OGH 4Ob129/12t

OGH4Ob129/12t17.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** K*****, 2. W***** K*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Oliver Simoncic, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Draxler Rexeis Strampfer Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 13.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2012, GZ 15 R 26/12x‑16, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. November 2011, GZ 48 Cg 25/11b‑11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger erwarben am 1. Dezember 2006 von der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (idF: Beklagte) um insgesamt 13.000 EUR Währungszertifikate „Dragon FX Garant“, dies nach Beratung und über Vermittlung durch einen Mitarbeiter der A***** GmbH (idF: A*****). Dabei stand ihnen ein Werbefolder der Beklagten zur Verfügung, auf dessen Deckblatt das Anlageprodukt als „Asien-Währungszertifikat mit 100 % Kapitalgarantie“ bezeichnet wurde. Im Inneren wurde unter der Überschrift „Enormes Potential ‑ und 100%‑ige Sicherheit“ Folgendes ausgeführt:

„Mit dem Dragon FX Garant investiert man in die Währungen der fünf chancenreichsten Staaten Asiens: China, Malaysia, Philippinen, Indonesien und Indien. […] Der Erfolg der Veranlagung in den Dragon FX Garant ist ausschließlich von der Entwicklung der Wechselkurse abhängig. Die Rückzahlung des Kapitals ist zu 100 Prozent garantiert. […] 100 Prozent Kapitalgarantie: Trotz des hohen Ertragspotenzials gibt es für den Anleger kein Verlustrisiko, denn beim Dragon FX Garant gibt es eine Garantie für das gesamte eingesetzte Kapital. Auch wenn der Währungskorb abgewertet werden sollte, erhalten Sie den vollen Kapitaleinsatz zurück. […] Weltweit führende Währungsexperten: Der Dragon FX Garant wird in Partnerschaft mit Lehman Brothers, einem der weltweit führenden Anbieter für strukturierte Währungsprodukte mit spezieller Expertise für den asiatischen Raum begeben. […]

Zweifacher Aufwertungsgewinn: Der Dragon FX Garant partizipiert zu 200 Prozent an der Aufwertung der zugrunde liegenden Währungen. Wenn der Währungskorb während der Laufzeit des Papiers beispielsweise um 22 Prozent aufwertet, beträgt die Gesamtrendite 44 Prozent. [...]“

Rechts darunter fanden sich die „Eckdaten Dragon FX Garant“. Dort war als Emittentin die Lehman Brothers Treasury Co. BV angeführt, eine davon verschiedene Garantin schien nicht auf. Als „Währung“ war „EUR“ angegeben; der „Emissionskurs“ betrug „100 % zzgl 5 % Agio“. Auf Risiken der Veranlagung wies der Folder nicht hin.

Die Kläger begehren 13.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 11. 12. 2010 Zug um Zug gegen Rückübertragung der Wertpapiere. Sie stützen sich ‑ soweit ihrem unstrukturierten Vorbringen entnommen werden kann ‑ auf folgende Rechtsgründe: Zum einen sei die Beklagte vertraglich zur Zahlung verpflichtet, weil sie nach dem Werbefolder Garantin der Veranlagung sei. Zum anderen habe sie aufgrund irreführender Angaben, die die Kläger zum Erwerb der Veranlagung veranlasst hätten, Schadenersatz durch Naturalrestitution zu leisten. Irreführend sei dabei zunächst der Werbefolder gewesen, weil

- darin der unzutreffende Eindruck erweckt worden sei, Garantin sei die Beklagte und nicht ein mit der Emittentin verbundenes amerikanisches Unternehmen,

- sich daraus eine Veranlagung in Währungen, nicht bloß eine entsprechende Indexbindung ergeben habe, und

- ihm kein Hinweis auf „Risiken“ entnommen werden konnte.

