitender Kokainschmuggel genannt werden. Eine derartig gewichtige vom BF ausgehende Gefährdung ist aus den Feststellungen des BFA sowie anhand der aktuellen Lage des BF nicht ableitbar, weshalb die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot in Abweichung der bisherigen Judikatur des VwGH erging und daher der bekämpfte Bescheid des BFA als rechtswidrig zu erachten ist.
Hinsichtlich des bestehenden Familien- und Privatlebens verweist der BF auf die Angaben in der Einvernahme vom 04.07.2023 sowie das bisher Vorgebrachte, um Wiederholungen zu vermeiden. Aus diesen Gründen wiederholt der BF die in der Beschwerde gestellten Anträge.“
1.19. Mit Schriftsatz vom 13.11.2023 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer Parteiengehör zum Länderinformationsblatt zur Russischen Föderation Version 13 vom 08.11.2023 ein. Der Beschwerdeführer gab keine weitere Stellungnahme ab.
1.20. Das Landesgericht für Strafsachen XXXX prüfte den Antrag des Beschwerdeführers auf bedingte Entlassung.
Laut dem Merkblatt der Justizanstalt XXXX - XXXX ist der Beschwerdeführer arbeitsfähig, seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse unbekannt. Er ist verheiratet, seine Führung in der Justizanstalt XXXX - XXXX angepasst und er hat keine Ordnungsstrafen. Er sei Mechaniker, Arbeiter, und könne nach der Entlassung in der Pizzeria XXXX in XXXX arbeiten und an der Adresse seiner Gattin in der XXXX wohnen. Er nahm von 07.04.2022 bis 13.10.2022 an der Psychotherapie „Drogenmodul“ teil und absolvierte dieses positiv. Die Justizanstalt gehe von keiner bedingten Entlassung aus.
In seiner Stellungnahme gab der Beschwerdeführer Folgendes an: „Leider habe ich ein Schweren Raub gemacht in meiner Frust beimeiner Zwillings tochter wurde eine starke Krank heit entdeckt die heißt CONRADI-HÜHERMANN-SYNDROM und Knochenmark. Leider 1.-40000 Kin bekommt die Krankheit. Leider bin ich mit Krankheit nicht klargekommen und deswegen hab Drogen konsumiert und auch Spielsucht gegriffen. Es wurde immer schlimmer hatte kein mehr übrig damit ich von der Krankheit ablenken kann, weil bei der Krankheit sterben Kinder frühzeitig. Und weil ich kein Geld mehr für die Drogen hatte, ich über den bevorstehenden Tod mich ablenken habe ich schwere Raub begangen es ist nicht entschuldigenbar. Ich fühle mit den Opfern mit! Das Gefängniss hat mir den Kopf geöffnet mir viele offene Wege gezeigt wie ich meine Familie helfen kann. Leider dass es erst so spät passiert ist! Draußen werde ich ein überall mitzuwirken und an alles Arbeiten wo ich nur helfen kann für meiner Familie. Ich es können alle vergeben was ich Ihnen angetan habe. Und Die Drogen Therapie habe Abgeschlossen. Und viel an mir Arbeiten können.“
Laut der Vollzugsinformation wird der Beschwerdeführer seit 04.09.2023 im gelockerten Vollzug angehalten, bei dem die Aufenthaltsräume und Tore am Tag nicht verschlossen sind, die Arbeit nicht bewacht ist und Ausgang gewährt wird.
Der Beschwerdeführer sei geständig, habe massiv täglich THC und COC konsumiert, er sei ein Jahr lang COC-abhängig gewesen und habe das Delikt wegen der Spielsucht begangen. Er habe eine leidende, ich-zentrierte Persönlichkeit und sei bezüglich Spielsucht (Automaten) nicht Störungseinsichtig. Eine forensische Suchttherapie sei indiziert. Er habe im NOVEMBER 2021 eine Drogengruppe beginnen sollen, die Teilnahme verweigert. Oberflächlich habe er Motivation signalisiert und Gründe für die Nichtteilnahme angegeben. Er erwecke den Anschein, dass es ihm darum gehe, in die Außenstelle verlegt zu werden, nicht sich mit seinen Risikofaktoren auseinanderzusetzen. Im November 2022 hatte er die therapeutische Intervention absolviert, bis dahin waren Lockerungen und Ausgänge nicht genehmigt worden. Wegen mangelnder Arbeitsleistung und unentschuldigter Fehlzeiten vom Arbeitsbetrieb abgemeldet.
In der Stellungnahem zum Antrag auf bedingte Entlassung wurden als Risikofaktoren schädlicher Gebrauch diverser illegaler Substanzen – Marihuana, Ecstasy, Kokain, Tramal und Benzodiazepine – seit dem 16. Lebensjahr sowie eine Automatenspielsucht seit dem 21. Lebensjahr angegeben, das Ziel sei die Abschwächung dieser Risikofaktoren, der Status offen. Dazu gehöre Psychotherapie. Der Risikofaktor Sucht sei derzeit kontrollierbar, eine Distanzierung von illegalen Substanzen gelinge über einen längeren Beobachtungszeitraum, die Zweckmäßigkeit einer forensischen Drogenpsychotherapie sei nicht weiter gegeben.
In der Verhandlung am 19.09.2023 gab der Beschwerdeführer an, dass er Kontakt mit der Haftentlassenenhilfe habe, weil er Urkunden sammle, um in den elektronisch überwachten Hausarrest zu wechseln. Er habe eingesehen, dass sein Verhalten falsch gewesen sei. Er habe drei Töchter, wovon eine schwer krank sei. Seine Einstellung und seine Vorstellungen haben sich geändert. Er wisse jetzt, was wirklich wichtig sei. Das seien seine Familie und seine Arbeit.
Das Landesgericht für Strafsachen XXXX lehnte mit Beschluss vom 19.09.2023 die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers ab. Begründend führte es im Wesentlichen aus:
„Der Strafgefangene [beantragte] seine bedingte Entlassung zum Hälfte-Stichtag und brachte dazu in der schriftlichen Stellungnahme vom 28. August 2023 im Wesentlichen vor, dass er die strafbaren Handlungen aufgrund familiärer Probleme aus Frust begangen habe. Zudem habe er Drogen konsumiert und möchte nunmehr nach Absolvierung von Therapien für seine Familie da sein und einer geregelten Arbeit nachgehen. Unter einem beantragte er seine Anhörung.
Die Anstaltsleitung der Justizanstalt XXXX - XXXX führte in der schriftlichen Stellungnahme vom 6. September 2023 aus, dass XXXX in der Zeit vom 07. April 2022 bis 13. Oktober 2022 an der Psychotherapie 'Drogenmodul' teilgenommen und diese positiv abgeschlossen habe. Von einer bedingten Entlassung zum Hälfte-Stichtag werde seitens der Justizanstalt nicht ausgegangen.
Die Staatsanwaltschaft XXXX trat einer bedingten Entlassung des Strafgefangenen zum Hälfte-Stichtag entgegen und verwies diesbezüglich begründend auf die Generalprävention.
Eine persönliche Anhörung von XXXX wurde über seinen erstmaligen Antrag am 19. September 2023 durchgeführt. Er führte unter anderem aus, dass er den Wechsel in den elektronisch überwachten Hausarrest vorbereite.
3. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
Gemäß § 46 Absatz 1 StGB ist einem Verurteilten, der die Hälfte einer zeitlichen Freiheitsstrafe, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, der Rest der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen im Sinne der §§ 50 bis 52 StGB (Bewährungshilfe und Weisungen) anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch den weiteren Strafvollzug von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Bis zur Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe sind gemäß § 46 Absatz 2 StGB außerdem besondere generalpräventive Erfordernisse zu berücksichtigen. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe sind generalpräventive Erwägungen ausnahmslos nicht mehr zur berücksichtigen. Allein die spezialpräventiv geprägte Annahme nicht geringerer Wirksamkeit der bedingten Entlassung ist maßgebliches Entscheidungskriterium (vgl Jerabek in WK² § 46 Rz 17).
Es ist also abzuwägen, ob der Verurteilte durch die bedingte Entlassung samt deren begleitenden Maßnahmen weniger wirksam von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, als durch den weiteren Strafvollzug samt Entlassung nach Verbüßung der Strafe ohne begleitende Maßnahmen. Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist nach Abs 4 leg. cit. darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzuges positiv geändert haben bzw. ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach den §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können (vgl Jerabek in WK² § 46 Rz 15).
Fallbezogen stehen generalpräventive Erwägungen einer bedingten Entlassung entgegen. Denn die oben erwähnten Delikte, wie sie XXXX begangen hat, stellen einen Fall mit einem dermaßen hohen sozialen Störwert dar, dass es aufgrund der Schwere der Tat des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken; dies sowohl zur Abschreckung potenzieller Täter (negative Generalprävention) als auch als Mittel zur Bekräftigung des Geltungsanspruches der Rechtsordnung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Bevölkerung auf Durchsetzung des Rechts sowie zur Vermeidung einer Bagatellisierung derartiger Taten (positive Generalprävention).
Positiv zu bewerten ist allerdings sein bisheriges tadelloses Vollzugsverhalten und die Absolvierung von Therapien sowie seine Einsicht, dass die Vorbereitung eines Entlassungssettings jedenfalls hilfreich wäre.“
1.21. Am 05.03.2024 teilte die Justizanstalt XXXX - XXXX mit, dass der Beschwerdeführer seit 02.01.2024 im Entlassungsvollzugs angehalten wurde und die Freiheitsstrafe seit 05.03.2024 im elektronisch überwachten Hausarrest an der Adresse XXXX XXXX , verbüße. Der Stichtag für die bedingte Entlassung nach Verbüßen von 2/3 der Freiheitsstrafe sei der 06.12.2024.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist in weniger als zwei Monaten XXXX Jahre alt, russischer Staatsangehöriger, Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Es kann nicht festgestellt werden, ob er in GROSNY oder in XXXX geboren ist.
Der Beschwerdeführer wuchs mit seinen Eltern und seinem Bruder sowie seinem Großvater väterlicherseits in GROSNY und während der Kriegshandlungen in XXXX auf. Gemeldet waren er und seine Familie in GROSNY. Seine Muttersprache ist Tschetschenisch. Er schloss die ersten beiden Klassen Grundschule in TSCHETSCHENIEN ab. Er kann russisch sprechen, lesen und schreiben.
Seine Eltern hatten eine Wohnung in GROSNY und in XXXX . Es kann nicht festgestellt werden, was heute mit diesen Unterkünften ist. Der Beschwerdeführer hat Angehörige in TSCHETSCHENIEN.
Der Vater des Beschwerdeführers war als Wächter im Präsidentenpalast – entsprechend den Securities am Bundesverwaltungsgericht – beschäftigt; er hatte ein Funkgerät und einen Gummiknüppel und war zuständig dafür, den Personen, die dorthin kamen, zu sagen, wo sie hingehen müssen, und für die Sauberkeit im Gebäude, damit zB keine Papierschnipsel am Boden liegen. Er war nicht in der persönlichen Wache des Präsidenten. Er war über den Gummiknüppel hinaus nicht bewaffnet. Er war nicht Kämpfer. Er gab diese Arbeit bereits vor Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges auf.
Der Vater des Beschwerdeführers bestritt den Lebensunterhalt zusätzlich durch eine Ölquelle; diese versandete jedoch vor dem Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges. Eine Landwirtschaft hatte die Familie des Beschwerdeführers nicht. Während des Zweiten Tschetschenienkrieges waren die Erwerbs- und Einkommenslage schlecht.
Der Vater des Beschwerdeführers beteiligte sich am zweiten Tschetschenienkrieg nicht als Kämpfer. Er unterstützte seine Freunde, die kämpften, mit Lebensmitteln. Er ist weder politisch noch exilpolitisch tätig, weder Blogger noch Journalist oder Menschenrechtsaktivist.
Der Vater des Beschwerdeführers wurde in den Jahren 2000, 2002 und 2004 insgesamt drei Mal mitgenommen. Er wurde jeweils gegen eine Geldzahlung entlassen. Es handelte sich um Maßnahmen am Beginn der Ära KADYROW, bei denen am Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges Männer mitgenommen wurden, sich KADYROW anschließen oder Lösegeld zahlen mussten und dabei misshandelt wurden. Bei einer Mitnahme des Vaters des Beschwerdeführers wurde die Mutter des Beschwerdeführers verletzt. Eine darüberhinausgehende Verfolgung des Vaters des Beschwerdeführers fand nicht statt. Der bei Ausreise erst neunjährige Beschwerdeführer selbst war in TSCHETSCHENIEN nie Verfolgungshandlungen ausgesetzt.
Während der dritten Klasse Grundschule reiste der damals XXXX Beschwerdeführer mit seinen Eltern und seinem Bruder über DAGESTAN aus und über die SLOWAKEI nach Österreich ein. Die beiden Onkel seines Vaters blieben ohne Probleme in TSCHETSCHENIEN wohnen und unterstützten den Beschwerdeführer und seine Familie von TSCHETSCHENIEN aus, zB indem sie Duplikate von Dokumenten (Geburtsurkunden, Heiratsurkunde) von den Behörden ausstellen ließen und nach Österreich übermittelten. Dabei waren sie keinen Problemen ausgesetzt. Die Onkel – und davor die Eltern des Vaters des Beschwerdeführers – verstarben in den letzten Jahren in TSCHETSCHENIEN, ihre Töchter leben weiterhin dort. Der Beschwerdeführer verfügt jedenfalls über weitschichtige Verwandte in der RUSSISCHEN FÖDERATION, Teilrepublik TSCHETSCHENIEN.
Der Beschwerdeführer war mit seiner Familie in Grundversorgungsquartieren in XXXX untergebracht. Mit Bescheid vom 14.02.2005 gab das Bundesasylamt dem Asylantrag des Beschwerdeführers und den Anträgen seiner Eltern und seines Bruders statt und erkannte ihnen den Status von Asylberechtigten zu.
Nach der Asylgewährung zog der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach XXXX . 2005 kam dort seine Schwester XXXX , 2008 seine Schwester XXXX zur Welt.
Der Beschwerdeführer besuchte dort im Schuljahr 2005/2006 die Volksschule als außerordentlicher, 2006/2007 als ordentlicher Schüler. Danach besuchte der Beschwerdeführer ab dem Schuljahr 2007/2008 die Neue Mittelschule, wobei er Deutsch, Mathematik und Englisch in der zweiten Leistungsgruppe absolvierte.
Seit dem XXXX . Lebensjahr (2010) konsumiert der Beschwerdeführer diverse illegale Substanzen – Marihuana, Ecstasy, Kokain, Tramal und Benzodiazepine – in Form schädlichen Gebrauchs. Seine Eltern und seine Gattin hatten davon keine Kenntnis.
Nach der Hauptschule besuchte er zwei Jahre lang erfolglos die Handelsschule, danach machte er ein Jahr lang keine Ausbildung. 2013, mit XXXX Jahren, zog er von zuhause aus. Ab OKTOBER 2014 verfügte er nur noch über eine Obdachlosenmeldeadresse. Er lebte unangemeldet bei Freunden.
2014/2015 lernte er über Freunde seine nunmehrige Gattin in BREGENZ kennen. Sein Vater hielt in seinem Namen um die Hand seiner Gattin an und sie heirateten nach islamsichem Ritus. Seit XXXX wohnen sie in einer Wohnung der Stadt XXXX in XXXX . Nachdem seine Gattin volljährig wurde, heirateten sie 2017 auch standesamtlich in XXXX . Die Ehe war nicht arrangiert. Sie wurde freiwillig und auch nicht gegen den Willen der Eltern eingegangen.
Die Gattin des Beschwerdeführers heißt XXXX . Sie ist XXXX in GROSNY geboren, russische Staatsangehörige, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Sie reiste mit ihrer Familie 2003 nach Österreich ein. Das Bundesasylamt gab dem Antrag ihres Vaters auf internationalen Schutz gemäß § 7 AsylG 1997 statt. Er war einfacher Kämpfer im Tschetschenienkrieg. Ihr, ihrer Mutter und ihren Schwestern wurde der Status der Asylberechtigten im Wege der Erstreckung zuerkannt. Sie war in der RUSSISCHEN FÖDERATION selbst keiner Verfolgung ausgesetzt. Ihre Muttersprache ist tschetschenisch. Sie versteht russisch grundlegend, hat in RUSSLAND aber nicht die Schule besucht und Probleme beim Lesen und Schreiben der Sprache Russisch. Bis 2016 lebte sie mit ihrer Familie in VORARLBERG. Diese besucht sie nur noch ca. zwei Mal pro Jahr. Ihr Vater ist 2018 verstorben. Sein Leichnam wurde auf seinen Wunsch hin nach TSCHETSCHENIEN überstellt und dort beerdigt. Dabei gab es keine Probleme. Sie hat jedenfalls Angehörge in der RUSSISCHEN FÖDERATION, die bei der Beerdigung ihres Vaters, der nachträglichen Registriertung ihrer Geburt und Ausstellung einer Geburtsurkunde halfen.
Ab 2013 war der Beschwerdeführer Lehrling bei XXXX . Ab dem Schuljahr 2014/2015 machte der Beschwerdeführer über XXXX unterstützt durch die Arbeitslosenversicherung eine überbetriebliche Lehre im Bereich Kraftfahrzeugstechnik – Hauptmodul Personenkraftwagentechnik. Nachdem sich seine Noten im Schuljahr 2015/2016 (2. und 3. Fachklasse) verbesserten, sackten sie im Schuljahr 2016/2017 massiv ab. Dennoch schaffte er im NOVEMBER 2016 die 4. Fachklasse und damit die Berufsschulpflicht. Die Lehrabschlussprüfung machte er nicht mehr. Er holte sie auch bis dato nicht nach.
Seit seinem XXXX . Lebensjahr (2015) ist der Beschwerdeführer automatenspielsüchtig. Auch davon wussten seine Familie und seine Gattin nichts.
Am XXXX kam XXXX als Tochter des Beschwerdeführers und seiner Gattin zur Welt.
Die Tochter XXXX ist russische Staatsangehörige und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Sie ist muslimischen Glaubens und lebt seit 2017 als Asylberechtigte in Österreich. Der Status wurde ihr im Wege des Familienverfahrens nach dem Beschwerdeführer zuerkannt. Ihr wurde zuletzt im NOVEMBER 2022 ein Konventionsreisepass ausgestellt.
Der Beschwerdeführer bezog noch bis DEZEMBER 2017 – mit zwei Unterbrechungen – Arbeitslosengeld. Er arbeitete im Jahr 2017 an drei Tagen für XXXX und von Februar bis Mai 2017 sowie im JULI 2017 geringfügig bei XXXX , im MAI 2017 auch geringfügig bei der XXXX geringfügig als Security. Im SEPTEMBER 2018 arbeitete er weniger als eine Woche geringfügig bei XXXX an einem Pressestand, im OKTOBER 2017 eine Woche bei einem Arbeitskräftevermittler.
Der Beschwerdeführer ist seit 2018 massiv KOKAIN-abhängig und konsumierte in der Zeit auch täglich massiv THC. Auch davon wussten seine Familie und seine Gattin nichts.
Von FEBRUAR bis MAI 2018 arbeitete er bei XXXX GmbH im LAGER, von MAI bis JUNI 2018 einen Monat lang in einem Wettcafe. Einen Tag im JUNI 2018 und zwei Tage im MÄRZ 2019 arbeitete er bei XXXX , einen Tag im JULI 2018 und von JULI bis SEPTEMBER 2019 geringfügig für XXXX als SECURITY. Von AUGUST bis OKTOBER 2018 arbeitete er bei einem Arbeitskräftevermittler. Er war nie bei XXXX beschäftigt. Im Übrigen bezog er Notstandshilfe und Überbrückungshilfe.
Am XXXX kamen die Zwillingstöchter XXXX und XXXX als Töchter des Beschwerdeführers und seiner Gattin zur Welt
Die Töchter XXXX und XXXX sind russische Staatsangehörige und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Sie sind muslimischen Glaubens und leben seit 2018 als Asylberechtigte in Österreich. Der Status wurde ihnen im Wege des Familienverfahrens nach dem Beschwerdeführer zuerkannt. Ihnen wurden zuletzt im NOVEMBER 2020 Konventionsreisepässe ausgestellt.
Die Zwillinge haben einen vererbbaren Gendefekt des X-Chromosoms, jedoch ist nur bei der Tochter XXXX CHONDRODYSPASIE PUNCTATA, Typ CONRADI-HÜNERMANN-HAPPLE-SYNDROM, ausgebrochen.
Diese Erkrankung führt zu Knochenverkalkungen in der Nähe von Gelenken. Das klinische Bild variiert, typischerweise sind Symptome Kleinwuchs, asymmentrische Verkürzung der Extremitäten, Ichtyosen (Verhornungsstörungen), ein- oder beidseitiger Katarakt (Grauer Star) und lamelliäre ichthyosiforme Erythodermie (Hauterkrankung). Die Intelligenz ist in den meisten Fällen unbeeinträchtigt. Spezifische Therapien gibt es nicht. Die Behandlung ist rein symptomhaft.
Bei der Tochter XXXX äußerte sich die Krankheit bisher wie folgt: Ihre Gliedmaßen sind gleichlang. Bei Behandlungsbeginn war sie dystroph (mangelhaft ernährt) und entwicklungsverzögert. Die Hüfte kegelte aus (coxitis fugax) und wurde behandelt (gegipst). 2022 hatte sie wegen einer fragmentierten Knochenstruktur am Fuß einen Unterschenkelgips. Sie macht seit Behandlungsbeginn an der Universtitätsklinik XXXX gute Entwicklungsfortschritte. Wegen Knie- bzw. Hüftbeschwerden hinkt sie leicht (Schonhaltung). Sie kann keine langen Strecken gehen, weil sie sonst die Beine schmerzen. Einen Rollstuhl, Rollator oder Krücken braucht sie jedoch nicht. Für längere Strecken benützt ihre Mutter den Kinderwagen.
Die Erkrankung wurde nach Verdachtsdiagnose im SEPTEMBER 2018 bei der Tochter XXXX im JÄNNER 2020 am Universitätsklinikum XXXX diagnostiziert. Seither ist sie dort in Behandlung. Die Behandlung tragen zur Gänze Krankenversicherung und Sozialleistungen. Sie bedarf jährlicher Kontrollen, kinderorthopädischer Kontrollen und Frühförderung. Zudem wird kontrolliert, ob die Wirbelsäule gerade bleibt. Zudem wäre Logopädie empfehlenswert. Neben der Frühforderung, die eine Art Physiotherapie ist, damit XXXX sich motorisch altersentsprechend entwickelt, massieren die Eltern täglich 15-20 min die Füße zur Verbesserung des Gangbildes. Auch die Kosten für die Frühförderung trägt der Staat.
Bei der Tochter XXXX ist die Krankheit nicht ausgebrochen. Sie bekommt ebenfalls Frühförderung.
Der Beschwerdeführer, der eine leidende, ich-zentrierte Persönlichkeit hat, wurde nicht wegen der Erkrankung seiner Tochter XXXX oder dem Tod seines Schwiegervaters 2018 straffällig, sondern um seine Drogen zu finanzieren und seine Spielsucht zu bedienen.
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 30.11.2018 beschlossen der Beschwerdeführer, XXXX , XXXX , XXXX und XXXX ihre damals herrschende triste finanzielle Situation durch Begehung von (größtenteils) bewaffneten Raubüberfällen zu beheben.
Zu diesem Zweck schlossen sich die Genannten zu einer Vereinigung zusammen und vereinbarten, dass im Rahmen dieses Zusammenschlusses längere Zeit hindurch – zumindest einige Monate – von einem – unter Mitwirkung zumindest eines weiteren Mitglieds dieser Vereinigung – oder mehreren Mitgliedern (großteils bewaffnete) Raubüberfälle insbesondere auf Tankstellen und Taxilenker ausgeführt werden sollen. In Umsetzung dieses Tatvorhabens beteiligten sich teils als unmittelbare Täter, teils als Beitragstäter, der Beschwerdeführer und XXXX , XXXX , XXXX und XXXX als Mitglieder dieser kriminellen Vereinigung. Der Beschwerdeführer und XXXX , XXXX , XXXX und XXXX wussten, dass sie sich durch die nachfolgend beschriebenen Handlungen an dieser kriminellen Vereinigung beteiligen, und wollten dies auch. Soweit sie Beitragstäter waren, handelten sie darüberhinausgehend im Wissen, durch ihre Beitragshandlungen die kriminellen Ziele der Vereinigung, nämlich konkret in nachangeführten Täterkonstellationen die folgenden strafbaren Handlungen zu fördern und wollten dies auch.
Am 08.01.2019 nahmen XXXX , XXXX und XXXX , XXXX als Berechtigtem des XXXX “ Vorhängeschlösser, Zigarettenpackungen, Bonier-Schlüssel, eine Handkasse sowie Billard- und Getränkegutscheine im Gesamtwert von EUR 568,50, weg, indem sie durch Aufdrücken eines Fensters ins Lokal gelangten. Der Beschwerdeführer trug als Beitragstäter zur Tathandlung, fremde bewegliche Sachen in einem EUR 5.000,00 nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch in ein Gebäude wegzunehmen, von XXXX , XXXX und XXXX bei, indem er mit dem Vorsatz, zur Tatausführung der unmittelbaren Täter beizutragen, diese mit seinem PKW zum Tatort brachte und dort auf sie wartete.
Am Abend des 17.03.2019 trafen sich der Beschwerdeführer, XXXX und XXXX und beschlossen, einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Taxilenker zu begehen, wobei nicht mehr feststellbar ist, von wem der Vorschlag dafür kam.
XXXX war mit dem PKW seines Vaters unterwegs.
Es wurde vereinbart, dass XXXX seine Komplizen mit seinem PKW in die Nähe des ins Auge gefassten Tatortes bringen und während der Tatausführung in der Nähe des Tatortes warten sollte, um sie samt der Raubbeute nach dem Überfall zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, während der Beschwerdeführer und der mit der Gas-Alarmpistole bewaffnete XXXX als unmittelbare Täter fungieren sollten.
XXXX fuhr mit seinen Komplizen zunächst ziellos in der Stadt umher, um einen geeigneten Tatort auszukundschaften, und der Beschwerdeführer kaufte in einem Internetcafé noch ein Handy, um mit diesem den Taxifunk anrufen zu können.
Gegen 4.00 Uhr früh des 18.03.2019 stellte schließlich XXXX sein Fahrzeug im Bereich der XXXX ab. Der Beschwerdeführer und XXXX verließen das Fahrzeug, der Beschwerdeführer nahm im Wissen der beiden anderen Täter die sich im Auto des XXXX befindliche und in dessen Eigentum stehende Waffe der Marke „RECK MIAMI 92F“ mit und sie gingen zu Fuß zu dem in unmittelbarer Nähe befindlichen Parkplatz des Fußballvereins XXXX , wobei sie sich mit ihren bis zu den Augen hochgezogenen T-Shirts sowie tief in den Kopf gezogenen Kapuzen ihrer Pullover vermummt hatten. Nachdem der Beschwerdeführer oder XXXX mit dem eigens für diesen Überfall gekauften Mobiltelefon über die Taxi-Zentrale 2801 mit verstellter Stimme ein Taxi zur angeführten Örtlichkeit bestellt hatte, näherte sich kurze Zeit später das von XXXX gelenkte Taxi.
Der Beschwerdeführer und XXXX setzten sich beide auf die Rückbank des Taxis und, nachdem sich XXXX zu den Angeklagten umgedreht hatte, um nach dem Fahrziel zu fragen, zog der Beschwerdeführer die Gas-Alarmpistole aus seinem Hosenbund, setzte diese dem Taxilenker im Bereich des rechten Ohrs an den Kopf und forderten beide Angeklagte in englischer Sprache mit den Worten „Money, Money, Money!“ die Herausgabe von Bargeld. Währenddessen griff XXXX nach vorne, öffnete das Handschuhfach und durchsuchte dieses. Der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen und der Gesten lautete, der Beschwerdeführer ist ernsthaft willens und in der Lage, XXXX unmittelbar, ohne Zeitverzug, eine Schussverletzung, dh eine Verletzung am Körper zuzufügen, wenn er das von ihm geforderte Geld nicht gegen seinen Willen herausgibt.
Völlig überrascht und durch die Schusswaffe eingeschüchtert holte XXXX seine Geldbörse hervor, in welcher sich zu diesem Zeitpunkt Bargeld in der Höhe von EUR 350,-, der Taxilenkerausweis des XXXX sowie der Zulassungsschein und die Tankkarte der XXXX befanden, und übergab diese an einen der Angeklagten.
Um zu verhindern, dass XXXX nach der Tat mit dem Fahrzeug davonfahren und umgehend die Polizei alarmieren kann sowie auch, damit er die Täter nicht so gut erkennt, zerstörte XXXX absichtlich die Brille des Taxilenkers, indem er diese zerdrückte. Um eine rasche Alarmierung der Polizei zu erschweren, forderten die Angeklagten XXXX zusätzlich auf, ihnen sein Tablet sowie sein Mobiltelefon der Marke HUAWEI P20 auszuhändigen, was er auch machte.
Die beiden Angeklagten nahmen XXXX schließlich noch seinen Fahrzeugschlüssel weg, damit dieser keine Verfolgung aufnehmen konnte.
Danach verließen der Beschwerdeführer und XXXX das Taxi und liefen zum Fahrzeug des XXXX , der vereinbarungsgemäß auf sie wartete. Nachdem sie in das Fahrzeug eingestiegen waren, fuhr XXXX in Richtung Wohnung des XXXX . Am Weg dorthin warf XXXX das Tablet, das Mobiltelefon und die Geldbörse des XXXX , aus der er zuvor das Bargeld entnommen hatte und in der sich der Zulassungsschein und die Tankkarte der XXXX sowie der Taxilenkerausweis des XXXX befanden, sowie das für diesen Überfall angeschaffte Mobiltelefon in die MUR.
Die Beute wurde schließlich unter XXXX , dem Beschwerdeführer und XXXX aufgeteilt.
XXXX wurde durch die Tat zwar nicht verletzt, erlitt jedoch einen heftigen Schock.
XXXX ist durch die Tat ein Schaden iHv EUR 285,- (EUR 150,- Brille; EUR 75,- pauschale Unkosten und EUR 60,- Mobiltelefon) und der XXXX ein Schaden iHv von insgesamt EUR 565,- (EUR 350,- Bargeld; EUR 140,- Tablet und EUR 75,- Fahrzeugschlüssel) entstanden.
Der Beschwerdeführer und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem der Beschwerdeführer ein Gasalarmpistole gegen den Genannten richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich die Geldbörse samt Bargeld iHv EUR 350,- abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich verwendete der Beschwerdeführer bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der von XXXX und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „RECK MIAMI 92F“, zur Verübung der Tat.
Nach erfolgreichem Raubüberfall auf XXXX einen Tag zuvor trafen sich der Beschwerdeführer, XXXX und XXXX am nächsten Tag, also am 19.03.2019 erneut, um wieder einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Taxifahrer zu verüben.
XXXX war wieder mit dem PKW seines Vaters unterwegs.
Alles sollte gleich ablaufen wie am Vortag.
Es wurde wieder vereinbart, dass XXXX seine Komplizen mit seinem PKW in die Nähe des ins Auge gefassten Tatortes bringt und während der Tatausführung in der Nähe des Tatortes warten sollte, um sie samt der Raubbeute nach dem Überfall zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, während der Beschwerdeführer und XXXX als unmittelbare Täter fungieren sollten.
Die Beute hätte wieder unter allen drei Angeklagten aufgeteilt werden sollen.
Auch hier kaufte der Beschwerdeführer ein Handy, um mit diesem in weiterer Folge ein Taxi rufen zu können.
In dem von XXXX gelenkten Fahrzeug suchten sie zunächst eine passende Örtlichkeit für den geplanten Raubüberfall, welche sie schließlich in der XXXX fanden. Gegen 3.00 Uhr des 19.03.2019 stellte XXXX sein Fahrzeug in einiger Entfernung zum beabsichtigten Tatort ab, um vereinbarungsgemäß nach verübter Raubtat seine Komplizen wiederum im Fahrzeug aufzunehmen.
XXXX übergab diesmal XXXX seine Waffe der Marke „RECK MIAMI 92F“, damit dieser sie beim Raubüberfall verwende, und wussten sämtliche beteiligte Angeklagte darüber Bescheid.
XXXX und der Beschwerdeführer verließen daraufhin das Fahrzeug, maskierten sich mit schwarzen Sturmhauben, begaben sich vor das Haus XXXX , wo XXXX mit einem eigens für diesen Raubüberfall gekauften Mobiltelefon über die Funkgruppe 889 ein Taxi bestellte.
Kurze Zeit später traf XXXX mit seinem Taxi ein. Dabei gerieten der Beschwerdeführer und XXXX jedoch in das Scheinwerferlicht des Fahrzeuges, weshalb die Angeklagten vermeinten, vom Taxilenker entdeckt worden zu sein. Sie gaben den Tatentschluss deswegen auf und flüchteten zu ihrem Komplizen XXXX .
In weiterer Folge erzählten sie ihm vom fehlgeschlagenen Raubüberfall und kamen überein, sich gleich einen anderen Tatort zu suchen und neuerlich einen Taxiraub zu begehen.
Der Beschwerdeführer und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper Bargeld in unbekannter Höhe abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich bzw. Dritte dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich wollte XXXX bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der vom Beschwerdeführer und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde und mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „RECK MIAMI 92F“, zur Verübung der Tat verwenden, wobei es nur deswegen nicht zur Durchführung des Raubüberfalls kam, weil der Beschwerdeführer und XXXX ins Scheinwerferlicht des Taxis gerieten, sich entdeckt wähnten und daher die Flucht ergriffen.
Nachdem XXXX und der Beschwerdeführer nach dem zuvor geschilderten fehlgeschlagenen Raubüberfall auf XXXX wieder in das Fahrzeug des XXXX gestiegen waren, beschlossen die drei, noch in derselben Nacht einen weiteren Raubüberfall auf einen Taxifahrer zu verüben. Auch diesmal sollte wiederum XXXX als Fahrer des Fluchtfahrzeuges fungieren, während der Beschwerdeführer und XXXX den Raubüberfall unter Verwendung der Waffe des XXXX unmittelbar begehen sollten, wobei sie nunmehr die XXXX als Tatort auswählten.
Gegen 4.00 Uhr Früh stellte XXXX sein Fahrzeug in unmittelbarer Tatortnähe ab, um tatplangemäß seine Komplizen XXXX und den Beschwerdeführer nach verübtem Raubüberfall wieder in dieses aufzunehmen. Der Beschwerdeführer und XXXX , die nach wie vor mit schwarzen Sturmhauben maskiert waren, begaben sich daraufhin zum Haus XXXX , wobei wiederum XXXX die angeführte Gas-Alarmpistole mit sich führte.
Nachdem XXXX mit dem eigens hiefür vom Beschwerdeführer beschafften Mobiltelefon über die Funkgruppe 889 ein Taxi zur angeführten Örtlichkeit beordert hatte, kam einige Minuten später das von XXXX gelenkte Taxi an.
Als dieses neben den beiden Angeklagten angehalten hatte, stiegen sie in das Fahrzeug ein, wobei sich XXXX auf den Beifahrersitz setzte, während der Beschwerdeführer auf der Rückbank Platz nahm.
Der Beschwerdeführer sagte zum Taxifahrer „Motor aus! Geldtasche her!“, während XXXX im selben Moment die Gas-Alarmpistole gegen den Taxifahrer richtete.
Gleichzeitig riss der Beschwerdeführer den Innenspiegel des Taxis aus der Verankerung, weil er vermutete, dass dort eine Kamera eingebaut wäre, und wurde dieser dadurch beschädigt.
Der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen und der Gesten lautete, XXXX ist ernsthaft willens und in der Lage, XXXX unmittelbar, ohne Zeitverzug, eine Schussverletzung, dh eine Verletzung am Körper zuzufügen, wenn er das von ihm geforderte Geld nicht gegen seinen Willen herausgibt.
Völlig überrascht und geschockt stellte XXXX umgehend das Fahrzeug ab, nahm seine im Fach der Fahrertür deponierte Geldbörse, in welcher sich Bargeld in der Höhe von ca. 170 Euro befand, hervor und händigte diese dem Beschwerdeführer aus.
Der Beschwerdeführer durchwühlte daraufhin die Mittelkonsole und forderte XXXX auf, ihm den Autoschlüssel auszuhändigen. Nachdem XXXX dem nachgekommen war, durchsuchten die Angeklagten weiter das Fahrzeug, wobei XXXX den Taxilenker weiterhin mit vorgehaltener Waffe in Schach hielt. Dabei fanden sie das Tablet und ein älteres Handy des XXXX und nahmen diese Gegenstände ebenso an sich. Um die rasche Alarmierung der Polizei zu verhindern, riss XXXX schließlich das Funkgerät des Taxifahrzeugs aus der Verankerung und beschädigte überdies die Registrierkasse des Fahrzeugs.
Schließlich verließen der Beschwerdeführer und XXXX fluchtartig das Fahrzeug und liefen tatplangemäß zu ihrem in seinem Fahrzeug wartenden Komplizen XXXX zurück. Dabei warf der Beschwerdeführer den Fahrzeugschlüssel in hohem Bogen weg, während sich XXXX des Tablets entledigte. Der Beschwerdeführer warf die Geldbörse in unbekanntem Wert, in welcher sich der Taxischein des XXXX befand, ebenfalls weg. Während das Tablet schließlich wieder sichergestellt und XXXX unbeschädigt ausgefolgt werden konnte, konnten der Fahrzeugschlüssel, die Geldbörse und der Taxischein nicht mehr vorgefunden werden.
Nachdem der Beschwerdeführer und XXXX in das Fahrzeug des XXXX eingestiegen waren, fuhr dieser davon und sie teilten in weiterer Folge die Raubbeute untereinander auf. Aufgrund des „großen Erfolgs“ vereinbarten die drei Angeklagten, am nächsten Tag wiederum einen Taxifahrer zu überfallen.
XXXX blieb unverletzt, erlitt jedoch einen Schock.
XXXX als Taxiunternehmer und Eigentümer des gegenständlichen Taxis entstand durch den Überfall ein Gesamtschaden von EUR 834,70. Dieser setzt sich zusammen aus der weggenommenen Tageslosung iHv EUR 145,70, EUR 110,- für die Neuprogrammierung des Keyless-Key (Fahrzeugschlüssel) und EUR 150,- für den Wiedereinbau und die Verkabelung der Registrierkasse.
Darüber hinaus konnte das gegenständliche Taxi – aufgrund des Überfalls – 3 Tage nicht für Taxifahrten herangezogen werden (Schaden ebenso zum Nachteil des XXXX , Stehtage, EUR 3x EUR 143,--).
XXXX ist durch die Tat ein Schaden iHv ca. EUR 100,- entstanden. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus EUR 30,- bis EUR 50,- an weggenommenem Wechselgeld; Wiederbeschaffungskosten für den Taxischein iHv EUR 20,-; Wert des weggenommenen Handys und der weggenommenen Geldbörse jeweils etwa EUR 20,-.
Der Beschwerdeführer und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem XXXX eine Gasalarmpistole gegen den Genannten richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich die Geldbörse samt Bargeld iHv ca. EUR 170,- abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich bzw. Dritte dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich verwendete XXXX bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der vom Beschwerdeführer und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „RECK MIAMI 92F“, zur Verübung der Tat.
Der Beschwerdeführer wusste, dass er über den Taxischein des XXXX , also eine Urkunde, nicht verfügen durfte, nahm sie trotzdem als Inhalt der Geldbörse an sich. Er hielt es ernstlich für möglich, dass er durch das Wegwerfen der Urkunde, also deren Unterdrückung, verhinderte, dass diese von XXXX im Rechtsverkehr benutzt werden kann, und fand sich damit ab.
Der Beschwerdeführer wusste darüber hinaus, dass, indem er die Geldbörse sowie den Fahrzeugschlüssel des XXXX wegwarf, die Berechtigten ( XXXX und XXXX ) dadurch geschädigt wurden, dass er die angeführten Gegenstände aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, und wollte er dies auch.
Der Beschwerdeführer und XXXX wussten, dass sie durch das Herausreißen des Innenspiegels bzw. des Funkgerätes sowie der Registrierkasse des Taxis diese, sohin fremde bewegliche Sachen, zerstören und dadurch dem XXXX ein Schaden zufügen, und wollten sie dies auch.
Vereinbarungsgemäß trafen sich der Beschwerdeführer, XXXX und XXXX um 1.00 Uhr Früh des 20.03.2019 in der Wohnung des XXXX in der XXXX , um neuerlich einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Taxilenker zu begehen. Geplant war dieselbe Vorgehensweise wie bei den Raubüberfällen zuvor, nämlich, dass XXXX wieder das Fluchtfahrzeug lenken sollte und der Beschwerdeführer und XXXX als unmittelbare Täter fungieren sollten, und zwar unter Verwendung der Waffe des XXXX . Diesmal war der Beschwerdeführer mit der angeführten Gas-Alarmpistole bewaffnet.
Nachdem sie zuvor wiederum mit dem Fahrzeug des XXXX unterwegs nach geeigneten Tatörtlichkeiten Ausschau gehalten hatten, entschlossen sich die Angeklagten, den geplanten Raubüberfall vor dem Haus XXXX auszuführen. Tatplangemäß stellte XXXX sein Fahrzeug in unmittelbarer Tatortnähe ab, um seine Komplizen nach verübter Tat zur schnelleren Flucht wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen.
Nachdem XXXX und der Beschwerdeführer, welche wiederum maskiert waren, das Fahrzeug verlassen und sich zu Fuß zum Haus XXXX begeben hatten, rief XXXX mit einem eigens für diesen Überfall vom Beschwerdeführer beschafften Mobiltelefon die Funkgruppe 878 an und beorderte ein Taxi zur angeführten Örtlichkeit. Nachdem das vom Taxifahrer XXXX gelenkte Taxi aufgrund dieser Bestellung eingetroffen war und dort angehalten hatte, stiegen die beiden Angeklagten tatplangemäß in das Fahrzeug, wobei XXXX das Fahrzeug über die hintere Türe der Fahrerseite bestieg und auf der Rückbank Platz nahm, während der Beschwerdeführer die Beifahrertüre aufriss und die Schusswaffe mit den Worten „Geld her! Brieftasche her!“ auf den Taxilenker richtete.
Der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen und der Gesten lautete, der Beschwerdeführer ist ernsthaft willens und in der Lage, XXXX unmittelbar, ohne Zeitverzug, eine Schussverletzung, dh eine Verletzung am Körper zuzufügen, wenn er das von ihm geforderte Geld nicht gegen seinen Willen herausgibt.
Während der Beschwerdeführer den Taxilenker mit vorgehaltener Schusswaffe in Schach hielt, riss er mit der anderen Hand den im Innenspiegel befindlichen Taxameter sowie das Funkgerät des Taxifahrzeugs aus der Verankerung und durchwühlte das Handschuhfach.
Gleichzeitig durchsuchte XXXX die Mittelkonsole nach weiterer Raubbeute. Überrascht und schockiert übergab XXXX zunächst aus seiner privaten Geldbörse einen Bargeldbetrag von EUR 70,- und händigte schließlich auch seine Taxigeldbörse, in welcher sich ein Bargeldbetrag von EUR 255,- befand, aus.
Nachdem XXXX den Autoschlüssel abgezogen und an sich genommen hatte, öffnete XXXX die Fahrertüre und schrie lautstark um Hilfe. Daraufhin lief der Beschwerdeführer um das Fahrzeug zur Fahrertüre, während auch XXXX rasch aus dem Taxi ausstieg. Die beiden Angeklagten versetzten XXXX in der Folge mehrere Faustschläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, um ihn dazu zu bringen, von weiteren Hilferufen Abstand zu nehmen. Als sie dabei das weiße Kabel seines am Mobiltelefon angeschlossenen Kopfhörers bemerkten, forderten sie ihn während dieser Schläge überdies auf, ihnen umgehend das Mobiltelefon auszuhändigen. Aufgrund dieser Tätlichkeiten beendete XXXX seine Hilferufe und händigte den Angeklagten sein Mobiltelefon der Marke HUAWEI aus.
Nachdem XXXX auf die Hilferufe aufmerksam geworden war und das Fenster geöffnet und „He“ hinausgerufen hatte, verließen der Beschwerdeführer und XXXX fluchtartig die Tatörtlichkeit, nachdem sie noch zuvor den Fahrzeugschlüssel in die Wiese warfen, und liefen zu ihrem in seinem Fahrzeug wartenden Komplizen XXXX . Dort bestiegen sie das Fahrzeug und fuhren davon. Danach teilten sie schließlich die Raubbeute unter sich auf.
Der Beschwerdeführer behielt die Waffe des XXXX bei sich, gab sie in eine Sporttasche und versteckte diese bei einer Bekannten, wo sie schließlich durch die Polizei sichergestellt wurde.
XXXX erlitt durch die geschilderten Tätlichkeiten eine Kopfprellung sowie Hämatome und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand. Sein Mobiltelefon, welches von einem der beteiligten Angeklagten auf der Flucht weggeworfen worden war, konnte aufgefunden und dem Raubopfer rückausgefolgt werden.
XXXX entstand durch die Wegnahme des in seinem Eigentum stehenden Wechselgeldes ein Schaden iHv EUR 130,-. Der zum Nachteil der XXXX entstandene Sachschaden durch die Beschädigung des Innenspiegels sowie des Funkgerätes des Taxifahrzeugs beläuft sich auf insgesamt EUR 993,10.
Der Beschwerdeführer und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem XXXX eine Gas-Alarmpistole gegen den Genannten richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld iHv EUR 325,- abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich bzw. Dritte dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich verwendete XXXX bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der von XXXX und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „RECK MIAMI 92F“, zur Verübung der Tat.
XXXX und der Beschwerdeführer wussten, dass sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken, durch das Versetzen von mehreren Schlägen gegen den Kopf und Oberkörper des XXXX , zum einen diesen mit Gewalt zu einem Unterlassen sowie einer Handlung, nämlich zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen und der Herausgabe eines Mobiltelefones, nötigen und zum anderen dadurch am Körper verletzen, und wollten dies auch.
Der Beschwerdeführer wusste, dass er durch Herausreißen des Funkgerätes sowie des Innenspiegels samt Taxameter diese, sohin fremde bewegliche Sachen, zerstört und dadurch der XXXX ein Schaden entsteht, und wollte dies auch.
Am 20.03.2019 wurde der Beschwerdeführer von der Sondereinsatztruppe COBRA festgenommen. Von 20.03.2019 bis 22.11.2019 wurde er in der Justizanstalt XXXX XXXX in Untersuchungshaft angehalten. Während der Untersuchungshaft in der Justizanstalt XXXX XXXX wurde der Beschwerdeführer zu Ordnungsstrafen verfällt: am 30.09.2019 zu einem Verweis, am 23.10.2019 zu einer Geldbuße. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer während der Anhaltung in Strafhaft zu weiteren Ordnungsstrafen verfällt wurde.
Der Beschwerdeführer wurde wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB, des Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 143 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Dabei wertete der Oberste Gerichtshof erschwerend das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen samt der zweifachen Raubqualifikation und der Tatwiederholung (§ 33 Abs. 1 Z 1 StGB) und als mildernd die bisherige Unbescholtenheit (§ 34 Abs. 1 Z 3 StGB), den Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind (§ 34 Abs. 1 Z 13 StGB), die teilweise Schadensgutmachung (§ 34 Abs. 1 Z 14 StGB) und das reumütige Geständnis (§ 34 Abs. 1 Z 17 StGB). Vor diesem Hintergrund erachtete der Oberste Gerichtshof beim Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren als tat- und schuldangemessen. Dabei war neben der massiven Delinquenz vor allem die reifliche Planung und Vorbereitung der Taten sowie die besonders brutale, rücksichtslose und für die jeweiligen Opfer traumatisierende Tatbegehung anlässlich der jeweiligen Raubüberfälle zu berücksichtigen (§ 32 Abs. 3 StGB), die sich etwa im Ansetzen der Tatwaffe an den Kopf des Opfers beim Beschwerdeführer und im Reptieren der Tatwaffe bei XXXX manifestierte.
