VwGH Ra 2017/19/0276

VwGHRa 2017/19/027620.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des M B alias U in I, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2017, W147 2159966-1/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §53;
MRK Art8;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und gehört der tschetschenischen Volksgruppe an. Mit Bescheid vom 10. März 2005 war ihm Asyl (im Wege der Asylerstreckung) zuerkannt worden.

2 Nachdem der Revisionswerber bereits zuvor mehrfach straffällig im Sinn des § 2 Abs. 3 AsylG 2005 geworden war, wurde er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Oktober 2014 wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15127130 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon ein Teil von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mit Urteil des selben Landesgerichtes vom 16. Juni 2015 wurde der Revisionswerber des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB für schuldig erkannt und zu einer Zusatzstrafe von 33 Monaten verurteilt, weil er sich an der Terrororganisation "Islamischer Staat" als Mitglied beteiligt und im Juli und August 2014 versucht hatte, nach Syrien zu reisen, um sich dort am bewaffneten Kampf dieser Organisation zu beteiligen. Diese Urteile erlangten Rechtskraft.

3 Mit Bescheid vom 9. Mai 2017 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab, stellte fest, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme, erkannte ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zu, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein unbefristetes Einreiseverbot und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht inhaltlich begründet, sondern lediglich den Gesetzestext des Art. 133 Abs. 4 B-VG wiedergegeben. Das trifft nicht zu, hat doch das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung im Einzelnen ausgeführt, auf welche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es sich stützt, und zur Begründung seines Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG darauf verwiesen, dass die zitierte Judikatur auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Selbst das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision führt im Übrigen für sich betrachtet noch nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben wären (vgl. die hg. Beschlüsse vom 27. Jänner 2017, Ra 2016/19/0345, und vom 30. Oktober 2015, Ra 2015/18/0178, jeweils mwN).

9 Weiters bringt der Revisionswerber unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach "bei Nachweis einer aktuellen Bedrohungssituation" im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Bei einer Rückkehr nach Tschetschenien müsse der Revisionswerber aufgrund seiner in Österreich erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung als Mitglied einer terroristischen Vereinigung um sein Leben fürchten und werde "neuerlichen Verfolgungshandlungen" ausgesetzt sein. Bescheinigt werde diese Bedrohung durch die vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Länderberichte, wonach die russischen Behörden weiterhin von einer terroristischen Gefahr im ganzen Land ausgingen, "aus Syrien zurückkehrende Kämpfer" bei ihrer Rückkehr "umgehend verhaftet und vor Gericht gestellt" würden und es in der Teilrepublik Tschetschenien zu Menschenrechtsverletzungen komme, die ungeahndet blieben. Auch sei in der russischen Föderation bekannt, dass sich Personen tschetschenischer Herkunft "über Österreich" an den Kämpfen in Syrien beteiligt hätten.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2017, Ra 2017/19/0016, mwN). Der Revisionswerber hat diesbezüglich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgebracht, dass ihm aufgrund der in Österreich erfolgten Verurteilung wegen der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung drohe.

11 Das Bundesverwaltungsgericht hat eine reale Gefahr (vgl. zu diesem Begriff das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2017, Ra 2016/18/0137) einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Rückkehr des Revisionswerbers in seinen Herkunftsstaat verneint und dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten daher gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 - und nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 - nicht zuerkannt. Dabei hat es sich mit dem vom Revisionswerber dazu erstatteten Vorbringen auseinandergesetzt, die von ihm behauptete reale Gefahr einer Verfolgung bzw. neuerlichen Verurteilung (Doppelbestrafung) aufgrund der Tat, für die er in Österreich bereits verurteilt wurde, aber mit näherer Begründung verneint. Mit den dazu getroffenen Feststellungen setzt sich die Revision nicht auseinander. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt, ist aber der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Zulässigkeitsbegründung vom festgestellten Sachverhalt, kann schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (vgl. den hg. Beschluss vom 14. März 2016, Ra 2016/02/0011).

12 Zuletzt wendet sich der Revisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision auch gegen die Verhängung des unbefristeten Einreiseverbotes. Dazu ist festzuhalten, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0284, mwN).

13 Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Erlassung und der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes alle in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Umstände (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2016, Ra 2016/21/0109) beachtet. Das Ergebnis dieser vom Bundesverwaltungsgericht angestellten Gesamtabwägung auch nach Art. 8 EMRK erscheint fallbezogen unter Beachtung der Verurteilung des Revisionswerbers nach § 278b Abs. 2 StGB, womit der Tatbestand nach § 53 Abs. 3 Z 6 FPG erfüllt ist, sowie der festgestellten näheren Umstände der Tat und der weiteren strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers vertretbar. Daran können - entgegen den Ausführungen in der Revision - auch die familiären Bindungen des Revisionswerbers in Österreich nichts ändern, zumal der Revisionswerber mit seinen drei im Inland aufhältigen minderjährigen Kindern und deren Mutter nach den Feststellungen niemals in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. September 2017

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