All das begründe, auch nach dem UWG, die Haftung der Beklagten. Daneben sei der Beklagten aber auch eine mangelhafte Aufklärung durch den A*****-Berater zuzurechnen. Dieser habe die irreführenden Angaben des Werbefolders wiederholt und zudem völlige Risikolosigkeit mit der Begründung zugesichert, dass die Beklagte Garantin des Veranlagungsprodukts sei. Dafür hafte die Beklagte nach § 1313a ABGB, weil sie sich für den Vertrieb des Anlageprodukts des A***** bedient habe. Von der dadurch begründeten Haftung könne sie sich nicht wirksam freizeichnen. Die Kläger hätten die Wertpapiere nicht gekauft, wenn sie darüber aufgeklärt worden wären, dass Garantin nicht die Beklagte, sondern ein in den USA ansässiges Investmenthaus war.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Dem Werbefolder sei nicht zu entnehmen, dass sie die Garantin sei; er sei auch sonst nicht irreführend. Ein allfälliges Fehlverhalten des Beraters sei ihr nicht zuzurechnen. „Anlaufstelle“ der Kläger sei der A***** gewesen, der in deren Auftrag auch die Vermittlungsleistung für den Erwerb der Anlage erbracht habe. Der A***** sei ein von der Finanzmarktaufsicht konzessioniertes Wertpapierunternehmen iSd WAG. Die Beklagte habe mit ihm und auch anderen Wertpapierdienstleistern Vertriebsvereinbarungen abgeschlos-sen, die im Wesentlichen vorgesehen hätten, dass der jeweilige „Vertriebspartner“ auch die Kundenberatung in eigener Verantwortung durchzuführen habe. Diese „Arbeitsteilung“ habe die Beklagte auch gegenüber den Kunden durch einen entsprechenden Hinweis im Formular „Antrag zur Depoteröffnung“ offen gelegt. Durch diese von den Klägern durch Unterfertigung zustimmend zur Kenntnis genommene Erklärung sei für die Kläger hinreichend klargestellt gewesen, dass sie die Geschäfte beim Institut der Beklagten „beratungsfrei“ abwickelten; ihr Anlageberater sei der A***** gewesen. Eine Verdoppelung der Beratungspflichten sei weder von den Klägern gewünscht noch gesetzlich gefordert gewesen. Die Vertriebspartner der Beklagten und damit auch der A***** seien daher nicht als Erfüllungsgehilfen der Beklagten tätig geworden, sondern selbst mit eigenem Pflichtenkreis in einem Vertragsverhältnis mit den jeweiligen Kunden gestanden. Nur sie seien daher zur vollständigen und richtigen Anlageberatung verpflichtet gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Werbefolder sei bereits in mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs als nicht irreführend qualifiziert worden. Insbesondere könne daraus nicht abgeleitet werden, dass die Beklagte Garantin des beworbenen Produkts sei. Bei einer Ex-ante-Betrachtung sei auch keine Information zum Insolvenzrisiko der ‑ damals mit einem guten Rating versehenen ‑ Emittentin erforderlich gewesen. Der Berater des A***** sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Zwischen den Klägern und dem A***** sei stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen, aus dem sich für den A***** eine Verpflichtung gegenüber den Klägern ergeben habe. Die Beklagte als nachgeschaltete Depotbank habe sich gegenüber den Klägern (nur) verpflichtet, die mit Hilfe des A***** ausgefüllten Depotaufträge auszuführen. Die Beklagte sei jedoch weder zu einer persönlichen Kundenberatung noch zur individuellen Produkt- oder Risikoaufklärung verpflichtet gewesen, worauf auf der letzten Seite des Depoteröffnungsantrags, den die Kläger unterschrieben hätten, ausdrücklich hingewiesen worden sei. Diese Arbeitsteilung sei zulässig; sie führe dazu, dass der Berater nicht im Pflichtenkreis der Beklagten tätig geworden sei und ihr daher nicht als Erfüllungsgehilfe zugerechnet werden könne. Dass die Beklagte dem Berater zur Vereinfachung der Abwicklung Formulare überlassen habe, sei unerheblich. Nähere Feststellungen zum behaupteten Fehlverhalten des Beraters seien daher nicht erforderlich.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es sei durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt, dass sich aus dem Werbefolder der Beklagten weder ein Hinweis auf die Identität des Garanten noch eine Garantiezusage der Beklagten ergebe; der Folder erwecke auch keinen falschen Gesamteindruck über das Risiko der Anlage. Eine Pflicht, den Anleger über ein (damals) bloß theoretisches allgemeines Insolvenzrisiko aufzuklären, habe nicht bestanden. Ein auf § 2 Abs 1 iVm § 1 Abs 1 UWG gestützter Schadenersatzanspruch der Kläger scheide daher schon mangels irreführender Angaben im Werbefolder aus. Ein allfälliges Fehlverhalten des Beraters sei der Klägerin nach der (mit einer Ausnahme) ständigen Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht zuzurechnen, weil ein vom Anleger eingeschalteter selbständiger Berater nicht Erfüllungsgehilfe der Bank sei. Die Revision sei zuzulassen, weil zur Frage, ob die allenfalls unrichtige Auskunft des Beraters der beklagten Bank zuzurechnen sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Kläger ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen haben zutreffend dargelegt, dass die Kläger aus der Gestaltung des Werbefolders keine Ansprüche ableiten können.

1.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass diesem Werbefolder nicht entnommen werden konnte, die Beklagte sei Garantin des Zertifikats; eine Pflicht zum Hinweis auf das im maßgebenden Zeitpunkt bloß theoretische (dh bei realistischer Betrachtung für die Anlageentscheidung nicht ins Gewicht fallende) Insolvenzrisiko habe nicht bestanden (4 Ob 176/10a; 4 Ob 20/11m; 6 Ob 65/11v; 8 Ob 38/11p; 9 Ob 87/10z; 1 Ob 135/11a; 7 Ob 107/11b ua). Daran ist festzuhalten.