Er lebte nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft am 22.11.2019 bis zum Haftantritt am 09.08.2021 mit seiner Gattin und den Kindern zusammen in der Wohnung in XXXX , wobei sie im MÄRZ 2021 in eine private Mietwohnung in der XXXX in XXXX umzogen.
Bis zum Haftantritt bezog der Beschwerdeführer Notstandshilfe und Überbrückungshilfe mit zwei Bezugsunterbrechungen, weil er Kontrolltermine am AMS nicht einhielt. Während der Hauptverhandlung war er von 16.06.2020 bis 06.07.2020 im Friseursalon ÖMER angemeldet. Es kann nicht festgestellt werden, dass er in diesen 20 Tagen dort tatsächlich arbeitete.
Der Beschwerdeführer ging sohin in diesen 20 Monaten keiner Erwerbsarbeit nach und machte keine Aus- oder Fortbildung, auch nicht den Lehrabschluss. Er hielt Kontrolltermine beim AMS nicht ein und war weitehrin suchtmittelabhängig.
Nach Haftantritt am 09.08.2021 in der Justizanstalt XXXX - XXXX wurde der Beschwerdeführer bis 25.10.2021 wegen Entzugssymptomen behandelt (CATAPRESAN, QUETIAPIN, RIVOTRIL, TRAMABENE und TRILEPTAL). Die Drogengruppe zur Suchtentwöhnung im Rahmen einer forensisch therapeutischen Intervention verweigerte der Beschwerdeführer im NOVEMBER 2021. Betreffend die Spielsucht (Automaten) war er nicht störungseinsichtig. Dem Beschwerdeführer wurde im FEBRUAR 2022 angeboten, nach ehrlicher Auseinandersetzung mit seinen Risikofaktoren vielleicht in die Außenstelle XXXX überstellt zu werden oder Lockerungen zu bekommen. Im NOVEMBER 2022 schloss der Beschwerdeführer die Drogengruppe ab, musste aber wegen mangelnder Arbeitsleistung und unentschuldigten Fehlzeiten im Arbeitsbetrieb abgemeldet werden. Die von ihm begehrte Überstellung in die Außenstelle wurde ihm bei entsprechender Arbeitsleistung in Aussicht gestellt. Ab JÄNNER 2023 wurde der Beschwerdeführer in der Außenstelle XXXX angehalten, ab 06.02.2023 befand er sich im gelockerten Vollzug. Seine Arbeitsleistung war danach sehr gut und seine Führung ruhig und entsprechend. In der Strafhaft hat er für die Firma XXXX sowie für Baufirmen gearbeitet, auch als Schweißer-Vorarbeiter. In der Strafhaft wurde der Beschwerdeführer von seiner Gattin, seinen Kindern, seinen Eltern, Geschwistern und Freunden besucht.
Eine Therapie wegen seiner Automatenspielsucht machte er nicht.
Den Antrag des Beschwerdeführers auf bedingte Entlassung mit 06.12.2023 lehnte das Landesgericht für Strafsachen mit Beschluss vom 19.09.2023 ab, da generalpräventive Erwägungen einer bedingten Entlassung entgegenstanden. Die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte stellen einen Fall mit einem dermaßen hohen sozialen Störwert dar, dass es auf Grund der Schwere der Tat des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Positiv wurde das positive Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers und Absolvierung von Therapien sowie seine Einsicht, dass die Vorbereitung eines Entlassungssettings hilfreich wäre, beurteilt.
Seit 05.03.2024 verbüßt der Beschwerdeführer seine Freiheitsstrafe im elektronisch überwachten Hausarrest. Er lebt an der Adresse seiner Gattin und seiner Kinder.
Der Beschwerdeführer ist von seiner Spielsucht abgesehen gesund und arbeitsfähig. Es hat kein chronisches Rückenleiden und bedarf keiner Behandlung. Er macht Fitness.
Der Beschwerdeführer kann bei Haftentlassung in einer Pizzeria zu arbeiten beginnen. Einerseits will er den Lehrabschluss machen und als Mechaniker arbeiten, andererseits will er „in den Gastro-Bereich hineinschnuppern“ und sich mit italienischem Essen selbständig machen; eine diesbezügliche Ausbildung oder Arbeitserfahrung hat er nicht. Er hatte bei der Verurteilung Schulden iHv € 1.500. Das Bezirksgericht XXXX XXXX hatte den Kindern des Beschwerdeführers ab 01.06.2019 Unterhaltsvorschuss gewährt, der bis zur Entlassung aus der Untersuchungshaft mit Ablauf NOVEMBER 2019 ausbezahlt wurde. Wegen Mittellosigkeit wurde der Beschwerdeführer als Unterhaltsschuldner nicht zur Rückzahlung verfällt.
Den Antrag seiner Kinder auf Unterhaltsvorschuss ab Antritt der Strafhaft wies das Bezirksgericht XXXX XXXX ab, weil die Gattin des Beschwerdeführers keine aktuelle Verfolgung glaubhaft machen konnte. Die Kinder und die Gattin des Beschwerdeführers bestreiten den Lebensunterhalt durch Kinderbeihilfe und Sozialhilfe, die Gattin des Beschwerdeführers seit 2023 auch durch Erwerbseinkommen. Der Beschwerdeführer beabsichtigt, bei Haftentlassung durch sein Häftlingskonto die zwischenzeitig akkumulierten Schulden zu bedienen.
Die Gattin des Beschwerdeführers ist aktuell XXXX Jahre alt und lebt als Asylberechtigte in Österreich, zuletzt wurde ihr im NOVEMBER 2022 ein Konventionsreisepass ausgestellt. Sie spricht sehr gut Deutsch und arbeitet seit FEBRUAR 2023 als Kinderbetreuerin. Sie ist gesund und braucht keine Therapien oder Unterstützung.
Die Tochter XXXX ist aktuell XXXX Jahre alt und gesund und besucht seit diesem Schuljahr die 1. Klasse Volksschule.
Die Zwillinge XXXX und XXXX sind jetzt XXXX Jahre alt und besuchen den Kindergarten. Auch die Tochter XXXX benötigt keinen Integrationsplatz im Kindergarten.
Die Gattin des Beschwerdeführers wurde während dessen Strafhaft in der Kinderbetreuung vor allem von ihren Schwägerinnen XXXX und XXXX unterstützt, die abwechselnd je eine Woche nach der Schule bei ihr verbringen. Weiters unterstützen sie ihre Schwiegereltern und ihr Schwager.
Der Vater des Beschwerdeführers ist XXXX Jahre alt. Er ist russischer Staatsangehöriger, Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Er reiste mit seiner Familie nach Österreich ein und stellte 2004 einen Asylantrag. 2005 erkannte ihm das Bundesamt den Status des Asylberechtigten zu. Zuletzt wurde ihm im APRIL 2022 ein Konventionsreisepass ausgestellt. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet seit OKTOBER 2022 bei XXXX . Er hat gesundheitliche Probleme, die behandelt werden, braucht aber keine Unterstützung.
Die Mutter des Beschwerdeführers ist XXXX Jahre alt. Sie ist russische Staatsangehörige, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Sie reiste mit ihrer Familie nach Österreich ein und stellte 2004 einen Asylantrag. 2005 erkannte ihr das Bundesamt den Status der Asylberechtigten zu. Zuletzt wurde ihr im APRIL 2022 ein Konventionsreisepass ausgestellt. Die Mutter des Beschwerdeführers war abgesehen von einer Woche bei einem Bäcker 2018 bei einem Sozialprojekt, 2018-2022 immer wieder geringfügig bei der XXXX tätig. Sie leidet an FIBROMYALGIE und ist seit einem Jahr im Krankenstand. Ihr Gatte und ihre Kinder helfen ihr im Haushalt. Darüber hinaus bedarf sie keiner Unterstützung.
Die XXXX geborene Schwester XXXX ist noch nicht erwerbstätig, die XXXX geborene Schwester XXXX arbeitete im JULI 2023 bei XXXX . Sie machen das BORG bzw. die HAK. Der volljährige Bruder XXXX war immer wieder kurzfristig erwerbstätig, zuletzt von 12.-20.06.2023 bei einem Personaldienstleister. Jetzt hat er sein eigenes Unternehmen. Er hat 2021 als einziger in seiner Familie die österreichische Staatsbürgerschaft erworben. Seine Schwestern sind weiterhin russische Staatsangehörige. Den Schwestern wurden zuletzt im APRIL 2022 Konventionsreisepässe ausgestellt.
Der Vater, die Mutter und die Schwestern des Beschwerdeführers leben in XXXX in einer Gemeindewohnung am XXXX , die Gattin des Beschwerdeführers und seine Kinder seit 2021 in der XXXX in XXXX . Der Bruder XXXX lebt, nachdem er 2017 bei seinen Eltern ausgezogen war und an unbekannten Adressen nächtigte bzw. 2018-2019 obdachlos gemeldet war, seit DEZEMBER 2021 wieder mit seinen Eltern und Schwestern an derselben Adresse; dazwischen war er auch beim Beschwerdeführer gemeldet.
Die Eltern, Geschwister und Gattin des Beschwerdeführers sind unbescholten.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich war zu keinem Zeitpunkt iSd § 46a FPG geduldet. Er hat die österreichische Staatsbürgerschaft nicht angenommen, noch die eines anderen Mitgliedsstaats der Europäischen Union und verfügt abgesehen vom Aufenthaltsrecht als Asylberechtigter über kein Aufenthaltsrecht im Gebiet der Mitgliedsstaaten. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist weder zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen, noch zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt, weswegen eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382c EO erlassen hätte werden können; eine solche wurde auch nicht erlassen.
Der Abschiebung des Beschwerdeführers steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegen.
Dem Beschwerdeführer droht bei seiner Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION weder Verfolgung als TSCHETSCHENE, noch als Moslem. Ihm droht weder als Rückkehrer in die RUSSISCHE FÖDERATION noch wegen der Asylberechtigung in Österreich Verfolgung in der RUSSISCHEN FÖDERATION. Ihm droht keine Verfolgung, weil sein Vater bis vor dem zweiten Tschetschenienkrieg als Wächter im Präsidentenpalast gearbeitet hatte, ebensowenig, weil sein Vater im zweiten Tschetschenienkrieg Freunde, die kämpften, mit Lebensmitteln unterstützte. Der Beschwerdeführer selbst hatte vor der Ausreise aus der RUSSISCHEN FÖDERATION keine Probleme mit Sicherheitsbehörden, ihm droht daher auch keine Verfolgung aus diesem Grund. Weder der Beschwerdeführer noch sein Vater sind journalistisch, als Blogger oder Menschenrechtsaktivisten, polititsch oder exilpolitisch tätig.
Der Beschwerdeführer ist auf Grund der Änderung des Gesetzes über die Wehrpflicht und die Erhöhung des Alters für die Wehrpflicht von 27 auf 30 Jahre gerade noch im wehrpflichtigen Alter. Er war nicht bei der Stellung. Er hat keinen Einberufungsbefehl. Er kann sich für den Wehrersatzdienst bewerben. Selbst bei Einberufung zum Militärdienst droht ihm kein Einsatz in der UKRAINE, weil Wehrpflichtige nicht in der UKRAINE eingesetzt werden. Ihm droht jedenfalls außerhalb des NORDKAUKASUS keine Zwangsrekrutierung zu Freiwilligenbataillonenen. Er hat kein Wehrdienstbuch und gehört nicht der aktiven Reserve an. Die Teilmobilisierung wurde zudem mit OKTOBER 2022 abgeschlossen, derzeit findet keine Teilmobilisierung statt. Das Kriegsrecht wurde in der RUSSISCHEN FÖDERATION nicht ausgerufen.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er hat keinen Behandlungsbedarf. Er hat vier Jahre lang die Berufsschule als KFZ-Techniker besucht und als Lehrling in diesem Bereich gearbeitet, danach als Security und in der Strafhaft auch für eine Auspufffirma und Baufirmen. Er kann diese Arbeitserfahrung einsetzen. Er hat zwei Klassen Grundschule in der RUSSISCHEN FÖDERATION absolviert und spricht neben der Muttersprache TSCHETSCHENISCH jedenfalls auch grundlegend russisch und kann diese Sprache lesen und schreiben. Er kann sich daher auch in anderen Landesteilen der RUSSISCHEN FÖDERATION außerhalb des NORDKAUKASUS ansiedeln und dort seinen Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit bestreiten. Zudem kann er das Sozialsystem der RUSSISCHEN FÖDERATION in Anspruch nehmen und seine Angehörigen können ihn von Österreich aus unterstützen. Er hat jedenfalls auch weitschichtige Verwandte in der RUSSISCHEN FÖDERATION. Die medizinische Grundversorgung ist in der RUSSISCHEN FÖDERATION gewährleistet. Er wird daher in der RUSSISCHEN FÖDERATION nicht in eine aussichtslose Lage geraten.
Die Gattin und die Kinder des Beschwerdeführers sind ebenfalls russische Staatsangehöriger. Sie können den Beschwerdeführer in der RUSSISCHEN FÖDERATION besuchen, da sie selbst in der RUSSISCHEN FÖDERATION keiner Verfolgung ausgesetzt sind oder waren; ihnen kommt der Status von Asylberechtigten im Wege der Erstreckung (Gattin) bzw. im Familienverfahren (Kinder) zu. Der Beschwerdeführer und seine Gattin haben die gemeinsame Obsorge für die Kinder. Deren Muttersprache ist Tschetschenisch.
Es sind auch Besuche in einem Drittstaat möglich. Zudem können sie den Kontakt durch elektronische Medien aufrechterhalten. Der Gattin und den Kindern des Beschwerdeführers ist es auch möglich, mit dem Beschwerdeführer in die RUSSISCHE FÖDERATION zu ziehen.
Der Beschwerdeführer kann den Kontakt mit seinen Eltern und Geschwister ebenfalls durch elektronische Medien und Besuche – sei es in einem Drittstaat, sei es in der RUSSISCHEN FÖDERATION – aufrechterhalten.
Die allgemeine Lage in der RUSSISCHEN FÖDERATION stellt sich wie folgt dar:
Politische Lage
Letzte Änderung 2023-06-29 09:32
Russland ist eine Präsidialrepublik mit föderativem Staatsaufbau (AA 22.2.2023a). Das Regierungssystem Russlands wird als undemokratisch (autokratisch) bzw. autoritär eingestuft (BS 2022; vgl. EIU 2.2.2023, UG 3.2023, FH 24.5.2023, Russland-Analysen 20.6.2022). Die im Verfassungsartikel 10 vorgesehene Gewaltenteilung (Duma 6.10.2022; vgl. AA 22.2.2023b) ist de facto stark eingeschränkt (AA 22.2.2023b). Das politische System ist zentral auf den Präsidenten ausgerichtet (AA 28.9.2022; vgl. FH 2023, Russland-Analysen 20.6.2022), was durch den Begriff der Machtvertikale ausgedrückt wird (SWP 19.4.2022). Gemäß Artikel 83 der Verfassung der Russischen Föderation ernennt der Staatspräsident (nach Bestätigung durch die Staatsduma) den Regierungsvorsitzenden und entlässt ihn. Der Präsident leitet den Sicherheitsrat der Russischen Föderation und schlägt dem Föderationsrat die neuen Mitglieder der Höchstgerichte vor. Laut Verfassungsartikel 129 werden der Generalstaatsanwalt sowie die Staatsanwälte der Subjekte der Russischen Föderation nach Beratungen mit dem Föderationsrat vom russischen Präsidenten ernannt und von diesem entlassen. Darüber hinaus ernennt und entlässt der Präsident die Vertreter im Föderationsrat, bringt Gesetzesentwürfe ein, löst die Staatsduma auf und ruft den Kriegszustand aus (Artikel 83-84, 87). Der Präsident bestimmt die grundlegende Ausrichtung der Innen- und Außenpolitik (Verfassungsartikel 80) (Duma 6.10.2022). Seit dem Jahr 2000 wird das Präsidentenamt (mit einer Unterbrechung von 2008 bis 2012) von Wladimir Putin bekleidet (BS 2022). Der Präsident der Russischen Föderation wird laut Verfassungsartikel 81 für eine Amtszeit von sechs Jahren von den Bürgern direkt gewählt (Duma 6.10.2022). Die letzte Präsidentschaftswahl fand am 18.3.2018 statt. Ein echter Wettbewerb fehlte. Auf kritische Stimmen wurde Druck ausgeübt (OSCE 6.6.2018). Putins einflussreicher Rivale Alexej Nawalnyj durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Nawalnyj war zuvor in einem als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden (FH 2023). Es wurden Transparenzmängel bei der Präsidentenwahl 2018 festgestellt (OSCE 6.6.2018). Die Geldquellen für Putins Wahlkampagne waren undurchsichtig (FH 2023). Auch kam es zu Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Einhaltung des Wahlgeheimnisses. Die Wahlbeteiligung lag laut der Zentralen Wahlkommission bei 67,47 %. Als Sieger der Präsidentenwahl 2018 ging Putin mit 76,69 % der abgegebenen Stimmen hervor (OSCE 6.6.2018). Regierungsvorsitzender ist Michail Mischustin (PM o.D.).
Die Verfassung der Russischen Föderation wurde per Referendum am 12.12.1993 angenommen. Am 1.7.2020 fand eine Volksabstimmung über eine Verfassungsreform statt (RI 4.7.2020). Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 65 % der Stimmberechtigten stimmten laut russischer Wahlkommission knapp 78 % für und mehr als 21 % gegen die Verfassungsänderungen (KAS 7.2020; vgl. BPB 2.7.2020). Die Verfassungsänderungen ermöglichen Putin, für zwei weitere Amtsperioden als Präsident zu kandidieren. Diese Regelung gilt nur für Putin und nicht für andere zukünftige Präsidenten (FH 2023). Unter anderem erhält durch die Verfassungsreform (2020) das russische Recht Vorrang vor internationalem Recht. Weitere Verfassungsänderungen betreffen beispielsweise die Betonung traditioneller Familienwerte sowie die Definition Russlands als Sozialstaat. Dies verleiht der Verfassung einen sozial-konservativen Anstrich. Die Verfassungsreform und der Verlauf der Volksabstimmung sorgten für Kritik (KAS 7.2020; vgl. BPB 2.7.2020, RI 4.7.2020).
Das Parlament (Föderalversammlung) besteht gemäß Verfassungsartikel 94 und 95 aus zwei Kammern, dem Föderationsrat und der Staatsduma (Duma 6.10.2022). Dem Parlament fehlt es an Unabhängigkeit von der Exekutive (USDOS 20.3.2023). Gemäß Verfassungsartikel 95 werden die Mitglieder des Föderationsrates für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt (mit Ausnahme der auf Lebenszeit ernannten Mitglieder). Zu den Kompetenzen des Föderationsrats gehören laut Verfassungsartikel 102: Bestätigung des präsidentiellen Erlasses über die Verhängung des Ausnahme- und Kriegszustands; sowie Amtsenthebung des Präsidenten. Gemäß Verfassungsartikel 95 und 96 werden die 450 Duma-Abgeordneten für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt (Duma 6.10.2022). Es gibt eine Fünfprozenthürde (OSCE 25.6.2021; vgl. RN 6.10.2021). Die Hälfte der Duma-Mitglieder wird durch Verhältniswahlsystem (Parteilisten), die andere Hälfte durch Einerwahlkreise (Direktmandat) gewählt (FH 2023; vgl. Russland-Analysen 1.10.2021, KAS 21.9.2021). Die letzten Dumawahlen fanden im September 2021 statt und waren laut Wahlbeobachtern und unabhängigen Medien von beträchtlichen Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet, darunter Stimmenkauf, Fälschung von Wahlprotokollen und Druck auf Wähler (FH 28.2.2022; vgl. SWP 14.10.2021, Russland-Analysen 1.10.2021, KAS 21.9.2021). Im Allgemeinen ist Wahlbetrug weitverbreitet, was insbesondere im Nordkaukasus deutlich wird (BS 2022). Die Wahlbeteiligung bei der letzten Dumawahl betrug 52 % (FH 2023; vgl. Russland-Analysen 1.10.2021, RN 6.10.2021). Mit großem Vorsprung gewann die Regierungspartei Einiges Russland die Wahl, so das offizielle Wahlergebnis (FH 28.2.2022). Die Partei Einiges Russland verfügt über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, welche erforderlich ist, um Verfassungsänderungen durchzusetzen. Vier weiteren Parteien gelang der Einzug ins Parlament, welche allesamt als kremltreue ‚System-Opposition’ bezeichnet werden (SWP 14.10.2021). Viele regimekritische Kandidaten waren von der Wahl ausgeschlossen worden (SWP 14.10.2021; vgl. Russland-Analysen 1.10.2021). Anti-System-Oppositionsbewegungen wurden verboten bzw. zur Selbstauflösung gezwungen (KAS 21.9.2021). Neue politische Parteien können in der Regel nur dann registriert werden, wenn sie die Unterstützung der Machthaber im Kreml genießen (AA 28.9.2022). Aktuell sieht die Sitzverteilung der Parteien in der Staatsduma folgendermaßen aus (Duma o.D.):
• Einiges Russland (Edinaja Rossija): 322 Sitze (Parteivorsitzender Wladimir Wasilew)
• Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF): 57 Sitze (Parteivorsitzender Gennadij Sjuganow)
• sozialistische Partei ‚Gerechtes Russland - Patrioten - Für die Wahrheit’ (Sprawedliwaja Rossija - Patrioty - Sa Prawdu): 28 Sitze (Parteivorsitzender Sergej Mironow)
• Liberal-Demokratische Partei Russlands (LDPR): 23 Sitze (Parteivorsitzender Leonid Sluzkij)
• Neue Leute (Nowye Ljudi): 15 Sitze (Parteivorsitzender Aleksej Netschaew)
• Zwei Duma-Abgeordnete gehören keiner Fraktion an.
• Drei Abgeordnetenmandate sind derzeit unbesetzt (Duma o.D.).
Die LDPR ist antiliberal-nationalistisch-rechtspopulistisch ausgerichtet (SWP 14.10.2021; vgl. KAS 21.9.2021). Die Partei Neue Leute wurde im Jahr 2020 gegründet und ist eine liberale Mitte-Rechts-Partei. Die Partei ‚Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit’ vertritt sozialpatriotische Inhalte (KAS 21.9.2021).
Die föderale Struktur der Russischen Föderation ist in der Verfassung festgeschrieben. Laut Verfassungsartikel 66 kann der Status von Föderationssubjekten in beiderseitigem Einvernehmen zwischen der Russischen Föderation und dem betreffenden Föderationssubjekt im Einklang mit dem föderalen Verfassungsgesetz geändert werden (Duma 6.10.2022). Russland besteht aus 83 Föderationssubjekten. Föderationssubjekte verfügen über eine eigene Legislative und Exekutive, sind aber weitgehend vom föderalen Zentrum abhängig (AA 22.2.2023b). Es besteht ein Trend der zunehmenden Zentralisierung des russischen Staates (ZOIS 3.11.2021; vgl. FH 24.5.2023). Moskau sichert sich die Unterstützung der regionalen Eliten durch gezielte Zugeständnisse (ZOIS 3.11.2021).
Die 2014 von Russland vorgenommene Annexion der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol ist international nicht anerkannt (AA 22.2.2023b). Am 21.2.2022 wurden die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete der ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk von Putin als unabhängig anerkannt. Am 24.2.2022 startete Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine (Eur-Rat 16.8.2022). Im September 2022 fanden in den beiden ukrainischen ‚Volksrepubliken’ Donezk und Luhansk sowie in den ukrainischen Regionen Cherson und Saporischschja ‚Referenden’ über den Beitritt zur Russischen Föderation statt. Laut den offiziellen Wahlergebnissen stimmten in der ’Volksrepublik’ Donezk 99,23 % der Wähler für einen Beitritt, in der ‚Volksrepublik’ Luhansk 98,42 %, in Cherson 87,05 % und in Saporischschja 93,11 % (Lenta 27.9.2022). Die ‚Referenden’ in den vier von Russland besetzten ukrainischen Gebieten werden von den Vereinten Nationen als völkerrechtswidrig bezeichnet und international nicht anerkannt (UN 27.9.2022; vgl. Standard 30.9.2022). Die Abstimmung fand nicht nur in Wahllokalen statt, sondern prorussische De-facto-Behörden gingen außerdem mit den Wahlurnen und in Begleitung von Soldaten von Tür zu Tür (UN 27.9.2022). Die ‚Stimmabgaben’ erfolgten unter Zwang und Zeitdruck (Rat der EU 28.9.2022). Demokratische Mindeststandards wurden nicht eingehalten (Standard 30.9.2022). Die ‚Referenden’ missachteten die ukrainische Verfassung sowie Gesetze und spiegeln nicht den Willen der Bevölkerung wider (UN 27.9.2022). Nach dem Ende der Scheinreferenden baten die Anführer der prorussischen Separatisten in den ukrainischen Regionen Luhansk und Cherson den russischen Präsidenten Putin um Annexion dieser Regionen (NDR/T 28.9.2022). Am 29.9.2022 wurde die ‚staatliche Souveränität’ und ‚Unabhängigkeit’ der Regionen Cherson und Saporischschja von Putin per Erlass anerkannt (RI 30.9.2022a; vgl. RI 30.9.2022b). Im Kreml in Moskau fand am 30.9.2022 die Unterzeichnung der Verträge zum Russland-Beitritt der ‚Volksrepubliken’ Donezk und Luhansk sowie der Regionen Saporischschja und Cherson statt (Kreml 30.9.2022). Am 3. und 4.10.2022 stimmten die beiden russischen Parlamentskammern der Annexion zu (Tass 4.10.2022). International wird die Annexion dieser vier ukrainischen Gebiete nicht anerkannt (Standard 30.9.2022).
Russland begeht im Krieg gegen die Ukraine schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung (UN-OHCHR 16.3.2023; vgl. HRW 21.4.2022). Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die rechtswidrige Annexion einiger ukrainischer Regionen hat die EU mehrere Sanktionspakete angenommen, nämlich: Wirtschaftssanktionen; individuelle Sanktionen gegen unter anderem Wladimir Putin, den Außenminister Sergej Lawrow und Mitglieder der Staatsduma sowie des Nationalen Sicherheitsrats. Außerdem wurde das Visaerleichterungsabkommen zwischen der EU und Russland vollständig ausgesetzt (Eur-Rat 12.5.2023). Auch die USA, das Vereinigte Königreich, Kanada, Japan, die Schweiz und die restliche westliche Welt haben umfassende Sanktionen gegen Russland eingeführt (WKO 3.2023).
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UN – United Nations (27.9.2022): So-called referenda in Russian-controlled Ukraine ‚cannot be regarded as legal’: UN political affairs chief, https://news.un.org/en/story/2022/09/1128161 , Zugriff 9.6.2023
UN-OHCHR – United Nations Office of the High Commissioner for Human Rights (16.3.2023): War crimes, indiscriminate attacks on infrastructure, systematic and widespread torture show disregard for civilians, says UN Commission of Inquiry on Ukraine, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/03/war-crimes-indiscriminate-attacks-infrastructure-systematic-and-widespread , Zugriff 9.6.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html , Zugriff 16.5.2023
WKO – Wirtschaftskammer Österreich (3.2023): Wirtschaftsbericht Russische Föderation, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/russische-foederation-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 30.5.2023
ZOIS – Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien / Stanislav Klimovich (3.11.2021): Russland auf dem Weg zum Zentralstaat? (ZOIS Spotlight 39/2021), https://www.zois-berlin.de/publika tionen/zois-spotlight/russland-auf-dem-weg-zum-zentralstaat, Zugriff 9.6.2023
Tschetschenien
Letzte Änderung 2023-06-29 09:36
Die Einwohnerzahl Tschetscheniens liegt bei ca. 1,5 Millionen (FR o.D.). Laut Aussage des Republikoberhaupts Ramsan Kadyrow leben rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region – eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland (ÖB 30.6.2021). Kadyrow ist seit dem Jahr 2007 in Tschetschenien an der Macht. Er kämpfte im ersten Tschetschenienkrieg (1994-1996) aufseiten der Unabhängigkeitsbefürworter. Im zweiten Tschetschenienkrieg (1999-2009) wechselte Kadyrow die Seite (ORF 30.3.2022). In Tschetschenien gilt Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB 30.6.2022; vgl. RFE/RL 3.2.2022, HRW 9.2.2022). Fraglich bleibt die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt (ÖB 30.6.2022). Kadyrow bekundet jedoch immer wieder seine absolute Treue gegenüber dem Kreml (ÖB 30.6.2022; vgl. SZ 3.3.2022). Beobachter stufen Tschetschenien zunehmend als Staat im Staat ein, in welchem das Moskauer Gewaltmonopol vielfach unwirksam ist (Dekoder 10.2.2022). Kadyrow besetzt hohe Posten in Tschetschenien mit Familienmitgliedern (KU 17.1.2023; vgl. KU 25.4.2023, KR 5.10.2022). Das Republiksoberhaupt ist für die Regierungsbildung zuständig. Die Regierung ist dem Republikoberhaupt gegenüber rechenschaftspflichtig (FR o.D.b). Regierungsvorsitzender Tschetscheniens ist Muslim Chutschiew (RN 13.1.2023). Tschetschenien ist von Moskau finanziell abhängig. Mehr als 80 % des Budgets stammen aus Zuwendungen (ORF 30.3.2022).
Die Gesetzgebung wird vom Parlament Tschetscheniens ausgeübt. Das Parlament besteht aus 41 Abgeordneten, welche mittels Verhältniswahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt werden (FR o.D.b). Bei der Dumawahl im September 2021 gewann die Partei Einiges Russland in Tschetschenien 96,13 % der Stimmen (Russland-Analysen 1.10.2021; vgl. RN 6.10.2021). Die Partei ‚Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit’ errang 0,93 %, die Kommunistische Partei (KPRF) 0,75 %, Neue Leute 0,24 %, und die Liberal-Demokratische Partei (LDPR) gewann 0,11 % der Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 94,42 % (RN 6.10.2021). Zeitgleich fand in Tschetschenien die Direktwahl des Republikoberhaupts statt (RN 21.9.2021). Dessen reguläre Amtszeit beträgt fünf Jahre (FR o.D.b). Kadyrow, welcher die Partei Einiges Russland repräsentierte, gewann 99,7 % der Stimmen. Der Kandidat der Kommunistischen Partei errang 0,12 % und der Kandidat der Partei Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit 0,15 % (RN 21.9.2021). Vor allem im Nordkaukasus ist Wahlbetrug weitverbreitet (BS 2022).
Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet Kadyrow unterschiedliche Gewaltformen an, darunter Entführung, Folter und außergerichtliche Tötung (FH 2023; vgl. COE 3.6.2022). Regimekritiker müssen mit Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten sowie physischen Übergriffen bis hin zu Mord rechnen (AA 28.9.2022). Kadyrow wird verdächtigt, die Ermordung von Gegnern innerhalb und außerhalb Russlands angeordnet zu haben (FH 2023). Das Republiksoberhaupt Tschetscheniens wurde von der Schweiz, Kanada, der EU und den USA mit Sanktionen belegt (KU 17.1.2023; vgl. OFAC 8.6.2023, EUR-Lex 25.7.2014).
Quellen:
AA – AuswärtigesAmt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09 .2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf , Zugriff 16.5.2023
COE – Council of Europe (3.6.2022): The continuing need to restore human rights and the rule of law in the North Caucasus region, https://pace.coe.int/en/files/30064/html?__cf_chl_tk=N0MvfyH ujStO1y2i5De4AjF5sOdH0kwzw1IPrh2B99Q-1660131174-0-gaNycGzNCpE, Zugriff 22.5.2023
Dekoder (10.2.2022): Warum Ramsan Kadyrow (fast) alles darf, https://www.dekoder.org/de/artic le/ramsan-kadyrow-kritiker, Zugriff 9.6.2023
EUR-Lex (EU-Rechtsdatenbank) (25.7.2014): COUNCIL IMPLEMENTING REGULATION (EU) No 810/2014 of 25 July 2014 implementing Regulation (EU) No 269/2014 concerning restrictive measures in respect of actions undermining or threatening the territorial integrity, sovereignty and independence of Ukraine, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/GA/TXT/?uri=CELEX%3A32014 R0810, Zugriff 9.6.2023
FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Russia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2088552.html, Zugriff 16.5.2023
FR – Föderationsrat [Russland] (o.D.): Энциклопедический справочник: ЧЕЧЕНСКАЯ РЕСПУБЛИКА [Enzyklopädisches Nachschlagewerk: Republik Tschetschenien], http://council.gov.ru/services/re ference/10305/, Zugriff 5.6.2023
FR – Föderationsrat [Russland] (o.D.b): Чеченская Республика [Tschetschenische Republik], http://council.gov.ru/structure/regions/CE/ , Zugriff 9.6.2023
HRW – Human Rights Watch (9.2.2022): Moscow Plays a Weak Hand on Lawlessness in Chechnya, https://www.hrw.org/news/2022/02/09/moscow-plays-weak-hand-lawlessness-chechnya , Zugriff 9.6.2023
KR – Kawkas.Realii (5.10.2022): Клан Кадыровых: полный список родственников главы Чечни во власти [Kadyrow-Clan: vollständige Liste der Verwandten des Oberhaupts Tschetscheniens an der Macht], https://www.kavkazr.com/a/klan-kadyrovyh-polnyy-spisok-rodstvennikov-glavy-chechni-vo-vlasti/32066496.html , Zugriff 9.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (25.4.2023): Главное о кадровой политике Кадырова [Das Wichtigste über Kadyrows Personalpolitik], https://www.kavkaz-uzel.eu/art icles/373354/, Zugriff 9.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (17.1.2023): Кадыров Рамзан Ахматович [Kadyrow Ramsan Achmatowitsch], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/85366 , Zugriff 9.6.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2022): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2022 (Stand 30.6.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2085109/RUSS_%C3%96 B-Bericht_2022_06.pdf, Zugriff 16.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2021):Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2021 (Stand 30.6.2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2059888/RUSS_%C3%96 B_Bericht_2021_06.docx, Zugriff 5.6.2023
OFAC – Office of Foreign Assets Control [USA] (8.6.2023): Sanctions List Search – KADYROV, https://sanctionssearch.ofac.treas.gov/Details.aspx?id=23343 , Zugriff 9.6.2023
ORF – Österreichischer Rundfunk (30.3.2022): Ramsan Kadyrow: Putins Mann fürs Grobe mit tragender Rolle, https://orf.at/stories/3256468 , Zugriff 30.5.2023
RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (3.2.2022): Putin Meets Chechen Leader Amid Outcry Over Threats Against Activist’s Family, https://www.ecoi.net/de/dokument/2067631.html , Zugriff 9.6.2023
RN – RIA Nowosti [Russland] (13.1.2023): Кадыров ушел в отпуск [Kadyrow trat seinen Urlaub an], https://ria.ru/20230113/kadyrov-1844756083.html , Zugriff 9.6.2023
RN – RIA Nowosti [Russland] (6.10.2021): Итоги выборов в Госдуму — 2021 [Staatsduma-Wahlergebnisse 2021], https://ria.ru/20210919/vybory_gosduma-1749875690.html , Zugriff 9.6.2023
RN – RIANowosti [Russland] (21.9.2021): Итоги выборов глав регионов России [Wahlergebnisse der regionalen Oberhäupter Russlands], https://ria.ru/20210919/vybory_gubernatorov-1749880926.html , Zugriff 9.6.2023
Russland-Analysen (Nr. 407) (1.10.2021): Sonntagsfrage und Ergebnis der Wahl zur Staatsduma 2021, https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/407/RusslandAnalysen407.pdf , Zugriff 26.5.2023
SZ – Süddeutsche Zeitung (3.3.2022): Mordpläne gegen Tschetschenen, https://www.sueddeutsc he.de/politik/tschetschenien-auftragsmord-muenchen-1.5540824, Zugriff 9.6.2023
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2023-11-07 15:45
Aufgrund der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine ist die Lage in Russland zunehmend unberechenbar. Am 23. und 24.6.2023 kam es im Südwesten Russlands zu einer bewaffneten Auseinandersetzung (EDA 27.6.2023). Am Morgen des 24.6.2023 übernahmen Angehörige der privaten paramilitärischen Organisation ‚Gruppe Wagner’ unter der Führung von Ewgenij Prigoschin die Kontrolle über zentrale Einrichtungen der russischen Streitkräfte in der Stadt Rostow am Don (BAMF 26.6.2023). Vorausgegangen waren ein seit Monaten andauernder Machtkampf zwischen dem Chef des Militärunternehmens und Verteidigungsminister Schojgu (BAMF 26.6.2023; vgl. FA 12.5.2023, ISW 12.3.2023). Auch erfolgten unbestätigten Angaben zufolge Angriffe der regulären Streitkräfte auf ein Feldlager der Söldnertruppe. Im Tagesverlauf besetzte die Wagner-Gruppe weitere Militäreinrichtungen in den Regionen Rostow und Woronesch und rückte weitgehend ungehindert mit mehreren Tausend Kämpfern in Richtung Moskau vor – mit dem erklärten Ziel, die Militärführung um Verteidigungsminister Schojgu und Generalstabschef Gerasimow zu stürzen. Als Reaktion wurden in der Hauptstadt Truppen zusammengezogen, Kontrollpunkte eingerichtet und das Anti-Terror-Regime ausgerufen, welches den Sicherheitskräften eine weitreichende Kommunikationsüberwachung, Personenkontrollen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit erlaubt. Auf Vermittlung des belarussischen Präsidenten Lukaschenko erklärte sich Prigoschin am Abend des 24.6.2023, mutmaßlich aufgrund des Ausbleibens erwarteter Unterstützung von Militär und Machteliten, zum Rückzug seiner Truppen bereit. Im Gegenzug sicherte die Regierung den am Aufstand beteiligten Söldnern Straffreiheit und Prigoschin persönlich darüber hinaus einen freien Abzug nach Belarus zu (BAMF 26.6.2023). Gemäß Berichten schoss die Wagner-Gruppe am 24.6.2023 Militärhubschrauber sowie ein Flugzeug ab (MOD 29.6.2023). Mittlerweile hat sich die Sicherheitslage vordergründig beruhigt, bleibt aber angespannt (EDA 27.6.2023). Gemäß einer Mitteilung des Nationalen AntiTerrorismus-Komitees vom 26.6.2023 wurde das Anti-Terror-Regime in Moskau und Woronesch wieder aufgehoben (NAK 26.6.2023). Die Führungsriege der Wagner-Gruppe, darunter Ewgenij Prigoschin, kam bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Moskau am 23.8.2023 ums Leben (BBC 27.8.2023).
Aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine kommt es vermehrt zu Sicherheitsvorfällen in russischen Grenzregionen. Vor allem die Grenzregionen Belgorod, Rostow, Brjansk und Kursk sind mit täglichem Beschuss und Drohnenangriffen konfrontiert (ACLED 8.6.2023; vgl. ACLED 5.10.2023). In mehreren russischen Regionen nahe der Ukraine wurde der Notstand ausgerufen (AA 12.9.2023).
Das Kriegsrecht wurde in Russland bislang nicht ausgerufen (Lenta 25.10.2023).
Stattdessen spricht Russland nur von einer ‚militärischen Spezialoperation’ in der Ukraine (Kreml 9.6.2023; vgl. Kreml 20.10.2023).
Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern gezeigt haben, kann es in Russland (auch außerhalb der Kaukasus-Region) zu Anschlägen kommen. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 12.9.2023). In der Stadt Moskau und ihrer Umgebung kommt es häufig zu Drohnenangriffen (ACLED 7.9.2023; vgl. Interfax o.D., AA 12.9.2023), was mehrmals zu Schließungen des Moskauer Luftraums sowie zur Schließung von Flughäfen führte (ACLED 7.9.2023). Mehrere russische Regionen, darunter auch Moskau, wurden in einem abgestuften System in erhöhte Alarmbereitschaft gesetzt. Diese Anordnungen geben den dortigen lokalen Behörden und Sicherheitskräften Befugnisse zu eingreifenden Sicherheitsmaßnahmen, Kontrollen, Durchsuchungen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit (AA 12.9.2023). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 27.6.2023).
Nach der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan haben Russland und Tadschikistan ihr Militärbündnis gestärkt und gemeinsame Übungen an der tadschikisch-afghanischen Grenze abgehalten, um die Grenzsicherheit zu erhöhen (USDOS 27.2.2023). Gemäß dem aktuellen Globalen Terrorismus-Index (2023), welcher die Einwirkung von Terrorismus je nach Land misst, belegt Russland den 45. von insgesamt 93 Rängen. Dies bedeutet, Russland befindet sich auf niedrigem Niveau, was den Einfluss von Terrorismus betrifft (IEP 3.2023).
Die folgende Karte stellt sicherheitsrelevante Ereignisse innerhalb Russlands im Zeitraum 1.1.-20.10.2023 dar, wobei hier zwei Kategorien angezeigt werden: Kampfhandlungen (gelb) und Explosionen/‘remote violence’ (rot). Die dunkelgrauen Punkte beinhalten sowohl Kämpfe als auch Explosionen/‘remote violence’. Wie auf der Karte zu sehen ist, konzentrieren sich die sicherheitsrelevanten Ereignisse auf westliche Teile Russlands (ACLED o.D.):
Sicherheitsrelevante Ereignisse innerhalb Russlands im Zeitraum 1.1.-20.10.2023
Quelle: ACLED o.D. [Quellenbeschreibung siehe Kapitel LänderspezifischeAnmerkungen]
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.9.2023): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russische foederation-node/russischefoederationsicherheit/201536, Zugriff 30.10.2023
ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (5.10.2023): Regional Overview: Europe & Central Asia September 2023, https://acleddata.com/2023/10/05/regional-overview-europe-central-asia-september-2023/ , Zugriff 30.10.2023
ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (7.9.2023): Regional Overview: Europe & Central Asia August 2023, https://acleddata.com/2023/09/07/regional-overview-europe-central-asia-august-2023/ , Zugriff 30.10.2023
ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (8.6.2023): Regional Overview: Europe & Central Asia May 2023, https://acleddata.com/2023/06/08/regional-overview-europe-central-asia-may-2023/ , Zugriff 29.6.2023
ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (o.D.): Dashboard: Russia – Point View, https://acleddata.com/dashboard/#/dashboard , Zugriff 30.10.2023
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (26.6.2023): Briefing Notes, Übermittlung per E-Mail
BBC – British Broadcasting Corporation (27.8.2023): Wagner boss Prigozhin confirmed dead in plane crash – Moscow, https://www.bbc.com/news/world-europe-66632924 , Zugriff 30.10.2023
EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (27.6.2023): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinwei se/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 30.10.2023
FA – Foreign Affairs / Andrei Soldatov, Irina Borogan (12.5.2023): Why Putin Needs Wagner: The Hidden Power Struggle Sustaining Russia’s Brutal Militia, https://www.foreignaffairs.com/russian-federation/why-putin-needs-wagner?utm_medium=newsletters&utm_source=twofa&utm_campaign=Why%20America%20Is%20Struggling%20to%20Stop%20the%20Fentanyl%20Epidemic&utm_content=20230519&utm_term=FA%20This%20Week%20-%20112017 , Zugriff 29.6.2023
IEP – Institute for Economics & Peace (3.2023): Global Terrorism Index 2023: Measuring the Impact of Terrorism, https://www.economicsandpeace.org/wp-content/uploads/2023/03/GTI-2023-web-170423.pdf , Zugriff 29.6.2023
Interfax (o.D.): Хроника 01 августа – 05 сентября 2023 года: Атаки беспилотников на Москву [Chronik 01 August - 05 September 2023: Drohnenangriffe auf Moskau], https://www.interfax.ru/ch ronicle/ataka-bespilotnikov-na-moskvu.html, Zugriffe 30.10.2023
ISW – Institute for the Study of War (12.3.2023): Russian Offensive Campaign Assessment, https: //www.understandingwar.org/sites/default/files/Russian%20Operations%20Assessment%20March%2012%2C%202023.pdf, Zugriff 29.6.2023
Kreml [Russland] (20.10.2023): Посещение штаба Южного военного округа [Besuch des Stabs des südlichen Militärbezirks], http://kremlin.ru/events/president/news/72562 , Zugriff 30.10.2023
Kreml [Russland] (9.6.2023): Ответ на вопрос о ситуации в зоне СВО [Beantwortung der Frage zur Situation in Zone der speziellen Militäroperation], http://kremlin.ru/events/president/news/713 29, Zugriff 29.6.2023
Lenta (25.10.2023): Совфед одобрил отмену информирования генсека Совета Европы о военном положении [Föderationsrat billigte Aufhebung der Benachrichtigung des Generalsekretärs des Europarats über Kriegsrecht], https://lenta.ru/news/2023/10/25/sovfed-odobril-otmenu-inf ormirovaniya-genseka-soveta-evropy-o-voennom-polozhenii/, Zugriff 30.10.2023
MOD/Twitter – Ministry of Defence - @DefenceHQ, Twitter [Vereinigtes Königreich] (29.6.2023): Defence Intelligence Update on Ukraine [benutzergenerierter Inhalt], https://twitter.com/DefenceHQ/status/1674296106157502464/photo/1 , Zugriff 29.6.2023
NAK – Nationales Anti-Terrorismus-Komitee [Russland] (26.6.2023): Официальное сообщение НАК [Offizielle Mitteilung des Nationalen Anti-Terrorismus-Komitees], http://nac.gov.ru/hronika-sobytiy/oficialnoe-soobshchenie-nak-1.html , Zugriff 29.6.2023
USDOS – US Department of State [USA] (27.2.2023): Country Report on Terrorism 2021 - Chapter 1 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2087892.html , Zugriff 15.5.2023
Nordkaukasus
Letzte Änderung 2023-11-08 10:56
Die Sicherheitslage im Nordkaukasus hat sich verbessert. Die Zahl der Opfer gewalttätiger Zusammenstöße hat in den letzten Jahren abgenommen. Es ist nicht mehr von einer breiten islamistischen Bewegung im Nordkaukasus auszugehen, wenngleich es vereinzelt zu Anschlägen kommt, die von den Behörden auch mit dem ‚Islamischen Staat’ (IS) in Verbindung gebracht werden (ÖB 30.6.2023). Niederschwellige militante terroristische Aktivitäten sowie vermehrte Anti-Terror-Aktivitäten und Bemühungen um eine politische Konsolidierung sind feststellbar (OSAC 8.2.2021). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte sowie die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus deutlich zurückgegangen ist (ÖB 30.6.2021). Gemäß dem Online-Medienportal ‚Kaukasischer Knoten’ fielen zwischen Jänner 2022 und September 2023 insgesamt 19 Personen dem bewaffneten Konflikt im Nordkaukasus zum Opfer. Jeweils vier dieser Personen wurden in Dagestan, Tschetschenien, Inguschetien und der Region Stawropol getötet, zwei in Kabardino-Balkarien und eine Person in Nordossetien (KU 4.10.2023; vgl. KU 5.7.2023, KU 5.6.2023, KU 9.5.2023, KU 5.4.2023, KU 5.1.2023, KU 4.10.2022, KU 6.7.2022, KU 5.4.2022). Terroranschläge ziehen staatlicherseits unter anderem kollektive Bestrafungsformen nach sich. Dies bedeutet, Familienangehörige werden für die Taten ihrer Verwandten zur Verantwortung gezogen (RUSI 30.7.2021) und müssen gemäß gesetzlichen Vorgaben Schadenersatz leisten (USDOS 20.3.2023).
Tschetschenien
Die tschetschenischen Sicherheitskräfte handeln außerhalb der russischen Verfassung und Gesetzgebung (Dekoder 10.2.2022). Tschetschenische Strafverfolgungsorgane werfen vermeintlichen Salafisten und Wahhabiten unbegründet terroristische Machenschaften vor und erzwingen Geständnisse durch Folter (USCIRF 10.2021). Regelmäßig wird aus Tschetschenien über Sabotage- und Terrorakte gegen Militär und Ordnungskräfte, über Feuergefechte mit Mitgliedern bewaffneter Gruppen, Entführungen sowie Druck auf Familienangehörige von Mitgliedern illegaler bewaffneter Formationen berichtet. In verschiedenen Teilen der Republik Tschetschenien werden in regelmäßigen Abständen Antiterroroperationen durchgeführt (KU 29.3.2023b). Tschetschenische Behörden wenden regelmäßig kollektive Bestrafungsformen bei Familienangehörigen vermeintlicher Terroristen an, beispielsweise indem Familienangehörige dazu gezwungen werden, die Republik zu verlassen (USDOS 20.3.2023). In Tschetschenien gibt es eine AntiTerrorismus-Kommission, deren Vorsitzender das Republikoberhaupt Kadyrow ist (NAK o.D.a).
Im September 2018 wurde ein Grenzziehungsabkommen zwischen Tschetschenien und der Nachbarrepublik Inguschetien unterzeichnet, was in Inguschetien zu Massenprotesten der Bevölkerung führte und in der Gegenwart noch für gewisse Spannungen zwischen den beiden Republiken sorgt (KU 15.11.2021).
Quellen:
Dekoder (10.2.2022): Warum Ramsan Kadyrow (fast) alles darf, https://www.dekoder.org/de/article/ramsan-kadyrow-kritiker , Zugriff 9.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (4.10.2023): В III квартале 2023 года в ходе вооруженногоконфликта на Северном Кавказе жертв зафиксировано не было [Im Quartal III 2023 im Zuge des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus keine Opfer], https://www.kavkaz-uzel . eu/articles/393113/, Zugriff 30.10.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (5.7.2023): В июне 2023 года жертв вооруженного конфликта на Северном Кавказе не зафиксировано [Im Juni 2023 keine Opfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/390297/ , Zugriff 30.10.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (5.6.2023): В мае 2023 года в ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе погибли два человека [Im Mai 2023 kamen im Zuge des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus zwei Personen um], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/ 389365, Zugriff 28.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (12.5.2023): Дагестан: хроника террора (1996-2023 годы) [Dagestan: Chronik des Terrors (1996-2023)], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/73122/ , Zugriff 28.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (9.5.2023): В апреле 2023 года в ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе четыре человека погибли [Im April 2023 kamen im Zuge des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus vier Personen um], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/388512/ , Zugriff 28.6.2023
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KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (5.1.2023): В IV квартале 2022 в ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе погибли 4 человека [Im Quartal IV 2022 kamen im Zuge des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus 4 Personen um], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/38 4685/, Zugriff 28.6.2023
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KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (6.7.2022): В ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе во II квартале 2022 года убито 2 человека [Im Zuge des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus im Quartal II 2022 wurden zwei Personen getötet], https://www.kavkaz-uzel.eu /articles/378859/, Zugriff 28.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (5.4.2022): В I квартале 2022 года в ходе вооруженного конфликта на Северном Кавказе жертв не зафиксировано [Keine Opfer im Quartal I 2022 im Zuge des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus], https://www.kavkaz-uzel.eu /articles/374864/, Zugriff 28.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (15.11.2021): Угрозы Кадырова отнять землю возмутили ингушских пользователей сети [Drohungen Kadyrows, sich Land anzueignen, riefen bei Inguscheten online Empörung hervor], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/370165/ , Zugriff 28.6.2023
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USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html , Zugriff 16.5.2023
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2023-06-29 09:39
Gemäß der Verfassung ist die Russische Föderation ein Rechtsstaat, Richter sind unabhängig, und Gerichtsverhandlungen sind mit Ausnahme gesetzlich geregelter Fälle öffentlich (Verfassungsartikel 1, 120 und 123). Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes werden vom Föderationsrat auf Vorschlag des russischen Präsidenten ernannt. Mitglieder der anderen Gerichtshöfe auf föderaler Ebene werden vom russischen Präsidenten ernannt (Art. 128). Der Präsident der Russischen Föderation initiiert die Entlassung der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes (Art. 83). Der Generalstaatsanwalt und sein Stellvertreter sowie die Staatsanwälte der Subjekte der Russischen Föderation werden nach Beratungen mit dem Föderationsrat vom russischen Präsidenten ernannt und von diesem entlassen (Art. 129). Föderale Gesetze gelten für das gesamte Territorium der Russischen Föderation. Gesetze und andere rechtliche Bestimmungen der Subjekte der Russischen Föderation dürfen föderalen Gesetzen nicht widersprechen. Im Falle eines Widerspruchs gilt das föderale Gesetz. Republiken haben ihre eigene Rechtsordnung, solange dadurch die Kompetenzen der Russischen Föderation unberührt bleiben (Verfassungsartikel 76) (Duma 6.10.2022). Gemäß dem Verfassungsartikel 79 werden Entscheidungen internationaler Institutionen, welche der Verfassung der Russischen Föderation widersprechen, in der Russischen Föderation nicht vollstreckt (Duma 6.10.2022; vgl. BPB 2.7.2020, KAS 7.2020).
Die Rechtsstaatlichkeit wird von Russlands politischer Führung oft untergraben, um die Stabilität des politischen Systems aufrechtzuerhalten (BS 2022). Gemäß dem Rechtsstaatlichkeitsindex des World Justice Project nimmt Russland aktuell den 107. Rang von insgesamt 140 Ländern ein und befindet sich zwischen den Ländern Libanon und Côte d’Ivoire (WJP o.D.). Das Justizwesen in Russland ist nicht unabhängig (SWP 19.4.2022; vgl. UN-HRC 1.12.2022, FH 2023). In der Praxis wird die Justiz von der Exekutive kontrolliert (BS 2022; vgl. FH 19.4.2022). Politisch wichtige Fälle werden vom Kreml überwacht, und Richter haben nicht genügend Autonomie, um den Ausgang zu bestimmen (ÖB 30.6.2022). Richter des Verfassungsgerichtshofes dürfen ihre abweichenden Meinungen nicht öffentlich machen (UN-HRC 1.12.2022).
Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis unterscheidet grundsätzlich nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Es gibt jedoch Hinweise auf selektive Strafverfolgung, die auch sachfremd, etwa aus politischen Gründen oder wirtschaftlichen Interessen, motiviert sein kann (AA28.9.2022). Das Justizwesen ist von Korruption befallen (BS 2022). Gemäß Berichten geraten seit Russlands Ukraine-Invasion Rechtsanwälte immer mehr ins Visier. Beispielsweise wird ihnen der Zugang zu Mandanten auf Polizeistationen und die Vertretung ihrer Mandanten bei Gerichtsverhandlungen verwehrt (EUAA 16.12.2022b). Es kommt vor, dass Rechtsanwälte ungerechtfertigten Disziplinarverfahren und strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sind, insbesondere wenn sie Teilnehmer an Anti-Kriegsprotesten verteidigen (UN-HRC 1.12.2022). Es gibt Berichte über Anwälte, welche verhaftet wurden, weil sie Opfer politischer Repressionen unterstützt haben (EUAA 16.12.2022b).
Schutzmaßnahmen gegen willkürliche Verhaftung und andere Garantien zur Durchführung ordnungsgemäßer Verfahren werden regelmäßig verletzt (FH 2023). Gemäß den gesetzlichen Vorgaben dürfen Inhaftierte die Gesetzmäßigkeit ihrer Inhaftierung gerichtlich überprüfen lassen. Wegen der mangelnden Unabhängigkeit des Justizsystems schließen sich Richter für gewöhnlich der Ansicht des Ermittlers an und weisen Beschwerden Angeklagter ab. Angeklagte und ihre Rechtsvertreter müssen bei Gerichtsverhandlungen persönlich oder über Video anwesend sein. Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung sowie das Recht auf ein faires und öffentliches Gerichtsverfahren. Diese Rechte werden nicht immer respektiert (USDOS 20.3.2023). Vertreter der Opposition und der kritischen Zivilgesellschaft können in Ermittlungsverfahren und vor Gericht nicht auf eine faire Behandlung bzw. einen fairen Prozess vertrauen (AA 28.9.2022). Gerichtsverfahren enden sehr selten mit Freisprüchen (USDOS 20.3.2023). Das öffentliche Vertrauen in die Justiz ist gering (UN-HRC 1.12.2022; vgl. LZ 20.9.2022).
Es ist gesetzlich vorgesehen, dass Personen Behörden wegen Menschenrechtsverletzungen klagen können. Jedoch sind diese Mechanismen oft nicht effektiv (USDOS 20.3.2023). Am 16.3.2022 wurde Russland aus dem Europarat ausgeschlossen (Europarat 16.3.2022). Zunächst hatte der Europarat wegen des bewaffneten russischen Angriffs auf die Ukraine die Mitgliedschaftsrechte Russlands im Europarat suspendiert (Europarat 25.2.2022). Russland war dem Europarat 1996 beigetreten (Europarat 16.3.2022). Seit 16.9.2022 ist Russland keine Vertragspartei der vom Europarat geschaffenen Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) mehr (Europarat 16.9.2022; vgl. Europarat o.D.b). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellt die Einhaltung der EMRK sicher. Bürger können sich, nachdem die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sind, mit Beschwerden direkt an ihn wenden (Europarat o.D.). Seit 16.9.2022 haben russische Bürger kein Recht mehr, den EGMR anzurufen (SWP 19.4.2022). Der EGMR ist weiterhin für die Bearbeitung von Beschwerden gegen Russland zuständig, welche bis 16.9.2022 eingereicht wurden. Das Ministerkomitee des Europarats überwacht weiterhin die Umsetzung der Urteile (Europarat 16.9.2022). Gemäß einer von der Russischen Föderation verabschiedeten Gesetzesänderung vom Juni 2022 unterliegen Beschlüsse des EGMR, welche nach dem 15.3.2022 in Kraft traten, aber nicht mehr der Vollstreckung in der Russischen Föderation (RF 11.6.2022).
Vor dem EGMR waren mit Stand 30.4.2023 15.700 Beschwerden gegen Russland anhängig (ECHR 30.4.2023).
Quellen:
AA – AuswärtigesAmt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430 /Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
BPB – Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (2.7.2020): Verfassungsreferendum in Russland, https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/312075/verfassungsreferendum-in-russland/ , Zugriff 5.6.2023
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Europarat (16.9.2022): Presseraum: Russland keine Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr, https://www.coe.int/de/web/portal/-/russia-ceases-to-be-party-to-the-european-convention-on-human-rights , Zugriff 5.6.2023
Europarat (16.3.2022): Presseraum: Russische Föderation wird aus dem Europarat ausgeschlossen, https://www.coe.int/de/web/portal/-/the-russian-federation-is-excluded-from-the-council-of-europe , Zugriff 16.5.2023
Europarat (25.2.2022): Presseraum: Europarat entzieht Russland Recht auf Vertretung, https: //www.coe.int/de/web/portal/-/council-of-europe-suspends-russia-s-rights-of-representation, Zugriff 5.6.2023
Europarat (o.D.): Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, https://www.coe.int/en/web/portal/gerichtshof-fur-menschenrechte , Zugriff 5.6.2023
Europarat (o.D.b): The European Convention on Human Rights: A Convention to protect your rights and liberties, https://www.coe.int/en/web/human-rights-convention , Zugriff 5.6.2023
FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088552.html , Zugriff 16.5.2023
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Tschetschenien und Dagestan
Letzte Änderung 2023-06-29 09:45
Föderale Gesetze gelten für das gesamte Territorium der Russischen Föderation. Republiken haben ihre eigene Rechtsordnung, solange dadurch die Kompetenzen der Russischen Föderation unberührt bleiben (Verfassungsartikel 76) (Duma 6.10.2022). Die Situation in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in Tschetschenien und Dagestan ist problematisch. Vor allem bleiben schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, begangen von Vertretern der föderalen und regionalen Behörden, straffrei. Es kommt vor, dass Rechtsanwälte, welche ihre Mandanten verteidigen, Angriffen durch Strafverfolgungsbehörden im Nordkaukasus ausgesetzt sind (COE 3.6.2022).
Tschetschenien
Tschetschenien verwaltet sich im Rechtsbereich weitgehend selbst (KAS 12.12.2022). Gemäß Artikel 96 der tschetschenischen Verfassung gibt es in Tschetschenien föderale Gerichte, den Verfassungsgerichtshof und Friedensrichter. Friedensrichter sind als Gericht erster Instanz für die Überprüfung von Zivil-, Verwaltungs- und strafrechtlichen Fällen zuständig (Artikel 101 der tschetschenischen Verfassung) (RT 23.3.2003). Behörden verletzen das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren. Das Justizsystem dient als Vergeltungsmaßnahme gegen Personen, welche Fehlverhalten des tschetschenischen Republikoberhaupts Kadyrow aufdecken (USDOS 20.3.2023). Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht haben in den letzten Jahren zugenommen. Es herrscht ein Rechtspluralismus aus russischem Recht, traditionellem Gewohnheitsrecht (Adat; einschließlich der Tradition der Blutrache) und Scharia-Recht. Hinzu kommt ein Geflecht an Loyalitäten, das den Einzelnen bindet. Nach Ansicht von Kadyrow stehen Scharia und traditionelle Werte über den russischen Gesetzen (AA 28.9.2022). Gemäß Aussage von Einwohnern Tschetscheniens lautet das grundlegende Gesetz in Tschetschenien ‚Ramsan sagte’. Dies bedeutet, Kadyrows mündliche Aussagen sind einflussreicher als die Rechtssysteme und widersprechen diesen möglicherweise (CSIS 24.1.2020).
Das Gewohnheitsrecht (Adat) umfasst zwischenmenschliche Beziehungen wie beispielsweise Vermögensverhältnisse, persönliche und verwandtschaftliche Beziehungen. Es variiert regional und von Sippe zu Sippe und beruht auf dem Prinzip der Wiedergutmachung von Unrecht anstatt Bestrafung (Gumppenberg/Steinbach 2018). Im Gegensatz zum islamischen Recht liegt dem Gewohnheitsrecht (Adat) die kollektive Verantwortung für Rechtsverletzungen zugrunde (RAPSI 4.4.2022). Da es im Rahmen des Gewohnheitsrechts keine individuelle Verantwortung gibt, steht nicht der Täter im Mittelpunkt, sondern dessen Familienclan. Dieser trägt die Verantwortung. Um Stammeskriege und die Ausrottung ganzer Gemeinschaften zu vermeiden, sieht das Gewohnheitsrecht bestimmte Verfahren vor, um die Sippe des Opfers zu versöhnen und Verletzung sowie Verlust auszugleichen (Gumppenberg/Steinbach 2018). In Tschetschenien ist die Praxis der kollektiven Verantwortung weitverbreitet (KR 2.3.2023). Zum Adat gehört beispielsweise der alte Brauch der Blutrache (RAPSI 4.4.2022; vgl. Gumppenberg/Steinbach 2018). Die Blutrache entstand zum Schutz der Ehre und des Vermögens im Rahmen der Sippenstruktur und verpflichtet die Angehörigen eines Ermordeten, sich an dem Mörder oder dessen Angehörigen zu rächen. Blutrache hat keine Verjährungsfrist. Es gab Fälle, in welchen die Blutrache nach 50 oder 100 Jahren vollzogen wurde, als der Mörder und dessen nahe Verwandte bereits verstorben waren. Aus Gründen der Selbsterhaltung wurde eine Reihe von Methoden ausgearbeitet, um dem Morden ein Ende zu setzen und stattdessen Geldstrafen einzuführen. 2010 gründete Kadyrow die ‚Kommission für nationale Versöhnung’, welche darauf abzielte, Blutfehdekonflikte zu lösen. In Tschetschenien existieren Versöhnungskommissionen zur Lösung von Konflikten (KU 1.2.2023). Nach wie vor gibt es Clans, die Blutrache praktizieren (AA 28.9.2022; vgl. KU 1.2.2023). Die Einstellung der tschetschenischen Führung zur Blutrache ist oft situationsabhängig (KR 27.2.2023). Gemäß § 105 des russischen Strafgesetzbuches zieht Mord mit dem Motiv der Blutrache eine Freiheitsstrafe von 8-20 Jahren, eine lebenslange Freiheitsstrafe oder die Todesstrafe nach sich (RF 28.4.2023). Seit 1996, als Russland Mitglied des Europarats wurde, ist die Todesstrafe aufgrund eines Moratoriums ausgesetzt (AI 5.2023; vgl. CCDPW 27.3.2012, OSCE 7.10.2022).
Im islamischen Rechtssystem (Scharia) trägt nur der Einzelne die Schuld für begangene Taten. Traditionelle Hauptanwendungsgebiete für die Scharia sind Familien-, Erbrecht und teilweise Vermögensrecht (Gumppenberg/Steinbach 2018).
Bestimmte Gruppen genießen keinen effektiven Rechtsschutz. Hierzu gehören Menschenrechtsaktivisten, sexuelle Minderheiten, Oppositionelle, Regimekritiker, Frauen, welche mit den Wertvorstellungen ihrer Familie in Konflikt geraten, sowie Personen, die sich gegen Republiksoberhaupt Kadyrow bzw. dessen Clan aufgelehnt haben. Kadyrow äußert regelmäßig Drohungen gegen Oppositionspolitiker, Menschenrechtsaktivisten und Minderheiten. Teilweise werden Bilder von Personen dieser Gruppen auf Instagram veröffentlicht. Teilweise droht er, sie mit Sanktionen zu belegen, da sie angeblich Feinde des tschetschenischen Volkes sind, oder er ruft offen dazu auf, sie umzubringen (AA 28.9.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430 /Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
AI – Amnesty International (5.2023): Global Report: Death Sentences and Executions 2022, https: //www.amnesty.org/en/wp-content/uploads/2023/05/ACT5065482023ENGLISH.pdf, Zugriff 16.5.2023
CCDPW – Cornell Center on the Death Penalty Worldwide / Cornell Law School (27.3.2012): Cornell Database Results: Russian Federation (Russia), https://deathpenaltyworldwide.org/database/#/results/country?id=60#fn-20828-N10C57M605057 , Zugriff 16.5.2023
COE – Council of Europe (3.6.2022): The continuing need to restore human rights and the rule of law in the North Caucasus region, https://pace.coe.int/en/files/30064/html?__cf_chl_tk=N0MvfyHujStO1y2i5De4AjF5sOdH0kwzw1IPrh2B99Q-1660131174-0-gaNycGzNCpE , Zugriff 22.5.2023
CSIS – Center for Strategic and International Studies / Irina Kosterina (24.1.2020): Civil Society in the North Caucasus - Latest Trends and Challenges in Chechnya, Ingushetia and Dagestan, https://csis-website-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/publication/200124_North_Caucasus.pdf ? jRQ1tgMAXDNlViIbws_LnEIEGLZPjfyX, Zugriff 5.6.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/ , Zugriff 16.5.2023
Gumppenberg, Marie-Carin von/Udo Steinbach (Hg.) (2018): Der Kaukasus. Geschichte – Kultur Politik. 3. Aufl. München: C.H.Beck KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung / Jeronim Perovic (12.12.2022): Die Politische Meinung (Ausgabe 577, 67. Jahrgang): Staat im Staate – Tschetschenien als inneres Ausland, https://www.kas.de/doc uments/258927/21591476/51_Perovic.pdf/333d5349-de7f-c3d9-9e07-7458e2ae13fd?t=166989 4749831, Zugriff 5.6.2023
KR – Kawkas.Realii (2.3.2023): Кадыров призвал ввести военное положение и ‚привлечь к ответу семьи‘ после событий на Брянщине [Kadyrow rief dazu auf, das Kriegsrecht einzuführen und nach den Ereignissen in Brjansk ‚die Familien zur Verantwortung zu ziehen’], https://www.ka vkazr.com/a/kadyrov-prizval-vvesti-voennoe-polozhenie-posle-sobytiy-v-bryanskoy-oblasti-i-privlechj-k-otvetu-semji-/32296290.html, Zugriff 5.6.2023
KR – Kawkas.Realii (27.2.2023): ‚Буду преследовать кровника до конца своих дней‘. Вендетта в Чечне Кадырова [‚Ich werde meine Blutrache-Absicht bis zum Ende meiner Tage verfolgen’. Blutrache in Kadyrows Tschetschenien], https://www.kavkazr.com/a/budu-presledovatj-krovnika-do-kontsa-svoih-dney-vendetta-v-chechne-kadyrova/32227736.html , Zugriff 5.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (1.2.2023): Кровная месть – как теперь убивают на Кавказе [Blutrache – wie jetzt im Kaukasus getötet wird], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/ 296137/, Zugriff 5.6.2023
OSCE – Organization for Security and Co-operation in Europe (7.10.2022): The Death Penalty in the OSCE Area - Background Paper 2022, https://www.osce.org/files/f/documents/2/6/527082_1.pdf , Zugriff 16.5.2023
RAPSI – Rossijskoe agentstwo prawowoj i sudebnoj informazii [RussischeAgentur für Rechts- und Gerichtsinformationen] (4.4.2022): Шариат и адат: по каким законам живут мусульмане Кавказа [Scharia und Adat: nach welchen Gesetzen Muslime des Kaukasus leben], https://rapsinews.ru/i ncident_publication/20220404/307852546.html, Zugriff 5.6.2023
RD – Republik Dagestan [Russland] (10.7.2003): Конституция Республики Дагестан (принята Конституционным Собранием 10 июля 2003 г.) (с изменениями и дополнениями) [Verfassung der Republik Dagestan (verabschiedet von der Verfassungsversammlung am 10. Juli 2003) (mit Änderungen und Ergänzungen)], https://constitution.garant.ru/region/cons_dagest/ , Zugriff 5.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (28.4.2023): ‚Уголовный кодекс Российской Федерации‘ от 13.06.1996 N 63-ФЗ (ред. от 28.04.2023) [‚Strafgesetzbuch der Russischen Föderation’ vom 13.06.1996 N 63-ФЗ (idF vom 28.4.2023)], http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_10699/ , Zugriff 16.5.2023
RT – Republik Tschetschenien [Russland] (23.3.2003): Конституция Чеченской Республики (принята 23 марта 2003 г.) (с изменениями и дополнениями) [Verfassung der Republik Tschetschenien (verabschiedet am 23. März 2003) (mit Änderungen und Ergänzungen)], https://constitution.garant.ru/region/cons_chech/ , Zugriff 5.6.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html , Zugriff 16.5.2023
Korruption
Letzte Änderung 2023-06-29 09:52
Im Jahr 2006 ratifizierte Russland das UN-Übereinkommen gegen Korruption (UNTC 19.5.2023).
2012 trat Russland der OECD-Konvention gegen Bestechung bei (OECD o.D.). Es existiert ein Nationaler Plan zur Korruptionsbekämpfung für die Jahre 2021-2024 (Präsident 16.8.2021). Eine gesetzliche Grundlage stellt das Föderale Gesetz ‚Über die Korruptionsbekämpfung’ dar (RF 6.2.2023). Gemäß den gesetzlichen Vorgaben wird Behördenkorruption strafrechtlich verfolgt, jedoch werden die gesetzlichen Vorschriften von der Regierung im Allgemeinen nicht wirksam umgesetzt (USDOS 20.3.2023). Ein Mangel an Rechenschaftspflicht ermöglicht es öffentlich Bediensteten, ungestraft Straftaten zu begehen (FH 2023). Korruption ist in Russland weitverbreitet (TI 4.3.2022; vgl. FH 2023). Von Korruption sind die Exekutive, die Legislative und das Justizwesen auf allen Ebenen betroffen. Behördenkorruption grassiert in zahlreichen Bereichen, darunter im Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungswesen, Militärbereich, im Handel und im Bereich der sozialen Fürsorge. Zu den Formen von Korruption zählen Bestechung öffentlich Bediensteter, missbräuchliche Verwendung von Finanzmitteln, Diebstahl öffentlichen Eigentums, Bestechungsgelder im Beschaffungswesen, Erpressung sowie die missbräuchliche Verwendung der beruflichen Position, um sich persönlich zu bereichern (USDOS 20.3.2023). Experten bezeichnen das politische System als Kleptokratie (FH 2023; vgl. TI 4.3.2022), was bedeutet, dass das öffentliche Vermögen von den regierenden Eliten geplündert wird (FH 2023). Korruptionsanschuldigungen innerhalb der politischen Elite gelten als Instrumente in Machtkämpfen (BS 2022).
Medien und NGOs werden systematisch daran gehindert, Korruptionsfälle öffentlich zu machen (BS 2022). Alexej Nawalnyj gründete im Jahr 2011 eine Antikorruptionsstiftung (FBK), welche sich der Untersuchung und Aufdeckung von Behördenkorruption auf höheren Ebenen widmete (FBK o.D.). Die Antikorruptionsstiftung des Oppositionspolitikers Nawalnyj wurde 2021 als extremistische Organisation eingestuft und von russischen Behörden aufgelöst (EUAA 16.12.2022b; vgl. DW 9.6.2021).
Gemäß dem Korruptionswahrnehmungsindex 2022 von Transparency International wird die Russische Föderation mit 28 von 100 Punkten bewertet (0=sehr korrupt, 100=sehr wenig korrupt). Im Vorjahr lag Russland bei 29 Punkten. Die Russische Föderation nimmt aktuell den Rang 137 von 180 untersuchten Staaten/Regionen ein und liegt gleichauf mit Mali und Paraguay (TI 2023; vgl. TI o.D.).
Tschetschenien
Die Achmat-Kadyrow-Stiftung wurde im Jahr 2004 gegründet und wird von der Mutter des tschetschenischen Republiksoberhaupts Kadyrow geleitet. Die Stiftung verfolgt wohltätige Zwecke wie beispielsweise Instandsetzung zerstörter Häuser, materielle Unterstützung behinderter Personen, Förderung von Kultureinrichtungen usw. Jedoch kommt aufgrund von Korruption ein Teil der Hilfe bei den Bedürftigen nicht an. Die Stiftung dient dem tschetschenischen Republiksoberhaupt Ramsan Kadyrow zur persönlichen Bereicherung. Aus welchen Geldquellen sich die Stiftung speist, liegt im Dunkeln. Öffentlich Bedienstete müssen monatlich ca. 10 % ihres Einkommens für wohltätige Zwecke spenden (KU 15.5.2023).
Quellen:
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf , Zugriff 16.5.2023
DW – Deutsche Welle (9.6.2021): Nawalnys Netzwerk ist zerschlagen, https://www.dw.com/de/nawalnys-netzwerk-ist-zerschlagen/a-57536221 , Zugriff 19.5.2023
EUAA – European Union Agency for Asylum (16.12.2022b): The Russian Federation – Political opposition, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Report_Russian_Federation_Political_Opposition.pdf , Zugriff 19.5.2023
FBK – Fond borby s korrupziej [Antikorruptionsstiftung] (o.D.): О фонде: Фонд борьбы с коррупцией [Über die Stiftung: Antikorruptionsstiftung], https://fbk.info/ , Zugriff 19.5.2023
FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Russia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2088552.html, Zugriff 16.5.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (15.5.2023): Фонд Кадырова: как тратят ‚деньги от Аллаха‘ [Kadyrow-Stiftung: Wie das ‚Geld Allahs’ ausgegeben wird], https://www.kavkaz-uzel . eu/articles/310518/, Zugriff 19.5.2023
OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development (o.D.): Russia – OECD AntiBribery Convention, https://www.oecd.org/corruption/russia-oecdanti-briberyconvention.htm , Zugriff 19.5.2023
Präsident [Russland] (16.8.2021): Указ Президента РФ от 16.08.2021 N 478 ‚О Национальном плане противодействия коррупции на 2021 – 2024 годы‘ [Erlass des Präsidenten der Russischen Föderation vom 16.08.2021 N 478 ‚Über den Nationalen Plan zur Korruptionsbekämpfung für die Jahre 2021-2024‘], http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_392999/ , Zugriff 19.5.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (6.2.2023): Федеральный закон ‚О противодействии коррупции‘ от 25.12.2008 N 273-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz ‚Über die Korruptionsbekämpfung’ vom 25.12.2008 N 273-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/docu ment/cons_doc_LAW_82959/, Zugriff 19.5.2023
TI – Transparency International (2023): Corruption Perceptions Index 2022, https://images.transparencycdn.org/images/Report_CPI2022_English.pdf , Zugriff 19.5.2023
TI – Transparency International (4.3.2022): Countering Russia’s kleptocrats: What the West’s response to the assault on Ukraine should look like, https://www.transparency.org/en/news/count ering-russian-kleptocrats-wests-response-to-assault-on-ukraine, Zugriff 19.5.2023
TI – Transparency International (o.D.): Corruption Perceptions Index 2022: Russia, https://www.transparency.org/en/cpi/2022/index/rus , Zugriff 19.5.2023
UNTC – United Nations Treaty Collection (19.5.2023): 14. United Nations Convention against Corruption – New York, 31 October 2003, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=IND &mtdsg_no=XVIII-14&chapter=18&clang=_en, Zugriff 19.5.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html , Zugriff 16.5.2023
Wehrdienst und Rekrutierungen
Letzte Änderung 2023-11-08 11:01
Gemäß § 22 des föderalen Gesetzes ‚Über die Wehrpflicht und den Wehrdienst’ unterliegen männliche russische Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 27 Jahren der Einberufung zum Wehrdienst (RF 4.8.2023b). Ab dem Jahr 2024 erhöht sich das wehrdienstpflichtige Alter auf 30 Jahre (Duma 25.7.2023). Die Pflichtdienstzeit beträgt ein Jahr. Der Staatspräsident legt jährlich fest, wie viele der Stellungspflichtigen tatsächlich zum Wehrdienst eingezogen werden sollen. In der Regel liegt die Quote bei etwa einem Drittel der jährlich ins wehrdienstpflichtige Alter kommenden jungen Männer. Über die regionale Aufteilung der Wehrpflichtigen entscheidet das Verteidigungsministerium (ÖB 30.6.2023). Es gibt in Russland zweimal jährlich eine Stellung (Spiegel 31.3.2022). Für Herbst 2022 wurden 120.000 Wehrpflichtige zum Militärdienst eingezogen (Kreml 30.9.2022), für das Frühjahr 2023 147.000 (Präsident 30.3.2023) und für Herbst 2023 130.000 Personen (Präsident 29.9.2023). Die Anzahl der aus Tschetschenien Einberufenen ist relativ gering, im Durchschnitt 500 Einberufene pro Einberufungsperiode (ÖB 25.1.2023). Einberufungsbefehle werden Einzuberufenden in schriftlicher Form und zusätzlich elektronisch übermittelt. Die Einberufungsbefehle werden vom Militärkommissariat per eingeschriebenem Brief verschickt. Möglich ist unter anderem auch die persönliche Aushändigung des Einberufungsbefehls durch Mitarbeiter des Militärkommissariats (§ 31 des Gesetzes ‚Über die Wehrpflicht und den Wehrdienst’) (RF 4.8.2023b). Per Gesetz ist die elektronische Einberufung bereits möglich, sie wird jedoch aufgrund einer Weisung des Verteidigungsministeriums erst mit 1.1.2024 durchgeführt. Derzeit kommt es in Versuchsregionen zu Parallelversendungen von Papier- und elektronischen Einberufungsbefehlen (VB 9.10.2023). Das einheitliche Militärregister wird ab dem Jahr 2025 voll funktionsfähig sein (RBK 19.9.2023). Wer zum Wehrdienst einberufen wurde, darf das Land bis zur Beendigung des Wehrdiensts nicht verlassen (§ 15 des Gesetzes ‚Über den Ablauf der Aus- und Einreise in die Russische Föderation’) (RF 4.8.2023c).
Staatsangehörige, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Wehrdienst geeignet sind, werden als ‚untauglich’ von der Dienstpflicht befreit. Darüber hinaus kann ein Antrag auf Aufschub des Wehrdienstes gestellt werden, etwa durch Personen, welche ein Studium absolvieren oder einen nahen Verwandten pflegen müssen, oder durch Väter mehrerer Kinder. Auch Angehörige bestimmter Berufsgruppen können einen Aufschub des Wehrdienstes beantragen. Die Ableistung des Grundwehrdienstes ist Voraussetzung für bestimmte (vor allem staatliche) berufliche Laufbahnen (ÖB 30.6.2023). Ab einem Alter von 16 Jahren ist der freiwillige Besuch einer Militärschule möglich (EBCO 12.5.2023). Frauen dürfen freiwillig Militärdienst leisten (CIA 19.10.2023).
Nach dem Grundwehrdienst besteht die Möglichkeit, freiwillig auf Basis eines Vertrags in der Armee zu dienen (ÖB 30.6.2023). Bislang kamen als Vertragssoldaten russische Staatsbürger im Alter von 18-40 Jahren sowie ausländische Personen zwischen 18 und 30 Jahren infrage. Im Mai 2022 wurden diese Altersgrenzen bis zum Pensionsalter angehoben (Duma 25.5.2022; vgl. NZZ 25.5.2022). Seit mehreren Jahren sind Bemühungen im Gang, die Armee in Richtung eines Berufsheeres umzugestalten (ISW 5.3.2022; vgl. SWP 7.12.2022, GS o.D.).
Im Militärbereich ist Korruption weitverbreitet (USDOS 20.3.2023; vgl. SWP 7.12.2022). 2015 wurden die Aufgaben der Militärpolizei erheblich erweitert. Seitdem zählt hierzu ausdrücklich die Bekämpfung der Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade sowie von Diebstählen innerhalb der Streitkräfte. Auch die sogenannte Dedowschtschina (‚Herrschaft der Großväter’) – ein System der Erniedrigung bis hin zur Vergewaltigung von sich ausgeliefert fühlenden Rekruten durch dienstältere Mannschaften in Verbindung mit abgelegenen Standorten und kein Ausgang bzw. kaum Urlaub – dürfte eine maßgebliche Ursache sein. Es ist zu vermuten, dass es nach wie vor zu Delikten kommt, jedoch nicht mehr in dem Ausmaß wie in der Vergangenheit (AA 28.9.2022). NGOs gehen von Hunderten Gewaltverbrechen pro Jahr im Heer aus. Laut Menschenrechtsvertretern existiert Gewalt in den Kasernen zumindest in bestimmten Militäreinheiten als System und wird von den Befehlshabenden unterstützt bzw. geduldet (ÖB 30.6.2023). Die Diskreditierung der Armee ist gemäß § 280.3 des Strafgesetzbuches strafbar (RF 4.8.2023). Für Strafverfahren gegen Militärangehörige sind Militärgerichte zuständig, welche in die zivile Gerichtsbarkeit eingegliedert sind. Freiheitsstrafen wegen Militärvergehen sind ebenso wie übliche Freiheitsstrafen in Haftanstalten oder Arbeitskolonien zu verbüßen. Militärangehörige können jedoch bis zu zwei Jahre in Strafbataillone, die in der Regel zu Schwerstarbeit eingesetzt werden, abkommandiert werden (AA 28.9.2022).
Gemäß einem präsidentiellen Erlass vom 25.8.2022 ist mit 1.1.2023 die russische Armee auf einen Personalstand von 2.039.758 Bediensteten aufgestockt worden, davon 1.150.628 Militärbedienstete und der Rest Zivilpersonal wie Verwaltungsangestellte usw. (RI 25.8.2022; vgl. ORF 25.8.2022). Für den Zeitraum 2023-2026 ist eine Erhöhung der Anzahl der Militärbediensteten auf 1,5 Millionen geplant (Iswestija 17.1.2023). Im Jahr 2022 betrugen die Militärausgaben 4,1 % des Bruttoinlandsprodukts (SIPRI o.D.). Gemäß Verfassungsartikel 87 ist der Präsident der Russischen Föderation Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Duma 6.10.2022).
Mobilmachung / Ukraine-Krieg
Gemäß rechtlicher Vorgaben müssen Wehrpflichtige eine mindestens viermonatige Ausbildung absolviert haben, um zu Kampfeinsätzen im Ausland entsandt werden zu können. Jedoch zu Kriegszeiten oder im Falle der Ausrufung des Kriegsrechts ist es möglich, Wehrpflichtige früher heranzuziehen. Innerhalb Russlands dürfen Wehrpflichtige sofort (auch unausgebildet) herangezogen werden (ISW 30.10.2022). Aktuell gibt es keine Hinweise auf eine Teilnahme Wehrpflichtiger an Kampfhandlungen in der Ukraine (EUAA 16.12.2022a; vgl. ÖB 8.11.2022, ÖB 25.1.2023). Wehrpflichtige werden allerdings in Grenzregionen stationiert (EUAA 16.12.2022a; vgl. ISW 13.6.2023) (beispielsweise in Belgorod, Kursk, Brjansk, Rostow und Krasnodar) sowie auf der von Russland besetzten Krim (EUAA 16.12.2022a). Es gab Berichte über Wehrpflichtige, welche unter Druck gesetzt wurden, ihre Dienstzeit durch Freiwilligenverträge zu verlängern (RFE/RL 14.7.2022). Alle russischen Regionen wurden angewiesen, Freiwilligenbataillone für den Einsatz in der Ukraine zusammenzustellen (ÖB 30.6.2022). Mit der Rekrutierung Freiwilliger wurde im Juli/August 2022 begonnen (EUAA 16.12.2022a). Bis spätestens 1.7.2023 hatten die Freiwilligenformationen einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium abzuschließen (VM 10.6.2023). Das Verteidigungsministerium rekrutiert seit September 2022 Strafgefangene, welchen als Gegenleistung für einen Kampfeinsatz Geld und frühzeitige Entlassung aus dem Gefängnis angeboten wird (EUAA 16.12.2022a). Eine gesetzliche Neuregelung vom November 2022 ermöglicht die Mobilisierung von Schwerverbrechern. Davon ausgenommen sind unter anderem Terroristen, Spione sowie Personen, die Minderjährige sexuell missbrauchten (RN 4.11.2022; vgl. RF 4.11.2022).
Gemäß dem präsidentiellen Erlass (Ukas) vom 21.9.2022 werden mobilisierte Staatsbürger Vertragssoldaten gleichgestellt, auch hinsichtlich der Besoldung. Die Verträge der Vertragssoldaten laufen erst mit dem Ende der Teilmobilmachung aus. Der Erlass enthält keine Angaben zur Anzahl der einzuberufenden Staatsbürger und auch kein Enddatum der Mobilisierung. [Anzumerken ist auch, dass der Punkt 7 des Erlasses nicht veröffentlicht wurde und dem ‚Dienstgebrauch’ dient. Sein Inhalt ist unbekannt. – Anm. der Staatendokumentation]. Die Umsetzung der Mobilmachung obliegt den Regionen. Ausgenommen von der Mobilmachung sind gemäß dem Erlass ältere Personen, Personen, die wegen ihres Gesundheitszustands als untauglich eingestuft werden (RI 21.9.2022), außerdem Mitarbeiter im Banken- und Mobilfunksektor, IT-Bereich sowie Mitarbeiter von Massenmedien (Kommersant 23.9.2022). Ein Einberufungsaufschub gilt für Staatsbürger, welche im Verteidigungsindustriesektor arbeiten (RI 21.9.2022). Folgende Personengruppen sind ebenfalls von der Mobilmachung ausgenommen: pflegende Angehörige; Betreuer von Personen mit Behinderungen; kinderreiche Familien; Personen, deren Mütter alleinerziehend sind und mindestens vier Kinder unter acht Jahren haben; Veteranen im Ruhestand, welche nicht mehr im Militärregister aufscheinen; sowie Personen, welche nicht in Russland leben und nicht im Militärregister aufscheinen (Meduza 22.9.2022). Der Kreml räumte Fehler bei der Umsetzung der Teilmobilmachung ein. So wurden Personen einberufen, welche eigentlich von der Mobilmachung ausgenommen sind, beispielsweise Krebskranke (Kommersant 26.9.2022). Die Teilmobilmachung führte in Russland zu Protesten, Festnahmen (OWD-Info o.D.a; vgl. Der Standard 22.9.2022) sowie zu einer Ausreisebewegung (WP 28.9.2022). Es wird berichtet, dass seit Verkündung der Teilmobilmachung Hunderttausende Männer Russland verließen (DW 6.10.2022). Manche Personen, welche während der Mobilisierung die Flucht versuchten, trafen an der Grenze auf Sicherheitspersonal, welches ihnen Einberufungsbefehle ausgehändigt hat (FH 2023). Bürger, welche im Militärregister aufscheinen, dürfen ab Verkündung einer Mobilmachung ihren Wohnort nur mit behördlicher Erlaubnis verlassen (§ 21 des Gesetzes ‚Über die Mobilisierungsvorbereitung und die Mobilisierung’) (RF 4.8.2023a). Seit Kriegsbeginn bieten NGOs juristische Beratung für Grundwehrdiener und Soldaten an (ÖB 30.6.2023).
Am 28.10.2022 vermeldete der Verteidigungsminister an Präsident Putin den Abschluss der oben beschriebenen Teilmobilmachung (Tass 28.10.2022). Am 31.10.2022 bestätigte Putin mündlich das Ende der Teilmobilmachung (Kreml 31.10.2022). Gemäß einer schriftlichen Mitteilung der russischen Präsidialverwaltung vom Jänner 2023 ist der präsidentielle Erlass zur Einleitung der Teilmobilmachung (21.9.2022) nach wie vor in Kraft (ISW 20.1.2023; vgl. ÖB 25.1.2023). Im Rahmen der Teilmobilmachung wurden nach offiziellen Angaben 300.000 Reservisten einberufen (RG 21.9.2022). Als Reservist gilt jede männliche und weibliche Person, die ein Militärbuch besitzt (ÖB 19.10.2022). Prinzipiell erhalten alle Personen, welche den Wehrdienst abgeleistet haben, ein Militärbuch. Es häufen sich aber Aussagen, dass immer mehr Männer, die nie gedient haben, mit Vollendung des 25. Lebensjahres ein Militärbuch erhalten. Dieses besagt dann jedoch, dass sie nie dienten und daher auch nicht zur Reserve zählen (ÖB 25.1.2023).
Ethnische Minderheiten aus ärmeren Regionen waren überproportional von der Mobilisierungswelle betroffen (Der Standard 28.9.2022; vgl. ISW 17.10.2022). Derzeit wird vom Kreml eine verdeckte Mobilisierung durchgeführt (ISW 8.6.2023; vgl. ISW 5.10.2023). Dies bedeutet, es werden beispielsweise finanzielle Anreize geschaffen und auch Zwangsmaßnahmen gesetzt, um Menschen für den Militärdienst zu gewinnen (ISW 8.6.2023).
Bislang zählte zu den Kämpfern in der Ukraine die russische Wagner-Gruppe (RBK 13.6.2023; vgl. DW 26.6.2023). Private Militärfirmen wie ‚Wagner’ sind formal illegal (SWP 7.12.2022). Die Führungsriege der Wagner-Gruppe, darunter Ewgenij Prigoschin, kam bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Moskau am 23.8.2023 ums Leben (BBC 27.8.2023). Frühere Wagner-Kämpfer werden nach wie vor in der Ukraine eingesetzt – als Teil anderer russischer Militärverbände (ISW 31.10.2023), welche unter Kontrolle des Verteidigungsministeriums stehen (ISW 28.10.2023). Zur Unterstützung Russlands wurden auch syrische Söldner für den Kampf in der Ukraine rekrutiert (Rat der EU 22.7.2022). Russland begeht im Krieg gegen die Ukraine schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung (UN-OHCHR 16.3.2023; vgl. UN-OHCHR 20.10.2023, HRW 21.4.2022) [siehe dazu auch das Kapitel Politische Lage].
Tschetschenien
Tschetschenische Gruppierungen kämpfen in der Ukraine seit Beginn des Kriegs im Februar 2022 (EUAA 16.12.2022a). Die von Präsident Putin am 21.9.2022 verkündete Teilmobilmachung (RI 21.9.2022) wurde in Tschetschenien nicht durchgeführt. Das tschetschenische Republiksoberhaupt, Ramsan Kadyrow, begründete dies damit, dass Tschetschenien bereits überproportional viele Kämpfer in die Ukraine entsandt hatte und somit die Quote übererfüllt war (KU 23.9.2022). In Tschetschenien wurden Freiwilligenbataillone gebildet (EUAA16.12.2022a). Nach wie vor entsendet Tschetschenien Gruppen Freiwilliger als Kämpfer in den Ukraine-Krieg (KU 20.6.2023; vgl. KU 31.10.2023). Ab Juni 2022 wurden Freiwillige mittels kurzfristiger Verträge an Militäreinheiten angegliedert, an private Militärunternehmen wie Wagner oder an die Nationalgarde. Am 26.6.2022 verkündete Kadyrow die Gründung von vier tschetschenischen (an das Verteidigungsministerium angegliederten) Freiwilligenbataillonen mit den Bezeichnungen Süd-Achmat, Nord-Achmat, West-Achmat sowie Ost-Achmat. Wegen des Personalmangels stammen Mitglieder dieser Einheiten hauptsächlich aus tschetschenischen Polizeieinheiten und der Nationalgarde. Zur selben Zeit begann Kadyrow mit Rekrutierungen im Kreis der tschetschenischen Sicherheitskräfte (EUAA 16.12.2022a). Am 11.6.2023 verkündete Kadyrow die Gründung von zwei tschetschenischen Regimentern des Verteidigungsministeriums: ‚Achmat-Russland’ und ‚Achmat-Tschetschenien’ (KU 20.6.2023). Im Oktober 2023 wurde über die Gründung zweier neuer tschetschenischer Bataillone mit den Bezeichnungen ‚Scheich Mansur’ und ‚Bajsangur Benoewskij’ berichtet (KU 31.10.2023). Zu den Kämpfern in der Ukraine zählen auch die sogenannten Kadyrowzy. Diese stellen eine Art Privatarmee des tschetschenischen Machthabers Kadyrow dar. Formal sind die Kadyrowzy der Nationalgarde unterstellt (SWP 7.12.2022). [zum Begriff der Kadyrowzy siehe auch das Kapitel Sicherheitsbehörden].
Nach Aussage von Republikoberhaupt Kadyrow sind alle in der Ukraine kämpfenden Tschetschenen, darunter auch die Sicherheitskräfte, Freiwillige (KU 1.1.2023). Tatsächlich finden in Tschetschenien Rekrutierungen von Kämpfern in einer allgemeinen Atmosphäre des Zwanges und unter Verletzung von Menschenrechtsstandards statt. In vielen Fällen erfolgen Zwangsrekrutierungen (EUAA 16.12.2022a; vgl. KR 8.6.2023, ISW 10.6.2023), wobei Methoden wie Drohungen und Entführungen angewandt werden (EUAA 16.12.2022a). Behörden in Tschetschenien betreiben eine aggressive Anwerbungskampagne, um Einheimische als ‚freiwillige’ Kämpfer für die Ukraine zu gewinnen (RFE/RL 10.11.2022; vgl. ÖB 25.1.2023). Kadyrow drohte Kampfunwilligen mit der ’Hölle’ (KU 17.7.2022) und ordnete die Streichung von Sozialleistungen für Familien von Kriegsdienstverweigerern an (KU 25.8.2022). In Tschetschenien gibt es keine NGOs, welche eingezogene Personen unterstützen (EUAA 16.12.2022a).
Quellen:
AA – AuswärtigesAmt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09 .2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
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Duma [Russland] (25.5.2022): Отменен верхний возрастной предел для желающих служить в армии по контракту [Obere Altersgrenze für Vertragssoldaten gekippt], http://duma.gov.ru/news /54395/,Zugriff 27.6.2023
DW – Deutsche Welle (26.6.2023): Помимо ‚Вагнера‘: какие еще ЧВК из России воюют в Украине [Abgesehen von ‚Wagner’: welche weiteren privaten russischen Militärfirmen in der Ukraine kämpfen], https://www.dw.com/ru/pomimo-vagnera-kakie-ese-cvk-iz-rossii-vouut-v-ukraine/a -66003911, Zugriff 27.6.2023
DW – Deutsche Welle (6.10.2022): Warum Mütter russischer Kriegsdienstverweigerer schweigen, https://www.dw.com/de/warum-m%C3%BCtter-russischer-kriegsdienstverweigerer-schweigen/a-63346061 , Zugriff 27.6.2023
EBCO – European Bureau for Conscientious Objection (12.5.2023): Annual Report: Conscientious Objection to Military Service in Europe 2022/23, https://ebco-beoc.org/sites/ebco-beoc.org/files/at tachments/2023-05-12-EBCO_Annual_Report_2022-23.pdf, Zugriff 26.6.2023
EUAA – European Union Agency for Asylum (16.12.2022a): The Russian Federation – Military service, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Russia_Military_Service.pdf , Zugriff 16.5.2023
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Allgemeine Menschenrechtslage, Ombudsperson, Menschenhandel, Flüchtlinge
Letzte Änderung 2023-06-29 10:08
Artikel 19 der Verfassung der Russischen Föderation garantiert gleiche Rechte und Freiheiten für alle Personen, unabhängig von Geschlecht, Ethnie, Nationalität, Sprache, Herkunft, sozialem Status, Wohnort, Religionszugehörigkeit usw. Gemäß Verfassungsartikel 55 dürfen die Rechte und Freiheiten der Menschen durch die föderale Gesetzgebung nur insoweit eingeschränkt werden, als dies aus folgenden Gründen notwendig ist: zum Schutz der Verfassung, der Moral, Gesundheit, der Rechte und gesetzlichen Interessen anderer Personen, zur Gewährleistung der Landesverteidigung sowie der nationalen Sicherheit (Duma 6.10.2022). Die Grundrechte werden in Russland zwar in der Verfassung garantiert, es besteht jedoch ein deutlicher Widerspruch zwischen verfassungsrechtlichen Normen und der Rechtswirklichkeit (AA 28.9.2022). Russland hat unter anderem folgende internationale Menschenrechtsverträge ratifiziert (UN-OHCHR o.D.):
• Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
• Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
• Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
• Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung
• Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
• Kinderrechtskonvention
• Behindertenrechtskonvention
Aufgrund von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine stimmte die UN-Generalversammlung im April 2022 für den Ausschluss Russlands aus dem UN-Menschenrechtsrat (UN 7.4.2022). Die Menschenrechtssituation in Russland hat sich im Laufe der vergangenen Jahre sukzessive verschlechtert (EEAS 19.4.2022). Russland wird von der NGO Freedom House als unfrei in Bezug auf politische Rechte und bürgerliche Freiheiten eingestuft (FH 2023). Freiheitsrechte wurden durch die russische Regierung immer weiter eingeschränkt (SWP 19.4.2022). Um die politische Macht und Stabilität zu stärken, untergräbt Russlands politische Führung oft Bürgerund Menschenrechte sowie die Rechtsstaatlichkeit (BS 2022). Die Regierung geht unerbittlich gegen Menschenrechtsorganisationen vor (FH 2023). Zahlreiche davon wurden aufgelöst oder werden in ihren Tätigkeiten beträchtlich behindert (UN-HRC 1.12.2022). 2022 wurde Memorial, eine der ältesten russischen Menschenrechtsorganisationen, auf Grundlage einer Gerichtsentscheidung aufgelöst (ÖB 30.6.2022; vgl. Memorial o.D.). Die Behörden nutzen neben der Gesetzgebung über ‚ausländische Agenten’ und ‚unerwünschte Organisationen’ verschiedene weitere Maßnahmen, um Menschenrechtsverteidiger unter Druck zu setzen. Im November 2022 schloss Präsident Putin mehrere prominente Menschenrechtsverteidiger aus dem Menschenrechtsrat des Präsidenten aus und ersetzte sie durch regierungsfreundliche Personen (AI 28.3.2023). Menschenrechtsanwälte geraten zunehmend unter Druck (ÖB 30.6.2022). Mehreren Menschenrechtsanwälten wurde die Anwaltslizenz entzogen, ohne ihnen ein Beschwerderecht einzuräumen (EUAA 16.12.2022b).
Es ist gesetzlich vorgesehen, dass Personen Behörden wegen Menschenrechtsverletzungen klagen können. Jedoch sind diese Mechanismen oft nicht effektiv (USDOS 20.3.2023). Am 16.3.2022 wurde Russland aus dem Europarat ausgeschlossen (Europarat 16.3.2022). Seit 16.9.2022 ist Russland keine Vertragspartei der vom Europarat geschaffenen Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) mehr (Europarat 16.9.2022; vgl. Europarat o.D.b). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt die Einhaltung der EMRK sicher. Bürger können sich, nachdem die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sind, mit Beschwerden direkt an ihn wenden (Europarat o.D.). Seit 16.9.2022 haben russische Bürger kein Recht mehr, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen (SWP 19.4.2022).
Ombudsperson
Die Ombudsperson für Menschenrechte wird laut Artikel 103 der Verfassung der Russischen Föderation vom Parlament (Duma) ernannt und entlassen (Duma 6.10.2022). Zu den Aufgaben der Ombudsperson für Menschenrechte gehören die Kontrolle der Tätigkeiten staatlicher Organe sowie die Bearbeitung von Beschwerden, welche von Bürgern der Russischen Föderation, Staatenlosen oder anderen Personen eingereicht werden (OPMR o.D.a). Jährlich erstellt die Ombudsperson einen Tätigkeitsbericht (OPMR o.D.b). Die Befugnisse der Ombudsperson für Menschenrechte gelten als begrenzt (USDOS 20.3.2023; vgl. OSCE 22.9.2022). In allen Regionen gibt es außerdem regionale Ombudspersonen, deren Wirksamkeit sehr variiert. Örtliche Behörden untergraben oft die Unabhängigkeit der Ombudspersonen (USDOS 20.3.2023).
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Tschetschenien, Kritiker, Tschetschenienkrieg-Kämpfer
Letzte Änderung 2023-06-29 10:49
In Tschetschenien stellt sich die Menschenrechtssituation als äußerst beunruhigend dar (FCDO 12.2022). Die weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen sind staatlichen Akteuren zuzuschreiben (EUAA 16.12.2022b). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet das Republiksoberhaupt Kadyrow unterschiedliche Gewaltformen an, beispielsweise Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen (FH 2023; vgl. Europarat 3.6.2022). Es kommt zu Massenrazzien und Massenentführungen (KR 27.3.2023). Einige der Entführten werden von den Behörden unter Druck gesetzt, in der Ukraine zu kämpfen (AI 28.3.2023). Auch kollektive Bestrafungen kommen zur Anwendung (EUAA 16.12.2022b). Die Stabilisierung der Sicherheitslage erfolgt um den Preis gravierender Menschenrechtsverletzungen, darunter menschen- und rechtsstaatswidriges Vorgehen der Behörden gegen Extremismusverdächtige. Die Bekämpfung von Extremisten geht mit rechtswidrigen Festnahmen, Sippenhaft, Kollektivstrafen, Verschwindenlassen, Folter zur Erlangung von Geständnissen, fingierten Straftaten, außergerichtlichen Tötungen und Geheimgefängnissen, in welchen gefoltert wird, einher (AA 28.9.2022). Kadyrow billigt, beruhend auf seinen religiösen Ansichten, schwerwiegende Menschenrechtsverstöße gegen Frauen, sexuelle Minderheiten usw. (USCIRF 4.2022). Frauen werden Opfer von Ehrenmorden (USDOS 20.3.2023). Es gibt Clans, die Blutrache praktizieren (AA 28.9.2022; vgl. KU 1.2.2023). Mit der Unterstützung Moskaus wird gewaltsam gegen religiöse Minderheiten vorgegangen (USCIRF 10.2021). Zwischen 2019 und 2021 verschwanden in Tschetschenien 4.984 Personen spurlos. Tschetschenien gehört zu denjenigen Regionen, in welchen Verschwundene am seltensten wiedergefunden werden (KR 28.3.2023). Russland ist dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen nicht beigetreten (UN-OHCHR o.D.).
Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, begangen von Vertretern der föderalen und regionalen Behörden, bleiben straffrei (Europarat 3.6.2022). Bestimmte Gruppen genießen keinen effektiven Rechtsschutz. Hierzu gehören Menschenrechtsaktivisten, sexuelle Minderheiten sowie Frauen, welche mit den Wertvorstellungen ihrer Familie in Konflikt geraten. Recherchen oder Befragungen von Opfern vor Ort durch NGOs sind nicht möglich. Kadyrow äußert regelmäßig Drohungen gegen Menschenrechtsaktivisten. Teilweise werden Bilder von Personen dieser Gruppe auf Instagram veröffentlicht. Teilweise droht er, sie mit Sanktionen zu belegen, da sie angeblich Feinde des tschetschenischen Volkes sind, oder er ruft offen dazu auf, sie umzubringen (AA 28.9.2022). Menschenrechtsaktivisten sind schweren Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane ausgesetzt, darunter Folter, Verschwindenlassen, rechtswidrige Festnahmen und Fälschung von Straftatbeständen (ÖB 30.6.2022; vgl. EEAS 19.4.2022). Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht (ÖB 30.6.2022). In Tschetschenien gibt es eine regionale Ombudsperson für Menschenrechte. Dieses Amt bekleidet derzeit Mansur Soltaew (OMRT o.D.).
Kritiker
Tschetschenische Behörden unterdrücken alle Formen abweichender Meinungen (HRW 12.1.2023). Kadyrow droht denjenigen Personen öffentlich, welche ihn und seine Familie kritisieren (UK-VI 17.11.2022). Mit der Unterstützung Moskaus wird gewaltsam gegen Kritiker des Kadyrow-Regimes vorgegangen (USCIRF 10.2021). Regimekritiker müssen mit Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten sowie physischen Übergriffen bis hin zu Mord rechnen (AA 28.9.2022). In mehreren Fällen kam es zu Folterungen (KR 27.3.2023). Auch kann es zu Sippenhaft von Familienangehörigen kommen (AA 28.9.2022). Bürger, welche sich über örtliche Angelegenheiten beschweren (beispielsweise Krankenhausschließung), sind Belästigungen oder Demütigungen ausgesetzt (UK-VI 17.11.2022). Kritiker des Kadyrow-Regimes werden systematisch zu Entschuldigungen gezwungen (KU 29.3.2023).
Oppositionelle, Regimekritiker und Personen, die sich gegen Republiksoberhaupt Kadyrow bzw. dessen Clan aufgelehnt haben, genießen keinen effektiven Rechtsschutz (AA 28.9.2022). Wer aus politischen Gründen strafrechtlich verfolgt wird, kann nicht mit einem fairen Gerichtsverfahren rechnen (UK-VI 17.11.2022). Die Opposition hat sich wegen der Unmöglichkeit von Straßenprotesten in Tschetschenien in soziale Netze und Messenger verlagert. Einer der bekanntesten Oppositionskanäle ist der Telegram-Kanal 1ADAT. Die Inhalte von 1ADAT wurden gerichtlich als extremistisch eingestuft (KU 13.2.2022). 1ADAT steht dem tschetschenischen Republiksoberhaupt Kadyrow äußerst kritisch gegenüber (USDOS 20.3.2023) und lässt regelmäßig Stimmen tschetschenischer Dissidenten zu Wort kommen (HRW 12.1.2023). Der Kanal sammelt Informationen über Verbrechen in Tschetschenien und führt eine Entführungsstatistik (KU 13.2.2022). Mitarbeiter von 1ADAT sind Festnahmen und Folter durch die ‚Kadyrowzy’ ausgesetzt (KU 13.2.2022; vgl. KR 23.8.2022). Die Kadyrowzy stellen die persönliche Armee von Kadyrow dar (FPRI 15.6.2022). Sie werden für zahlreiche Missbrauchshandlungen verantwortlich gemacht, darunter willkürliche Festnahmen, Folter und außergerichtliche Tötungen. Strafrechtliche Konsequenzen haben die Handlungen der Kadyrowzy keine (EUAA 16.12.2022a). Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlen sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem Regime Kadyrows nicht sicher. Sicherheitskräfte, welche Kadyrow zuzurechnen sind, sind nach Aussagen von NGOs auch in Moskau präsent. Jedenfalls stehen Tschetschenen in größeren russischen Städten unter Beobachtung ihrer Landsleute, und ‚falsches’ Verhalten kann ebenfalls das Interesse der tschetschenischen Sicherheitsstrukturen wecken (ÖB 30.6.2022). Gemäß Berichten verfolgen in Einzelfällen die Familien der Betroffenen oder tschetschenische Behörden (welche Zugriff auf russlandweite Informationssysteme haben) Flüchtende in andere Landesteile. Auch wird von verschiedenen Personengruppen berichtet, die gegen ihren Willen von einem innerstaatlichen Zufluchtsort nach Tschetschenien zurückgeholt und dort Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden sind. Zu den Betroffenen gehören Oppositionelle und Regimekritiker, darunter ehemalige Kämpfer und Anhänger der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung (AA 28.9.2022; vgl. KU 22.2.2023, Meduza 23.8.2022). In mehreren Fällen wurden Kritiker Kadyrows, welche außerhalb Russlands lebten, Opfer von Attentaten (KR 31.1.2023; vgl. FH 6.2022). Eine erhöhte Gefährdung kann sich nach einem Asylantrag im Ausland bei Rückkehr nach Tschetschenien für diejenigen Personen ergeben, welche bereits vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitskräften hatten (ÖB 30.6.2022). Im Dezember 2022 wurden einige Familienmitglieder von fünf tschetschenischen Bloggern und Aktivisten, welche im Ausland leben und Kadyrow online kritisiert haben, durch tschetschenische Sicherheitskräfte misshandelt und in Isolationshaft gehalten. Die Familien wurden gezwungen, sich zu entschuldigen und sich öffentlich von ihren Verwandten im Exil loszusagen (HRW 12.1.2023).
Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen (auf der Grundlage in ihrer Heimatregion erlassener Rechtsakte) in anderen Gebieten Russlands in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Sofern keine Strafanzeige vorliegt, können Untergetauchte durch eine Vermisstenanzeige ausfindig gemacht werden (AA 28.9.2022). Die russischen Behörden setzen Kameras mit Gesichtserkennungssoftware ein, um Personen festzunehmen. Solche Kameras sind beispielsweise in der Moskauer U-Bahn installiert (FH 18.10.2022). Unter dem Vorwand der Pandemie-Bekämpfung wird die Gesichtserkennungssoftware in Großstädten flächendeckend eingesetzt (AA 28.9.2022). Bei polizeilichen Personenkontrollen ist Racial Profiling verbreitet (AA 28.9.2022; vgl. UN-HRC 1.12.2022). Racial Profiling steigerte sich gemäß Berichten während der COVID-Pandemie und wird durch die Nutzung neuer Technologien intensiviert (UN-HRC 1.12.2022). Seit langer Zeit missbraucht Russland die von Interpol betriebenen ‚red notices’ (‚rote Ausschreibungen’), um Regimekritiker ausfindig zu machen (Politico 27.7.2022). ‚Red notices’ informieren weltweit die Polizei über international gesuchte Personen und fordern Gesetzesvollzugsorgane dazu auf, die betreffenden Personen ausfindig zu machen und vorübergehend (bis zu einer Auslieferung usw.) festzunehmen (Interpol o.D.).
Tschetschenienkrieg-Kämpfer
Von einer Verfolgung von Kämpfern des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges allein aufgrund ihrer Teilnahme an Kriegshandlungen ist heute im Allgemeinen nicht mehr auszugehen. Prominentes Beispiel dafür ist der Kadyrow‐Clan selbst, welcher im Zuge der Tschetschenienkriege vom Rebellen‐ zum Vasallentum wechselte (ÖB 30.6.2022).
Quellen:
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Religionsfreiheit
Letzte Änderung 2023-06-29 11:20
Die Bevölkerung des Landes weist eine religiöse Vielfalt auf. Ca. 68 % sind russisch-orthodox, 7 % Muslime, und 25 % gehören unter anderem folgenden Gemeinschaften an: Protestanten, Katholiken, Zeugen Jehovas, Buddhisten, Judentum, Bahai usw. (USCIRF 4.2022). Gemäß einer Umfrage des Lewada-Zentrums von April 2023 bekennen sich 72 % der Befragten zur Orthodoxie, 7 % zum Islam, 13 % zu keiner Religion, 5 % zum Atheismus und ca. 3 % zu anderen Glaubensrichtungen – vor allem Katholiken, Protestanten und Buddhisten (LZ 16.5.2023). Verlässliche Zahlen zu den Mitgliedern bzw. Anhängern einzelner Gemeinschaften gibt es nicht, da ein System der Mitgliederregistrierung fehlt (MR 2022).
Artikel 28 der Verfassung der Russischen Föderation garantiert Gewissens- und Glaubensfreiheit. Die Wahl des Religionsbekenntnisses steht frei. Auch wird die Freiheit eingeräumt, ohne Bekenntnis zu leben. Religiöse Überzeugungen dürfen frei verbreitet werden. Gemäß Artikel 29 der Verfassung ist das Schüren von religiösem Hass verboten. Laut Verfassungsartikel 14 ist die Russische Föderation ein säkularer (weltlicher) Staat, und es gibt keine Staatsreligion. Staat und Religion sind laut Verfassung voneinander getrennt (Duma 6.10.2022). Gemäß § 3 des Gesetzes ‚Über die Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen’ darf die Gewissens- und Glaubensfreiheit nur aus folgenden Gründen eingeschränkt werden: zum Schutz der Verfassung, der Moral, der Gesundheit, der Rechte und der gesetzlichen Interessen der Menschen und zur Gewährleistung der Landesverteidigung sowie der nationalen Sicherheit. Gemäß § 9 sind zur Gründung einer örtlichen religiösen Organisation mindestens zehn erwachsene Staatsbürger notwendig. Zentralisierte religiöse Organisationen bestehen aus mindestens drei örtlichen religiösen Organisationen. Laut § 11 unterliegen religiöse Organisationen einer staatlichen Registrierung. Die Verweigerung der staatlichen Registrierung einer religiösen Organisation kann gerichtlich angefochten werden (§ 12). Religiöse Vereinigungen können aufgelöst werden, wenn sie extremistisch tätig sind (§ 14 des Föderalen Gesetzes ‚Über die Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen’) (RF 29.12.2022c). Die Anti-Extremismus-Gesetzgebung wird in Russland überschießend angewandt (UN-HRC 1.12.2022) und wegen ihrer vagen Formulierungen kritisiert, welche breite Interpretationen sowie eine missbräuchliche Anwendung erlauben (EUAA 16.12.2022b). Beschwerden über den Umgang der Regierung mit dem Thema Religionsfreiheit nimmt die Ombudsperson entgegen (USDOS 15.5.2023).
Die Religionsfreiheit ist in Russland eingeschränkt (UN-HRC 1.12.2022). Behörden missbrauchen die Anti-Terrorismus- und Anti-Extremismus-Gesetzgebung, um friedliche religiöse Gruppen als terroristisch, extremistisch und unerwünscht einzustufen. Zu den betroffenen Gruppen gehören Zeugen Jehovas, vier protestantische Gruppen aus Lettland und der Ukraine, ein regionaler Zweig von Falun Gong sowie sieben mit Falun Gong verbundene NGOs. Solchen Gruppen ist die Religionsausübung verboten, und sie sind mit langen Haftstrafen, harten Haftbedingungen, Hausarrest, Razzien, Diskriminierung und Schikanierungen konfrontiert (USDOS 20.3.2023). Viele Muslime wurden in den letzten Jahren wegen ihrer angeblichen Zugehörigkeit zu verbotenen islamistischen Gruppen inhaftiert (FH 2023). Mindestens 20 angebliche Mitglieder von Hizb-ut-Tahrir wurden im Jahr 2022 im Rahmen politisch motivierter Gerichtsverfahren zu Haftstrafen von 11-18 Jahren verurteilt. Die Bewegung Hizb-ut-Tahrir strebt die Gründung eines Kalifats an, lehnt aber Gewaltanwendung zur Erreichung dieses Ziels ab. Hizb-ut-Tahrir wurde im Jahr 2003 in Russland als terroristische Organisation verboten (HRW 12.1.2023). Zahlreiche Haftstrafen erhielten friedliche Anhänger des gemäßigten muslimischen Theologen Said Nursi sowie der Missionsgruppe Tablighi Jamaat (USCIRF 4.2022; vgl. USCIRF 5.2023). Die Regierung betrachtet unabhängige religiöse Aktivitäten als stabilitätsbedrohend (USCIRF 4.2022). Mit Stand Dezember 2022 gab es laut der Menschenrechtsorganisation Memorial 488 politische Gefangene im Land, darunter 370 Personen, welche ungerechtfertigt wegen ihrer Religionsausübung inhaftiert sind. Gemäß Memorial ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen (USDOS 20.3.2023).
Religiöse Minderheiten sind Diskriminierung ausgesetzt (Sowa-Zentr 24.3.2023; vgl. EEAS 19.4.2022). Orthodoxie, Islam, Judentum und Buddhismus sind als sogenannte traditionelle Religionen anerkannt (MR 2022). Das Föderale Gesetz ‚Über die Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen’ räumt dem orthodoxen Christentum eine besondere Rolle ein (RF 29.12.2022c). Die russisch-orthodoxe Kirche genießt Privilegien (FH 2023; vgl. BS 2022) und arbeitet im innen- und außenpolitischen Bereich eng mit der Regierung zusammen (FH 2023; vgl. RAD 17.10.2022). Indigene Religionen wurden durch staatliche Programme unter einen gewissen Schutz gestellt. Sie sind jedoch, obwohl seit langer Zeit in Russland verwurzelt, nicht als traditionelle Religionen anerkannt. Ein Beispiel für eine indigene Religion stellt der Schamanismus dar. Die sogenannten traditionellen Religionen haben gesetzlich das Recht, an staatlichen Schulen Religionsunterricht anzubieten. Andere Religionsgemeinschaften dürfen an staatlichen Schulen nicht auftreten (MR 2022). Innerhalb der Politik nimmt Antisemitismus zu (USDOS 2.6.2022; vgl. USCIRF 5.2023). Die Massenmedien bedienen sich antisemitischer Rhetorik (USDOS 15.5.2023). Nach Angaben der israelischen Regierung emigrierten im Jahr 2022 43.685 Personen von Russland nach Israel (TOI 11.1.2023). Vergleichsweise waren im gesamten Jahr 2019 15.930 Russen nach Israel ausgewandert (Reuters 18.8.2022).
Die Leitung der russisch-orthodoxen Kirche hat, mit verschiedenen Nuancen und Dynamiken, Russlands militärisches Handeln in der Ukraine seit dem 24.2.2022 unverändert unterstützt (Russland-Analysen 23.2.2023). Religiöse Führer werden von der Regierung teils unter Druck gesetzt, um als Unterstützer des Krieges gegen die Ukraine aufzutreten (Forum 18 2.8.2022; vgl. FH 2023).
Quellen:
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf , Zugriff 16.5.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/ , Zugriff 16.5.2023
EEAS – European External Action Service (19.4.2022): EU ANNUAL REPORT ON HUMAN RIGHTS AND DEMOCRACY IN THE WORLD 2021 COUNTRY UPDATES, https://www.eeas.europa.eu/sites/default/files/documents/2021%20EU%20Annual%20Human%20Rights%20and%20Democracy%20Country%20Report.pdf , Zugriff 22.5.2023
EUAA – European Union Agency for Asylum (16.12.2022b): The Russian Federation – Political opposition, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Report_Russian_Federation_Political_Opposition.pdf , Zugriff 19.5.2023
FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088552.html , Zugriff 16.5.2023
Forum 18 (2.8.2022): RUSSIA: Government pressure on religious leaders to support Ukraine war, https://www.forum18.org/archive.php?article_id=2763 , Zugriff 2.6.2023
HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Russian Federation, https://www. ecoi.net/de/dokument/2085489.html, Zugriff 22.5.2023
LZ – Lewada-Zentr [Lewada-Zentrum] (16.5.2023): Религиозные представления [Religiöse Vorstellungen], https://www.levada.ru/2023/05/16/religioznye-predstavleniya-2/ , Zugriff 2.6.2023
MR – Missio/Renovabis / Regina Elsner (2022): Länderberichte Religionsfreiheit (55): Russland, https://www.missio-hilft.de/missio/informieren/wofuer-wir-uns-einsetzen/religionsfreiheit-menschenrechte/laenderberichte-religionsfreiheit/laenderbericht-055-russland.pdf , Zugriff 2.6.2023
RAD – Russian Analytical Digest (Nr. 286) / Regina Elsner (17.10.2022): Ideological Pillow and Strategic Partner: The Russian Orthodox Church and the War, https://css.ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/gess/cis/center-for-securities-studies/pdfs/RAD286.pdf , Zugriff 2.6.2023
Reuters (18.8.2022): Russian Jews head for Israel as Kremlin targets emigration group, https:// www.reuters.com/world/russian-jews-head-israel-kremlin-targets-emigration-group-2022-08-18/ , Zugriff 2.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (29.12.2022c): Федеральный закон ‚О свободе совести и о религиозных объединениях‘ от 26.09.1997 N 125-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz ’Über die Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen’ vom 26.09.1997 N 125-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_16218/ , Zugriff 2.6.2023
Russland-Analysen (Nr. 432) / Regina Elsner (23.2.2023): Der Krieg und die Kirchen, https://www. laender-analysen.de/russland-analysen/432/RusslandAnalysen432.pdf, Zugriff 2.6.2023
Sowa-Zentr [Sowa-Zentrum] (24.3.2023): Проблемы реализации свободы совести в России в 2022 году [Probleme bei der Umsetzung der Gewissensfreiheit in Russland im Jahr 2022], https: //www.sova-center.ru/religion/publications/2023/03/d47883/, Zugriff 2.6.2023
TOI – Times of Israel, The (11.1.2023): Russian Jewish population down sharply since 2010, preUkraine war census indicates, https://www.timesofisrael.com/russian-jewish-population-down-sharply-in-last-decade-pre-ukraine-war-census-shows/ , Zugriff 2.6.2023
UN-HRC – United Nations Human Rights Committee (1.12.2022): International Covenant on Civil and Political Rights – Concluding observations on the eighth periodic report of the Russian Federation (CCPR/C/RUS/CO/8), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083107/G2258965.pdf , Zugriff 16.5.2023
USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (5.2023): Annual Report 2023: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092540/Russia.pdf , Zugriff 2.6.2023
USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2022): Annual Report 2022: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2071908/2022+Russia.pdf , Zugriff 31.5.2023
USDOS – US Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091893.html , Zugriff 2.6.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html , Zugriff 16.5.2023
USDOS – US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073962.html , Zugriff 2.6.2023
Tschetschenien
Letzte Änderung 2023-06-29 11:23
Artikel 25 der Verfassung der Republik Tschetschenien garantiert Gewissens- und Glaubensfreiheit. Die Wahl des Religionsbekenntnisses steht frei. Auch wird die Freiheit eingeräumt, ohne Bekenntnis zu leben. Gemäß Artikel 26 ist Propaganda zur Entfachung von religiösem Hass nicht gestattet. Der Verfassungsartikel 11 definiert Tschetschenien als einen säkularen (weltlichen) Staat und spricht sich gegen eine Staatsreligion aus. Staat und religiöse Vereinigungen sind voneinander getrennt (RT 23.3.2003).
Die Hauptreligionsrichtung in Tschetschenien ist der sunnitische Islam (PPTR o.D.). Seit dem späten 18. Jahrhundert blüht in Tschetschenien der Sufismus, eine von großer Vielfalt gekennzeichnete Bewegung des islamischen Mystizismus (USCIRF 10.2021). Heute identifizieren sich die meisten tschetschenischen Muslime mit dem Sufismus (USCIRF 10.2021; vgl. PPTR o.D.). Das tschetschenische Republiksoberhaupt Kadyrow hat eine zentralisierte Staatsreligion begründet, welche mit der Unterstützung Moskaus gewaltsam gegen religiöse Minderheiten sowie Kritiker des Kadyrow-Regimes vorgeht. Kadyrow lehnt jede Form von Islam ab, die nicht mit seinem Sufismus-Modell im Einklang steht. Die in Tschetschenien vorherrschende Islam-Interpretation wird stark vom tschetschenischen Gewohnheitsrecht (Adat) beeinflusst (USCIRF 10.2021). Zu den existierenden säkularen (weltlichen) Gesetzen fügt die tschetschenische Führung religiöse Normen hinzu (BS 2022). Die von Kadyrow aufgezwungene offizielle Islam-Version gibt vor, den örtlichen Glauben und die örtliche Kultur zu verteidigen sowie gewalttätigen Extremismus zu bekämpfen. Kadyrow billigt, beruhend auf seinen religiösen Ansichten, schwerwiegende Menschenrechtsverstöße gegen Frauen, sexuelle Minderheiten usw. (USCIRF 4.2022). Die tschetschenischen Behörden gehen gegen friedliche muslimische Geistliche vor, welche die Einmischung des Regimes in ihre religiösen Angelegenheiten ablehnen (USCIRF 10.2021).
Das Vorgehen der Behörden gegen Extremismusverdächtige ist von Menschenrechts- und Rechtsstaatswidrigkeit gekennzeichnet. Die Bekämpfung von Extremisten geht laut NGOs mit rechtswidrigen Festnahmen, Sippenhaft, Kollektivstrafen, Verschwindenlassen, Folter zur Erlangung von Geständnissen, fingierten Straftaten, außergerichtlichen Tötungen und Geheimgefängnissen, in welchen gefoltert wird, einher (AA 28.9.2022). Tschetschenische Strafverfolgungsbehörden werfen vermeintlichen Salafisten und Wahhabiten unbegründet terroristische Machenschaften vor und erzwingen Geständnisse durch Folter (USCIRF 10.2021).
Quellen:
AA – AuswärtigesAmt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf , Zugriff 16.5.2023
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf , Zugriff16.5.2023
PPTR – Postojannoe predstawitelstwo Tschetschenskoj Respubliki pri presidente Rossijskoj Federazii [Ständige Vertretung der Tschetschenischen Republik beim Präsidenten der Russischen Föderation] [Russland] (o.D.): Общество и религия [Gesellschaft und Religion], http://ppchr.ru/%d0%be%d0%b1%d1%89%d0%b5%d1%81%d1%82%d0%b2%d0%be-%d0%b8-%d1%80%d0%b5%d0%bb%d0%b8%d0%b3%d0%b8%d1%8f/ , Zugriff 6.3.2023 [Webseite nicht mehr abrufbar, aber im Archiv der Staatendokumentation vorhanden und verfügbar]
RT – Republik Tschetschenien [Russland] (23.3.2003): Конституция Чеченской Республики (принята 23 марта 2003 г.) (с изменениями и дополнениями) [Verfassung der Republik Tschetschenien (verabschiedet am 23. März 2003) (mit Änderungen und Ergänzungen)], https://constitution.garant.ru/region/cons_chech/ , Zugriff 2.6.2023
USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2022): Annual Report 2022: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2071908/2022+Russia.pdf , Zugriff 31.5.2023
USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (10.2021): Issue Update Russia: Religious Freedom Violations in the Republic of Chechnya, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/2069579/2021+Chechnya+Issue+Update.pdf, Zugriff 31.5.2023
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung 2023-06-30 09:43
Artikel 19 der Verfassung der Russischen Föderation garantiert für alle ethnischen Gruppen gleiche Rechte und Freiheiten. Die Staatssprache der Russischen Föderation ist Russisch. Die einzelnen Republiken sind berechtigt, ihre eigenen Staatssprachen festzulegen, wobei als Behördensprache parallel das Russische gilt (Art. 68 der Verfassung) (Duma 6.10.2022). Das UN-Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung wurde von Russland im Jahr 1969 ratifiziert (UN-OHCHR o.D.). Der Vielvölkerstaat Russland umfasst mehr als 190 ethnische Minderheiten (MT 30.1.2023). In etwa 81 % der Bevölkerung sind ethnische Russen (AA 28.9.2022).
Fremdenfeindlichkeit ist weitverbreitet und richtet sich vor allem gegen Arbeitsmigranten aus dem Südkaukasus und Zentralasien sowie gegen Studierende aus Afrika (BS 2022; vgl. ÖB 30.6.2022). Es kommt zu Hassverbrechen gegen ethnische Minderheiten (USDOS 20.3.2023). ‚Racial Profiling’ ist bei polizeilichen Personenkontrollen verbreitet. Der Kontrolldruck der Sicherheitsbehörden gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. NGOs berichten von willkürlichem Vorgehen der Polizei bei Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen. Letztere finden vor allem in Tschetschenien auch ohne Durchsuchungsbefehle statt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden Ausländer und Personen fremdländischen Aussehens oft Opfer von Misshandlungen durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden. Ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt (AA 28.9.2022). In vielen Fällen werden ethnische Minderheiten aus dem Nordkaukasus und dem Fernen Osten von russischen Behördenvertretern diskriminiert (BS 2022). Einige regionale Behörden schränken die Wohnsitzregistrierung bei ethnischen Minderheiten und Migranten aus dem Kaukasus und Zentralasien ein (FH 2023). Im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt werden Mitglieder ethnischer Gruppen, insbesondere Nordkaukasier, systematisch diskriminiert. Beispielsweise ist es Bürgern aus dieser Region verboten, auf öffentlichen Märkten in Moskau tätig zu sein (BS 2022).
In Russland sind 47 kleine indigene ethnische Minderheitengruppen offiziell anerkannt (MT 30.1.2023). Gemäß Berichten kommt es zu Verletzungen der Rechte indigener Völker. Diese haben bei Industrieprojekten unzureichende Mitspracherechte hinsichtlich ihrer Ressourcen und Land und Boden (UN-HRC 1.12.2022; vgl. FA 9.12.2022). Der UN-Menschenrechtsausschuss zeigt sich besorgt über die Auflösung des ‚Zentrums zur Unterstützung indigener Völker des Nordens’. Indigene Menschenrechtsverteidiger sind Schikanen ausgesetzt (UN-HRC 1.12.2022). Spirituelle indigene Führer werden vermehrt juristisch verfolgt (GFBV 15.12.2022). 2023 wurden die staatlichen Subventionen zur Förderung kleiner indigener Minderheiten gekürzt (WI 30.1.2023).
Ethnische Minderheiten aus dem Süden und Osten des Landes sowie ärmere Bevölkerungsgruppen finden sich in überproportionaler Zahl unter den in der Ukraine gefallenen Soldaten der russischen Armee (SWP 7.11.2022; vgl. FP 23.9.2022, Russland-Analysen 21.12.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf , Zugriff 16.5.2023
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf , Zugriff 16.5.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/ , Zugriff 16.5.2023
FA – Foreign Affairs (9.12.2022): Putin’s War and the Dangers of Russian Disintegration, https://www.foreignaffairs.com/russian-federation/putins-war-and-dangers-russian-disintegration , Zugriff 16.5.2023
FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088552.html , Zugriff 16.5.2023
FP – Foreign Policy (23.9.2022): Russia Is Sending Its Ethnic Minorities to the Meat Grinder, https: //foreignpolicy.com/2022/09/23/russia-partial-military-mobilization-ethnic-minorities/, Zugriff 16.5.2023
GFBV – Gesellschaft für bedrohte Völker (15.12.2022): Repression in Russland. Indigener Schamane Sergej Kechimov erneut verurteilt, https://www.gfbv.de/de/news/repression-in-russland-10915/ , Zugriff 16.5.2023
MT – Moscow Times, The (30.1.2023): Population Decline in Russia’s Small Indigenous Groups Continues – Report, https://www.themoscowtimes.com/2023/01/30/population-decline-in-russias -small-indigenous-groups-continues-report-a80089, Zugriff 16.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2022):Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2022 (Stand 30.6.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2085109/RUSS_%C3%96B-Bericht_2022_06.pdf , Zugriff 16.5.2023
Russland-Analysen (Nr. 429) / Alexej Bessudnow (21.12.2022): Sterblichkeit russischer Soldaten in der Ukraine: Sterben Angehörige ethnischer Minderheiten wirklich häufiger?, https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/ 429/RusslandAnalysen429.pdf, Zugriff 16.5.2023
SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik / Sebastian Hoppe (7.11.2022): Russlands Regionen und der Krieg gegen die Ukraine (SWP-Aktuell, Nr. 70), https://www.swp-berlin.org/publications/produ cts/aktuell/2022A70_RusslandsRegionen.pdf, Zugriff 16.5.2023
UN-HRC – United Nations Human Rights Committee (1.12.2022): International Covenant on Civil and Political Rights – Concluding observations on the eighth periodic report of the Russian Federation (CCPR/C/RUS/CO/8), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083107/G2258965.pdf , Zugriff 16.5.2023
UN-OHCHR – United Nations Office of the High Commissioner for Human Rights (o.D.): Russian Federation: Status of Ratification – Interactive Dashboard, https://indicators.ohchr.org/ , Zugriff 16.5.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html , Zugriff 16.5.2023
WI – Waschnye istorii [Wichtige Geschichten] (30.1.2023): Народы на грани исчезновения [Völker an der Schwelle zum Verschwinden], https://istories.media/stories/2023/01/30/narodi-na-grani-ischeznoveniya/ , Zugriff 16.5.2023
Bewegungsfreiheit und Meldewesen
Letzte Änderung 2023-07-04 14:51
Gemäß Artikel 27 der Verfassung der Russischen Föderation haben alle Personen, welche sich rechtmäßig auf dem Territorium der Russischen Föderation aufhalten, das Recht auf Bewegungsfreiheit sowie Wahl des Aufenthalts- und Wohnorts. Alle Personen sind laut der Verfassung berechtigt, aus der Russischen Föderation auszureisen. Bürger der Russischen Föderation haben das Recht, ungehindert in die Russische Föderation zurückzukehren. Gemäß Artikel 61 der Verfassung dürfen Bürger der Russischen Föderation nicht aus der Russischen Föderation ausgewiesen werden (Duma 6.10.2022). Gemäß § 1 des Gesetzes ‚Über das Recht der Bürger auf Bewegungsfreiheit’ sind Einschränkungen des Rechts auf Bewegungsfreiheit, Wahl des Wohn- und Aufenthaltsorts nur auf gesetzlicher Grundlage möglich. Gemäß § 8 kann dieses Recht unter anderem dann eingeschränkt werden, wenn in den betreffenden Regionen der Ausnahmezustand oder das Kriegsrecht herrscht. Entscheidungen in Bezug auf Bewegungsfreiheit, Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes können von den Bürgern gerichtlich angefochten werden (§ 9) (RF 27.1.2023).
Gemäß § 15 des Gesetzes ‚Über den Ablauf der Aus- und Einreise in die Russische Föderation’ darf das Recht der Staatsbürger auf Ausreise aus der Russischen Föderation vorübergehend beschränkt werden. Von solchen Beschränkungen sind Personen betroffen, die zum Wehrdienst einberufen oder zum Wehrersatzdienst entsandt wurden (bis zur Beendigung des Wehrdiensts oder Wehrersatzdiensts); Personen, die einer Straftat verdächtigt werden oder unter Anklage stehen; Personen, die wegen Begehung einer Straftat verurteilt wurden (bis die Strafe verbüßt oder eine Strafbefreiung eingetreten ist); Personen, die gegen gerichtlich auferlegte Verpflichtungen verstoßen; Mitarbeiter des Föderalen Sicherheitsdiensts (FSB); sowie Personen, die zahlungsunfähig bzw. insolvent sind (RF 14.4.2023). Bürger, welche im Militärregister aufscheinen, dürfen ab Verkündung einer Mobilmachung ihren Wohnort nur mit behördlicher Erlaubnis verlassen (§ 21 des Gesetzes ‚Über die Mobilisierungsvorbereitung und die Mobilisierung’) (RF 4.11.2022). Die Regierung beschränkt Auslandsreisen ihrer Mitarbeiter, darunter Generalstaatsanwaltschaft, Innen- und Verteidigungsministerium usw. (USDOS 20.3.2023; vgl. Bell 7.4.2023). Die Grenz- und Zollkontrollen eigener Staatsangehöriger durch russische Behörden entsprechen in der Regel internationalem Standard (AA 28.9.2022). Im Zuge von Grenzkontrollen kommt es zu Befragungen Ausreisender durch Grenzkontrollorgane (ÖB 4.4.2022). Es liegen Hinweise vor, dass die Sicherheitsdienste einige Personen bei Ein- und Ausreisen überwachen (AA 28.9.2022).
Auf Grundlage eines EU-Ratsbeschlusses ist seit 12.9.2022 das Visaerleichterungsabkommen zwischen der EU und Russland vollständig ausgesetzt. Dies bedeutet nun unter anderem höhere Gebühren für einen Visumsantrag, Vorlage zusätzlicher Dokumente und längere Bearbeitungszeiten für Visa (Rat 12.5.2023). Auch die USA verhängten Visabeschränkungen, diese gelten für ca. 900 russische Amtsträger, darunter Mitglieder des Föderationsrats und des russischen Militärs (USDOS 2.8.2022). Weitere Länder (die baltischen Staaten, Tschechien, Niederlande) haben die Visavergabe an russische Staatsbürger eingeschränkt (DW 22.8.2022).
Meldewesen
Die Bürger der Russischen Föderation sind verpflichtet, ihrenAufenthalts- und Wohnort innerhalb des Landes registrieren zu lassen. Die Registrierung ist kostenlos (§ 3) (RF 27.1.2023). Die örtlichen Stellen des Innenministeriums sind gemäß § 4 die Meldebehörden (RF 27.1.2023; vgl. AA28.9.2022). Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses. Wer über Immobilienbesitz verfügt, bleibt dort ständig registriert, mit Eintragung im Inlandspass. Mieter benötigen eine Bescheinigung des Vermieters und werden damit vorläufig ohne Eintragung im Inlandspass registriert (AA 28.9.2022). Das staatliche Melderegister der Russischen Föderation ist nicht öffentlich zugänglich. Informationen werden natürlichen und nicht staatlichen juristischen Personen auf deren Anfrage nur bei Vorhandensein der Zustimmung derjenigen Person, deren Daten angefragt werden, erteilt; staatlichen Organen, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist (ÖB 1.2.2023).
Die Registrierung des Aufenthaltsortes hat binnen 90 Tagen nach Wohnungsnahme zu erfolgen.
Von der Registrierung des Aufenthaltsortes bleibt die Wohnsitzregistrierung unberührt. Aufenthalte bis zu einer Dauer von 90 Tagen bedürfen keiner Registrierung (§ 5 des Gesetzes ‚Über das Recht der Bürger auf Bewegungsfreiheit’). Beispiele für Aufenthaltsorte sind Hotels, Sanatorien, Campingplätze, medizinische Einrichtungen, Haftanstalten usw. (§ 2) (RF 27.1.2023). Die Aufenthaltsregistrierung (temporäre Registrierung) wird durch eine Bescheinigung in elektronischer oder in Papierform bestätigt (Gosuslugi o.D.). Temporär registrierte Personen haben Zugang zu medizinischer Notfallversorgung (ÖB 30.6.2022).
Bürger, welche ihren Wohnort wechseln, haben binnen sieben Tagen nach Wohnungsnahme die Registrierung zu veranlassen. Dabei ist ein Pass oder ein anderes Identitätsdokument vorzulegen. Anträge können auch elektronisch eingebracht werden, beispielsweise über das Portal Gosuslugi. Die Meldebehörde hat spätestens drei Tage nach Antragstellung die Registrierung vorzunehmen (§ 6) (RF 27.1.2023). Die Wohnsitzregistrierung (Propiska) wird im Pass vermerkt.
Kinder bis zu einem Alter von 14 Jahren erhalten eine Registrierungsbescheinigung (Gosuslugi o.D.). Eine permanente Registrierung ist Voraussetzung für stationäre medizinische Versorgung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Pensionszahlungen (ÖB 30.6.2022).
Kaukasus
Personen aus dem Nordkaukasus können grundsätzlich in andere Teile Russlands reisen (AA 28.9.2022). Einige regionale Behörden schränken die Wohnsitzregistrierung bei ethnischen Minderheiten und Migranten aus dem Kaukasus und Zentralasien ein (FH 2023).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430 /Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
Bell, The (7.4.2023): Мишустин закрыл свободный выезд из страны высокопоставленным чиновникам правительства. В Кремле таких ограничений нет [Mischustin schob freier Ausreise aus dem Land den Riegel vor - davon betroffen hohe Regierungsbeamte. Im Kreml gibt es solche Einschränkungen nicht], https://thebell.global.ssl.fastly.net/mishustin-zakryl-svobodnyy-vyezd-iz-strany-vysokopostavlennym-chinovnikam-pravitelstva-v-kremle-takikh-ogranicheniy-net , Zugriff 5.6.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/ , Zugriff 16.5.2023
DW – Deutsche Welle (22.8.2022): Folgen des Ukraine-Kriegs: Keine EU-Visa mehr für russische Touristen?, https://www.dw.com/de/keine-eu-visa-mehr-f%C3%BCr-russische-touristen/a-62890546 , Zugriff 5.6.2023
FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Russia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2088552.html, Zugriff 16.5.2023
Gosuslugi [Staatliche Dienstleistungen] [Russland] (o.D.): Как оформить прописку и временную регистрацию [Wie eine Propiska und eine temporäre Registrierung vorgenommen wird], https://www.gosuslugi.ru/help/faq/temporary_registration/2637 , Zugriff 5.6.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (1.2.2023): Auskunft der Botschaft, per E-Mail
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2022): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2022 (Stand 30.6.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2085109/RUSS_%C3%96B-Bericht_2022_06.pdf , Zugriff 16.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (4.4.2022): Auskunft der Botschaft, per E-Mail Rat – Europäischer Rat (12.5.2023): Russische Invasion in die Ukraine: Reaktion der EU, https: //www.consilium.europa.eu/de/policies/eu-response-ukraine-invasion/, Zugriff 30.5.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (14.4.2023): Федеральный закон ‚О порядке выезда из Российской Федерации и въезда в Российскую Федерацию‘ от 15.08.1996 N 114-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz ‚Über den Ablauf der Aus- und Einreise in die Russische Föderation’ vom 15.08.1996 N 114-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_11376/ , Zugriff 16.5.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (27.1.2023): Закон РФ ‚О праве граждан Российской Федерации на свободу передвижения, выбор места пребывания и жительства в пределах Российской Федерации‘ от 25.06.1993 N 5242-1 (последняя редакция) [Gesetz der RF ‚Über das Recht der Bürger der Russischen Föderation auf Bewegungsfreiheit, Wahl des Aufenthaltsund Wohnorts innerhalb der Russischen Föderation’ vom 25.06.1993 N 5242-1 (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_2255/ , Zugriff 5.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (4.11.2022): Федеральный закон ‚О мобилизационной подготовке и мобилизации в Российской Федерации‘ от 26.02.1997 N 31-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz ‚Über die Mobilisierungsvorbereitung und die Mobilisierung in der Russischen Föderation’ vom 26.02.1997 N 31-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/ document/cons_doc_LAW_13454/, Zugriff 5.6.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human RightsPractices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html , Zugriff 16.5.2023
USDOS – US Department of State [USA] (2.8.2022): Imposing Additional Costs on Russia for Its Continued War Against Ukraine, https://www.state.gov/imposing-additional-costs-on-russia-for-its -continued-war-against-ukraine/, Zugriff 5.6.2023
Tschetschenen innerhalb und außerhalb der Russischen Föderation
Letzte Änderung 2023-07-04 14:54
Die Bevölkerungszahl Tschetscheniens beträgt mit Stand 2023 in etwa 1,5 Millionen (FR o.D.). Laut Aussage des Republiksoberhaupts Kadyrow leben rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region, die eine Hälfte davon in Russland, die andere Hälfte im Ausland (ÖB 30.6.2021). Zwischen Jänner und November 2022 reisten aus Tschetschenien um ca. 4.000 Personen mehr aus, als sich in Tschetschenien niedergelassen haben, ungefähr doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Die Binnenmigration in der Republik Tschetschenien ist angestiegen. Die Anzahl derjenigen Tschetschenen, welche in andere Regionen Russlands reisen, ist merklich höher als dieAnzahl der Rückkehrer (KR 15.2.2023). Die tschetschenische Diaspora ist in allen russischen Großstädten stark angewachsen (200.000 Tschetschenen sollen allein in Moskau leben). Sie treffen auf antikaukasische Stimmungen (AA 28.9.2022). Die Migration ins Ausland hat ebenfalls stark zugenommen (KR 15.2.2023). Im Jahr 2022 verließen 1.300 Bewohner Tschetscheniens die Russische Föderation, ein Anstieg um das Vierfache im Vergleich zum Jahr zuvor. Hauptziel der Ausreisen waren Länder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) (KR 1.3.2023). Die tschetschenische Diaspora in Europa zählt nach verschiedenen Einschätzungen zwischen 150.000 und 300.000 Personen. Eine der größten tschetschenischen Gemeinschaften Europas befindet sich in Frankreich, wo um die 60.000 Tschetschenen leben. In Deutschland, Österreich und Belgien leben nach offiziellen Angaben jeweils zwischen 30.000 und 45.000 Tschetschenen (KU 16.5.2023).
Die ‚Ständige Vertretung Tschetscheniens beim russischen Präsidenten’ vertritt laut Eigendarstellung die Interessen Tschetscheniens in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Kultur und humanitäre Zusammenarbeit. Außerdem pflegt die Ständige Vertretung Kontakte mit Organisationen der tschetschenischen Diaspora (SVTR o.D.a). Um Belange der tschetschenischen Diaspora kümmern sich beispielsweise folgende Organisationen: der Wiener Rat der Tschetschenen und Inguschen (ZO 29.4.2022), der Weltkongress des tschetschenischen Volks (PTR o.D.), die Vereinigung der Tschetschenen Europas (VTE o.D.) und die Versammlung der Tschetschenen Europas (ACE o.D.). Generalsekretär des Weltkongresses des tschetschenischen Volks ist das tschetschenische Republiksoberhaupt Kadyrow (PTR o.D.). [zur Situation tschetschenischer Kritiker siehe das Kapitel Tschetschenien, Kritiker, Tschetschenienkrieg-Kämpfer]
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430 /Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
ACE – The Assembly of Chechens of Europe (o.D.): О нас [Über uns], https://chechenassembly. com/%d0%be-%d0%bd%d0%b0%d1%81-2/, Zugriff 5.6.2023
FR – Föderationsrat [Russland] (o.D.): Энциклопедический справочник: ЧЕЧЕНСКАЯ РЕСПУБЛИКА [Enzyklopädisches Nachschlagewerk: Republik Tschetschenien], http://council.gov.ru/services/re ference/10305/, Zugriff 5.6.2023
KR – Kawkas.Realii (1.3.2023): В 2022 году число уехавших из России уроженцев Чечни выросло в четыре раза [Im Jahr 2022 stieg die Anzahl der aus Russland ausreisenden Tschetschenen um das Vierfache], https://www.kavkazr.com/a/v-2022-godu-chislo-vyehavshih-iz-rossii-urozhentsev-chechni-vyroslo-v-chetyre-raza/32294724.html , Zugriff 5.6.2023
KR – Kawkas.Realii (15.2.2023): Миграция из республик Северного Кавказа в 2022 году выросла в три раза [Migration aus den nordkaukasischen Republiken des Nordkaukasus verdreifachte sich im Jahr 2022], https://www.kavkazr.com/a/migratsiya-iz-respublik-severnogo-kavkaza-v-2022-godu-vyrosla-v-tri-raza/32272738.html , Zugriff 5.6.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (16.5.2023): Убийства критиков Кадырова в странах Евросоюза [Ermordungen von Kadyrow-Kritikern in EU-Ländern], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/345591/ , Zugriff 5.6.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2021): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2021 (Stand 30.6.2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2059888/RUSS_%C3%96 B_Bericht_2021_06.docx, Zugriff 5.6.2023
PTR – Parlament der Tschetschenischen Republik [Russland] (o.D.): Всемирный конгресс чеченского народа – Генеральный Совет [Weltkongress des tschetschenischen Volks – Hauptrat], https://parlamentchr.ru/uncategorised/vsemirnyj-kongress-chechenskogo-naroda.html , Zugriff 5.6.2023
SVTR – Ständige Vertretung der Tschetschenischen Republik beim Präsidenten der Russischen Föderation [Russland] (o.D.a): Задачи [Aufgaben], http://ppchr.ru/%d0%b7%d0%b0%d0%b4% d0%b0%d1%87%d0%b8/, Zugriff 24.2.2023 [Webseite nicht mehr abrufbar, aber im Archiv der Staatendokumentation vorhanden]
VTE – Vereinigung der Tschetschenen Europas (o.D.): О нас [Über uns], https://ate-europe.eu/o-nas/ , Zugriff 24.2.2023 [Webseite nicht mehr abrufbar, aber im Archiv der Staatendokumentation vorhanden]
ZO – Zeit Online (29.4.2022): Das Déjà-vu von Grosny, https://www.zeit.de/2022/18/fluechtlingshi lfe-oesterreich-tschetschenien/komplettansicht, Zugriff 5.6.2023
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung 2023-11-08 11:07
Wirtschaft
Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die EU mehrere Sanktionspakete angenommen, um die wirtschaftliche Basis Russlands zu schwächen. Der Zugang Russlands zu den Kapital- und Finanzmärkten der EU wurde beschränkt. Für alle russischen Flugzeuge ist der Luftraum der EU geschlossen. Ebenso sind EU-Häfen für alle russischen Schiffe geschlossen. Transaktionen mit der russischen Zentralbank sind verboten. Mehrere russische Banken wurden aus dem SWIFT-System ausgeschlossen. Neue Investitionen in den russischen Energiesektor wurden verboten. Es gilt ein Einfuhrverbot für Eisen und Stahl aus Russland in die EU sowie ein Einfuhrverbot für Kohle, Holz, Zement, Gold, Rohöl, raffinierte Erdölerzeugnisse usw. (Rat 12.5.2023). Sanktionen gegen Russland verhängten außerdem die USA, Kanada, das Vereinigte Königreich, Japan, die Schweiz und die restliche westliche Welt (WKO 3.2023). Der Krieg und die Sanktionen wirken sich auf Wirtschaftssektoren in Russland unterschiedlich aus. In Mitleidenschaft gezogen wurden der Industriesektor sowie der Binnenhandel. Hingegen zählt die Militärproduktion zu den Profiteuren der Sanktionen. Die Energiesanktionen ließen die Staatseinnahmen beträchtlich schrumpfen (WIIW o.D.). Die Wirtschaftssanktionen des Westens haben zu einem Braindrain und einer Kapitalflucht geführt (HF o.D.). Die Isolation Russlands zwingt verstärkt zu einer Eigenproduktion kritischer Waren, darunter Medikamente, Anlagen und Computertechnik (WKO 3.2023). Eine Einschätzung der wirtschaftlichen Situation in Russland ist derzeit schwierig (NDR/Tagesschau 2.8.2022; vgl. Watson 3.2.2023).
Gemäß vorläufigen Daten des Föderalen Amts für Staatliche Statistik (Rosstat) ist das Bruttoinlandsprodukt im 1. Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr um 1,9 % gesunken (Interfax 17.5.2023). Die Inflation betrug im April 2023 nach Angaben von Rosstat 0,38 % (Interfax 12.5.2023). Um den starken Verfall des Rubels aufzuhalten, führte die Regierung strenge Devisenbeschränkungen sowie weitere einschränkende Maßnahmen zur Stabilisierung der russischen Währung und der Wirtschaft ein (WKO 3.2023). Die öffentliche Verschuldung betrug im Jahr 2022 14,9 % des Bruttoinlandsprodukts (WIIW o.D.).
Korruption ist weitverbreitet (BS 2022; vgl. HF o.D.). Eine Herausforderung für den Staat stellt die Schattenwirtschaft dar (BS 2022). Innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte ist Russland vom Importeur zum größten Weizenexporteur der Welt aufgestiegen (ZOIS 9.3.2023). Die Wirtschaft ist wenig diversifiziert (BS 2022) und stark von Öl- und Gasexporten abhängig (HF o.D.). Russland gehört historisch zu den größten Erdölproduzenten weltweit. Exporte von Öl und Gas haben traditionell mehr als zwei Drittel der russischen Ausfuhren ausgemacht. Es gelten Exportbeschränkungen für Holzwaren (WKO 3.2023). Um die sinkenden Exporte in die Europäische Union auszugleichen, handelt Russland verstärkt mit China, Indien und der Türkei (FT19.8.2022).
Grundversorgung
Nach Angaben von Rosstat betrug im Jahr 2022 der Anteil der russischen Bevölkerung mit Einkommen unter der Armutsgrenze 10,5 %, das heißt 15,3 Millionen Personen (Rosstat 10.3.2023). Seit 2021 wird die Armutsgrenze neu berechnet. Die neue Berechnungsmethode wird als willkürliche Verschleierung der wahren Zustände kritisiert (AA 28.9.2022). Als besonders armutsgefährdet gelten Familien mit Kindern (vor allem Großfamilien), Alleinerziehende, Pensionisten und Menschen mit Beeinträchtigungen. Weiters gibt es regionale Unterschiede. In den wirtschaftlichen Zentren Moskau und St. Petersburg ist die Armutsquote halb so hoch wie im Landesdurchschnitt. Prinzipiell ist die Armutsgefährdung auf dem Land höher als in den Städten (RusslandAnalysen 21.2.2020a). Die Wirkung von Regierungsprogrammen, die sich dem Kampf gegen Armut im ländlichen Raum widmen, ist begrenzt. In den größeren Städten Russlands ist eine beträchtliche Anzahl von Menschen obdachlos (BS 2022).
Gemäß der Weltbank hatten im Jahr 2022 76 % der Bevölkerung Russlands Zugang zu sicher verwalteten Trinkwasserdiensten (WB o.D.a). Nach staatlichen Angaben werden mit Stand 2023 87,9 % der Bevölkerung des Landes mit hochwertigem Trinkwasser versorgt. Der dementsprechende Anteil für die Stadtbevölkerung beträgt 94,3 % (NPR o.D.a). Im Welthunger-Index 2023 belegt die Russische Föderation Platz 26 von 125 Ländern. Mit einem Wert von 5,8 fällt die Russische Föderation in die Schweregradkategorie niedrig. Weniger als 2,5 % der Bevölkerung sind gemäß dem Welthunger-Index unterernährt (WHI o.D.). Laut der Weltbank hatten im Jahr 2022 89 % der Bevölkerung Russlands Zugang zu einer (zumindest) Basisversorgung im Bereich Hygiene (WB o.D.b). Ein Problem stellt die Versorgung mit angemessenem Wohnraum dar. Bezahlbare Eigentums- oder angemessene Mietwohnungen sind für Teile der Bevölkerung unerschwinglich (AA 28.9.2022). Mietkosten variieren je nach Region (IOM 12.2022).
Russische Staatsbürger haben überall im Land Zugang zum Arbeitsmarkt (IOM 12.2022). Der Mindestlohn darf das Existenzminimum nicht unterschreiten (RN 16.1.2023). Das Existenzminimum wird per Verordnung bestimmt (AA 28.9.2022). Im Jahr 2023 beträgt die Höhe des monatlichen Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung RUB 15.669 [ca. EUR 184], für Kinder RUB 13.944 [ca. EUR 164] und für Pensionisten RUB 12.363 [ca. EUR 145] (Rosstat 10.1.2023). Die Höhe des monatlichen Mindestlohns beträgt für das Jahr 2023 RUB 16.242 [ca. EUR 191] (Duma 1.1.2023) und kann in jeder Region durch regionale Abkommen individuell festgelegt werden. Jedoch darf die Höhe des regionalen Mindestlohns nicht niedriger als der national festgelegte Mindestlohn sein. In der Stadt Moskau beträgt der Mindestlohn RUB 23.508 [ca. EUR 276] (RN 16.1.2023). Die primäre Versorgungsquelle der russischen Bevölkerung bleibt ihr Einkommen (AA 28.9.2022). Nach staatlichen Angaben betrug die Arbeitslosenrate im August 2023 3 % (Rosstat o.D.a). Die Arbeitslosenrate ist von Region zu Region verschieden (IOM 12.2022). Die versteckte Arbeitslosigkeit ist schwer einzuschätzen. Schwer am Arbeitsmarkt haben es ältere Arbeitnehmer. Besonders schwierig bis prekär ist die Lage für viele Migranten, welche überwiegend gering qualifiziert sind. Sie verdienen oft (wenn überhaupt) nur den Mindestlohn (AA 28.9.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430 /Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf , Zugriff 16.5.2023
Duma [Russland] (1.1.2023): Каким будет МРОТ в 2023 году [Mindestlohn im Jahr 2023], http: //duma.gov.ru/news/56138/, Zugriff 30.5.2023
FT – Financial Times (19.8.2022): Russia’s economy is staggering, but still on its feet, https: //www.ft.com/content/eebc166b-0ab3-4a69-b61c-62908ee984e5, Zugriff 30.5.2023
HF – Heritage Foundation, The (o.D.): 2023 Index of Economic Freedom: Russia, https://www.he ritage.org/index/country/russia, Zugriff 30.5.2023
Interfax (17.5.2023): Росстат оценил снижение ВВП РФ за I квартал в 1,9% в годовом выражении [Rosstat schätzt, dass BIP der RF im 1. Quartal um 1,9 % im Jahresvergleich sank], https://www.interfax.ru/business/901935 , Zugriff 30.5.2023
Interfax (12.5.2023): Инфляция в РФ в апреле составила 0,38%, годовая замедлилась до 2,3% [Inflation in RF betrug im April 0,38 %, die jährliche Inflation verlangsamte sich auf 2,3 %], https://www.interfax.ru/business/901264 , Zugriff 30.5.2023
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation: Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf , Zugriff 16.5.2023
NDR/Tagesschau – Norddeutscher Rundfunk/Tagesschau (2.8.2022): Westliche Sanktionen und ihre Wirkung: Was über Russlands Wirtschaft bekannt ist, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/russlands-wirtschaft-daten-101.html , Zugriff 30.5.2023
NPR – Nazionalnye proekty Rossii [Nationale Projekte Russlands] [Russland] (o.D.a): Проекты/Жилье и городская среда/Инициативы: Чистая вода [Projekte/Unterkünfte und Städte/Initiativen: sauberes Wasser], https://национальныепроекты.рф/projects/zhile-i-gorodskaya-sreda/chistaya_voda, Zugriff 27.10.2023
Rat – Europäischer Rat (12.5.2023): Russische Invasion in die Ukraine: Reaktion der EU, https: //www.consilium.europa.eu/de/policies/eu-response-ukraine-invasion/, Zugriff 30.5.2023
RN – RIANowosti [Russland] (16.1.2023): МРОТ в 2023 году: на сколько вырос, как рассчитывается и на что влияет [Mindestlohn im Jahr 2023: um wie viel er anstieg, wie er berechnet wird und was er beeinflusst], https://ria.ru/20220627/mrot-1798493712.html , Zugriff 30.5.2023
Rosstat [Föderales Amt für Staatliche Statistik] [Russland] (10.3.2023): Росстат представляет информацию о границе бедности в IV квартале 2022 года [Rosstat legt Information über Armutsgrenze im 4. Quartal 2022 vor], https://rosstat.gov.ru/folder/313/document/200416 , Zugriff 30.5.2023
Rosstat [Föderales Amt für Staatliche Statistik] [Russland] (10.1.2023): Величина прожиточного минимума, установленная на 2023 год, в целом по Российской Федерации и по субъектам Российской Федерации [Höhe des für 2023 festgelegten Existenzminimums, insgesamt in Russland und in den Subjekten der Russischen Föderation], https://rosstat.gov.ru/storage/mediabank /Vpm_2023.doc, Zugriff 30.5.2023
Rosstat [Föderales Amt für Staatliche Statistik] [Russland] (o.D.a): Оперативные показатели [Operative Kennziffern], https://rosstat.gov.ru/ , Zugriff 27.10.2023
Russland-Analysen (Nr. 382) / Martin Brand (21.2.2020a): Armutsbekämpfung in Russland, https: //www.laender-analysen.de/russland-analysen/382/RusslandAnalysen382.pdf, Zugriff 30.5.2023
Watson (3.2.2023): Wirken die Sanktionen gegen Russland – oder nicht?, https://www.watson.ch/ international/analyse/461783405-viele-widersprueche-wirken-die-sanktionen-gegen-russland-oder-nicht, Zugriff 30.5.2023
WB – World Bank (o.D.a): People using safely managed drinking water services (% of population) Russian Federation, https://data.worldbank.org/indicator/SH.H2O.SMDW.ZS?locations=RU , Zugriff 27.10.2023
WB – World Bank (o.D.b): People using at least basic sanitation services (% of population) Russian Federation, https://data.worldbank.org/indicator/SH.STA.BASS.ZS?locations=RU , Zugriff 27.10.2023
WHI – Welthunger-Index (o.D.): Welthunger-Index 2023: Russische Föderation, https://www.globalhungerindex.org/de/russia.html , Zugriff 27.10.2023
WIIW – Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (o.D.): Russia – Overview, https: //wiiw.ac.at/russia-overview-ce-10.html, Zugriff 30.5.2023
WKO – Wirtschaftskammer Österreich (3.2023): Wirtschaftsbericht Russische Föderation, https: //www.wko.at/service/aussenwirtschaft/russische-foederation-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 30.5.2023
ZOIS – Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien / Linde Götz (9.3.2023): Getreidehandel im Krieg (ZOiS Spotlight 5/2023), https://www.zois-berlin.de/publikationen/zois-spotlight/getreidehandel-im-krieg , Zugriff 30.5.2023
Nordkaukasus
Letzte Änderung 2023-07-04 15:41
Die sozialwirtschaftlichen Unterschiede zwischen russischen Regionen sind beträchtlich. Die ländliche Peripherie, darunter der Nordkaukasus, ist von Entwicklungsproblemen betroffen (BS 2022). Der Nordkaukasus weist eine hohe Armutsrate (KR 19.5.2023) und eine hohe Arbeitslosigkeit auf (KR 19.5.2023; vgl. ÖB 30.6.2022). In Regionen des Nordkaukasus muss jeder Fünfte mit weniger als dem Existenzminimum auskommen (Russland-Analysen 21.2.2020a).
In vielen nordkaukasischen Regionen liegen Lohnniveaus und Lebensstandard weit unter dem Landesdurchschnitt (BS 2022). Der Nordkaukasus ist von einem hohen Niveau an informeller Beschäftigung von Arbeitnehmern gekennzeichnet (KU 29.3.2023a). Tschetschenien, Dagestan und andere nordkaukasische Gebiete gehören zu denjenigen Regionen Russlands, wo der Mittelschichtanteil unter der Bevölkerung am geringsten ist (Statista 7.2022). Im Jahr 2021 zählten Dagestan, Tschetschenien sowie andere nordkaukasische Regionen zu denjenigen russischen Regionen mit dem niedrigsten Bruttoregionalprodukt (Statista 3.2023).
Tschetschenien ist von großer Armut und Arbeitslosigkeit betroffen (BP 3.9.2021; vgl. AA 28.9.2022). Im Jahr 2021 lebten 19,9 % der Bevölkerung in Tschetschenien unter der Armutsgrenze (Rosstat 27.4.2022). Dank Zuschüssen aus dem russischen föderalen Budget haben sich die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung seit dem Ende des Tschetschenienkrieges deutlich verbessert (AA 28.9.2022). Tschetschenien ist von Moskau finanziell abhängig. Mehr als 80 % des Budgets stammen aus Zuwendungen (ORF 30.3.2022). Die Reallöhne der tschetschenischen Bevölkerung sind im Jahr 2021 um beinahe 5 % gesunken. Am besten bezahlt werden Beamte und Mitarbeiter im Finanzbereich (KR 29.8.2022). In Tschetschenien klafft die Einkommensschere weit auseinander (KU 10.5.2023).
Im Jahr 2023 beträgt die Höhe des monatlichen Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung in Tschetschenien RUB 15.042 [ca. EUR 176], für Kinder RUB 13.386 [ca. EUR 157] und für Pensionisten RUB 11.868 [ca. EUR 139] (Rosstat 10.1.2023).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430 /Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
BP – Borgen Project, The (3.9.2021): The Nature of Poverty in the North Caucasus, https://borgen project.org/poverty-in-the-north-caucasus/, Zugriff 30.5.2023
BS – Bertelsmann Stiftung (2022): BTI (Bertelsmann Transformation Index) 2022 Country Report: Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069600/country_report_2022_RUS.pdf , Zugriff 16.5.2023
FPRI – Foreign Policy Research Institute (15.6.2022): The Shifting Political Hierarchy in the North Caucasus, https://www.fpri.org/article/2022/06/the-shifting-political-hierarchy-in-the-north-caucasus/ , Zugriff 30.5.2023
KR – Kawkas.Realii (19.5.2023): Мертвые души и черные деньги: Северный Кавказ остается лидером по бедности [Tote Seelen und Schwarzgeld: Nordkaukasus bleibt Spitzenreiter in Bezug auf Armut], https://www.kavkazr.com/a/mertvye-dushi-i-chernye-denjgi-severnyy-kavkaz-ostaetsya-liderom-po-bednosti/32419049.html , Zugriff 30.5.2023
KR – Kawkas.Realii (15.4.2023): Дагестан занял последнее место в стране по качеству окружающей среды [Dagestan nahm landesweit letzten Platz bzgl. Umweltqualität ein], https: //www.kavkazr.com/a/dagestan-zanyal-poslednee-mesto-v-strane-po-kachestvu-okruzhayuschey-sredy/32365202.html, Zugriff 30.5.2023
KR – Kawkas.Realii (29.8.2022): Республики Северного Кавказа – худшие в рейтинге по рынку труда [Die Republiken des Nordkaukasus – die schlechtesten im Arbeitsmarkt-Rating], https://www.kavkazr.com/a/respubliki-severnogo-kavkaza-okazalisj-autsayderami-reytinga-po-rynku-truda /32008783.html, Zugriff 30.5.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (10.5.2023): Республики СКФО оказались в хвосте рейтинга по динамике зарплаты [Republiken des nordkaukasischen föderalen Bezirks Schlusslichter bei Lohndynamik], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/388529/ , Zugriff 30.5.2023
KU – Kawkasskij Usel [Kaukasischer Knoten] (29.3.2023a): Три республики СКФО отличились высоким уровнем неформальной занятости работников [Drei Republiken des nordkaukasischen föderalen Bezirks fielen durch hohes Niveau an informeller Beschäftigung von Arbeitnehmern auf], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/387254/ , Zugriff 30.5.2023
MT – Moscow Times (13.7.2022): В Чечне обнаружили бурный рост экономики на фоне войны [In Tschetschenien wurde ein rasantes Wirtschaftswachstum vor dem Hintergrund des Krieges festgestellt], https://www.moscowtimes.ru/2022/07/13/v-chechne-obnaruzhili-burnii-rost-ekonomiki-na-fone-voini-a22236 , Zugriff 30.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2022):Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2022 (Stand 30.6.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2085109/RUSS_%C3%96B-Bericht_2022_06.pdf , Zugriff 16.5.2023
ORF – Österreichischer Rundfunk (30.3.2022): Ramsan Kadyrow: Putins Mann fürs Grobe mit tragender Rolle, https://orf.at/stories/3256468 , Zugriff 30.5.2023
Rosstat [Föderales Amt für Staatliche Statistik] [Russland] (10.1.2023): Величина прожиточного минимума, установленная на 2023 год, в целом по Российской Федерации и по субъектам Российской Федерации [Höhe des für 2023 festgelegten Existenzminimums, insgesamt in Russland und in den Subjekten der Russischen Föderation], https://rosstat.gov.ru/storage/mediabank /Vpm_2023.doc, Zugriff 30.5.2023
Rosstat [Föderales Amt für Staatliche Statistik] [Russland] (27.4.2022): Численность населения с денежными доходами ниже границы бедности в целом по России и по субъектам Российской Федерации [Anteil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze insgesamt in Russland und in den Subjekten der Russischen Föderation], https://rosstat.gov.ru/storage/mediabank/2-4_n.doc , Zugriff30.5.2023
Russland-Analysen (Nr. 382) / Martin Brand (21.2.2020a): Armutsbekämpfung in Russland, https: //www.laender-analysen.de/russland-analysen/382/RusslandAnalysen382.pdf, Zugriff 30.5.2023
Standard, Der (21.5.2022): Wer für Putin in den Krieg zieht: Russische Soldaten stammen oft aus ärmeren Landesteilen, https://www.derstandard.at/story/2000135922562/wer-fuer-putin-in-den-krieg-zieht-russische-soldaten-stammen , Zugriff 30.5.2023
Statista (3.2023): Federal subjects with the lowest gross regional product (GRP) per capita in Russia in 2021, https://www.statista.com/statistics/1039684/russia-regions-with-lowest-grp-per-capita/ , Zugriff 30.5.2023
Statista (7.2022): Russian regions with the lowest share of the middle-class population from 2021 to 2022, https://www.statista.com/statistics/1039710/russia-regions-with-lowest-middle-class-share/ , Zugriff 30.5.2023
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung 2023-07-04 15:42
Artikel 7 der russischen Verfassung definiert die Russische Föderation als Sozialstaat. Gemäß dem Verfassungsartikel 75 wird Bürgern soziale Unterstützung garantiert. Die Verfassung sieht eine obligatorische Sozialversicherung vor (Duma 6.10.2022). Es ist ein System der sozialen Sicherheit und sozialen Fürsorge in Russland vorhanden, welches Pensionen auszahlt und die vulnerabelsten Bürger unterstützt. Zum Kreis vulnerabler Gruppen zählen Familien mit mindestens drei Kindern, Menschen mit Behinderungen sowie ältere Menschen (IOM 12.2022). Der Staat bietet verschiedene Sozialleistungen an, wovon unter anderem folgende Personengruppen profitieren: Veteranen, Waisenkinder, ältere Personen, Alleinerziehende, Erwerbslose, Dorfbewohner (WSP o.D.), Menschen mit Behinderungen, Familien, Pensionisten (SFR o.D.a), Bewohner des hohen Nordens sowie Familienangehörige Militärbediensteter und von infolge der Ausübung ihrer Dienstpflichten verstorbenen Bediensteten des Innenressorts (Regierung
o.D.). Das föderale Gesetz ‚Über die staatliche Pensionsversorgung in der Russischen Föderation’ zählt im § 5 folgende staatliche Pensionsleistungen auf: Pensionen für langjährige Dienste; Alters-; Invaliditäts-; Hinterbliebenen- und Sozialpensionen (RF 28.4.2023a).
Mit 1.1.2023 wurden der Pensions- und der Sozialversicherungsfonds zum neu geschaffenen ‚Fonds für Sozial- und Pensionsversicherung der Russischen Föderation’ (kurz ‚Sozialfonds’) verschmolzen (SFR 17.1.2023). Zu den Aufgaben des neu geschaffenen Sozialfonds gehört die Auszahlung von Pensionen und staatlicher finanzieller Hilfen. In den einzelnen Subjekten der Russischen Föderation gibt es territoriale Abteilungen des Sozialfonds (SFR 30.3.2023).
Quellen:
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/ , Zugriff 16.5.2023
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation: Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf , Zugriff 16.5.2023
Regierung [Russland] (o.D.): Социальная поддержка отдельных категорий граждан [Soziale Unterstützung für einzelne Bürgergruppen], http://government.ru/rugovclassifier/510/events/ , Zugriff 30.5.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (28.4.2023a): Федеральный закон ‚О государственном пенсионном обеспечении в Российской Федерации‘ от 15.12.2001 N 166-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz ‚Über die staatliche Pensionsversorgung in der Russischen Föderation’ vom 15.12.2001 N 166-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/con s_doc_LAW_34419/, Zugriff 30.5.2023
SFR – Sozialnyj fond Rossii [Sozialfonds Russlands] [Russland] (30.3.2023): О Фонде [Über den Fonds], https://sfr.gov.ru/about/about/ , Zugriff 30.5.2023
SFR – Sozialnyj fond Rossii [Sozialfonds Russlands] [Russland] (17.1.2023): История Социального фонда России [Geschichte des Sozialfonds Russlands], https://sfr.gov.ru/about/history/ , Zugriff30.5.2023
SFR – Sozialnyj fond Rossii [Sozialfonds Russlands] [Russland] (o.D.a): Startseite, https://sfr.gov. ru/, Zugriff 30.5.2023
WSP – Wse o sozialnoj podderschke [Alles über soziale Unterstützung] (o.D.): Меры социальной поддержки граждан в 2023 году [Soziale Unterstützungsmaßnahmen für Bürger im Jahr 2023], https://socialnaya-podderzhka.ru/mery_socialnoj_podderzhki/ , Zugriff 30.5.2023
Arbeitslosenunterstützung
Letzte Änderung 2023-07-04 15:53
Personen können sich bei den örtlichen Arbeitsämtern des Föderalen Amts für Arbeit und Beschäftigung (Rostrud) arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Sollte es dem Arbeitsamt nicht gelingen, der arbeitssuchenden Person binnen 10 Tagen einen Arbeitsplatz zu beschaffen, wird der betreffenden Person der Arbeitslosenstatus und somit eine monatliche Arbeitslosenunterstützung zuerkannt (IOM 12.2022). Während der ersten drei Monate erhält die arbeitslose Person 75 % des Durchschnittseinkommens des letzten Beschäftigungsverhältnisses, jedoch höchstens RUB 12.792 [ca. EUR 150]. Während der folgenden drei Monate beträgt die Höhe der Arbeitslosenunterstützung 60 % des Einkommens bzw. höchstens RUB 5.000 [ca. EUR 59]. Die Mindesthöhe der Arbeitslosenunterstützung beträgt RUB 1.500 [ca. EUR 18] (RG 23.11.2022). Um den Anspruch auf monatliche Arbeitslosenunterstützung geltend machen zu können, haben sich die Arbeitslosengeldbezieher alle zwei Wochen im Arbeitsamt einzufinden. Außerdem dürfen sie beispielsweise nicht in eine andere Region umziehen und keine Pensionsbezieher sein. Arbeitsämter gibt es überall im Land. Sie stellen verschiedene Dienstleistungen zur Verfügung. Arbeitssuchende, die beim Rostrud registriert sind, dürfen an kostenlosen Fortbildungskursen teilnehmen, um so ihre Qualifikationen zu verbessern (IOM 12.2022).
Quellen:
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation: Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf , Zugriff 16.5.2023
RG – Rossijskaja Gaseta [Russland] (23.11.2022): Установлен размер пособия по безработице на 2023 год [Höhe der Arbeitslosenunterstützung für das Jahr 2023], https://rg.ru/2022/11/23/ustanovlen-razmer-posobiia-po-bezrabotice-na-2023-god.html , Zugriff 30.5.2023
Wohnmöglichkeiten, Sozialwohnungen
Letzte Änderung 2023-07-04 15:56
Artikel 40 der russischen Verfassung garantiert das Recht auf Wohnraum. Laut der Verfassung wird bedürftigen Personen Wohnraum kostenlos oder zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung gestellt (Duma 6.10.2022). Bürger ohne Unterkunft oder mit einer SubstandardUnterkunft und sehr geringem Einkommen dürfen kostenfreie Wohnungen beantragen (IOM 12.2022; vgl. RF 28.4.2023b). Jedoch kann die Wartezeit bei einigen Jahren oder Jahrzehnten liegen. Ein Anrecht auf eine kostenlose Unterkunft haben Waisenkinder und Personen mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen (Tuberkulose etc.). Es gibt Schutzunterkünfte für Opfer von Menschenhandel und häuslicher Gewalt, für alleinerziehende Mütter und andere vulnerable Gruppen. Für gewöhnlich werden diese Unterkünfte von örtlichen NGOs verwaltet. Es gibt keine Zuschüsse für Wohnungen. Einige Banken bieten jedoch für einen Wohnungskauf niedrige Kredite an (mindestens 12 %) (IOM 12.2022). Die Versorgung mit angemessenem Wohnraum stellt ein Problem dar. Bezahlbare Eigentums- oder angemessene Mietwohnungen sind für Teile der Bevölkerung unerschwinglich (AA 28.9.2022). Wohnungskosten sind regional unterschiedlich (MK 17.3.2023; vgl. Rosrealt o.D.). Es mangelt an ausreichendem Wohnraum für Familien (AA 28.9.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430 /Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf, Zugriff 16.5.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/ , Zugriff 16.5.2023
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation: Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf , Zugriff 16.5.2023
MK – Mir kwartir [Welt der Wohnungen] (17.3.2023): В каких городах выгоднее покупать новостройку для сдачи в аренду? [In welchen Städten ist es günstiger, einen Neubau für Vermietung zu kaufen?], https://www.mirkvartir.ru/journal/analytics/2023/03/17/v-kakih-gorodah/ , Zugriff 30.5.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (28.4.2023b): ‚Жилищный кодекс Российской Федерации‘ от 29.12.2004 N 188-ФЗ (ред. от 28.4.2023) (с изм. и доп., вступ. в силу с 01.03.2023) [‚Wohnungskodex der Russischen Föderation’ vom 29.12.2004 N 188-ФЗ (Fassung vom 28.04.2023) (mit Änderungen und Ergänzungen, in Kraft seit 01.03.2023)], http://www.consultant.ru/document /cons_doc_LAW_51057/, Zugriff 30.5.2023
Rosrealt (o.D.): Цены на аренду квартир и домов в России [Mietpreise für Wohnungen und Häuser in Russland], https://rosrealt.ru/cena/?t=arenda , Zugriff 30.5.2023
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2023-07-04 16:00
Artikel 41 der Verfassung der Russischen Föderation garantiert russischen Staatsbürgern das Recht auf kostenlose medizinische Versorgung in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen (Duma 6.10.2022). Eine gesetzliche Grundlage stellt das föderale Gesetz ‚Über die Grundlagen des Gesundheitsschutzes der Bürger in der Russischen Föderation’ dar (RF 28.4.2023d). Es existiert eine durch präsidentiellen Erlass festgelegte Strategie der Entwicklung des Gesundheitswesens in der Russischen Föderation für den Zeitraum bis 2025 (Präsident 27.3.2023).
Das Basisprogramm der obligatorischen Krankenversicherung gewährleistet die kostenlose medizinische Versorgung für Bürger in allen Regionen Russlands. Das entsprechende Territorialprogramm umfasst Programme auf der Ebene der Subjekte der Russischen Föderation (§ 3 des föderalen Gesetzes ‚Über die obligatorische Krankenversicherung’) (RF 19.12.2022). Der föderale Fonds der obligatorischen Krankenversicherung ist für die Umsetzung der staatlichen Politik zuständig (Regierung o.D.). Es besteht die Möglichkeit einer freiwilligen Krankenversicherung, welche eine medizinische Versorgung auf höherem Niveau erlaubt (Sber Bank o.D.). Im Rahmen einer freiwilligen Krankenversicherung oder gegen direkte Bezahlung können entgeltliche medizinische Dienstleistungen in staatlichen und privaten Krankenhäusern in Anspruch genommen werden. Die Webseiten der einzelnen medizinischen Einrichtungen enthalten für gewöhnlich Preislisten, so zum Beispiel die Webseite der Poliklinik in Grosnyj/Tschetschenien: http://gr-polik6.ru/uslugi (IOM 12.2022). Für Leistungen privater Krankenhäuser müssen die Kosten selbst getragen werden.
Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos (ÖB 30.6.2022). Bestimmte Patientengruppen erhalten kostenlose oder preisreduzierte Medikamente. Befreit von Medikamentengebühren sind Kinder bis zu einem Alter von drei Jahren; Menschen mit Behinderungen; Veteranen; Patienten mit spezifischen Erkrankungen wie HIV/Aids, onkologischen Erkrankungen, Diabetes, psychiatrischen Erkrankungen usw. (EUAA 9.2022). Regionale Behörden dürfen kostenlose Medikamente für zusätzliche Patientengruppen zur Verfügung stellen (IOM 12.2022). Die Verfügbarkeit von Medikamenten schwankt. Die Beschaffung und Verteilung medizinischer Vorräte ist unzuverlässig, was zu Medikamentenknappheit und starken Preisschwankungen führt. Ursachen dafür sind unter anderem politische Sanktionen, welche Importe begrenzen, und der damit verbundene Umstieg auf einheimische Arzneimittel (EUAA 9.2022). Die vom Staat vorgegebenen Wartezeiten auf eine Behandlung werden um das Mehrfache überschritten und können mehrere Monate betragen. Die Notfallversorgung ist nicht mehr überall gewährleistet. Durch Sparmaßnahmen sind in vielen russischen Verwaltungseinheiten die Notfall-Krankenwagen nur mit einer Person besetzt, welche die notwendigen Behandlungen nicht alleine leisten kann. Besonders angespannt ist die medizinische Versorgung für Kinder, es fehlen Physiotherapeuten und Psychologen (AA 28.9.2022). Mitunter gibt es Probleme bei der Diagnose und Behandlung von Patienten mit besonders seltenen Krankheiten, da meist die finanziellen Mittel für die teuren Medikamente und Behandlungen in den Regionen nicht ausreichen (ÖB 30.6.2022).
In der Praxis müssen viele Leistungen von Patienten selbst bezahlt werden, obwohl die medizinische Versorgung für russische Staatsangehörige kostenfrei sein sollte (AA 28.9.2022). Patienten dürfen Beschwerden einreichen, wenn öffentliche medizinische Einrichtungen Gebühren für eigentlich kostenfreie Dienstleistungen einzuheben versuchen. Patientengebühren tragen zu steigender Ungleichheit bei. Zuzahlungen werden entweder von unversicherten Personen geleistet oder dienen dazu, die Leistungsdeckung der obligatorischen oder freiwilligen/privaten Krankenversicherung zu erhöhen. Beispiele für Zuzahlungen sind offizielle Zahlungen im öffentlichen oder Privatsektor oder informelle Zahlungen im öffentlichen Sektor, um beispielsweise eine spezielle Behandlung zu erhalten. Personen mit höherem Einkommen sowie Bewohner wohlhabenderer Städte wie Moskau und St. Petersburg leisten höhere Zuzahlungen, vor allem betreffend stationäre Behandlungen. Allerdings steigt die Höhe der Zuzahlungen gemäß einer Quelle aus dem Jahr 2018 für ambulante Leistungen für ärmere Bevölkerungsschichten rascher an (EUAA 9.2022). 27,76 % der Ausgaben im Gesundheitssektor entfielen im Jahr 2020 auf Zuzahlungen (WB o.D.c.).
Das Gesundheitssystem ist zentralisiert. Öffentliche Gesundheitsdienstleistungen gliedern sich in drei Ebenen: Die Primärversorgung umfasst allgemeine medizinische Leistungen, Notfallversorgung sowie einige spezielle Dienstleistungen. Die Sekundärversorgung beinhaltet eine größere Bandbreite spezieller medizinischer Leistungen, und die Tertiärversorgung bietet medizinische Leistungen auf Hightechniveau an. Wegen Personalmangels sind Mitarbeiter auf der Primärversorgungsebene oft überlastet. Es fehlt an Koordination zwischen den Ebenen Primär- und Sekundärversorgung. Dem öffentlichen Gesundheitssystem mangelt es an finanziellen Mitteln, Patientenorientierung sowie an Personal, vor allem in ländlichen Gebieten. Das medizinische Personal weist Ausbildungsdefizite auf. Viele Bedienstete im medizinischen Bereich sind wenig motiviert, was teilweise auf niedrige Gehälter zurückzuführen ist. Hinsichtlich verfügbarer Ressourcen und Dienstleistungen herrschen beträchtliche regionale Unterschiede (EUAA 9.2022). Der Staat hat viele Finanzierungspflichten auf die Regionen abgewälzt, die in manchen Fällen nicht ausreichend Budget haben (ÖB 30.6.2022). Die medizinische Versorgung ist außerhalb der Großstädte in vielen Regionen auf einfachem Niveau und in ländlichen Gebieten nicht überall ausreichend. Ein Drittel der Ortschaften in ländlichen Gebieten verfügt über keinen direkten Zugang zu medizinischer Versorgung. Der Weg zum nächsten Arzt kann in manchen Fällen bis zu 400 Kilometer betragen (AA 28.9.2022). Einrichtungen, die hochmoderne Diagnostik sowie Behandlungen anbieten, sind vorwiegend in den Großstädten Moskau und St. Petersburg zu finden (EUAA 9.2022).
Zurückgekehrte Staatsbürger haben ein Anrecht auf eine kostenlose medizinische Versorgung im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung. Jeder Bürger der Russischen Föderation kann dementsprechend gegen Vorlage eines gültigen russischen Reisepasses oder einer Geburtsurkunde (für Kinder bis zu einem Alter von 13 Jahren) eine Krankenversicherungskarte erhalten. Diese wird von der nächstgelegenen Krankenversicherungszweigstelle am Wohnsitzort ausgestellt (IOM 12.2022). Personen ohne Dokumente haben das Recht auf eine kostenlose medizinische Notfallversorgung (EUAA 9.2022).
Die folgende Webseite enthält eine Auflistung medizinischer Einrichtungen in der Russischen Föderation mitsamt Kontaktdetails: https://gogov.ru/clinics (IOM 12.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf , Zugriff 16.5.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/ , Zugriff 16.5.2023
EUAA – European Union Agency for Asylum (9.2022): Russian Federation: Medical Country of Origin Information Report, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2022_09_EUAA_MedCOI_Country_Report_Russian_Federation.pdf , Zugriff 16.6.2023
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation: Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf , Zugriff 16.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2022): Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2022 (Stand 30.6.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2085109/RUSS_%C3%96B-Bericht_2022_06.pdf , Zugriff 16.5.2023
Präsident [Russland] (27.3.2023): Указ Президента РФ от 06.06.2019 N 254 (ред. от 27.03.2023) ‚О Стратегии развития здравоохранения в Российской Федерации на период до 2025 года‘ [Erlass des Präsidenten der RF vom 06.06.2019 N 254 (Fassung vom 27.03.2023) ‚Über die Strategie der Entwicklung des Gesundheitswesens in der Russischen Föderation für den Zeitraum bis 2025’], https://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_326419/ , Zugriff 19.6.2023
Regierung [Russland] (o.D.): Федеральный фонд обязательного медицинского страхования: Описание [Föderaler Fonds der obligatorischen Krankenversicherung: Beschreibung], http://gove rnment.ru/department/191/about/, Zugriff 19.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (28.4.2023d): Федеральный закон ‚Об основах охраны здоровья граждан в Российской Федерации‘ от 21.11.2011 N 323-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz ‚Über die Grundlagen des Gesundheitsschutzes der Bürger in der Russischen Föderation’ vom 21.11.2011 N 323-ФЗ (aktuelle Fassung)], https://www.consultant.ru/document/c ons_doc_LAW_121895/, Zugriff 19.6.2023
RF – Russische Föderation [Russland] (19.12.2022): Федеральный закон ‚Об обязательном медицинском страховании в Российской Федерации‘ от 29.11.2010 N 326-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz ‚Über die obligatorische Krankenversicherung in der Russischen Föderation’ vom 29.11.2010 N 326-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/c ons_doc_LAW_107289/, Zugriff 19.6.2023
Sber Bank (o.D.): Ваш ДМС [Ihre freiwillige Krankenversicherung], http://www.sberbank.ru/ru/person/bank_inshure/insuranceprogram/dms , Zugriff 19.6.2023
WB – World Bank (o.D.c): Out-of-pocket expenditure (% of current health expenditure) – Russian Federation, https://data.worldbank.org/indicator/SH.XPD.OOPC.CH.ZS?end=2020&locations=RU &start=2000&view=chart, Zugriff 21.6.2023
Rückkehr
Letzte Änderung 2023-07-04 16:04
Gemäß Art. 27 der Verfassung und im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben haben russische Staatsbürger das Recht, ungehindert in die Russische Föderation zurückzukehren (Duma 6.10.2022; vgl. RF 14.4.2023). Jedoch kommt es de facto beispielsweise im Zuge von Grenzkontrollen zu Befragungen Einreisender durch Grenzkontrollorgane (ÖB 4.4.2022). Es liegen Hinweise vor, dass die Sicherheitsdienste einige Personen bei Ein- und Ausreisen überwachen. Bei der Einreise werden die international üblichen Pass- und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses, Inlandspasses (wie Personalausweis) oder anerkannten Passersatzdokuments nach Russland einreisen. Russische Staatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine Verwaltungsstrafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen beim Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen (AA 28.9.2022). Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (ÖB 30.6.2022; vgl. EUR-Lex 17.5.2007). Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach welchem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden (ÖB 30.6.2022).
Rückkehrende haben – wie alle anderen russischen Staatsbürger – Anspruch auf Teilhabe am Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Pensionssystem, solange sie die jeweiligen Bedingungen erfüllen (IOM 7.2022). Sozialleistungen hängen vom spezifischen Fall des Rückkehrers ab. Zurückkehrende Staatsbürger haben ein Anrecht auf eine kostenlose medizinische Versorgung im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung. Jeder Bürger der Russischen Föderation kann dementsprechend gegen Vorlage eines gültigen russischen Reisepasses oder einer Geburtsurkunde (für Kinder bis zu einem Alter von 13 Jahren) eine Krankenversicherungskarte erhalten. Diese wird von der nächstgelegenen Krankenversicherungszweigstelle am Wohnsitzort ausgestellt (IOM 12.2022). Von Rückkehrern aus Europa wird manchmal die Zahlung von Bestechungsgeldern für grundsätzlich kostenlose Dienstleistungen (medizinische Untersuchungen, Schulanmeldungen) erwartet. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können nicht als spezifische Probleme von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, vor allem für junge Mädchen, wenn diese in einem westlichen Umfeld aufgewachsen sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf eine mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt (ÖB 30.6.2022).
Es sind keine Fälle bekannt, in welchen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten (AA 28.9.2022). Eine erhöhte Gefährdung kann sich nach einem Asylantrag im Ausland bei Rückkehr nach Tschetschenien für diejenigen Personen ergeben, welche bereits vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitskräften hatten (ÖB 30.6.2022). Der Kontrolldruck der Sicherheitsbehörden gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. NGOs berichten von willkürlichem Vorgehen der Polizei bei Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen. Letztere finden vor allem in Tschetschenien auch ohne Durchsuchungsbefehle statt (AA 28.9.2022).
Sollte ein Einberufungsbefehl ergangen sein, ist diesem bei Rückkehr Folge zu leisten (ÖB 12.12.2022). Bei Vorliegen eines Einberufungsbefehls werden russische Staatsangehörige aus Tschetschenien – wie auch andere Bürger – nach Rückkehr in die Russische Föderation eingezogen und nach einer Ausbildung im Ukraine-Krieg eingesetzt (ÖB 25.1.2023). Differenziert wird hier zwischen Wehrdienstleistenden oder Reservisten bzw. zur Mobilisierung einberufenen Personen, denn Grundwehrdienstleistende dürfen nicht im Ukraine-Krieg eingesetzt werden (VB 26.4.2023).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf , Zugriff 16.5.2023
Duma [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit den Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446/ , Zugriff 16.5.2023
EUR-Lex (EU-Rechtsdatenbank) (17.5.2007): Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme – Gemeinsame Erklärungen (ABl.L 129 vom 17.5.2007), https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2007.129.01.0040.01.DEU&toc=OJ%3AL%3A2007%3A129%3ATOC , Zugriff 16.5.2023
IOM – International Organization for Migration (12.2022): Russian Federation: Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Russia_EN.pdf , Zugriff 16.5.2023
IOM – Internationale Organisation für Migration (7.2022): Russische Föderation: Länderinformationsblatt 2021, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2021_Russia_DE.pdf , Zugriff 16.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (25.1.2023): Auskunft der Botschaft, per EMail
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (12.12.2022): Auskunft der Botschaft, per E-Mail
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (30.6.2022):Asylländerbericht zur Russischen Föderation 2022 (Stand 30.6.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2085109/RUSS_%C3%96 B-Bericht_2022_06.pdf, Zugriff 16.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (4.4.2022): Auskunft der Botschaft, per E-Mail
RF – Russische Föderation [Russland] (14.4.2023): Федеральный закон ‚О порядке выезда из Российской Федерации и въезда в Российскую Федерацию‘ от 15.08.1996 N 114-ФЗ (последняя редакция) [Föderales Gesetz ‚Über den Ablauf der Aus- und Einreise in die Russische Föderation’ vom 15.08.1996 N 114-ФЗ (aktuelle Fassung)], http://www.consultant.ru/document/c ons_doc_LAW_11376/, Zugriff 16.5.2023
VB – Verbindungsbeamter für die Russische Föderation [Österreich] (26.4.2023): Auskunft per E-Mail
Dokumente
Letzte Änderung 2023-07-04 16:03
Die von den staatlichen Behörden ausgestellten Dokumente sind in der Regel echt und inhaltlich richtig. Dokumente russischer Staatsangehöriger aus den russischen Kaukasusrepubliken (insbesondere Reisedokumente) enthalten hingegen nicht selten unrichtige Angaben. Gründe hierfür liegen häufig in mittelbarer Falschbeurkundung und unterschiedlichen Schreibweisen von beispielsweise Namen oder Orten. In Russland ist es möglich, Personenstands- und andere Urkunden zu kaufen, wie beispielsweise Staatsangehörigkeitsausweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle und Gerichtsurteile. Es gibt Fälschungen, die auf Originalvordrucken professionell hergestellt werden und nur mit speziellen Untersuchungen erkennbar sind. Nach Angaben des deutschen Auswärtigen Amts hat die Anzahl der im Asylverfahren vorgelegten Vorladungen, Urteile und Beschlüsse, die sich als Fälschungen herausgestellt haben, in der letzten Zeit erheblich zugenommen (AA 28.9.2022). Das niederländische Außenministerium berichtet über manche gefälschte europäische Visa in echten russischen Reisepässen. In der Vergangenheit traten einerseits Fälle gefälschter Einreisestempel in echten russischen Reisepässen auf und andererseits echte russische Reisepässe, welche im Besitz anderer Personen waren (NL-MFA 4.2021).
Weder die Staatendokumentation, noch der Verbindungsbeamte oder die Österreichische Botschaft können die Bedeutung von Reisepassnummern, welche sich auf die ausstellenden Behörden beziehen, nachvollziehen (VB 4.3.2021).
Tschetschenien
Die Verwaltungsstrukturen in Tschetschenien sind größtenteils wiederaufgebaut, sodass die Echtheit von Dokumenten aus Tschetschenien grundsätzlich überprüft werden kann. Probleme ergeben sich allerdings dadurch, dass bei den kriegerischen Auseinandersetzungen viele Archive zerstört wurden (AA 28.9.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10.9.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2079430/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_10._September_2022%29%2C_28.09.2022.pdf , Zugriff 16.5.2023
NL-MFA – Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (4.2021): Country of origin information report for the Russian Federation, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/reports/2021/04/12/general-country-of-origin-information-report-for-the-russian-federation-april-2021/General+Country+of+Origin+Information+Report+for+the+Russian+Federation+%28April+2021%29.pdf , Zugriff 16.5.2023
VB – Verbindungsbeamter für die Russische Föderation [Österreich] (4.3.2021): Auskunft per E-Mail
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers gründen auf seinen mit seiner Geburtsurkunde übereinstimmenden Angaben, wobei nicht festgestellt werden kann, ob er in GROSNY geboren wurde, wie es in seiner Geburtsurkunde steht und im Strafurteil, oder in XXXX , wie er angibt und im Asylverfahren festgestellt wurde.
Dass der Beschwerdeführer die ersten beiden Klassen Grundschule in TSCHETSCHENIEN abschloss, steht auf Grund der Angaben des Vaters und der Mutter des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Dass die Muttersprache des Beschwerdeführers Tschetschenisch ist, ist vor dem Hintergrund der Sprachkenntnisse seiner Eltern plausibel.
Insbesondere der Beschwerdeführer, aber auch seine Familie versuchten in der hg. mündlichen Verhandlung ihre familiären Bindungen und Wohnumstände im Herkunftsstaat zu verschleiern:
Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe in der RUSSISCHEN FÖDERATION nur mit seinen Eltern und seinem Bruder zusammengelebt, steht auf Grund der Angaben des Vaters des Beschwerdeführers fest, dass der Beschwerdeführer mit seinen Eltern beim Großvater väterlicherseits lebte. Dass sie beim Großvater lebten, räumte die Mutter des Beschwerdeführers erst auf Vorhalt ein, ergänzte aber, dass der Großvater nicht immer bei ihnen gelebt habe.
Während der Beschwerdeführer angab, er habe mit seiner Familie in XXXX gelebt, er wisse nicht, wer an der Adresse XXXX in GROSNY gelebt habe, er sei zu klein gewesen, gab der Vater des Beschwerdeführers an, die Familie habe in GROSNY (an dieser Adresse) gelebt und wenn es unmittelbare Kampfhandlungen gegeben habe, dort im Heimatdorf ( XXXX ). Auch die Mutter des Beschwerdeführers brachte vor, dass sie in GROSNY und XXXX lebten.
Während der Beschwerdeführer angab, er wisse nicht, wem die Wohnungen in XXXX und in GROSNY jetzt gehören, gab der Vater des Beschwerdeführers an, das Haus in XXXX sei abgerissen worden, dort stehen jetzt Hochhäuser, und das Haus in GROSNY sei während des Krieges zerbombt und danach abgerissen worden. Die Mutter des Beschwerdeführers gab hingegen an, dass sie Wohnung in GROSNY verkauft haben und die Wohnung in XXXX nur gemietet gewesen sei. Es kann daher nicht festgestellt werden, was aus den beiden Wohnstätten der Familie wurde.
Dass er sich nicht daran erinnern könne, ob er Onkeln oder Tanten, Cousins und Cousinen und Großeltern habe, wie der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung angab, ist vor dem Hintergrund seiner Aussage, wie wichtig die Familie „bei uns“ ist, nicht glaubhaft. Auf Grund der Angaben des Vaters des Beschwerdeführers steht fest, dass dieser neben den Großeltern und dem Vater zwei Onkel hatte, die der Familie auchhalfen; diese sind mittlerweile verstorben. Weiters steht auf Grund der Angaben des Vaters in der hg. mündlichen Verhandlung fest, dass er Cousins dritten Grades in TSCHETSCHENIEN hat und die Töchter seiner Onkel – seine Cousinen – weiterhin dort leben, weiters dass seine Onkel dort keinen Problemen ausgesetzt waren. Auf Grund der Angaben des Vaters des Beschwerdeführers steht weiters fest, dass seine Onkel für seine Freilassung bezahlten – und nicht nur weitsichtige Verwandte, wie die Mutter des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung angab, oder Nachbarn bzw. das Dorf, wie der Beschwerdeführer angab.
Das Vorbringen der Mutter des Beschwerdeführers zu ihren Familienangehörigen im Herkunftsstaat war auch im Übrigen nicht glaubhaft: Sie gab an, nach dem Tod ihrer Mutter, die ein Einzelkind gewesen sei, bei der Großmutter aufgewachsen zu sein, weil sich ihr Vater nicht an der Erziehung beteiligt habe, aber ihre Großmutter sei 1,5 Jahre nach der Mutter gestorben, sie habe keine Angehörigen. Dies ist jedoch nicht plausibel, da es nicht erklärt, wo und bei wem sie als noch Minderjährige lebte, bevor sie den Vater des Beschwerdeführers kennenlernte. Dass sie jedenfalls Angehörige hat, die mittlerweile in DUBAI leben, steht auf Grund der Angaben des Vaters des Beschwerdeführers fest.
Zusammengefasst steht fest, dass der Beschwerdeführer jedenfalls weitschichtige Verwandte in der RUSSISCHEN FÖDERATION hat.
Entgegen der Stellungnahme vom 22.10.2021 steht fest, dass der Beschwerdeführer auch russisch sprechen, lesen und schreiben kann, weil er zwei Klassen Grundschule in der RUSSISCHEN FÖDERATION absolvierte und die ersten neun Jahre seines Lebens in der RUSSISCHEN FÖDERATION verbrachte; damit in Einklang steht, dass seine Eltern weniger deutsch sprechen als er und sehr gute Russischkenntnisse haben, wie auch auf Grund der hg. mündlichen Verhandlung feststeht. Dass er russisch versteht, bekräftigte auch der persönliche Eindruck, den der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung vermittelte, bei der er mit der Dolmetscherin Blickkontakt hielt und durch Simultanübersetzung verwirrt war, weil er beide Sprachen verstand. Auch die Strafverhandlung wurde übrigens unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch durchgeführt. Mit seinem Beschwerdevorbringen, das Bundesamt habe nicht dargetan, ob der Beschwerdeführer der russischen Schriftsprache mächtig sei, tut er im Übrigen auch nicht dar, dass dies nicht der Fall ist.
Da seine Eltern, seine Geschwister, seine Gattin, seine Kinder, die meisten seiner Komplizen und einige seiner Freunde – u.a. der Freund, der ihn in der Haft besucht und der Freund, bei dem er gemeldet war, nachdem er 18 Jahre alt wurde, derselben Volksgruppe angehören wie er und er die ersten neun Jahre seines Lebens in der RUSSISCHEN FÖDERATION verbrachte, steht entgegen der Stellungnahme vom 22.10.2021 fest, dass ihm die Kultur und Gesellschaftsstruktur seines Herkunftsstaates weiterhin vertraut ist und er sich dort wieder integrieren kann. Damit in Einklang steht, dass der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung mehrfach auf die von ihm wahrgenommenen Unterschiede zwischen Österreich und „bei uns“ verwies (zB betreffend die Wichtigkeit der Familie, dass es sich nicht geziemt, seinen Schwiegervater zu fragen, warum er im Herkunftsstaat verfolgt wurde, etc.).
Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers gründen auf dem vorliegenden Verwaltungsakt. Daher steht entgegen der Feststellungen im angefochtenen Bescheid fest, dass dem Beschwerdeführer nicht in Erstreckung nach seiner Mutter oder im Familienverfahren Asyl zuerkannt wurde, und entgegen der Beschwerde, dass ihm nicht in Erstreckung nach seinem Vater Asyl gewährt wurde, sondern „originär“, weil er der tschetschenischen Volksgruppe angehörte, Tschetschenen damals über keine innerstaatliche Fluchtalternative verfügten und seine Eltern im Herkunftsstaat verfolgt wurden.
Hingegen trifft die Feststellung des Bundesamtes, der Sachverhalt habe sich nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten maßgeblich geändert, zu, da seit Ende des zweiten Tschetschenienkrieges nunmehr 15 Jahre vergangen sind und Grund für die Mitnahmen des Vaters 2000, 2002 und 2004 bzw. Lösegeldforderungen ausweislich der Angaben des Beschwerdeführers („Beginn des Regimes KADYROW“) Maßnahmen am Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges waren, bei denen die Mitgenommenen gezwungen waren, sich KADYROW anzuschließen oder Lösegeld zu bezahlen, aber keine darüber hinausgehende Verfolgung des Beschwerdeführers und seiner Familie festgestellt werden konnte, was sich daran zeigt, dass die Brüder seines Vaters in TSCHETSCHENIEN jedenfalls nach Ende des zweiten Tschetschenienkrieges dort wohnen konnten und dabei keiner Verfolgung ausgesetzt waren und während des Asylverfahrens an die Behörden des Herkunftsstaates herantraten, um Dokumente für den Beschwerdeführer und seine Familie ausstellen zu lassen, ohne dabei Problemen ausgesetzt zu sein.
Die Feststellungen zu den Fluchtgründen des Vaters des Beschwerdeführers und seiner Familie gründen auf den Angaben der Eltern des Beschwerdeführers in den Einvernahmen am 04.11.2004 und 01.02.2005; diese bestätigte der Vater des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung. Auf diesen gründen auch die Feststellungen, dass der Vater des Beschwerdeführers selbst nicht Kämpfer war, nicht persönliche Wache des Präsidenten war und – abgesehen von einem Gummiknüppel – keine Waffe getragen hat. Das Vorbringen in der Stellungnahme am 22.10.2021, der Vater habe sich aktiv am Krieg in TSCHETSCHENIEN beteiligt, trifft daher nicht zu. Ebensowenig trifft das Vorbringen in der Stellungnahme vom 06.07.2023 zu, der Vater des Beschwerdeführers gelte als Oppositioneller, da es keinen Grund dafür gibt: Weder ist er politisch noch exilpolitisch tätig, weder als Blogger noch Journalist oder Menschenrechtsaktivist ist. Er war bis vor dem zweiten Tschetschenienkrieg im Präsidentenpalast nur Security, der den Leuten sagte, wohin sie gehen müssen und auf die Sauberkeit achtete, dass kein Papier am Boden liegt. Auf Grund der Länderberichte kann nicht festgestellt werden, dass aus diesem Grund heute ihm bzw. seinen Angehörigen Verfolgung als Oppositionelle droht, was sich auch daran zeigt, dass seine Brüder bis zu deren Tod in TSCHETSCHENIEN lebten.
Dass der Beschwerdeführer selbst in der RUSSISCHEN FÖDERATION keiner Verfolgung ausgesetzt war, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers, der die RUSSISCHE FÖDERATION mit neun Jahren verließ, fest, damals seien Burschen ab 14, 15 Jahren verschwunden und haben sich KADYROW anschließen müssen, oder seien ins Gefängnis geschmissen worden oder verschwunden. Sein Vater habe ihn beschützen wollen, er könne sich nicht an alles erinnern, er wisse nur, wie schlimm die Lage gewesen sei. Entgegen der Angaben seiner Mutter in der hg. mündlichen Verhandlung, auch er sei verfolgt worden, was sie jedoch im Asylverfahren nicht angegeben hatte, kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat selbst Verfolgung ausgesetzt war.
Dass weder der Beschwerdeführer, noch sein Vater journalistisch, als Blogger oder Menschenrechtsaktivist tätig sind, steht auf Grund ihrer Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung fest; daher steht auch fest, dass der Vater des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer weder politisch noch exilpolitisch tätig sind.
Dass der Vater des Beschwerdeführers den Lebensunterhalt durch eine Ölquelle und Erwerbseinkommen sicherte, gründet auf den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, ebenso, dass die Familie keine Landwirtschaft hatte und die Lebensumstände während des zweiten Tschetschenienkrieges schlecht waren.
Dass der Beschwerdeführer über das Duplikat seiner Geburtsurkunde verfügt, das während seines Aufenthalts in Österreich in der RUSSISCHEN FÖDERATION ausgestellt wurde, steht auf Grund des Aktes des Standesamtes XXXX über die Eheschließung des Beschwerdeführers in Österreich fest. Die Feststellungen zur Ausstellung des Duplikats und zur Übermittlung nach Österreich gründen auf den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zur Unterbringung des Beschwerdeführers und seiner Familie während des Asylverfahrens und zum Umzug nach XXXX nach der Asylgewährung gründet auf den Auszügen aus dem ZMR und GVS-System. Die Feststellungen zu seinen Schwestern XXXX und XXXX gründen auf den sie betreffenden Auszügen aus dem ZMR, IZR und AJ-WEB.
Die Feststellungen zum Suchtmittelkonsum des Beschwerdeführers gründen auf dem Akt des Landesgerichts für Strafsachen XXXX betreffend seinen Antrag auf bedingte Entlassung. Dass er keine Suchtmittel konsumiert, wie in der Stellungnahme vom 22.10.2021 ausgeführt wurde, trifft nicht zu. Dass seine Eltern und seine Gattin von seinem Suchtmittelkonsum sowie seiner Automatenspielsucht keine Kenntnis hatten, steht auf Grund ihrer Aussagen in der hg. mündlichen Verhandlung fest.
Auf Grund der vorgelegten Zeugnisse und Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung steht fest, dass er entgegen der Stellungnahme vom 22.10.2021 nicht nur ein Jahr lang die Volksschule besuchte, sondern zwei, das Oberstufenrealgymnasium nicht besuchte bzw. entgegen seiner Angaben in der Beschuldigteneinvernahme, dass er nicht vier Jahre lang die Volksschule in Österreich besuchte. Dass er zwei Jahre lang erfolglos die Handelsschule besuchte, steht – in Einklang mit den Feststellungen des Landesgerichts für Strafsachen XXXX – auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers fest, auch wenn er aufforderungswidrig dazu keine Zeugnisse vorlegte. Dass der Beschwerdeführer nach dem zweijährigen Besuch der Handelsschule ein Jahr lang keine Schule besuchte, sondern bei XXXX war, steht auf Grund seiner Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Dass er dabei von der Arbeitslosenversicherung unterstützt wurde, steht auf Grund des Bezuges von Arbeitslosengeld laut AJ-WEB fest. Die Feststellungen zum Besuch der Berufsschule gründen auf den vorgelegten Zeugnissen. Dass der Beschwerdeführer die Lehrabschlussprüfung nicht machte, steht auf Grund seiner Angaben fest. Dass er sie nicht machen konnte, wie die Beschwerde ausführt, kann hingegen nicht festgestellt werden, da kein Grund dafür erkannt werden kann. Soweit der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung vorbrachte, er habe Prüfungsangst gehabt, verfängt dieses Vorbringen nicht, da er ausweislich seiner Berufsschulzeugnisse zahlreiche Prüfungen absolviert hatte. Dass der Beschwerdeführer die Lehrabschlussprüfung bis dato nicht nachholte, steht auf Grund seiner Angaben fest. Nicht festgestellt werden kann, dass er sie wegen der Erkrankung seiner Tochter XXXX nicht nachholen konnte, ebensowenig wie die Erkrankung seiner Tochter der Grund für seine Delinquenz war. Soweit der Beschwerdeführer angab, er habe die Lehrabschlussprüfung seither nicht machen können, weil er in Haft gewesen sei, verfängt das Vorbringen nicht, weil er zwischen Untersuchungshaft und Strafhaft ein Jahr und acht Monate auf freiem Fuß war.
Dass der Beschwerdeführer 2013 von zuhause auszog und ab Oktober 2014 nur noch über eine Obdachlosenmeldeadresse verfügte, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers, die mit dem Auszug aus dem Melderegister in Einklang stehen, fest. Dass er unangemeldet bei Freunden lebte, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest; auf Grund seiner diesbezüglich nicht nachvollziehbaren Angaben kann nicht festgestellt werden, wo und bei wem genau er sich aufhielt.
Dass sich der Beschwerdeführer und seine Gattin über Freunde 2014/2015 in BREGENZ kennenlernten, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers und seiner Mutter in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Das Datum der traditionellen Eheschließung gründet auf den Angaben des Beschwerdeführers, seiner Gattin und seiner Mutter, soweit diese übereinstimmten (der Beschwerdeführer gab zunächst an, erst 2017 traditionell geheiratet zu haben, es ist aber auf Grund der Aussage der Mutter des Beschwerdeführers, er habe nicht einmal die Hand seiner Gattin halten dürfen, bevor er sie traditionell geheiratet habe, nicht glaubhaft, dass er bereits unverheiratet mit seiner Gattin zusammenlebte und seine im JÄNNER 2017 geborene Tochter gezeugt hatte; dies stand auch mit seiner Aussage, seine Gattin sei bei der traditionellen Eheschließung XXXX Jahre alt gewesen, nicht in Einklang, das war sie im JÄNNER 2016). Dass die Ehe nicht arrangiert war, vom Beschwerdeführer und seiner Gattin freiwillig eingegangen wurde und nicht gegen den Willen der Eltern steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers, seines Vaters und seiner Gattin fest. Dass der Beschwerdeführer und seine Gattin seit XXXX zusammenwohnen, steht auf Grund der ZMR-Auszüge des Beschwerdeführers und seiner Gattin fest und mit den Angaben der beiden in Einklang. Die Feststellungen zur standesamtlichen Eheschließung gründen auf der Heiratsurkunde und dem Akt des Standesamtes XXXX . Dass die Ehe noch aufrecht ist, steht auf Grund der übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Gattin fest.
Die Feststellungen zur Gattin des Beschwerdeführers gründen auf den sie betreffenden Auszügen aus dem IZR, ZMR und AJ-WEB sowie dem im Pflegschaftsakt erliegenden Asylerstreckungsbescheid, der sie, ihre Mutter und ihre Schwestern betraf. Dass sie bis 2016 mit ihrer Familie in VORARLBERG lebte, steht auf Grund des ZMR-Auszuges fest, dass sie ihre Eltern seit sie in XXXX lebt nur noch ca. zwei Mal pro Jahr besucht, steht auf Grund der Angaben der Mutter des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Sie spricht auch russisch, wenn auch nicht perfekt, wie sich aus der Aussage des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung ergibt, und hat Probleme beim Lesen und Schreiben von Russisch, wie auf Grund ihrer Aussage in der hg. mündlichen Verhandlung feststeht; dies steht damit in Einklang, dass sie in der RUSSISCHEN FÖDERATION altersbedingt die Schule nicht besuchte.
Die Feststellungen zum Fluchtgrund ihres Vaters gründen auf ihren Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung. Dass sie selbst in der RUSSISCHEN FÖDERATION keiner Verfolgung ausgesetzt war, steht auf Grund ihrer Angaben und den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest, die auf Grund ihres Alters bei Ausreise und des Umstandes, dass für sie kein Asylantrag gestellt wurde, plausibel sind.
Dass der Schwiegervater des Beschwerdeführers 2018 in Österreich starb und auf seinen Wunsch hin in TSCHETSCHENIEN beigesetzt wurde, ohne dass es dabei Probleme gab, steht auf Grund der Angaben der Gattin des Beschwerdeführers und des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest.
Dass der Beschwerdeführer seit seinem XXXX . Lebensjahr spielsüchtig ist, steht auf Grund der psychologischen Stellungnahme im Akt über den Antrag des Beschwerdeführers auf bedingte Entlassung fest; dass er 2018, als er im Spielkasino arbeitete, noch nicht spielsüchtig war, wie der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung angab, trifft daher nicht zu. Dass seine Familie nichts von seiner Spielsucht wusste, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers, der Eltern und Gattin in der hg. mündlichen Verhandlung fest.
Die Feststellungen zu den Kindern des Beschwerdeführers gründen auf den beigeschafften Pflegschaftsakten des Bezirksgerichts XXXX OST und den darin erliegenden Asylbescheiden und Geburtsurkunden. Die Feststellungen zum Kindergarten- und Schulbesuch gründen auf den Angaben der Gattin des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich gründen auf dem SVA-Auszug aus dem AJ-WEB, ebenso die zum Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Überbrückungshilfe. Daher steht auch fest, dass er entgegen seiner Angaben in der Stellungnahme vom 22.10.2021 und der Beschwerde nicht bei XXXX beschäftigt war und nicht nur bei drei Unternehmen beschäftigt war, wie er ebenfalls in der Beschwerde vorbrachte, ebenso, dass er nicht für die Fa. XXXX sondern für die Firma XXXX arbeitete. Dass es sich bei dem Unternehmen in BRATISLAVA, für das er arbeitete, um ein Wettcafe in WIEN handelte, gründet auf den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung; auf diesen gründet auch die Feststellung, welche Tätigkeit er für die jeweiligen Unternehmen verrichtete.
Die Feststellungen zur Erkrankung seiner Tochter XXXX und deren Behandlung gründen auf den von ihm vorgelegten Befunden und den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Gattin in der hg. mündlichen Verhandlung dazu, die allgemeinen Feststellungen zur CHONDRODYSPASIE PUNCTATA, Typ CONRADI-HÜNERMANN-HAPPLE-SYNDROM, gründen auf allgemeinzugänglichen Internetquellen (https://flexikon.doccheck.com/de/Chondrodysplasia-Punctata-Syndrom ; https://de.wikipedia.org/wiki/Conradi-H%C3%BCnermann-Syndrom ; https://rarediseases.org/rare-diseases/conradi-hunermann-syndrome/ ). Daher kann nicht festgestellt werden, dass sie nur 10 Jahre alt werden wird, wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbrachte, oder nur 16 Jahre alt werden wird, wie er in der hg. mündlichen Verhandlung vorbrachte, da sich dies weder aus den vorgelegten Befunden noch allgemeinen Quellen ergibt.
Dass die Krankheit bei der Tochter XXXX nicht ausgebrochen ist, sie keinen Behandlungsbedarf hat und nun auch Frühförderung bekommt, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers und seiner Gattin in der hg. mündlichen Verhandlung fest.
Dass der Beschwerdeführer und die Gattin die gemeinsame Obsorge haben, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Dass der Beschwerdeführer mit den Kindern auf Spielplätze ging und Sachen unternahm und mit seiner Gattin seiner Tochter XXXX 15-20 min die Füße massierte, steht auf Grund seiner Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass er Pflege und Erziehung der Kinder übernahm, dies auf Grund des persönlichen Eindrucks in der hg. mündlichen Verhandlung, bei der er befragt dazu, wie er zu Pflege, Erziehung und Obsorge beitrug, nur angab, mit den Kindern auf Spielplätze gegangen zu sein und Sachen unternommen zu haben, selbst auf Nachfrage. Erst auf erneute, detaillierte Nachfrage, gab er an, alles mit seiner Frau gemeinsam gemacht zu haben, ohne allerdings seine Beteiligung konkretisieren zu können. Daran ändert auch die Aussage seiner Gattin nichts, die angab, er habe ihr die Zwillinge abgenommen, manchmal sei er mit ihnen in den Park gegangen, nachts habe er ihr die Zwillinge öfter übernommen, auf XXXX habe er ständig aufgepasst, sie haben es sich aufgeteilt. Dies steht damit in Einklang, dass er vor Haftantritt, nachdem seine Kinder zur Welt kamen, drogen- und spielsüchtig war, und danach die Haft verbüßte. Dass er bis dato nicht für den Unterhalt der Kinder aufkam, sondern dieser von der Gattin, Sozialhilfe und Familienbeihilfe bestritten wird, gab auch der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung an.
Das Gericht folgt betreffend den Grund dafür, warum der Beschwerdeführer als Mitglied einer kriminellen Vereinigung v.a. bewaffnete Raubüberfälle beging, den Feststellungen des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , die auch mit den psychologischen Erhebungen im Akt über die bedingte Entlassung in Einklang stehen, auf denen auch die Feststellungen zu den Suchterkrankungen des Beschwerdeführers gründen. Es steht daher fest, dass der Beschwerdeführer entgegen der Beschwerde die Delikte nicht beging, weil seine Tochter krank und sein Schwiegervater verstorben war, wie er zuvor auch bereits in der Haftverhandlung vorgebracht hatte. Soweit die Beschwerde weiter vorbringt, dass sich der Beschwerdeführer zu den Taten aus finanzieller Not hinreißen habe lassen – seine Tochter sei schwer krank gewesen und habe kostspieliger Behandlung bedurft – trifft sie ebensowenig zu: Der Beschwerdeführer beging die Taten ausweislich des Strafaktes und des Aktes über die bedingte Entlassung zur Finanzierung seiner Drogen- und Spielsucht, wie der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung auch einräumte; die Behandlung seiner Tochter an der Universitätsklinik XXXX ist von der Krankenversicherung gedeckt, die Frühförderung wird vom Staat zur Verfügung gestellt, wie der Beschwerdeführer ebenfalls in der hg. mündlichen Verhandlung einräumte. Das Beschwerdevorbringen, den Beschwerdeführer haben Schicksalsschläge dazu gebracht, straffällig zu werden, trifft daher ebensowenig zu: Der Beschwerdeführer lebte bereits seit sechs Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern in Österreich, als er anfing, Drogen in Form eines schädlichen Gebrauchs zu konsumieren und war bereits zwei Jahre vor Geburt seiner ersten Tochter automatenspielsüchtig. Er war seit 2018 massiv kokainabhängig und konsumierte täglich massiv THC, also bevor die Erkrankung seiner Tochter XXXX diagnostiziert wurde. Sohin verfängt auch sein Vorbringen in der hg, mündlichen Verhandlung rationae temporae nicht, die Krankheit seiner Tochter sei von den Ärzten noch schlimmer dargestellt worden, als es im schlimmsten Fall gewesen sei und er habe alles in sich hineingefressen, er habe mit niemandem reden wollen und damit er davon wegkomme und sich ablenke, er habe alles Mögliche gemacht, es habe nichts gebracht, dann habe er zu Drogen gegriffen und Spielsucht: Die kranke Tochter XXXX ist 2018 geboren, der Beschwerdeführer konsumiert seit 2010 Drogen in Form schädlichen Gebrauchs und ist seit 2015 spielsüchtig. Mit seinem Vorbringen, er habe damals nur manchmal MARIHUANA geraucht, entkräftet der Beschwerdeführer die psychologischen Erhebungen betreffend seine Spielsucht und Drogensucht im Akt über seinen Antrag auf bedingte Entlassung nicht.
Die Feststellungen zur Festnahme, Untersuchungshaft und Verurteilung des Beschwerdeführers sowie den dieser Tat zugrunde liegenden Taten gründen auf dem beigeschafften Strafakt, insbesondere dem Urteil des Obersten Gerichtshofes. Auf Grund des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen XXXX steht entgegen der Einlassungen des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest, dass der Beschwerdeführer nicht nur mit XXXX und XXXX , sondern auch XXXX und XXXX eine kriminelle Vereinigung bildete, auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass der Beschwerdeführer bei den Raubüberfällen, bei denen er unmittelbarer Täter war, die Taten nur mit XXXX und XXXX beging.
Auf Grund der festgestellten Komplizen und der Besucherliste steht fest, dass der Freundeskreis des Beschwerdeführers entgegen der Stellungnahme vom 22.10.2021 nicht ausschließlich aus Österreichern deutscher Muttersprache besteht.
Dass der Beschwerdeführer während der Untersuchungshaft zu zwei Ordnungsstrafen verfällt wurde, steht auf Grund der im Strafakt erliegenden Vollzugsinformation fest. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus während der Anhaltung in Strafhaft zu weiteren Ordnungsstrafen verfällt wurde, da der Führungsbericht, wonach ihm sechs Ordnungsstrafen zur Last liegen, dem Akt über den Antrag auf bedingte Entlassung, wonach ihm keine Ordnungsstrafen zur Last liegen, widerspricht.
Dass der Beschwerdeführer zwischen Untersuchungshaft und Strafhaft abgesehen von den 20 Tagen, in denen er in einem Friseursalon angemeldet war, arbeitslos gemeldet war, steht auf Grund des AJ-WEB fest, dass die dort dokumentierten Bezugsunterbrechungen darauf zurückzuführen sind, dass der Beschwerdeführer Kontrolltermine nicht einhielt und sein Bezug gesperrt wurde, auf Grund seiner Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung.
Der Beschwerdeführer gab in der Hauptverhandlung an, in einem Friseursalon zu sein, wie sich aus der Verhandlungsschrift ergibt. Es kann nicht festgestellt werden, dass er in diesen 20 Tagen, in denen er dort angemeldet war, dort tatsächlich arbeitete: Er wurde am Tag des Beginns der Hauptverhandlung erst dort angemeldet und am zweiten Arbeitstag nach Urteilsverkündung wieder abgemeldet, dazwischen war er in diesen 20 Tagen an neun Verhandlungstagen – am 16.06., 17.06., 18.06., 19.06., 23.06. 25.06., 29.06., 30.06. und 02.07.2020 – bei der Hauptverhandlung am Landesgericht für Strafsachen XXXX anwesend. Die Aussagen des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, er habe seinem Chef gesagt, dass er dies und das erledigen müsse, aber dann habe er gemerkt, dass in XXXX ein großer Prozess laufe und gefragt, warum er schon nach drei bis vier Tagen gefehlt habe, treffen nicht zu: Der Beschwerdeführer war aber ab 16.06., sohin dem Tag, an dem er dort angemeldet wurde, beim Prozess und dies an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Es ist auch nicht glaubhaft, dass dem Chef des Friseursalons die Abwesenheit an neun von 20 Tagen länger nicht aufgefallen wäre, zumal der Beschwerdeführer als neu angestellter Arbeiter keinen Urlaubsanspruch hatte und nur bei Vorlage der Ladung freibekommen hätte. Dass er dort nur geschnuppert habe, wie er in der hg. mündlichen Verhandlung angab, steht mit der Anmeldung laut AJ-WEB nicht in Einklang. Da nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer dort tatschlich gearbeitet hat, kann nicht festgestellt werden, dass er zwei Tage nach der Verurteilung gekündigt wurde, weil niemand einen Häftling wolle, wie der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung angab.
Die Feststellungen zum Vollzug der Freiheitsstrafe und zum Verhalten des Beschwerdeführers während der Anhaltung in Strafhaft gründen auf dem Führungsbericht und dem Akt über den Antrag auf bedingte Entlassung. Welche Arbeit der Beschwerdeführer in der Strafhaft verrichtete, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Die Feststellungen zur Behandlung der Entzugssymptomatik gründen auf dem beigeschafften Krankenakt. Die Feststellungen zur Teilnahme an der Drogengruppe gründen auf dem Akt über den Antrag des Beschwerdeführers auf bedingte Entlassung. Eine Behandlung der Spielsucht ist dem Akt darüber hinaus nicht zu entnehmen und brachte der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen in der hg. mündlichen Verhandlung, er habe an sich selbst gearbeitet und vom Spielen Abstand genommen, auch nicht vor, zumal sich das Vorbringen betreffend die Arbeit an sich selbst auf die Zeit vor Antritt der Strafhaft bezieht, in der er laut psychologischer Einschätzung im Akt über seinen Antrag auf bedingte Entlassung die Spielsucht betreffend nicht störungseinsichtig war.
Die Feststellungen zur Ablehnung seines Antrages auf bedingte Entlassung mit 06.12.2023 gründen auf dem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 19.09.2023. Dass der Beschwerdeführer die Freiheitsstrafe seit 05.03.2024 im elektrisch überwachten Hausarrest verbüßt, steht auf Grund der Vollzugsinformation fest, ebenso, dass er den Hausarrest an der Adresse seiner Gattin und seiner Kinder verbüßt.
Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, steht auf Grund des Krankenakts der Justizanstalt XXXX XXXX fest. Entgegen der Stellungnahme vom 22.10.2021 kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines Unfalls dauernde Schmerzen im Rücken hat. In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführ selbst nur vor, aus gesundheitlichen Gründen Fitness und Therapieübungen zu machen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer auch keine Befunde zu der von ihm behaupteten Rückenverletzung vorlegte, obwohl er im hg. Verfahren dazu aufgefordert worden war. Es kann daher auch nicht festgestellt werden, dass er zuvor an einer Rückenverletzung litt. Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei straffällig geworden, weil er auf Grund chronischer Rückenprobleme keinen adäquaten Job gefunden habe, um die anfallenden Kosten zu decken, trifft daher schon aus diesem Grund nicht zu: Er beging die Raubüberfälle, wie bereits im Strafverfahren festgestellt wurde, um seine Drogen- und Spielsucht zu bedienen. Der Beschwerdeführer brachte in der hg. mündlichen Verhandlung zum Verlust seiner Arbeitsplätze immer vor, dass dies am jeweiligen Dienstgeber gelegen sei. Dies steht mit der im Akt über den Antrag auf bedingte Entlassung festgehaltenen „ich zentrierten, leidenden Persönlichkeit“ des Beschwerdeführers in Einklang. Dem Auftrag vom 03.10.2022, die Arbeitszeugnisse in Vorlage zu bringen, kam der Beschwerdeführer im Übrigen nie nach. Vor dem Hintergrund der in diesem Zeitraum bestanden habenden Drogenabhängigkeit und Spielsucht kann daher entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass er seine Arbeitsstellen unverschuldet verlor bzw. aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeit annehmen konnte. Damit in Einklang steht auch, dass ihm das Arbeitslosengeld gesperrt wurde, weil er Kontrolltermine nicht einhielt. Vielmehr erachtete es der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung als wörtlich „so arg, wenn ich bei der Arbeit bin, wird immer ein Teil vom Staat genommen“, also Steuern und Sozialversicherung vom Lohn abgezogen bzw. die bedarfsorientierte Mindestsicherung durch Erwerbseinkommen verringert ausbezahlt; eine hohe Motivation, einer sozialversicherten Tätigkeit nachzugehen, kann dieser Aussage nicht entnommen werden.
Dass der Beschwerdeführer nach der Haftentlassung in einer Pizzeria zu arbeiten beginnen kann, steht auf Grund des Aktes über den Antrag auf bedingte Entlassung fest. Dass er einerseits den Lehrabschluss (KFZ-Techniker) machen und als Mechaniker arbeiten will, andererseits sich mit italienischem Essen selbständig machen will, diesbezüglich aber weder über Ausbildung noch Arbeitserfahrung verfügt, steht auf Grund seiner Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Die Feststellungen zu den Schulden des Beschwerdeführers gründen auf seinem Strafakt und der den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung. Die Feststellungen zum Unterhaltsvorschuss für die Kinder des Beschwerdeführers gründen auf dem Akt des Bezirksgerichts XXXX OST.
Die Kinder und die Gattin des Beschwerdeführers bestreiten den Lebensunterhalt durch Kinderbeihilfe und Sozialhilfe, die Gattin des Beschwerdeführers seit 2023 auch durch Erwerbseinkommen, wie auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers und seiner Gattin in der hg. mündlichen Verhandlung feststeht. Dass der Beschwerdeführer beabsichtigt, bei Haftentlassung durch sein Häftlingskonto die zwischenzeitig akkumulierten Schulden zu bedienen, steht auf Grund seiner Aussage in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Dass der Beschwerdeführer von seinen Familienmitgliedern finanziell abhängig sei, brachte der Beschwerdeführer mit seinem Beschwerdevorbringen, das Bundesamt habe nicht festgestellt, ob der Beschwerdeführer auch in der Haft finanzielle Zuwendungen seiner Familie bekomme, im Übrigen auch nicht vor; dies kann auch nicht festgestellt werden.
Dass die Gattin des Beschwerdeführers während dessen Strafhaft in der Kinderbetreuung von ihren Schwägerinnen XXXX und XXXX unterstützt wurde, die abwechselnd je eine Woche nach der Schule bei ihr verbringen und sie weiters von ihren Schwiegereltern und ihrem Schwager unterstützt wird, steht auf Grund der Angaben der Mutter des Beschwerdeführers fest. Auf Grund der Angaben des Vaters des Beschwerdeführers steht auch fest, dass er seine Schwiegertochter unterstützt, zB in dem er mit ihnen spielt und versucht, sie zu erziehen.
Die Feststellungen zum Vater des Beschwerdeführers gründen auf den ihn betreffenden Registerauszügen aus dem ZMR, IZR und AJ-WEB sowie seinen Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung, auch zu seinem Gesundheitszustand, dass er Diabetes, Asthma und Allergien hat, Behandlung bedarf, aber keiner Pflege. Die Feststellungen zu seinem Aufenthaltsstatus stehen mit dem IZR in Einklang, seine Angaben zur Erwerbstätigkeit mit dem SVA-Auszug aus dem AJ-WEB.
Die Feststellungen zur Mutter des Beschwerdeführers gründen auf den sie betreffenden Registerauszügen aus dem ZMR, IZR und AJ-WEB sowie ihren Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung, auch zu ihrem Gesundheitszustand und Behandlung und zum Umstand, dass sie beim Haushalt auf die Unterstützung ihrer Familienangehörigen angewiesen ist.
Die Feststellungen zu den Schwestern XXXX und XXXX gründen auf den Angaben ihrer Eltern in der hg. mündlichen Verhandlung. Dass der Bruder XXXX immer wieder kurzfristig erwerbstätig war, zuletzt von 12.-20.06.2023 bei einem Personaldienstleister, steht auf Grund des SVA-Auszuges fest, dass er jetzt sein eigenes Unternehmen hat, steht auf Grund der Angaben des Vaters des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Dass der Bruder XXXX österreichischer Staatsbürger ist, steht auf Grund des ZMR-Auszuges fest, die Feststellungen zum Aufenthaltsrecht der Schwestern gründet auf den IZR-Auszügen.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit der Gattin, Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers gründet auf den jeweiligen Strafregisterauszügen.
Dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu keinem Zeitpunkt geduldet war, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, die mit dem IZR in Einklang stehen, fest; aus denselben Gründen steht auch fest, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht angenommen hat, nicht über die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union verfügt und abgesehen von seinem Aufenthaltsrecht als Asylberechtigter über kein Aufenthaltsrecht im Gebiet der Mitgliedsstaaten verfügt. Dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen, noch zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich ist und der Beschwerdeführer nicht Opfer von Gewalt wurde, weswegen eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382c EO erlassen hätte werden können und eine solche auch nicht erlassen wurde, steht auf Grund seiner Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung fest.
Dass einer Abschiebung des Beschwerdeführers keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht, steht auf Grund des Länderinformationsblattes fest.
Die Stellungnahme vom 22.10.2021 bringt vor, dem Beschwerdeführer drohe im Falle seiner Rückkehr Haft und Folter im Rahmen der Sippenhaft, weil sein Vater aktiv am Krieg in TSCHETSCHENIEN teilgenommen habe. Dies trifft jedoch ausweislich der Angaben des Vaters des Beschwerdeführers nicht zu; er nahm nicht aktiv am Krieg teil, sondern unterstützte nur Freunde, die kämpften, mit Lebensmitteln. Dem Beschwerdeführer droht daher keine Verfolgung im Rahmen der Sippenhaft aus diesem Grund. Ein anderer Grund, warum dem Beschwerdeführer Verfolgung auf Grund von Sippenhaft drohen sollte, kann nicht erkannt werden, da die Brüder des Vaters des Beschwerdeführers bis zu ihrem Tod in TSCHETSCHENIEN wohnen blieben und dabei keinen Problemen ausgesetzt waren, auch nicht, wenn sie für den Beschwerdeführer und seine Familie Dokumente ausstellen ließen. Den Länderberichten ist im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 19.07.2023 überdies nicht zu entnehmen, dass ihm heute oppositionelle Gesinnung unterstellt würde, weil er vor 2004 Kämpfer mit Lebensmitteln unterstützte; vielmehr kann ausweislich der Länderberichte keine Verfolgung mehr aus diesem Grund festgestellt werden, was auch damit in Einklang steht, dass der Schwiegervater des Beschwerdeführers selbst Kämpfer war, aber 2018 in TSCHETSCHENIEN beerdigt wurde, ohne dass es dabei Probleme gab. Bei der Familie des Beschwerdeführers handelt es sich anders als in dem dem Erkenntnis VwGH 29.02.2024, Ra 2023/18/0336, zugrunde liegenden Sachverhalt nicht um prominente Regimegegner.
Dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, steht auch damit in Einklang, dass er in der Einvernahme am 08.09.2022 durch die Justizanstalt XXXX XXXX befragt nach den Gründen, warum er der Übernahme der Strafvollstreckung durch RUSSLAND widerspreche, keine Verfolgung vorbrachte, sondern nur die Trennung von seinen Familienangehörigen in Österreich. Soweit er auf Vorhalt in der hg. mündlichen Verhandlung dazu angab, es gebe keine Chance, dass er dorthin zurückkehren dürfe, sie seien von dort geflüchtet und keine Wirtschaftsflüchtlinge, vielleicht habe man ihn falsch verstanden, tut er ebenfalls keine aktuellen Fluchtgründe dar. Auch in der hg. mündlichen Verhandlung brachte er befragt nach der Rückkehrgefährdung abgesehen vom Militärdienst nur vor, dass er dort keine Zukunft habe, weil er dort keine Familie habe.
Soweit der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung vorbringt, dass Leute, die seit 18, 19 Jahren geflüchtet seien, Leute, die so lange in Europa leben, als Landesverräter gelten, tut er auf Grund der Länderberichte, wonach es keine allgemeine Verfolgung von Rückkehrern und keine Verfolgung wegen der Asylantragstellung im Ausland gibt, keine Verfolgung dar. Hinzu kommt, dass auf Grund seines Alters feststeht, dass er im Alter von XXXX Jahren ausreiste. Auf Grund der Länderberichte steht fest, dass es eine erhöhte Gefährdung von Rückkehrern gibt, die vor der Ausreise Probleme mit den Sicherheitsbehörden hatten. Da der Beschwerdeführer selbst vor der Ausreise keiner Verfolgung ausgesetzt war und keine Probleme mit den Sicherheitsbehörden hatte und damals erst XXXX Jahre alt war, steht fest, dass er aus diesen Gründen im Falle der Rückkehr keiner Verfolgung ausgesetzt ist.
Soweit der Vertreter des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung vorbrachte, dass Tschetschenen für den Fall einer Rückführung nach RUSSLAND kurz darauf in den Kriegseinsatz in der UKRAINE geschickt werden, ob sie wollen oder nicht, er spreche von der Einberufung zum Militärdienst, korrigierte er im Verlauf der Verhandlung selbst, dass er nicht von der Einberufung zum Militärdienst, sondern von der „Zwangsrekrutierung zu Freiwilligenbatallionen“ sprach. Dass der Beschwerdeführer in RUSSLAND nicht bei der Stellung war, kein Militärdienstbuch hat und keinen Einberufungsbefehl erhalten hat, steht auf Grund seiner Angaben bzw. der seines Vertreters in der hg. mündlichen Verhandlung fest, ebenso, dass er den Grundwehrdienst bisher nicht ableistete und nicht der aktiven Reserve angehört. Dass ihm in anderen Landesteilen keine Rekrutierung zu Freiwilligenbataillonen droht, bestätigte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung mit seiner Aussage, in SIBIREN würde der Beschwerdeführer nicht rekrutiert werden.
Dass dem Beschwerdeführer Bewegungsfreiheit zukommt und er sich auch als Tschetschene – anders noch als im Zeitpunkt der Asylgewährung – auch in allen anderen Landesteilen niederlassen, eine Registrierung erwirken kann und dadurch Zugang zum Sozialsystem und zur Krankenversicherung hat, steht auf Grund der Länderberichte fest, ebenso, dass die medizinische Grundversorgung in der RUSSISCHEN FÖDERATION gewährleistet ist. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, warum er sich nicht etwa in ROSTOV, SARATOV, MOSKAU, OMSK, STAWROPOL oder WLADIWOSTOK niederlassen kann, das KADYROW-Regime habe überall Einfluss, verfängt nicht, da er weder in TSCHETSCHENIEN, noch in anderen Landesteilen Verfolgung durch das KADYROW-System ausgesetzt ist. Auch die Mutter des Beschwerdeführers bringt in der hg. mündlichen Verhandlung über den Umstand hinaus, dass sie keine engen Verwandten mehr in der RUSSISCHEN FÖDERATION haben, keine Fluchtgründe vor.
Auch wenn der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung vorbringt, er kenne sich nicht so gut aus in RUSSLAND, steht fest, dass er in der RUSSISCHEN FÖDERATION nicht in eine aussichtslose Lage geraten wird, weil er auch russisch kann und es ausweislich der Länderberichte in allen größeren Städten in der RUSSISCHEN FÖDERATION tschetschenische Diaspora-Gruppen gibt. Er lebte die ersten XXXX Jahre seines Lebens in der RUSSISCHEN FÖDERATION und absolvierte dort zwei Klassen der Grundschule; in Österreich lebt er seither im russisch-tschetschenischen Umfeld seiner Familie, Schwiegerfamilie, Komplizen und teilweise Freunde: Er war beim Freund XXXX gemeldet, sein Freund XXXX besuchte ihn in Haft. Zudem hat er jedenfalls entfernte Angehörige in der RUSSISCHEN FÖDERATION. Er kann sich daher wieder in die russische Gesellschaft integrieren.
Dass die Gattin des Beschwerdeführers keiner Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war, steht fest, da für sie nur ein Asylerstreckungsantrag gestellt wurde. Dass ihr Vater einfacher Kämpfer im Tschetschenienkrieg war, steht auf Grund ihrer Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung fest, ebenso, dass er nicht exilpolitisch tätig war; der Beschwerdeführer gab dazu in der hg. mündlichen Verhandlung an, nicht zu wissen, warum sein Schwiegervater Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war. Dass sie aktuell keiner Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt ist, steht fest, weil sie als Kind ausreiste, damals keiner Verfolgung ausgesetzt war und keine Umstände hinzukamen, auf Grund derer sie nunmehr einer Verfolgung ausgesetzt sein könnte. Hinzu kommt, dass auf Grund der Länderberichte keine Verfolgung von Angehörigen von einfachen Teilnehmern am Tschetschenienkrieg mehr festgestellt werden kann. Damit steht die Feststellung des Bezirksgerichts XXXX - XXXX im Unterhaltsverfahren in Einklang, sie habe keine aktuelle Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht, ebenso die Aussage des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung, bei seiner Frau liegen dieselben Gründe vor, wie bei ihm, auch wenn er sich nicht erkundigt habe, sie sei noch sehr jung hergekommen. Damit steht auch in Einklang, dass auch die Gattin des Beschwerdeführers ausweislich des Aktes über die standesamtliche Eheschließung, eine 2013 ausgestellte russische Geburtsurkunde vorlegte, derzufolge auch der Eintrag in das Geburtsregister erst 2013 in TSCHETSCHENIEN erfolgte, was sie ausweislich ihrer Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung im Wege ihrer Mutter organisierte. Probleme dabei wurden nicht vorgebracht und können nicht festgestellt werden. Auch auf Grund des Pflegschaftsakts (Beschluss 20.10.2021, BG XXXX XXXX ) steht fest, dass sie aktuell keiner Verfolgung in der RUSSISCHEN FÖDERATION ausgesetzt ist. Dies steht damit in Einklang, dass ihr der Status der Asylberechtigten im Wege der Erstreckung nach ihrem Vater zuerkannt wurde, eine Verfolgung ihrer Person im Asylverfahren nicht behauptet wurde und ihr Vater nach dessen Tod 2018 in die RUSSISCHE FÖDERATION überstellt und in TSCHETSCHENIEN beerdigt wurde, ohne dass es dabei zu Problemen gekommen ist. Damit steht auch in Einklang, dass die Gattin in der Einvernahme am 12.10.2021 als Grund, der gegen die Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsstaat spricht, nur angab, dass sie dort nichts Eigenes habe. Eine Gefährdung von ihr oder den Kindern behauptete sie damit auch nicht.
Dass die Gattin des Beschwerdeführers gesund ist und sie keiner Behandlung bedarf, steht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers und seiner Gattin in der hg. mündlichen Verhandlung fest. Dass die Kinder des Beschwerdeführers in der RUSSISCHEN FÖDERATION keiner Verfolgung ausgesetzt sind, steht ebenfalls auf Grund des Pflegschaftsakts (Beschluss 20.10.2021, BG XXXX XXXX ) fest; ihnen kommt der Status der Asylberechtigten nur im Familienverfahren nach ihrem Vater zu, der in der RUSSISCHEN FÖDERATION ebenfalls keiner Verfolgung mehr ausgesetzt ist, ebensowenig wie ihre Mutter. XXXX ist gesund, bei XXXX ist infolge des Defekts des X-Chromosoms keine Erkrankung ausgebrochen. Die Erkrankung von XXXX ist nicht behandelbar – weder in Österreich, noch in der RUSSISCHEN FÖDERATION. Ihre Beschwerden können nur symptomatisch behandelt werden – durch Kontrollen, kinderorthopädischen Kontrollen, Frühförderung – also Physiotherapie – und Logopädie. Die medizinische Versorgung ist in der RUSSISCHEN FÖDERATION gewährleistet. Dass die Muttersprache der Kinder – auch von XXXX – entgegen der Angaben der Gattin des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung tschetschenisch ist, steht auf Grund der Befunde von XXXX fest. Dies steht auch mit den Sprachkenntnissen der Eltern des Beschwerdeführers und des Beschwerdeführers in Einklang. Daher steht fest, dass der Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern und seiner Gattin nicht nur durch elektronische Medien, sondern auch durch Besuche in Drittstaaten oder Übersiedlung in die RUSSISCHE FÖDERATION aufrechterhalten werden kann.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Zu A)
3.2. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Aberkennung des Status des Asylberechtigten
3.2.1. Mit dem angefochtenen Bescheid erkannte das Bundesamt dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt.
Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3). Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist gemäß Abs. 4 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.
Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt F GFK genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2), aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3), oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht (Z 4).
3.2.2. Die belangte Behörde stützte die Asylaberkennung zutreffend auf § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005, weil der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.
3.2.2.1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mussten für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein. Der Fremde musste (erstens) ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür (zweitens) rechtskräftig verurteilt worden, (drittens) gemeingefährlich sein und (viertens) mussten die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. VwGH 31.01.2023, Ra 2021/19/0332; 15.04.2020, Ra 2020/19/0003; 29.08.2019, Ra 2018/19/0522, mwN).
Im Hinblick auf die vierte Voraussetzung hatte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20.10.2021, Ra 2021/20/0246, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„Ist bei der Beurteilung, ob der einem Flüchtling von der zuständigen Behörde zuvor zuerkannte Status des Asylberechtigten aus dem in Art. 14 Abs. 4 lit. b Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) genannten Grund aberkannt werden darf, eine Güterabwägung als eigenständiges Kriterium in der Form vorzunehmen, dass es für die Aberkennung erforderlich ist, dass die öffentlichen Interessen für die Rückführung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen müssen, wobei dabei die Verwerflichkeit eines Verbrechens und die potentielle Gefahr für die Allgemeinheit den Schutzinteressen des Fremden – beinhaltend das Ausmaß und die Art der ihm drohenden Maßnahmen – gegenüberzustellen sind?“
Diese Frage beantwortete der Gerichtshof der Europäischen Union nach der Erlassung des hg. angefochtenen Bescheides mit Urteil vom 06.07.2023, C-663/21, wie folgt:
„Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ist dahin auszulegen, dass die Anwendung dieser Bestimmung von der Feststellung der zuständigen Behörde abhängt, dass die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft angesichts der Gefahr, die der betreffende Drittstaatsangehörige für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, verhältnismäßig ist. Zu diesem Zweck muss die zuständige Behörde diese Gefahr gegen die Rechte abwägen, die nach der Richtlinie den Personen zu gewährleisten sind, die die materiellen Voraussetzungen von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie erfüllen, ohne dass sie jedoch darüber hinaus prüfen müsste, ob das öffentliche Interesse an der Rückkehr dieses Drittstaatsangehörigen in sein Herkunftsland in Anbetracht des Ausmaßes und der Art der Maßnahmen, denen er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ausgesetzt wäre, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des internationalen Schutzes überwiegt.“
In zwei weiteren Urteilen vom 06.07.2023, auf welche auch in der Begründung des Urteils in der Rechtssache C-663/21 verwiesen wird, befasste sich der Gerichtshof der Europäischen Union ebenso mit Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der StatusRL (Richtlinie 2011/95/EU ) und legte diese wie folgt aus:
„1. Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU (…) ist dahin auszulegen, dass eine ‚besonders schwere Straftat‘ im Sinne dieser Bestimmung eine Straftat ist, die angesichts ihrer spezifischen Merkmale insofern eine außerordentliche Schwere aufweist, als sie zu den Straftaten gehört, die die Rechtsordnung der betreffenden Gesellschaft am stärksten beeinträchtigen. Bei der Beurteilung, ob eine Straftat, derentwegen ein Drittstaatsangehöriger rechtskräftig verurteilt wurde, einen solchen Schweregrad aufweist, sind insbesondere die für diese Straftat angedrohte und die verhängte Strafe, die Art der Straftat, etwaige erschwerende oder mildernde Umstände, die Frage, ob diese Straftat vorsätzlich begangen wurde, Art und Ausmaß der durch diese Straftat verursachten Schäden sowie das Verfahren zur Ahndung der Straftat zu berücksichtigen.
2. Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95 ist dahin auszulegen, dass das Bestehen einer Gefahr für die Allgemeinheit des Mitgliedstaats, in dem sich der betreffende Drittstaatsangehörige aufhält, nicht schon allein deshalb als erwiesen angesehen werden kann, weil dieser wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
3. Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95 ist dahin auszulegen, dass die Anwendung dieser Bestimmung davon abhängt, dass die zuständige Behörde feststellt, dass der betreffende Drittstaatsangehörige eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, und dass die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft eine in Bezug auf diese Gefahr verhältnismäßige Maßnahme ist.“ (EuGH 06.07.2023, C-402/22)
Im Erkenntnis vom 25.07.2023, Ra 2021/20/0246, passte der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsprechung an diese Auslegung des Art 14 Abs. 4 lit. b StatusRL durch den Gerichtshof der Europäischen Union an und fasste die Kriterien für die Beurteilung nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 wie folgt zusammen:
„Der Fremde muss wegen eines Verbrechens im Sinn des § 17 StGB rechtskräftig verurteilt worden sein. Es muss sich bei der der Verurteilung zugrundeliegenden Straftat um eine solche handeln, die angesichts ihrer spezifischen Merkmale insofern eine außerordentliche Schwere aufweist, als sie zu den Straftaten gehört, die die Rechtsordnung der betreffenden Gesellschaft am stärksten beeinträchtigen. Dazu gehören beispielsweise Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Handel mit Suchtgiften und Suchtmitteln, bewaffneter Raub, die Verletzung des Rechtsgutes der sexuellen Integrität von Kindern und aus terroristischen Motiven begangene Straftaten. Bei der Beurteilung, ob jene Straftat, derentwegen ein Drittstaatsangehöriger rechtskräftig verurteilt wurde, einen solchen außerordentlichen Schweregrad aufweist, sind sämtliche besondere Umstände des Einzelfalls einzubeziehen, insbesondere die für diese Straftat angedrohte und verhängte Strafe, die Art der Straftat, die erschwerenden und mildernden Umstände, die Art und das Ausmaß der durch diese Straftat verursachten Schäden sowie das Verfahren zur Ahndung der Straftat – etwa ob hinsichtlich eines Delikts auch bei geringerer Strafdrohung die Durchführung des Hauptverfahrens des Strafverfahrens einem Geschworenengericht (§ 31 Abs. 2 StPO) überantwortet ist – zu berücksichtigen. Da jene Straftat, für die der Fremde verurteilt wurde, für sich genommen den genannten Schweregrad aufweisen muss, ist es nicht statthaft, diesen Schweregrad durch die Kumulierung verschiedener Straftaten, von denen keine als solche eine besonders schwere Straftat darstellt, zu bejahen.
Bei der Beurteilung, ob der Fremde „wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet“, ist zu prüfen, ob der betreffende Fremde eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält. Dabei kann – unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 (wie etwa, dass zwingend eine Verurteilung wegen eines Verbrechens im Sinn des § 17 StGB vorliegen muss) sowie der sonstigen Vorgaben des Art. 14 Abs. 4 lit. b StatusRL – auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum identen, in § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG enthaltenen Maßstab zurückgegriffen werden. Im Rahmen der Gefährdungsprognose ist auf Grund konkreter Feststellungen zu den maßgeblichen Umständen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftat und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose ist es nicht ausreichend, wenn lediglich das Gericht, die Urteilsdaten, die maßgeblichen Strafbestimmungen und die verhängte Strafe angeführt werden. Je nach Lage des Einzelfalls wird es mitunter auch nicht ausreichend sein, die im Urteilstenor des Strafgerichts zum Ausdruck kommenden Tathandlungen wiederzugeben, sondern sich als notwendig darstellen, darüberhinausgehende Feststellungen zu treffen, um die Gefährdungsprognose in einer dem Gesetz entsprechenden Weise vornehmen zu können. Dass der betreffende Drittstaatsangehörige wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, ist aber von besonderer Bedeutung. Dies kann nach den Umständen der Begehung dieser Straftat dazu beitragen, das Bestehen einer tatsächlichen und erheblichen Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit zu belegen. Aus Vorstrafen des Fremden darf nicht automatisch geschlossen werden, dass das geforderte Maß der Gefahr vorliegt. Je später nach der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer besonders schweren Straftat eine Entscheidung über das Vorliegen des Ausschlussgrundes getroffen wird, desto mehr sind bei der Prüfung, ob eine tatsächliche und erhebliche Gefahr zu demjenigen Zeitpunkt besteht, zu dem die Entscheidung getroffen wird, die Entwicklungen nach der Begehung einer solchen Straftat zu berücksichtigen.
Weiters ist zu prüfen, ob die Aberkennung des Status des Asylberechtigten in Bezug auf die vom Fremden ausgehende Gefahr als verhältnismäßig anzusehen ist. Bei der Abwägung ist einerseits auf die Gefahr, die der Fremde für die Gemeinschaft darstellt, und andererseits auf die Auswirkungen des Verlusts jener Rechte, die mit dem Status des Asylberechtigten einhergehen, Bedacht zu nehmen. Es ist auch zu prüfen, ob der mit der Aberkennung des Status des Asylberechtigten verfolgte Zweck auch durch den Fremden weniger beeinträchtigende Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, den Schutz der Allgemeinheit des Mitgliedstaats, in dem sich der betreffende Fremde aufhält, in wirksamer Weise herzustellen, erreicht werden kann. Dabei ist auch auf sonstige diesen Zweck verfolgende und gegenüber dem Fremden von Gerichten oder Behörden angeordnete Maßnahmen Bedacht zu nehmen. Die Folgen, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Herkunftsland zu gewärtigen hätte, und im Besonderen der Umstand, dass eine Abschiebung in das Herkunftsland aus den in § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG genannten Gründen (auf die auch in § 3 und § 8 AsylG 2005 abgestellt wird) nicht zulässig ist, sind bei der Prüfung, ob sich die Versagung oder die Aberkennung des Status des Asylberechtigten als verhältnismäßig darstellt, nicht zu berücksichtigen.“
3.2.2.2. Mit Urteil vom 02.07.2020 verurteilte das Landesgericht für Strafsachen XXXX als Schöffengericht den Beschwerdeführer der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Einbruchsdiebstahls gemäß §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren, wobei die Vorhaft angerechnet wurde:
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 30.11.2018 beschlossen der Beschwerdeführer, XXXX , XXXX , XXXX und XXXX ihre damals herrschende triste finanzielle Situation durch Begehung von (größtenteils) bewaffneten Raubüberfällen zu beheben.
Zu diesem Zweck schlossen sich die Genannten zu einer Vereinigung zusammen und vereinbarten, dass im Rahmen dieses Zusammenschlusses längere Zeit hindurch – zumindest einige Monate – von einem – unter Mitwirkung zumindest eines weiteren Mitglieds dieser Vereinigung – oder mehreren Mitgliedern (großteils bewaffnete) Raubüberfälle insbesondere auf Tankstellen und Taxilenker ausgeführt werden sollen. In Umsetzung dieses Tatvorhabens beteiligten sich teils als unmittelbare Täter, teils als Beitragstäter, der Beschwerdeführer und XXXX , XXXX , XXXX und XXXX als Mitglieder dieser kriminellen Vereinigung. Der Beschwerdeführer und XXXX , XXXX , XXXX und XXXX wussten, dass sie sich durch die nachfolgend beschriebenen Handlungen an dieser kriminellen Vereinigung beteiligen, und wollten dies auch. Soweit sie Beitragstäter waren, handelten sie darüberhinausgehend im Wissen, durch ihre Beitragshandlungen die kriminellen Ziele der Vereinigung, nämlich konkret in nachangeführten Täterkonstellationen die folgenden strafbaren Handlungen zu fördern und wollten dies auch.
Am 08.01.2019 nahmen XXXX , XXXX und XXXX , XXXX als Berechtigtem des XXXX Vorhängeschlösser, Zigarettenpackungen, Bonier-Schlüssel, eine Handkasse sowie Billard- und Getränkegutscheine im Gesamtwert von EUR 568,50, weg, indem sie durch Aufdrücken eines Fensters ins Lokal gelangten. Der Beschwerdeführer trug als Beitragstäter zur Tathandlung, fremde bewegliche Sachen in einem EUR 5.000,00 nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch in ein Gebäude wegzunehmen, von XXXX , XXXX und XXXX bei, indem er mit dem Vorsatz, zur Tatausführung der unmittelbaren Täter beizutragen, diese mit seinem PKW zum Tatort brachte und dort auf sie wartete.
Am Abend des 17.03.2019 trafen sich der Beschwerdeführer, XXXX und XXXX und beschlossen, einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Taxilenker zu begehen, wobei nicht mehr feststellbar ist, von wem der Vorschlag dafür kam.
XXXX war mit dem PKW seines Vaters unterwegs.
Es wurde vereinbart, dass XXXX seine Komplizen mit seinem PKW in die Nähe des ins Auge gefassten Tatortes bringen und während der Tatausführung in der Nähe des Tatortes warten sollte, um sie samt der Raubbeute nach dem Überfall zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, während der Beschwerdeführer und der mit der Gas-Alarmpistole bewaffnete XXXX als unmittelbare Täter fungieren sollten.
XXXX fuhr mit seinen Komplizen zunächst ziellos in der Stadt umher, um einen geeigneten Tatort auszukundschaften, und der Beschwerdeführer kaufte in einem Internetcafé noch ein Handy, um mit diesem den Taxifunk anrufen zu können.
Gegen 4.00 Uhr früh des 18.03.2019 stellte schließlich XXXX sein Fahrzeug im Bereich der XXXX ab. Der Beschwerdeführer und XXXX verließen das Fahrzeug, der Beschwerdeführer nahm im Wissen der beiden anderen Täter die sich im Auto des XXXX befindliche und in dessen Eigentum stehende Waffe der Marke „RECK MIAMI 92F“ mit und sie gingen zu Fuß zu dem in unmittelbarer Nähe befindlichen Parkplatz des Fußballvereins XXXX , wobei sie sich mit ihren bis zu den Augen hochgezogenen T-Shirts sowie tief in den Kopf gezogenen Kapuzen ihrer Pullover vermummt hatten. Nachdem der Beschwerdeführer oder XXXX mit dem eigens für diesen Überfall gekauften Mobiltelefon über die Taxi-Zentrale 2801 mit verstellter Stimme ein Taxi zur angeführten Örtlichkeit bestellt hatte, näherte sich kurze Zeit später das von XXXX gelenkte Taxi.
Der Beschwerdeführer und XXXX setzten sich beide auf die Rückbank des Taxis und, nachdem sich XXXX zu den Angeklagten umgedreht hatte, um nach dem Fahrziel zu fragen, zog der Beschwerdeführer die Gas-Alarmpistole aus seinem Hosenbund, setzte diese dem Taxilenker im Bereich des rechten Ohrs an den Kopf und forderten beide Angeklagte in englischer Sprache mit den Worten „Money, Money, Money!“ die Herausgabe von Bargeld. Währenddessen griff XXXX nach vorne, öffnete das Handschuhfach und durchsuchte dieses. Der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen und der Gesten lautete, der Beschwerdeführer ist ernsthaft willens und in der Lage, XXXX unmittelbar, ohne Zeitverzug, eine Schussverletzung, dh eine Verletzung am Körper zuzufügen, wenn er das von ihm geforderte Geld nicht gegen seinen Willen herausgibt.
Völlig überrascht und durch die Schusswaffe eingeschüchtert holte XXXX seine Geldbörse hervor, in welcher sich zu diesem Zeitpunkt Bargeld in der Höhe von EUR 350,-, der Taxilenkerausweis des XXXX sowie der Zulassungsschein und die Tankkarte der XXXX befanden, und übergab diese an einen der Angeklagten.
Um zu verhindern, dass XXXX nach der Tat mit dem Fahrzeug davonfahren und umgehend die Polizei alarmieren kann sowie auch, damit er die Täter nicht so gut erkennt, zerstörte XXXX absichtlich die Brille des Taxilenkers, indem er diese zerdrückte. Um eine rasche Alarmierung der Polizei zu erschweren, forderten die Angeklagten XXXX zusätzlich auf, ihnen sein Tablet sowie sein Mobiltelefon der Marke HUAWEI P20 auszuhändigen, was er auch machte.
Die beiden Angeklagten nahmen XXXX schließlich noch seinen Fahrzeugschlüssel weg, damit dieser keine Verfolgung aufnehmen konnte.
Danach verließen der Beschwerdeführer und XXXX das Taxi und liefen zum Fahrzeug des XXXX , der vereinbarungsgemäß auf sie wartete. Nachdem sie in das Fahrzeug eingestiegen waren, fuhr XXXX in Richtung Wohnung des XXXX . Am Weg dorthin warf XXXX das Tablet, das Mobiltelefon und die Geldbörse des XXXX , aus der er zuvor das Bargeld entnommen hatte und in der sich der Zulassungsschein und die Tankkarte der XXXX sowie der Taxilenkerausweis des XXXX befanden, sowie das für diesen Überfall angeschaffte Mobiltelefon in die MUR.
Die Beute wurde schließlich unter XXXX , dem Beschwerdeführer und XXXX aufgeteilt.
XXXX wurde durch die Tat zwar nicht verletzt, erlitt jedoch einen heftigen Schock.
XXXX ist durch die Tat ein Schaden iHv EUR 285,- (EUR 150,- Brille; EUR 75,- pauschale Unkosten und EUR 60,- Mobiltelefon) und der XXXX ein Schaden iHv von insgesamt EUR 565,- (EUR 350,- Bargeld; EUR 140,- Tablet und EUR 75,- Fahrzeugschlüssel) entstanden.
Der Beschwerdeführer und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem der Beschwerdeführer ein Gasalarmpistole gegen den Genannten richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich die Geldbörse samt Bargeld iHv EUR 350,- abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich verwendete der Beschwerdeführer bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der von XXXX und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „RECK MIAMI 92F“, zur Verübung der Tat.
Nach erfolgreichem Raubüberfall auf XXXX einen Tag zuvor trafen sich der Beschwerdeführer, XXXX und XXXX am nächsten Tag, also am 19.03.2019 erneut, um wieder einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Taxifahrer zu verüben.
XXXX war wieder mit dem PKW seines Vaters unterwegs.
Alles sollte gleich ablaufen wie am Vortag.
Es wurde wieder vereinbart, dass XXXX seine Komplizen mit seinem PKW in die Nähe des ins Auge gefassten Tatortes bringt und während der Tatausführung in der Nähe des Tatortes warten sollte, um sie samt der Raubbeute nach dem Überfall zur schnelleren Flucht vom Tatort wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen, während der Beschwerdeführer und XXXX als unmittelbare Täter fungieren sollten.
Die Beute hätte wieder unter allen drei Angeklagten aufgeteilt werden sollen.
Auch hier kaufte der Beschwerdeführer ein Handy, um mit diesem in weiterer Folge ein Taxi rufen zu können.
In dem von XXXX gelenkten Fahrzeug suchten sie zunächst eine passende Örtlichkeit für den geplanten Raubüberfall, welche sie schließlich in der XXXX fanden. Gegen 3.00 Uhr des 19.03.2019 stellte XXXX sein Fahrzeug in einiger Entfernung zum beabsichtigten Tatort ab, um vereinbarungsgemäß nach verübter Raubtat seine Komplizen wiederum im Fahrzeug aufzunehmen.
XXXX übergab diesmal XXXX seine Waffe der Marke „RECK MIAMI 92F“, damit dieser sie beim Raubüberfall verwende, und wussten sämtliche beteiligte Angeklagte darüber Bescheid.
XXXX und der Beschwerdeführer verließen daraufhin das Fahrzeug, maskierten sich mit schwarzen Sturmhauben, begaben sich vor das Haus XXXX , wo XXXX mit einem eigens für diesen Raubüberfall gekauften Mobiltelefon über die Funkgruppe 889 ein Taxi bestellte.
Kurze Zeit später traf XXXX mit seinem Taxi ein. Dabei gerieten der Beschwerdeführer und XXXX jedoch in das Scheinwerferlicht des Fahrzeuges, weshalb die Angeklagten vermeinten, vom Taxilenker entdeckt worden zu sein. Sie gaben den Tatentschluss deswegen auf und flüchteten zu ihrem Komplizen XXXX .
In weiterer Folge erzählten sie ihm vom fehlgeschlagenen Raubüberfall und kamen überein, sich gleich einen anderen Tatort zu suchen und neuerlich einen Taxiraub zu begehen.
Der Beschwerdeführer und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper Bargeld in unbekannter Höhe abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich bzw. Dritte dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich wollte XXXX bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der vom Beschwerdeführer und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde und mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „RECK MIAMI 92F“, zur Verübung der Tat verwenden, wobei es nur deswegen nicht zur Durchführung des Raubüberfalls kam, weil der Beschwerdeführer und XXXX ins Scheinwerferlicht des Taxis gerieten, sich entdeckt wähnten und daher die Flucht ergriffen.
Nachdem XXXX und der Beschwerdeführer nach dem zuvor geschilderten fehlgeschlagenen Raubüberfall auf XXXX wieder in das Fahrzeug des XXXX gestiegen waren, beschlossen die drei, noch in derselben Nacht einen weiteren Raubüberfall auf einen Taxifahrer zu verüben. Auch diesmal sollte wiederum XXXX als Fahrer des Fluchtfahrzeuges fungieren, während der Beschwerdeführer und XXXX den Raubüberfall unter Verwendung der Waffe des XXXX unmittelbar begehen sollten, wobei sie nunmehr die XXXX als Tatort auswählten.
Gegen 4.00 Uhr Früh stellte XXXX sein Fahrzeug in unmittelbarer Tatortnähe ab, um tatplangemäß seine Komplizen XXXX und den Beschwerdeführer nach verübtem Raubüberfall wieder in dieses aufzunehmen. Der Beschwerdeführer und XXXX , die nach wie vor mit schwarzen Sturmhauben maskiert waren, begaben sich daraufhin zum Haus XXXX , wobei wiederum XXXX die angeführte Gas-Alarmpistole mit sich führte.
Nachdem XXXX mit dem eigens hiefür vom Beschwerdeführer beschafften Mobiltelefon über die Funkgruppe 889 ein Taxi zur angeführten Örtlichkeit beordert hatte, kam einige Minuten später das von XXXX gelenkte Taxi an.
Als dieses neben den beiden Angeklagten angehalten hatte, stiegen sie in das Fahrzeug ein, wobei sich XXXX auf den Beifahrersitz setzte, während der Beschwerdeführer auf der Rückbank Platz nahm.
Der Beschwerdeführer sagte zum Taxifahrer „Motor aus! Geldtasche her!“, während XXXX im selben Moment die Gas-Alarmpistole gegen den Taxifahrer richtete.
Gleichzeitig riss der Beschwerdeführer den Innenspiegel des Taxis aus der Verankerung, weil er vermutete, dass dort eine Kamera eingebaut wäre, und wurde dieser dadurch beschädigt.
Der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen und der Gesten lautete, XXXX ist ernsthaft willens und in der Lage, XXXX unmittelbar, ohne Zeitverzug, eine Schussverletzung, dh eine Verletzung am Körper zuzufügen, wenn er das von ihm geforderte Geld nicht gegen seinen Willen herausgibt.
Völlig überrascht und geschockt stellte XXXX umgehend das Fahrzeug ab, nahm seine im Fach der Fahrertür deponierte Geldbörse, in welcher sich Bargeld in der Höhe von ca. 170 Euro befand, hervor und händigte diese dem Beschwerdeführer aus.
Der Beschwerdeführer durchwühlte daraufhin die Mittelkonsole und forderte XXXX auf, ihm den Autoschlüssel auszuhändigen. Nachdem XXXX dem nachgekommen war, durchsuchten die Angeklagten weiter das Fahrzeug, wobei XXXX den Taxilenker weiterhin mit vorgehaltener Waffe in Schach hielt. Dabei fanden sie das Tablet und ein älteres Handy des XXXX und nahmen diese Gegenstände ebenso an sich. Um die rasche Alarmierung der Polizei zu verhindern, riss XXXX schließlich das Funkgerät des Taxifahrzeugs aus der Verankerung und beschädigte überdies die Registrierkasse des Fahrzeugs.
Schließlich verließen der Beschwerdeführer und XXXX fluchtartig das Fahrzeug und liefen tatplangemäß zu ihrem in seinem Fahrzeug wartenden Komplizen XXXX zurück. Dabei warf der Beschwerdeführer den Fahrzeugschlüssel in hohem Bogen weg, während sich XXXX des Tablets entledigte. Der Beschwerdeführer warf die Geldbörse in unbekanntem Wert, in welcher sich der Taxischein des XXXX befand, ebenfalls weg. Während das Tablet schließlich wieder sichergestellt und XXXX unbeschädigt ausgefolgt werden konnte, konnten der Fahrzeugschlüssel, die Geldbörse und der Taxischein nicht mehr vorgefunden werden.
Nachdem der Beschwerdeführer und XXXX in das Fahrzeug des XXXX eingestiegen waren, fuhr dieser davon und sie teilten in weiterer Folge die Raubbeute untereinander auf. Aufgrund des „großen Erfolgs“ vereinbarten die drei Angeklagten, am nächsten Tag wiederum einen Taxifahrer zu überfallen.
XXXX blieb unverletzt, erlitt jedoch einen Schock.
XXXX als Taxiunternehmer und Eigentümer des gegenständlichen Taxis entstand durch den Überfall ein Gesamtschaden von EUR 834,70. Dieser setzt sich zusammen aus der weggenommenen Tageslosung iHv EUR 145,70, EUR 110,- für die Neuprogrammierung des Keyless-Key (Fahrzeugschlüssel) und EUR 150,- für den Wiedereinbau und die Verkabelung der Registrierkasse.
Darüber hinaus konnte das gegenständliche Taxi – aufgrund des Überfalls – 3 Tage nicht für Taxifahrten herangezogen werden (Schaden ebenso zum Nachteil des XXXX , Stehtage, EUR 3x EUR 143,--).
XXXX ist durch die Tat ein Schaden iHv ca. EUR 100,- entstanden. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus EUR 30,- bis EUR 50,- an weggenommenem Wechselgeld; Wiederbeschaffungskosten für den Taxischein iHv EUR 20,-; Wert des weggenommenen Handys und der weggenommenen Geldbörse jeweils etwa EUR 20,-.
Der Beschwerdeführer und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem XXXX eine Gasalarmpistole gegen den Genannten richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich die Geldbörse samt Bargeld iHv ca. EUR 170,- abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich bzw. Dritte dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich verwendete XXXX bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der vom Beschwerdeführer und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „RECK MIAMI 92F“, zur Verübung der Tat.
Der Beschwerdeführer wusste, dass er über den Taxischein des XXXX , also eine Urkunde, nicht verfügen durfte, nahm sie trotzdem als Inhalt der Geldbörse an sich. Er hielt es ernstlich für möglich, dass er durch das Wegwerfen der Urkunde, also deren Unterdrückung, verhinderte, dass diese von XXXX im Rechtsverkehr benutzt werden kann, und fand sich damit ab.
Der Beschwerdeführer wusste darüber hinaus, dass, indem er die Geldbörse sowie den Fahrzeugschlüssel des XXXX wegwarf, die Berechtigten ( XXXX und XXXX ) dadurch geschädigt wurden, dass er die angeführten Gegenstände aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, und wollte er dies auch.
Der Beschwerdeführer und XXXX wussten, dass sie durch das Herausreißen des Innenspiegels bzw. des Funkgerätes sowie der Registrierkasse des Taxis diese, sohin fremde bewegliche Sachen, zerstören und dadurch dem XXXX ein Schaden zufügen, und wollten sie dies auch.
Vereinbarungsgemäß trafen sich der Beschwerdeführer, XXXX und XXXX um 1.00 Uhr Früh des 20.03.2019 in der Wohnung des XXXX in der XXXX , um neuerlich einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Taxilenker zu begehen. Geplant war dieselbe Vorgehensweise wie bei den Raubüberfällen zuvor, nämlich, dass XXXX wieder das Fluchtfahrzeug lenken sollte und der Beschwerdeführer und XXXX als unmittelbare Täter fungieren sollten, und zwar unter Verwendung der Waffe des XXXX . Diesmal war der Beschwerdeführer mit der angeführten Gas-Alarmpistole bewaffnet.
Nachdem sie zuvor wiederum mit dem Fahrzeug des XXXX unterwegs nach geeigneten Tatörtlichkeiten Ausschau gehalten hatten, entschlossen sich die Angeklagten, den geplanten Raubüberfall vor dem Haus XXXX auszuführen. Tatplangemäß stellte XXXX sein Fahrzeug in unmittelbarer Tatortnähe ab, um seine Komplizen nach verübter Tat zur schnelleren Flucht wieder in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufzunehmen.
Nachdem XXXX und der Beschwerdeführer, welche wiederum maskiert waren, das Fahrzeug verlassen und sich zu Fuß zum Haus XXXX begeben hatten, rief XXXX mit einem eigens für diesen Überfall vom Beschwerdeführer beschafften Mobiltelefon die Funkgruppe 878 an und beorderte ein Taxi zur angeführten Örtlichkeit. Nachdem das vom Taxifahrer XXXX gelenkte Taxi aufgrund dieser Bestellung eingetroffen war und dort angehalten hatte, stiegen die beiden Angeklagten tatplangemäß in das Fahrzeug, wobei XXXX das Fahrzeug über die hintere Türe der Fahrerseite bestieg und auf der Rückbank Platz nahm, während der Beschwerdeführer die Beifahrertüre aufriss und die Schusswaffe mit den Worten „Geld her! Brieftasche her!“ auf den Taxilenker richtete.
Der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen und der Gesten lautete, der Beschwerdeführer ist ernsthaft willens und in der Lage, XXXX unmittelbar, ohne Zeitverzug, eine Schussverletzung, dh eine Verletzung am Körper zuzufügen, wenn er das von ihm geforderte Geld nicht gegen seinen Willen herausgibt.
Während der Beschwerdeführer den Taxilenker mit vorgehaltener Schusswaffe in Schach hielt, riss er mit der anderen Hand den im Innenspiegel befindlichen Taxameter sowie das Funkgerät des Taxifahrzeugs aus der Verankerung und durchwühlte das Handschuhfach.
Gleichzeitig durchsuchte XXXX die Mittelkonsole nach weiterer Raubbeute. Überrascht und schockiert übergab XXXX zunächst aus seiner privaten Geldbörse einen Bargeldbetrag von EUR 70,- und händigte schließlich auch seine Taxigeldbörse, in welcher sich ein Bargeldbetrag von EUR 255,- befand, aus.
Nachdem XXXX den Autoschlüssel abgezogen und an sich genommen hatte, öffnete XXXX die Fahrertüre und schrie lautstark um Hilfe. Daraufhin lief der Beschwerdeführer um das Fahrzeug zur Fahrertüre, während auch XXXX rasch aus dem Taxi ausstieg. Die beiden Angeklagten versetzten XXXX in der Folge mehrere Faustschläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, um ihn dazu zu bringen, von weiteren Hilferufen Abstand zu nehmen. Als sie dabei das weiße Kabel seines am Mobiltelefon angeschlossenen Kopfhörers bemerkten, forderten sie ihn während dieser Schläge überdies auf, ihnen umgehend das Mobiltelefon auszuhändigen. Aufgrund dieser Tätlichkeiten beendete XXXX seine Hilferufe und händigte den Angeklagten sein Mobiltelefon der Marke HUAWEI aus.
Nachdem XXXX auf die Hilferufe aufmerksam geworden war und das Fenster geöffnet und „He“ hinausgerufen hatte, verließen der Beschwerdeführer und XXXX fluchtartig die Tatörtlichkeit, nachdem sie noch zuvor den Fahrzeugschlüssel in die Wiese warfen, und liefen zu ihrem in seinem Fahrzeug wartenden Komplizen XXXX . Dort bestiegen sie das Fahrzeug und fuhren davon. Danach teilten sie schließlich die Raubbeute unter sich auf.
Der Beschwerdeführer behielt die Waffe des XXXX bei sich, gab sie in eine Sporttasche und versteckte diese bei einer Bekannten, wo sie schließlich durch die Polizei sichergestellt wurde.
XXXX erlitt durch die geschilderten Tätlichkeiten eine Kopfprellung sowie Hämatome und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand. Sein Mobiltelefon, welches von einem der beteiligten Angeklagten auf der Flucht weggeworfen worden war, konnte aufgefunden und dem Raubopfer rückausgefolgt werden.
XXXX entstand durch die Wegnahme des in seinem Eigentum stehenden Wechselgeldes ein Schaden iHv EUR 130,-. Der zum Nachteil der XXXX entstandene Sachschaden durch die Beschädigung des Innenspiegels sowie des Funkgerätes des Taxifahrzeugs beläuft sich auf insgesamt EUR 993,10.
Der Beschwerdeführer und XXXX wollten XXXX bewusst durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem der Beschwerdeführer eine Gas-Alarmpistole gegen den Genannten richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld iHv EUR 325,- abnötigen, sich dieses ohne Rechtsanspruch zueignen und sich bzw. Dritte dadurch unrechtmäßig bereichern. Zusätzlich verwendete der Beschwerdeführer bewusst und willentlich gemäß dem gemeinsamen Tatplan, der von XXXX und XXXX diesbezüglich zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, mit dessen Verwirklichung sie sich abfanden, eine Waffe, nämlich eine Gasalarmpistole der Marke „RECK MIAMI 92F“, zur Verübung der Tat.
XXXX und der Beschwerdeführer wussten, dass sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken, durch das Versetzen von mehreren Schlägen gegen den Kopf und Oberkörper des XXXX , zum einen diesen mit Gewalt zu einem Unterlassen sowie einer Handlung, nämlich zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen und der Herausgabe eines Mobiltelefones, nötigen und zum anderen dadurch am Körper verletzen, und wollten dies auch.
Der Beschwerdeführer wusste, dass er durch Herausreißen des Funkgerätes sowie des Innenspiegels samt Taxameter diese, sohin fremde bewegliche Sachen, zerstört und dadurch der XXXX ein Schaden entsteht, und wollte dies auch.
Mit Urteil vom 27.05.2021 sprach der Oberste Gerichtshof den Beschwerdeführer von den Vorwürfen frei, er habe am 20. März 2019 in XXXX in einverständlichen Zusammenwirken mit XXXX im Zuge des Raubüberfalls XXXX mit Gewalt, nämlich durch Versetzen mehrere Schläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, zu einer Handlung und Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen sowie zur Ausfolgung seines Mobiletelefons genötigt und in Form einer Kopfprellung, Hämatomen und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand am Körper verletzt zu haben, weil das Urteil in diesem Umfang von Rechtsfehlern behaftet war, da beim Verbrechen des Raubes alle Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung des räuberischen Vorsatzes bis zur materiellen Vollendung der Tat, demnach auch eine gegen das Raubopfer gerichtete und mit der Sachwegnahme noch in Zusammenhang stehende, mit einer leichten Körperverletzung verbundene Nötigung grundsätzlich als deliktsspezifische Einheit anzusehen sind, die unter der Voraussetzung eines direkten sachlichen Konnexes keiner gesonderten strafrechtlichen Zuordnung zugänglich sind. Daher waren diese strafbaren Handlungen von der Verurteilung gemäß § 105 StGB konsumiert und der Beschwerdeführer von diesen abgeurteilten Taten freizusprechen. Für die ihm nach den unberührt bleibenden Schuldsprüchen zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich die Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB, das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und das Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB wurde er unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 143 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Es ist daher zu prüfen, ob dies jenen Schweregrad aufweist, der nach dieser Rechtsprechung, als „besonders schwer“ anzusehen ist:
Unter den Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Dabei handelt es sich um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. VwGH 24.01.2022, Ra 2021/18/0344; 16.06.2021, Ro 2021/01/0013, 22.10.2020, Ra 2020/14/0456; 15.04.2020, Ra 2020/19/0003). Auf die Strafdrohung allein kommt es bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, nicht an. Auch Taten, die sich gegen das Rechtsgut der sexuellen Integrität von Minderjährigen richten, sind grundsätzlich als „besonders schweres Verbrechen“ im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 anzusehen (vgl. VwGH 26.09.2022, Ro 2022/20/0001, unter Verweis auf VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0289, mwN). Bei der in der Rechtsprechung erfolgten Aufzählung handelt es sich allerdings nicht um eine abschließende Nennung von Delikten, was vom Verwaltungsgerichtshof schon mit dem Hinweis „und dergleichen“ unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde (vgl. VwGH 26.09.2022, Ro 2022/20/0001; VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0289).
Bei der Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 genügt es nach der ständigen – und auch nach der Auslegung des Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der StatusRL durch den Gerichtshof der Europäischen Union aufrechterhaltenen (s. Erk. 25.07.2023, Ra 2021/20/0246) – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Qualifizierung einer Straftat als „besonders schweres Verbrechen“ nicht, wenn ein abstrakt als „schwer“ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe und Rechtfertigungsgründe sind zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und es sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (vgl. VwGH 25.07.2023, Ra 2021/20/0246; 02.03.2023, Ra 2021/18/0006). Bei der Beurteilung, ob jene Straftat, derentwegen ein Drittstaatsangehöriger rechtskräftig verurteilt wurde, einen solchen außerordentlichen Schweregrad aufweist, sind sämtliche besondere Umstände des Einzelfalls einzubeziehen, insbesondere die für diese Straftat angedrohte und verhängte Strafe, die Art der Straftat, die erschwerenden und mildernden Umstände, die Art und das Ausmaß der durch diese Straftat verursachten Schäden sowie das Verfahren zur Ahndung der Straftat – etwa ob hinsichtlich eines Delikts auch bei geringerer Strafdrohung die Durchführung des Hauptverfahrens des Strafverfahrens einem Geschworenengericht (§ 31 Abs. 2 StPO) überantwortet ist – zu berücksichtigen (vgl. VwGH 25.07.2023, Ra 2021/20/0246).
Der Beschwerdeführer wurde von einem Schöffengericht wegen der Verbrechen (iSd § 17 StGB) des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, § 15 StGB verurteilt.
Bewaffneter Raub stellt iSd Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.07.2023 ein besonders schweres Verbrechen dar. Der Beschwerdeführer beging zwei schwere Raubüberfälle und einen versuchten schweren Raubüberfall innerhalb von drei Tagen, nachdem er zwei Monate zuvor nur Beitragstäter bei einem Einbruchsdiebstahl war. Der schwere Raub war doppelt qualifiziert, weil er ihn jeweils als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds und unter Verwendung einer Waffe verübte. Bei einem Strafrahmen von einem bis fünfzehn Jahren Haft lag die Strafe, die über den Beschwerdeführer verhängt wurde, mit sechs Jahren unbedingter Freiheitsstrafe, obwohl der Beschwerdeführer unbescholten war, es teilweise beim Versuch blieb und teilweise der Schaden wiedergutgemacht wurde und der Beschwerdeführer ein reumütiges Geständnis ablegte, nur knapp unter der Hälfte der Höchststrafe. Der Grund dafür war für den Obersten Gerichtshof neben der massiven Delinquenz vor allem die reifliche Planung und Vorbereitung der Taten sowie die besonders brutale, rücksichtslose und für die jeweiligen Opfer traumatisierende Tatbegehung anlässlich der jeweiligen Raubüberfälle, die sich etwa im Ansetzen der Tatwaffe an den Kopf des Opfers durch den Beschwerdeführer manifestierte.
Dementsprechend lehnte das Landesgericht für Strafsachen XXXX den Antrag des Beschwerdeführers auf bedingte Entlassung mit Beschluss vom 19.09.2023 ab, weil die Taten des Beschwerdeführers einen Fall mit einem dermaßen hohen sozialen Störwert darstellen, dass es aufgrund der Schwere der Tat des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken; dies sowohl zur Abschreckung potenzieller Täter (negative Generalprävention) als auch als Mittel zur Bekräftigung des Geltungsanspruches der Rechtsordnung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Bevölkerung auf Durchsetzung des Rechts sowie zur Vermeidung einer Bagatellisierung derartiger Taten (positive Generalprävention).
Der Beschwerdeführer wurde folglich wegen eines besonders schweren Verbrechens strafgerichtlich rechtskräftig verurteilt.
3.2.2.3. Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt.
Hierzu führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25.07.2023, Ra 2021/20/0246, aus:
„Schon bisher hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 festgehalten, dass im Rahmen der Gefährdungsprognose nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen ist. Es ist für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose nicht ausreichend, wenn lediglich das Gericht, die Urteilsdaten, die maßgeblichen Strafbestimmungen und die verhängte Strafe angeführt werden. Im Rahmen der zu treffenden Feststellungen kann es fallbezogen mitunter auch nicht ausreichend sein, die im Urteilstenor des Strafgerichts zum Ausdruck kommenden Tathandlungen wiederzugeben, sondern es sich als notwendig darstellen, darüberhinausgehende Feststellungen zu treffen, um die Gefährdungsprognose in einer dem Gesetz entsprechenden Weise vornehmen zu können. Daran ist angesichts der Ausführungen des EuGH festzuhalten.
Es wird jedoch hinkünftig zu beachten sein, dass es nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlich ist, dass vom Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dieser Maßstab findet sich im nationalen Recht im Besonderen bereits in § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG, sodass die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes künftig für die nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vorzunehmende Beurteilung herangezogen werden kann.
Weiter hat der EuGH in seinem Urteil C-8/22 zu diesem Maßstab (unter Hinweis auf seine Vorjudikatur) ergänzend betont, dass im Rahmen der Umstände, die bei der Würdigung dessen zu berücksichtigen sind, ob eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht, es – auch wenn in der Regel die Feststellung einer ein Grundinteresse der Gesellschaft berührenden tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr eine Neigung des Betroffenen impliziert, das Verhalten, das diese Gefahr darstellt, in Zukunft beizubehalten – auch möglich ist, dass allein das frühere Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefahr erfüllt. Dass der betreffende Drittstaatsangehörige wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, ist von besonderer Bedeutung, weil der Unionsgesetzgeber speziell auf eine solche Verurteilung Bezug genommen hat und diese je nach den Umständen der Begehung dieser Straftat dazu beitragen kann, das Bestehen einer tatsächlichen und erheblichen Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des betreffenden Mitgliedstaats zu belegen. Was insbesondere die Gegenwärtigkeit einer solchen Gefahr betrifft, so ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH, dass aus den Vorstrafen des betreffenden Drittstaatsangehörigen nicht automatisch geschlossen werden kann, dass dieser Adressat der in Art. 14 Abs. 4 lit. b StatusRL vorgesehenen Maßnahme sein kann. Je später also eine Entscheidung gemäß dieser Bestimmung nach der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer besonders schweren Straftat getroffen wird, desto mehr obliegt es der zuständigen Behörde, im Besonderen die Entwicklungen nach der Begehung einer solchen Straftat zu berücksichtigen, um festzustellen, ob eine tatsächliche und erhebliche Gefahr zu demjenigen Zeitpunkt besteht, zu dem diese Behörde über die etwaige Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft zu befinden hat.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass die im Rahmen der Prüfung einer Aberkennung nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 durchzuführende Gefährdungsprognose grundsätzlich unabhängig von den – die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden – Erwägungen des Strafgerichtes erfolgt (vgl. VwGH 26.09.2022, Ro 2022/20/0001; VwGH 11.11.2021, Ra 2021/19/0312; VwGH 17.12.2020, Ra 2020/18/0279; VwGH 15.04.2020, Ra 2020/19/0003). Zur Begründung der Gefährdungsprognose darf auch das einer getilgten Verurteilung zugrundeliegende Verhalten herangezogen werden (vgl. VwGH 07.10.2021, Ra 2020/21/0363; VwGH 20.08.2013, Zl. 2013/22/0113). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgehalten, dass das Zeigen von Reue, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, aber auch der erfolgreiche Abschluss einer Drogenentzugstherapie maßgebliche Umstände sind, auf die in der im Rahmen der Gefährdungsprognose vorzunehmenden Gesamtbetrachtung Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 01.09.2022, Ra 2022/18/0200, unter Verweis auf VwGH 28.10.2021, Ra 2020/19/0317, und 29.08.2019, Ra 2018/19/0522).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. VwGH 15.02.2021, Ra 2021/17/0006, mwN).
Der Beschwerdeführer wurde am Tag der letzten Tat von der COBRA festgenommen und befand sich von 20.03.2019 bis 22.11.2019 in Untersuchungshaft. Dabei liegen ihm zwei Ordnungswidrigkeiten zur Last. Danach war er bis zum Haftantritt am 09.08.2021 auf freiem Fuß. In dieser Zeit war er weiter suchtmittelabhängig. Er war in der Zeit nicht erwerbstätig, zwei Mal wurde ihm der Arbeitslosengeldbezug gesperrt, weil er Kontrolltermine nicht wahrnahm. Eine Therapie wegen seiner Spielsucht machte er nicht. Er machte auch keine Aus- oder Fortbildung, er holte auch seinen Lehrabschluss nicht nach.
Nach Haftantritt wurde der Beschwerdeführer bis 25.10.2021 wegen Entzugssymptomatik behandelt. Die Drogengruppe zur Suchtentwöhnung im Rahmen einer forensisch therapeutischen Intervention verweigerte der Beschwerdeführer im November 2021. Nachdem ihm eine Überstellung in die Außenstelle XXXX und Lockerungen angeboten wurden, schloss er im XXXX die Drogengruppe ab. Wegen mangelnder Arbeitsleistung und unentschuldigten Fehlzeiten wurde er im Arbeitsbetrieb abgemeldet. Die von ihm begehrte Überstellung in die Außenstelle wurde ihm bei entsprechender Arbeitsleistung in Aussicht gestellt. Ab JÄNNER 2023 wurde der Beschwerdeführer in die Außenstelle XXXX überstellt, ab FEBRUAR 2023 wurde er im gelockerten Vollzug angehalten. Seither ist seine Arbeitsleistung sehr gut und seine Führung ruhig und entsprechend. Ordnungsstrafen verzeichnet er keine mehr. Die bedingte Entlassung mit 06.12.2023 lehnte das Landesgericht für Strafsachen mit Beschluss vom 19.09.2023 ab, da generalpräventive Erwägungen der bedingten Entlassung entgegenstanden. Seit 05.03.2024, sohin einem Monat, verbüßt er die Freiheitsstrafe im elektronisch überwachten Hausarrest. Der Beschwerdeführer befindet sich sohin bis dato im Strafvollzug.
Positiv ist zu Gunsten des Beschwerdeführers zu gewichten, dass der Vollzug der Freiheitsstrafe bisher dazu führte, dass er bei Setzen positiver Anreize (Verlegung in die Außenstelle, Inaussichtstellen von Vollzugslockerungen) sein Verhalten anpasste – seit 2021 keine Ordnungswidrigkeiten verzeichnet, im zweiten Versuch die Drogengruppe besuchte und nach fehlender Arbeitsleistung diese nunmehr entsprechend ist, weshalb der Risikofaktor Drogen derzeit kontrollierbar ist, eine Distanzierung von illegalen Substanzen derzeit über einen längeren Beobachtungszeitraum gelingt und die Zweckmäßigkeit einer forensischen Drogenpsychotherapie nicht weiter gegeben ist.
Negativ ist zu gewichten, dass der Beschwerdeführer bei Strafantritt betreffend die Spielsucht nicht störungseinsichtig war, diese auch in der hg. mündlichen Verhandlung herunterspielte, und auch seither keine Therapie wegen der Automatenspielsucht absolvierte – einem Suchtmittel, mit der er während der Anhaltung in Strafhaft nicht konfrontiert ist. Hinzu kommt, dass er weiterhin verschuldet ist. Die Spielsucht und die schlechte finanzielle Lage waren die Motivation des Beschwerdeführers, mit seinen Komplizen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung Raubüberfälle zu begehen.
Der Beschwerdeführer lebt während des elektronisch überwachten Hausarrests wieder bei seiner Gattin und seine Kinder. Weder seine Gattin, noch seine Eltern konnten den Beschwerdeführer von der Begehung von Straftaten abhalten, vielmehr bekam niemand in seinem Umfeld mit, dass der Beschwerdeführer seit 2010 Drogen im Rahmen eines schädlichen Gebrauchs konsumierte, seit 2015 automatenspielsüchtig ist und seit 2018 massiv Kokain und THC konsumierte.
Der Beschwerdeführer kann nach der Haftentlassung in einer Pizzeria zu arbeiten beginnen, hat aber keine Ausbildung im Bereich der Gastronomie und bis dato seinen Lehrabschluss nicht nachgeholt. Dem fast 29jährige Beschwerdeführer gelang es in seinem Leben noch nicht, eine Arbeitsstelle mehr als drei Monate zu behalten, zudem hadert er damit, dass Steuern und Sozialversicherung vom Lohn abgezogen und die Mindestsicherung um das Erwerbseinkommen verringert wird. Die Berufspläne des Beschwerdeführers – einerseits die Absolvierung des Lehrabschlusses und Arbeit als Mechaniker, andererseits Selbständigkeit mit italienischem Essen, ohne dass er über Arbeitserfahrung oder Ausbildung in diesem Bereich verfügt – sind noch widersprüchlich.
Auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass, wenn nicht die Anhängigkeit des Strafverfahrens, so doch der Vollzug der Freiheitsstrafe bei Vorhandensein zugkräftiger Anreize (Verlegung in die Außenstelle, Vollzugslockerungen) zu Verhaltensänderungen beim Beschwerdeführer führten (nach Ordnungsstrafen ordentliches Vollzugsverhalten, nach Verweigerung positive Absolvierung der Drogengruppe, nach fehlender entsprechende Arbeitsleistung in Haft), liegt noch kein Wohlverhalten in Freiheit nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe vor, weil der Beschwerdeführer bis vor einem Monat in der Justizanstalt XXXX XXXX – Außenstelle XXXX angehalten wurde und erst seit einem Monat im elektronischen Hausarrest, wobei Zeiten des elektronisch überwachten Hausarrests dem in Freiheit gezeigten Verhalten nicht gleichzuhalten sind (vgl. VwGH 25.04.2019, Ra 2019/22/0049; 26.06.2019, Ra 2019/21/0118). Weil trotz der absolvierten Drogengruppe weiterhin Risikofaktoren bestehen – Schulden und die nichttherapierte Automatenspielsucht –, die Zukunftspläne noch widersprüchlich sind und er in dasselbe Umfeld zurückkehrte, das weder seine Drogensucht, noch seine Spielsucht mitbekam, stellt der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der von ihm verübten Taten – nicht nur, dass er Raubüberfälle beging, die Taten waren noch dazu reiflich geplant, besonders brutal, rücksichtslos und für die jeweiligen Opfer traumatisierend, etwa durch Ansetzen der Waffe an den Kopf – weiterhin eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit dar.
3.2.2.4. Es ist daher zu prüfen, ob die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft eine in Bezug auf diese Gefahr verhältnismäßige Maßnahme ist. Hiefür bedarf es einer Abwägung, der Gefahr, die der Fremde für die Gemeinschaft darstellt, und der Auswirkungen des Verlusts jener Rechte des Fremden, die mit dem Status des Asylberechtigten einhergehen (vgl. VwGH 25.07.2023, Ra 2021/20/0246, Rz 82 und Rz 96).
Da einerseits weiterhin Risikofaktoren bestehen, sich der Beschwerdeführer weiterhin im Strafvollzug befindet und noch kein positives Nachtatverhalten nach Haftentlassung vorliegt und andererseits wegen der hohen kriminellen Energie, der Mehrzahl an Raubüberfälle im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und der Brutalität gegenüber ihren Tatopfern (LG Strafsachen XXXX ), der massiven Delinquenz, reiflichen Planung und Vorbereitung der Taten sowie die besonders brutalen, rücksichtslosen und für die jeweiligen Opfer traumatisierenden Tatbegehung (OGH) mit sehr hohem sozialen Störwert (LG Strafsachen XXXX ).
Die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft ist daher auch verhältnismäßig.
3.2.2.5. Es ist daher auch nach der nunmehrigen Auslegung des Art. 14 Abs. 4 lit. b der StatusRL rechtmäßig, dass das Bundesamt dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt hat, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt.
3.2.3. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet.
3.3. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.3.1. Das Bundesamt erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten nicht zu.
3.3.2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist gemäß Abs. 2 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung gemäß Abs. 3a auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
3.3.3. Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095).
Es obliegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0276; EGMR 09.01.2018, Fall X, Appl. 36.417/16, Z 50).
3.3.4. Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in der RUSSISCHEN FÖDERATION aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die Situation in der RUSSISCHEN FÖDERATION auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde; in der RUSSISCHEN FÖDERATION ist aktuell eine Zivilperson nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt, wie auch die Lage der Familienangehörigen des Beschwerdeführers in der RUSSISCHEN FÖDERATION zeigt.
Betreffend das 6. und 13. ZPEMRK ist bereits aus dem Grund keine Verletzung des Beschwerdeführers in Rechten zu erwarten, dass den Länderberichten zufolge die Todesstrafe in der RUSSISCHEN FÖDERATION auf Grund des Moratoriums des Verfassungsgerichts de facto abgeschafft ist.
3.3.5.1. Dem Beschwerdeführer droht in der RUSSISCHEN FÖDERATION auch keine Gefahr iSd § 3 AsylG 2005:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 StatusRL verweist).
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, 99/01/0397). Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende „Gruppenverfolgung“, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung anknüpft. Die Verfolgung aus dem Grund der (unterstellten) politischen Gesinnung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK liegt in jenen Fällen vor, in denen der ungerechtfertigte Eingriff an die (wenn auch nur vermutete) politische Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung der betroffenen Person anknüpft.
3.3.5.2. Dem Beschwerdeführer wurde der Status des Asylberechtigten 2005 zuerkannt, weil er der tschetschenischen Volksgruppe angehörten, ihm wegen der Verfolgung seiner Eltern Verfolgung im Herkunftsstaat drohte und Tschetschenen damals keine innerstaatliche Fluchtalternative hatten.
Der Vater des Beschwerdeführers wurde 2000, 2002 und 2004 insgesamt drei Mal mitgenommen und gegen Geldzahlung entlassen. Es handelte sich um Maßnahmen am Beginn der Ära KADYROW, bei denen am Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges Männer mitgenommen wurden, sich KADYROW angschließen oder Lösegeld zahlen mussten und dabei misshandelt wurden. Bei einer Mitnahme des Vaters wurde die Mutter des Beschwerdeführers verletzt. Den aktuellen Länderberichten lassen sich derartige Mitnahmen nicht mehr entnehmen. Mittlerweile ist der zweite Tschetschenienkrieg seit 15 Jahren beendet. Die Lage hat sich seither maßgeblich und nachhaltig geändert, der Kriegszustand in TSCHETSCHENIEN wurde überwunden, Tschetschenen können sich ausweislich der Länderberichte überall in der RUSSISCHEN FÖDERATION ansiedeln und anmelden.
Dem Beschwerdeführer droht auch keine Verfolgung wegen seines Vaters, der nicht Kämpfer im zweiten Tschetschenienkrieg war, sondern nur Freunde, die kämpften, mit Lebensmitteln unterstützte. Den aktuellen Länderberichten ist keine Verfolgung von Familienangehörigen von Personen, die Kämpfer im zweiten Tschetschenienkrieg mit Lebensmitteln unterstützten, mehr zu entnehmen.
Der Vater des Beschwerdeführers war vor dem zweiten Tschetschenienkrieg Wächter im Präsidentenpalast, allerdings war er nicht in der persönlichen Wache des Präsidenten und trug abgesehen von einem Gummiknüppel keine Waffe. Seine Tätigkeit entsprach der eines Securities am Bundesverwaltungsgericht: Er war dafür zuständig, den Personen, die dorthin kamen, zu sagen, wo sie hingehen müssen, und für die Sauberkeit im Gebäude, damit zB keine Papierschnipsel am Boden liegen. Er ist weder politisch noch exilpolitisch tätig, weder Blogger noch Journalist oder Menschenrechtsverteidiger. Er war kein prominenter Regimegegner. Dem Vater des Beschwerdeführers – und dem Sohn als dessen Familienmitglied – droht daher keine Verfolgung aus politischen Gründen oder wegen unterstellter politischer Gesinnung.
3.3.5.3. Im Fall des Beschwerdeführers besteht auch aktuell keine begründete Furcht, dass er in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt werden wird:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, Rn. 19, mwN).
Auch wenn der Beschwerdeführer erst nach der Entlassung aus der Strafhaft in den Herkunftsstaat abgeschoben werden kann, sohin frühestens kurz bevor der Beschwerdeführer 30 Jahre alt und nicht mehr wehrpflichtig ist, ist die Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt zugrundezulegen.
Auf Grund der Änderung der Rechtslage ist der Beschwerdeführer nun mit fast 29 Jahren im wehrpflichtigen Alter. Ein Einberufungsbefehl liegt nicht vor, er wurde auch nicht zur Stellung einberufen. Es liegt daher kein Fall der Desertion oder Wehrdienstverweigerung vor.
Der Beschwerdeführer kann bis zum Frühjahrstermin 2025 zum Militärdienst einberufen werden. Militärdienstleistende werden jedoch nicht in der UKRAINE eingesetzt, auch nicht im Ausland, etwa in GEORGIEN. Das Kriegsrecht wurde nicht ausgerufen. Dem Beschwerdeführer droht sohin kein Militärdiensteinsatz in der UKRAINE. Zudem besteht die Möglichkeit Wehrersatzdienst zu beantragen.
Der Beschwerdeführer hat kein Wehrdienstbuch, den Militärdienst nicht abgeleistet und gehört nicht der aktiven Reserve an. Ihm droht daher keine Einziehung im Rahmen der Mobilisierung; zudem wurde die Teilmobilisierung mit Oktober 2022 abgeschlossen.
Der Beschwerdeführer kann sich auch außerhalb des Nordkaukasus niederlassen. Es droht ihm ausweislich der Länderberichte auch keine Zwangsrekrutierung zu Freiwilligenbataillonen außerhalb des Nordkaukasus.
Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Es gibt ausweislich der Länderberichte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer, der der Volksgruppe der TSCHETSCHENEN angehört, muslimischen Glaubens (sunnitischer Islam) ist im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Er ist weder journalistisch noch exilpolitisch oder als Menschenrechtsverteidiger aktiv. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass ihm wegen seines Asylstatus in Österreich oder wegen des langen Auslandsaufenthalts bei seiner Rückkehr Verfolgung drohen wird, zumal er selbst vor der Ausreise keine Probleme mit den Sicherheitsbehörden hatte. Sonstige Anhaltspunkte für asylrelevante, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohungen sind nicht hervorgekommen und wurden solche von diesem auch nicht hinreichend substantiiert behauptet oder glaubhaft gemacht.
3.3.5.4. Der Beschwerdeführer kann sich auch außerhalb TSCHETSCHENIENS ansiedeln und anmelden und dadurch Zugang zum Sozialsystem und Gesundheitssystem erlangen. Er hat eine russische Geburtsurkunde und kann damit die Ausstellung von Dokumenten beantragen. Er hat in der RUSSISCHEN FÖDERATION zwei Klassen Grundschule absolviert und spricht neben Tschetschenisch auch grundlegend Russisch und kann diese Sprache lesen und schreiben. Er ist gesund und arbeitsfähig und kann seinen Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit bestreiten: Er hat vier Jahre lang die Berufsschule als KFZ-Techniker absolviert und als Lehrling in diesem Bereich gearbeitet. Er hat zudem Arbeitserfahrung als Security und in der Strafhaft auch für eine Auspufffirma und für Baufirmen sowie als Schweißer-Vorarbeiter gearbeitet. Zudem kann er das Sozialsystem in der RUSSISCHEN FÖDERATION in Anspruch nehmen, seine Angehörigen können ihn von Österreich aus unterstützen. Außerdem hat er weitschichte Verwandte in der RUSSISCHEN FÖDERATION und es gibt in den meisten Städten in der RUSSISCHEN FÖDERATION zudem eine tschetschenische Diaspora. Die medizinische Grundversorgung in der RUSSISCHEN FÖDERATION ist gewährleistet, zudem ist der Beschwerdeführer gesund und benötigt keine Behandlung. Er wird daher in der RUSSISCHEN FÖDERATION nicht in eine aussichtslose Lage geraten.
Irgendein besonderes „real risk“, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen wird, kann nicht erkannt werden, außergewöhnliche Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR, die gegen eine Abschiebung in die RUSSISCHE FÖDERATION sprechen, sind nicht erkennbar.
3.3.5.5. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 abzuweisen.
3.4. Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides – Erlassung einer Rückkehrentscheidung und damit verbundene Absprüche:
3.4.1. Das Bundesamt erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist (Spruchpunkt V) und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 3 FPG eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt IV.). Unter einem räumte es dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein (Spruchpunkt VI.).
3.4.2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und von Amts wegen gemäß § 58 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).
Der Beschwerdeführer hielt sich seit 2005 als Asylberechtigter im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt war nicht iSd § 46 FPG geduldet; überdies wurde er wegen Verbrechen verurteilt und er stellt aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar.
Dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich ist (vgl. RV 88 BlgNR 24. GP 13), hat der Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch von amtswegen nicht ersichtlich.
Dass der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch von amtswegen nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.
3.4.3. Gemäß § 57 Abs. 2 Z 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der Beschwerdeführer ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da sein Aufenthaltsrecht mit der Aberkennung des Status des Asylberechtigten endet.
3.4.4. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).
Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf gemäß § 9 Abs. 5 BFA-VG mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf gemäß § 9 Abs. 6 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 StGB gilt.
Der Beschwerdeführer reiste mit seiner Familie 2004 ein und ist seit 2005 asylberechtigt. Bereits auf Grund des Erfüllens des § 53 Abs. 3 FPG (s.u.) ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung jedoch in seinem Fall zulässig, da dies entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht auf die Tatbestände des § 53 Abs. 3 Z 6, 7 und 8 FPG eingeschärnkt ist. Soweit die Beschwerde auf § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG aF verweist, verkennt sie, dass dem Beschwerdeführer vor der Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft bereits mangels Erwerbstätigkeit nicht verliehen hätte werden können, sohin die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG aF auch nicht vorgelegen gewesen wären.
3.4.5. Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind entsprechend der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
3.4.6. Vom Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z. B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Der Begriff des Familienlebens ist sohin nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR 13.06.1979, Fall Marckx). Ehen, die nicht nationalem Recht entsprechen, sind kein Hindernis für ein Familienleben (EGMR 28.05.1985, Fall Abdulaziz, Cabales und Balkandali). Ebensowenig reicht das Eheband allein nicht aus, um die Anwendbarkeit des Art. 8 EMRK auszulösen. Reine Scheinehen sind deshalb nicht geschützt (VwGH 29.06.2010, 2006/18/0484).
Der Beschwerdeführer lebt seit er 18 Jahre alt ist nicht mehr mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt, auch nicht mit seinen Schwestern; sein Bruder war 2017 bei ihm gemeldet. Es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern und Geschwistern: Sein Vater benötigt keine Unterstützung, seine Mutter benötigt Unterstützung im Haushalt; ihr helfen ihre bei ihr lebenden Familienangehörigen, der Beschwerdeführer verbüßt seit 2021 die Freiheitsstrafe. Der Bruder des Beschwerdeführers hat ein Unternehmen, die Mutter des Beschwerdeführers bezieht Sozialleistungen, der Vater des Beschwerdeführers ist erwerbstätig und bestreitet auch den Lebensunterhalt der Schwestern des Beschwerdeführers, die noch zur Schule gehen. Es besteht sohin kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern und Geschwistern; die Beziehung zu ihnen stellt als Beziehung zwischen Erwachsenen daher kein Familienleben dar. Sie ist jedoch im Rahmen des Privatlebens zu berücksichtigen.
Die Gattin und die drei Töchter des Beschwerdeführers leben in Österreich. Die Kinder sind XXXX bzw. XXXX Jahre alt und er er ist gemeinsam mit seiner Gattin für die Kinder obsorgeberechtigt. Er lebte vor Antritt seiner Haftstrafe und seit er sich im elektronisch überwachten Hausarrest befindet mit ihnen im gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer verfügt daher über Familienleben in Österreich. Durch die Erlassung der Rückkehrentscheidung wird in das Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen.
Der Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers ist jedoch verhältnismäßig, da vom Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedsstaates ausgeht. Der Beschwerdeführer kann die Beziehung zu seinen Kindern, die fünfeinhalb Jahre alt sind und das zweite Jahr in den Kindergarten gehen bzw. sieben Jahre alt sind und in die erste Klasse Volksschule gehen, und mit seiner Lebensgefährtin durch elektronische Medien oder Telefonate aufrechterhalten, weiters durch Besuche in einem Drittstaat. Die Beschwerde verweist auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach es lebensfremd ist anzunehmen, dass der Kontakt zuwischen einem Kleinkind und seinem Elternteil über Telekommunikation und elektronische Medien aufrecht erhalten werden kann. Dabei verkennt sie jedoch, dass sich diese Rechtsprechung auf Kinder bis drei Jahre bezieht (VfGH 25.02.2013, U2241/2012: 1 Jahr; 19.06.2015, E426/2015: 1 Jahr; 12.10.2016, E1349/2016: 2 Jahre; 11.06.2018, E343/2018 ua, 3 Jahre; 03.10.2019, E3456/2019: 1 Jahr; 28.11.2019, E707/2019: 2,5 Jahre). Das Gericht verkennt die Erkrankung der Tochter XXXX nicht, jedoch ist diese Erkrankung nicht mit einer Intelligenzminderung verbunden, weshalb sie der Aufrechterhaltung des Kontakts durch elektronische Meiden nicht entgegensteht. Dies bezieht sich auch auf den Besuch in einem Drittstaat: Die Tochter XXXX ist auch nicht auf Gehilfen angewiesen, bei längeren Strecken verwendet ihre Mutter für sie den Kinderwagen, weil sie Schmerzen in den Beinen hat, wenn sie länger geht. Abgesehen von regelmäßigen Kontrollen benötigt die Tochter XXXX Frühförderung, eine Art Physiotherapie, zudem ist Logopädie empfohlen. Es ist sohin keine Behandlung ersichtlich, die Besuchen in einem Drittstaat entgegenstehen würde.
Die Beschwerde wendet ein, dass die Gattin und die Kinder aslyberechtigt sind und daher gerade nicht in die RUSSISCHE FÖDERATION ausreisen können. Damit verkennt die Beschwerde, dass sie in der RUSSISCHEN FÖDERATION keiner Verfolgung ausgesetzt sind und ihnen der Flüchtlingsstatus im Wege der Erstreckung bzw. im Wege des Familienverfahrens zukommt (vgl. EGMR 12.06.2012, Fall Bajsultanov, Appl. 54.131/10, Z 89 ff.).
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf das Kindeswohl notwendig ist, wobei zu beachten ist, dass ein Kind grundsätzlich Anspruch auf „verlässliche Kontakte“ zu beiden Elternteilen hat (VwGH 29.12.2023, Ra 2023/19/0243; vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0282; VfGH 28.11.2019, E 707/2019). Dass die Auswirkungen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf das Kindeswohl zu bedenken sind und bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 MRK und § 9 BFA-VG 2014 hinreichend berücksichtigt werden müssen gilt auch dann, wenn es sich beim Adressaten der Entscheidung nicht um den Minderjährigen selbst, sondern um einen Elternteil handelt (VwGH 14.08.2023, Ra 2023/14/0041; vgl. VwGH 3.12.2021, Ra 2021/18/0299).
Der Beschwerdeführer hat die gemeinsame Obsorge für seine Kinder. Er lebte während der Anhaltung in Untersuchungs- und Strafhaft von 20.03.2019 bis 22.11.2019 und von 09.08.2021 bis zum Beginn des elektronisch überwachten Hausarrests vor einem Monat nicht mit seinen Kindern zusammen und der Kontakt wurde nur durch Besuche aufrecht erhalten, wobei diese wegen der COVID-Bestimmungen zunächst eingeschränkt waren. Er kam bisher nicht für den Unterhalt der Kinder auf. Er war auf freiem Fuß spielsüchtig und konsumierte seit 2018 massiv THC und Kokain. In seiner Abwesenheit unterstützten seine Schwestern sowie seine Eltern und sein Bruder seine Gattin in der Kinderbetreuung.
Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist nicht alleine auf die privaten und familiären Interessen eines Minderjährigen abzustellen, sondern es kommt auch den öffentlichen Interessen an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme – insbesondere gegen im Bundesgebiet aufhältige Fremde, denen nach für sie negativem Abschluss von Asylverfahren kein Aufenthaltsrecht mehr zukommt – maßgeblicher Stellenwert zu. Es ist daher dem Kindeswohl im Rahmen einer Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG kein absoluter Vorrang beizumessen. Bei Heranziehen der in § 138 ABGB enthaltenen Kriterien als Orientierungsmaßstab ist auf die Eigenart der im Rahmen verwaltungsrechtlicher Entscheidungen zu treffenden Beurteilung Bedacht zu nehmen. So kann angesichts der im Rahmen der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorzunehmenden Prüfung nach § 9 BFA-VG, die eine Abwägung der widerstreitenden öffentlichen Interessen mit den familiären und privaten Interessen des Fremden erfordert, dem bloßen Wunsch eines Fremden, im Bundesgebiet bleiben zu wollen, keine vorrangige Bedeutung beigemessen werden. Das hat auch in jenem Fall Platz zu greifen, in dem der Fremde noch minderjährig ist, sodass etwa dem in § 138 Z 5 ABGB zum Ausdruck kommenden und – im Rahmen des Kindschaftsrechts im Besonderen auf die Bedürfnisse des Kindes in Bezug auf sein Verhältnis zu den Obsorge- und Kontaktberechtigten abstellenden Gedanken bei der Interessenabwägung grundsätzlich kein erhöhter Stellenwert beizulegen ist (VwGH 25.10.2023, Ra 2023/20/0125).
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist vor dem Hintergrund der Schwere seiner Straftaten, dem Umstand, dass noch kein positives Nachtatverhalten in Freiheit vorliegt und dem weiteren Bestehen von Risikofaktoren – seiner Schulden und der nicht therapierten Spielsucht – auch im Hinblick auf das Kindeswohl verhältnismäßig, da vom Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedsstaates ausgeht.
Hinzu kommt, dass das Familienleben auch in der RUSSISCHEN FÖDERATION fortgesetzt werden kann, da auch die Kinder und die Gattin des Beschwerdeführers russische Staatsangehörige sind und in der RUSSISCHEN FÖDERATION keiner Verfolgung ausgesetzt sind. Die Gattin und die Kinder sprechen Tschetschenisch, die Gattin auch grundlegend russisch, allerdings hat sie Probleme, es zu schreiben oder zu lesen, weil sie in der RUSSISCHEN FÖDERATION nicht die Schule besuchte. Die Gattin des Beschwerdeführers hat eine Ausbildung als Kinderbetreuerin und ist gesund und arbeitsfähig. Ihre Familie hat jedenfalls Angehörige in der RUSSISCHEN FÖDERATION, die ihr 2013 mit der Registrierung ihrer Geburt und Ausstellung einer Geburtsurkunde im Herkunftsstaat halfen und die Beisetzung ihres Vaters in TSCHETSCHENIEN 2018 organisierten. Die Tochter XXXX ist gesund, bei der Tochter XXXX ist die Erkrankung auf Grund der Mutation des X-Chromosoms nicht ausgebrochen, die Erkrankung der Tochter XXXX ist (auch in Österreich) nicht behandelbar, die Symptome sind behandelbar. Sie benötigt regelmäßige medizinische Kontrollen, Frühförderung, eine Art Physiotherapie, und Logopädie wäre empfohlen. Die medizinische Grundversorgung ist auch in der RUSSISCHEN FÖDERATION gewährleistet.
3.4.7. Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031; 23.06.2015, Ra 2015/22/0026). Ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt kann den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet – unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände – ein großes Gewicht verleihen bzw. eine auf einen unrechtmäßigen Aufenthalt gegründete aufenthaltsbeendende Maßnahme als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, können solche aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ausnahmsweise auch nach einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (s. VwGH 22.01.2013, 2011/18/0036). Zuweilen wurde – ausgehend von den zugunsten eines Fremden festgestellten Umständen – diese Rechtsprechung auch auf einen knapp zehn Jahre noch nicht erreichenden Aufenthalt angewendet (vgl. zu einem Aufenthalt von mehr als neuneinhalb Jahren VwGH 09.09.2014, 2013/22/0247). Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden – abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich – sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (s. VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0054). Umgekehrt kann auch ein langjähriger Aufenthalt des Fremden in Österreich durch sein massives strafrechtliches Fehlverhalten relativiert sein (VwGH 01.03.2016, Ra 2015/18/0247).
Der Beschwerdeführer reiste 2004 mit neun Jahren ein und hält sich seither, sohin 19,5 Jahre in Österreich auf. Sein Aufenthalt war als Asylberechtigter rechtmäßig. Er verbrachte hier die prägenden Jahre seiner Adoleszenz, machte den Hauptschulabschluss, lernte Deutsch, machte die Berufsschule, war Lehrling und immer wieder erwerbstätig. Seine Eltern und Geschwister leben im Bundesgebiet. Er hat hier Freunde. Der Beschwerdeführer verfügt daher über schützenswertes Privatleben in Österreich.
Der Beschwerdeführer hat auch noch Bindungen zum Herkunftsstaat: Er lebte dort die ersten neun Jahre seines Lebens, spricht die Landessprachen Tschetschenisch als Muttersprache und Russisch grundsätzlich. Er absolvierte dort die ersten beiden Klassen Grundschule und ist mit der Kultur und den Gebräuchen seines Herkunftsstaates vertraut, da er auch in Österreich mit dem russisch-tschetschenischen Kulturkreis vertraut blieb, dem seine Eltern, Geschwister, Gattin, Kinder, die meisten seiner Komplizen sowie ein Freund, der ihn in der Haft besuchte, oder ein Freund, bei dem er gemeldet war, angehören. Der Beschwerdeführer fühlt sich diesem Kulturkreis zugehörig und differenziert in der hg. mündlichen Verhandlung zwischen „bei uns“ und in Österreich, zB betreffend den Stellenwert der Familie („heilig“) und den Respekt vor Älteren (den Schwiegervater nichts fragen dürfen).
Der Eingriff in sein Privatleben ist daher verhältnismäßig, weil vom Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedsstaates ausgeht.
Dadurch entscheidet sich der Fall des Beschwerdeführers (brutale und die Opfer traumatisierende Tatausübung, Tatbegehung mit 23 Jahren, in der Zeit zwischen Untersuchungs- und Strafhaft keine Therapie, Aus- oder Fortbildung und keine Erwerbsarbeit, Sperre von Arbeitslosengeld wegen Versäumen von Kontrollterminen, Suchtmittelabhängigkeit noch bei Strafhaftbeginn, keine Entlassung nach Verbüßen der Hälfte der Strafhaft, elektronisch überwachter Hausarrest erst nach Verbüßen der Hälfte der Strafhaft, weiterhin bestehende Schulden und keine Therapie betreffend Automatenspielsucht) zB von seinem Mitangeklagten (BVwG, 14.03.2023, W112, 1401010-2), der bei Tatbegehung im Gegensatz zum Beschwerdeführer unter 21 Jahre alt war, nicht unmittelbarer Täter, sondern nur Aufpasserdienste leistete bzw. die anderen bestärkte und Tatmittel überließ, die Zeit zwischen Untersuchungs- und Strafhaft nützte, um erwerbstätig zu sein und Ausbildungen zu machen, bereits vor der Verbüßung der Hälfte der Strafhaft in den elektronisch überwachten Hausarrest überstellt und mit Absolvierung der Hälfte der Strafhaft aus der Strafhaft entlassen wurde, seine Sozialprognose war positiv.
Anderes ergibt sich entgegen der Stellungnahme vom 22.10.2021 auch nicht aus dem Urteil EGMR GC 23.06.2008, Rs. Maslov, Appl. 1638/03: Die Stellungnahme verkennt, dass dieses Urteil einen Minderjährigen betraf (der Beschwerdeführer ist fast 29 Jahre alt), der bei Tatbegehung 14-15 Jahre alt war (der Beschwedeführer war 23 Jahre alt), nur Taten, die nicht gewalttätig waren („non violent crimes“), verübte (die Taten des Beschwerdeführers waren bewaffnete Raubüberfälle, brutal und für ihre Opfer traumatisierend), dem Strafvollzug 1,5 Jahre Wohlverhalten nachfolgte (der Beschwerdeführer befindet sich noch im Strafvollzug) und der Minderjährige im Herkunftsstaat nie die Schule besuchte und Kyrillisch weder lesen noch schreiben konnte (der Beschwerdeführer besuchte zwei Jahre lang die Grundschule im Herkunftsstaat und kann russisch zumindest grundlegend lesen und schreiben).
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer ist daher – auch im Hinblick auf das Kindeswohl –gemäß § 9 BFA-VG rechtmäßig.
3.4.9. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung in einen bestimmten Staat zulässig ist.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005.
Aus den im Punkt 3.3.5.1., 3.3.5.2. und 3.3.5.2. dargelegten Gründen droht dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION keine Gefahr iSd § 3 AsylG 2005, § 50 Abs. 2 FPG.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005.
Aus den im Punkt 3.3.5.4. dargelegten Gründen droht dem Beschwerdeführer bei der Ansiedelung in der RUSSISCHEN FÖDERATION keine Gefahr iSd § 8 AsylG 2005, § 50 Abs. 1 FPG.
Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Eine derartige Empfehlung besteht für die RUSSISCHE FÖDERATION nicht.
Die Abschiebung des Beschwerdeführers in die RUSSISCHE FÖDERATION ist daher zulässig.
3.4.10. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Gründe für die Einräumung einer längeren Frist für die freiwillige Ausreise brachte der Beschwerdeführer nicht vor und sind auch nicht ersichtlich.
3.4.11. Die Beschwerde war daher abzuweisen, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides richtet.
3.5. Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides – Erlassung eines Einreiseverbotes:
3.6.1. Das Bundesamt erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1, 5 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer.
3.5.2. Mit einer Rückkehrentscheidung kann gemäß § 53 Abs. 1 FPG vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, gemäß Abs. 2 für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 StVO iVm § 26 Abs. 3 FSG, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 VersG oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist (Z 1); wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde (Z 2); wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt (Z 3); wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist (Z 4); wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist (Z 5); bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (Z 7); eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat (Z 8) oder an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat (Z 9).
Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist gemäß Abs. 3 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 1); ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 2); ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 3); ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist (Z 4); ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 5); auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB) (Z 6); auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet (Z 7) oder ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt (Z 8) oder der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt (Z 9).
Die Frist des Einreiseverbotes beginnt gemäß Abs. 4 mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen. Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt gemäß Abs. 5 nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt. Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist gemäß Abs. 6 eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.
3.5.3. Mit dem in Punkt 3.2.2.2. angeführten Urteil verurteilte das Landesgericht XXXX als Schöffengericht den Beschwerdeführer wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren. Die Verurteilung wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 27.05.2021 rechtskräftig.
Der Beschwerdeführer wurde sohin zu einer unbedingten, mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe (Z 5) verurteilt.
Das Bundesamt verhängte daher zulässigerweise ein mehr als fünfjähriges Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer. Gemäß § 53 Abs. 2 iVm Abs. 3 Z 5 FPG durfte die Dauer des Einreiseverbotes bis unbefristet bemessen werden.
3.5.4. Auch für das – nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige – Einreiseverbot iSd § 53 FPG, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 EMRK angesprochen wird, gilt, dass wie bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK seine Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen ist.
Bei Beurteilung der Frage, ob dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/21/0111; 30.06.2016, Ra 2016/21/0179; 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
In der Regel ist ein Einreiseverbot in der Dauer unter achtzehn Monaten bei Vorliegen einer Gefährdung iSd § 53 Abs. 3 FPG unzulässig (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289). Nach den Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP 23 f.) soll das Bundesamt „fortan im Einzelfall, zB bei einem nur einmaligen, geringfügigen Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen, auch ein 18 Monate unterschreitendes Einreiseverbot erlassen“ können. Die genannten 18 Monate werden im § 53 Abs. 2 leg.cit. nicht mehr erwähnt (vgl. demgegenüber § 12a Abs. 6 erster Satz AsylG 2005). Nach der gesetzgeberischen Intention kann es allerdings keinem Zweifel unterliegen, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) – oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes – regelmäßig nur dann stattzufinden hat, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Das wird verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige „bloß“ einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 leg.cit. erfüllt. Ist davon auszugehen, dass es sich um einen Drittstaatsangehörigen handelt, von dessen Aufenthalt iSd § 53 Abs. 3 leg.cit. eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, so wird in aller Regel – freilich abhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalles – ein längerfristiges Einreiseverbot zu verhängen sein (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen darf aber nicht regelmäßig schon dann erfolgen, wenn einer der Fälle des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 bzw. des Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG vorliegt (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002; 15.12.2011, 2011/21/0237). Dass die in § 53 Abs. 2 FPG vorgesehene Höchstdauer von fünf Jahren als Mindestdauer für die Erlassung eines Einreiseverbotes nach Abs. 3 zu gelten hat, lässt sich dem Gesetz aber nicht entnehmen (VwGH 30.07.2014, 2013/22/0281).
Ist der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt, so ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziert (VwGH 27.01.2015, 2013/22/0298; vgl. VwGH 30.07.2014, 2013/22/0281).
In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 24.03.2015, Ra 2014/21/0049; 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
Für die Annahme eines Wegfalls der sich durch das bisherige Fehlverhalten manifestierten Gefährlichkeit des Fremden ist in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0262; 17.11.2016, Ra 2016/21/0193).
Bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes ist die Dauer der vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237; 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).
3.5.5. Wie bereits dargetan stellt ein bewaffneter Raub ein besonders schweres Verbrechen dar. Der Beschwerdeführer beging zwei schwere Raubüberfälle und einen versuchten schweren Raubüberfall innerhalb von drei Tagen, nachdem er zwei Monate zuvor nur Beitragstäter bei einem Einbruchsdiebstahl war. Der schwere Raub war doppelt qualifiziert, weil er ihn jeweils als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds und unter Verwendung einer Waffe verübte. Bei einem Strafrahmen von einem bis fünfzehn Jahren Haft lag die Strafe, die über den Beschwerdeführer verhängt wurde, mit sechs Jahren unbedingter Freiheitsstrafe, obwohl der Beschwerdeführer unbescholten war, es teilweise beim Versuch blieb und teilweise der Schaden wiedergutgemacht wurde und der Beschwerdeführer ein reumütiges Geständnis ablegte, nur knapp unter der Hälfte der Höchststrafe. Der Grund dafür war für den Obersten Gerichtshof neben der massiven Delinquenz vor allem die reifliche Planung und Vorbereitung der Taten sowie die besonders brutale, rücksichtslose und für die jeweiligen Opfer traumatisierende Tatbegehung anlässlich der jeweiligen Raubüberfälle, die sich etwa im Ansetzen der Tatwaffe an den Kopf des Opfers durch den Beschwerdeführer manifestierte. Dementsprechend lehnte das Landesgericht für Strafsachen XXXX den Antrag des Beschwerdeführers auf bedingte Entlassung mit Beschluss vom 19.09.2023 ab, weil die Taten des Beschwerdeführers einen Fall mit einem dermaßen hohen sozialen Störwert darstellen, dass es aufgrund der Schwere der Tat des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken; dies sowohl zur Abschreckung potenzieller Täter (negative Generalprävention) als auch als Mittel zur Bekräftigung des Geltungsanspruches der Rechtsordnung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Bevölkerung auf Durchsetzung des Rechts sowie zur Vermeidung einer Bagatellisierung derartiger Taten (positive Generalprävention).
Eine Wohlverhaltensperiode in Freiheit liegt noch nicht vor: Der Beschwerdeführer befand sich von 20.03.2019 bis 22.11.2019 in Untersuchungshaft. Dabei liegen ihm zwei Ordnungswidrigkeiten zur Last. Danach war er bis zum Haftantritt am 09.08.2021 auf freiem Fuß. In dieser Zeit war er weiter suchtmittelabhängig. Er war in der Zeit nicht erwerbstätig, zwei Mal wurde ihm der Arbeitslosengeldbezug gesperrt, weil er Kontrolltermine nicht wahrnahm. Eine Therapie wegen seiner Spielsucht machte er nicht. Er machte auch keine Aus- oder Fortbildung, er holte auch seinen Lehrabschluss nicht nach. Nach Haftantritt wurde der Beschwerdeführer bis 25.10.2021 wegen Entzugssymptomatik behandelt. Die Drogengruppe zur Suchtentwöhnung im Rahmen einer forensisch therapeutischen Intervention verweigerte der Beschwerdeführer im November 2021. Nachdem ihm eine Überstellung in die Außenstelle XXXX und Lockerungen angeboten wurden, schloss er im NOVEMBER 2022 die Drogengruppe ab. Wegen mangelnder Arbeitsleistung und unentschuldigten Fehlzeiten wurde er im Arbeitsbetrieb abgemeldet. Die von ihm begehrte Überstellung in die Außenstelle wurde ihm bei entsprechender Arbeitsleistung in Aussicht gestellt. Ab JÄNNER 2023 wurde der Beschwerdeführer in die Außenstelle XXXX überstellt, ab FEBRUAR 2023 wurde er im gelockerten Vollzug angehalten. Seither ist seine Arbeitsleistung sehr gut und seine Führung ruhig und entsprechend. Ordnungsstrafen verzeichnet er keine mehr. Die bedingte Entlassung mit 06.12.2023 lehnte das Landesgericht für Strafsachen mit Beschluss vom 19.09.2023 ab, da generalpräventive Erwägungen der bedingten Entlassung entgegenstanden. Seit 05.03.2024, sohin einem Monat, verbüßt er die Freiheitsstrafe im elektronisch überwachten Hausarrest. Der Beschwerdeführer befindet sich sohin bis dato im Strafvollzug.
Positiv ist zu Gunsten des Beschwerdeführers zu gewichten, dass der Vollzug der Freiheitsstrafe bisher dazu führte, dass er bei Setzen positiver Anreize (Verlegung in die Außenstelle, Inaussichtstellen von Vollzugslockerungen) sein Verhalten anpasste – seit 2021 keine Ordnungswidrigkeiten verzeichnet, im zweiten Versuch die Drogengruppe besuchte und nach fehlender Arbeitsleistung diese nunmehr entsprechend ist, weshalb der Risikofaktor Drogen derzeit kontrollierbar ist, eine Distanzierung von illegalen Substanzen derzeit über einen längeren Beobachtungszeitraum gelingt und die Zweckmäßigkeit einer forensischen Drogenpsychotherapie nicht weiter gegeben ist.
Negativ ist zu gewichten, dass der Beschwerdeführer bei Strafantritt betreffend die Spielsucht nicht störungseinsichtig war, diese auch in der hg. mündlichen Verhandlung herabspielte, und auch seither keine Therapie wegen der Automatenspielsucht absolvierte – einem Suchtmittel, mit der er während der Anhaltung in Strafhaft nicht konfrontiert ist. Hinzu kommt, dass er weiterhin verschuldet ist. Die Spielsucht und die schlechte finanzielle Lage waren die Motivation des Beschwerdeführers, mit seinen Komplizen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung Raubüberfälle zu begehen.
Der Beschwerdeführer lebt während des elektronisch überwachten Hausarrests wieder bei seiner Gattin und seine Kinder. Weder seine Gattin, noch seine Eltern konnten den Beschwerdeführer von der Begehung von Straftaten abhalten, vielmehr bekam niemand in seinem Umfeld mit, dass der Beschwerdeführer seit 2010 Drogen im Rahmen eines schädlichen Gebrauchs konsumierte, seit 2015 automatenspielsüchtig ist und seit 2018 massiv Kokain und THC konsumierte.
Der Beschwerdeführer kann nach der Haftentlassung in einer Pizzeria zu arbeiten beginnen, hat aber keine Ausbildung im Bereich der Gastronomie und bis dato seinen Lehrabschluss nicht nachgeholt. Dem fast 29jährige Beschwerdeführer gelang es in seinem Leben noch nicht, eine Arbeitsstelle mehr als drei Monate zu behalten, zudem hadert er damit, dass Steuern und Sozialversicherung vom Lohn abgezogen und die Mindestsicherung um das Erwerbseinkommen verringert wird. Die Berufspläne des Beschwerdeführers – einerseits die Absolvierung des Lehrabschlusses und Arbeit als Mechaniker, andererseits Selbständigkeit mit italienischem Essen, ohne dass er über Arbeitserfahrung oder Ausbildung in diesem Bereich verfügt – sind noch widersprüchlich.
Auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass, wenn nicht die Anhängigkeit des Strafverfahrens, so doch der Vollzug der Freiheitsstrafe bei Vorhandensein zugkräftiger Anreize (Verlegung in die Außenstelle, Vollzugslockerungen) zu Verhaltensänderungen beim Beschwerdeführer führte (nach Ordnungsstrafen ordentliches Vollzugsverhalten, nach Verweigerung positive Absolvierung der Drogengruppe, nach fehlender entsprechende Arbeitsleistung in Haft), liegt noch kein Wohlverhalten in Freiheit nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe vor, weil der Beschwerdeführer bis vor einem Monat in der Justizanstalt XXXX XXXX – Außenstelle XXXX angehalten wurde und erst seit einem Monat im elektronischen Hausarrest, wobei Zeiten des elektronisch überwachten Hausarrests dem in Freiheit gezeigten Verhalten nicht gleichzuhalten sind (vgl. VwGH 25.04.2019, Ra 2019/22/0049; 26.06.2019, Ra 2019/21/0118). Weil trotz der absolvierten Drogengruppe weiterhin Risikofaktoren bestehen – Schulden und die nichttherapierte Automatenspielsucht –, die Zukunftspläne noch widersprüchlich sind und er in dasselbe Umfeld zurückkehrte, das weder seine Drogensucht, noch seine Spielsucht mitbekam, stellt der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der von ihm verübten Taten – nicht nur, dass er Raubüberfälle beging, die Taten waren noch dazu reiflich geplant, besonders brutal, rücksichtslos und für die jeweiligen Opfer traumatisierend, etwa durch Ansetzen der Waffe an den Kopf – weiterhin eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit dar.
Der Beschwerdeführer lebt seit er volljährig ist, nicht mehr mit seinen Eltern und Geschwistern zusammen. Der Kontakt zu ihnen kann über elektronische Medien und Besuche aufrecht erhalten werden. Dies trifft auch betreffend seine Gattin und Kinder zu, mit denen er bis vor einem Monat, seit er die Haftstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests absolvieren darf, seit 2021 ebenfalls nicht im gemeinsamen Haushalt lebte. Die Obsorge für die Kinder üben die Gattin und der Beschwerdeführer gemeinsam aus, den Unterhalt für die Kinder bestreitet die Gattin – unterstützt durch staatliche Leistungen. Sie wird von den Schwestern des Beschwerdeführers und seinen Eltern in der Pflege und Erziehung der Kinder unterstützt. Zudem kann, wie bereits ausgeführt wurde, das Familienleben auch im Herkunftsstaat fortgesetzt werden.
Auf Grund der positiven Entwicklung während des Vollzugs der Freiheitsstrafe (entsprechendes Vollzugsverhalten, Teilnahme an der Drogengruppe, entsprechende Arbeitsleistung), die dazu führt, dass der Beschwerdeführer vor einem Monat in den elektronisch überwachten Hausarrest überstellt werden konnte, ist die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre zu verkürzen.
Diese Dauer des Einreiseverbotes ist auf Grund der der Verurteilung des Beschwerdeführers zugrundeliegenden Taten wie auch der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit auch vor dem Hintergrund der im Punkt 3.4.6. und 3.4.7. beschriebenen familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und dem Kindeswohl verhältnismäßig.
3.5.6. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII ist daher mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre verkürzt wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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