1.2. Die Kläger bringen weiters vor, aus dem Folder habe sich eine Investition in einen Fonds ‑ gemeint offenbar: mit Geldmarktpapieren in den verschiedenen Währungen ‑ ergeben; hätten sie gewusst, dass es sich tatsächlich (nur) um ein „Zertifikat“ (also eine Schuldverschreibung) gehandelt habe, hätten sie die Papiere nicht gekauft. Insofern ist den Klägern zwar zuzugestehen, dass im Folder tatsächlich von einer Investition „in“ die Währungen die Rede war. Die „Eckdaten“ und vor allem die leicht verständlich dargestellte Berechnung des Ertrags (Partizipation am Aufwertungsgewinn zu 200 %) ließen aber keinen Zweifel, dass es sich beim Dragon FX nicht um eine Beteiligung an einem Sondervermögen, sondern um ein an die Entwicklung der Währung anknüpfendes Zertifikat handelte. Unter Bedachtnahme auf den Gesamteindruck des Werbefolders ist der Beklagten daher auch in diesem Punkt keine Pflichtverletzung vorzuwerfen.

1.3. Jedenfalls unerheblich ist die vom Obersten Gerichtshof in einer älteren Entscheidung bejahte (4 Ob 53/98t = SZ 71/36 = ÖBl 1998, 193 [Langer] = ecolex 1998, 497 [Tahedl] = MR 1998, 77 [Preiss] ‑ 1. Hauptpreis), später offen gelassene (17 Ob 34/08m = ÖBl 2009, 254 [Gamerith] ‑ Toner-kartuschen) und in der Literatur strittige Frage, ob aus dem UWG Schadenersatzansprüche der Marktgegenseite abgeleitet werden können (dafür zuletzt Duursma/Duursma-Kepplinger, Zur Aktiv- und Passivlegitimation im neuen Lauterkeitsrecht, ÖBl 2009, 244 ff; Rüffler, Schadenersatzansprüche von Verbrauchern und der unternehmerischen Marktgegenseite nach UWG, wbl 2011, 531 ff; ders, Organaußenhaftung für Anlegerschäden, JBl 2011, 69 [75 ff]; dagegen Leupold, Schadenersatzansprüche der Marktgegenseite nach UWG, ÖBl 2010, 164 ff; Harrer, Aktivlegitimation des Verbrauchers im Lauterkeitsrecht, ÖBl 2012, 100 ff; Eckert, Schadenersatzrechtliche Aktivlegitimation der Marktgegenseite nach UWG? FS W. Jud [2012] 73 ff; Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, Kommentar zum UWG2 [2012] § 16 Rz 18 f). Denn einerseits ist, wie oben ausgeführt, die konkrete Verkaufsunterlage nicht zur Irreführung potentieller Kunden geeignet. Andererseits bestand zwischen den Klägern und der Beklagten ohnehin ein Vertrag. Damit begründeten irreführende Angaben ‑ Kausalität und Rechtswidrigkeitszusammenhang vorausgesetzt ‑ ohnehin vertragliche Schadenersatzansprüche. Das UWG hätte als eigenständige Anspruchsgrundlage nur dann Bedeutung, wenn zwischen den Streitteilen ‑ anders als hier ‑ keine schuldrechtliche Sonderbeziehung bestünde.

2. Der Werbefolder kann die Haftung der Beklagten daher nicht begründen. Damit stellt sich die Frage, ob die Beklagte für das von den Klägern behauptete Fehlverhalten jenes Mitarbeiters eines selbständigen Wertpapierdienstleisters einzustehen hat, der die Kläger beraten und ihnen die Anlage vermittelt hat. Nach dem Vorbringen der Kläger hat er die Beklagte als Garantin bezeichnet und (auch) daraus die Risikolosigkeit der Anlage abgeleitet. Trifft das zu, läge zweifellos eine mangelhafte Beratung vor, die nach den Behauptungen der Kläger kausal für ihren Anlageentschluss war.

3. Damit ist von entscheidender Bedeutung, ob das Verhalten des Beraters der Beklagten nach § 1313a ABGB zuzurechnen ist.

3.1. Ob eine solche Zurechnung zu erfolgen hat, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Der Oberste Gerichtshof hat diese Frage zuletzt für Schadenersatzansprüche mehrfach offen gelassen (7 Ob 107/11b = RdW 2012, 215; 4 Ob 20/11m = EvBl 2011/119 [Klausberger] = ÖBA 2012, 57 [Schopper]; 1 Ob 132/11k = ZFR 2012/11, 29); im irrtumsrechtlichen Zusammenhang hat er sie hingegen ‑ bei vergleichbaren Sachverhalten ‑ bejaht (6 Ob 600/94 = ÖBA 1995, 51 [Apathy]; 4 Ob 586/95 = JBl 1996, 385; 6 Ob 109/09m = ecolex 2009, 764; 6 Ob 24/10p = JBl 2010, 442; 3 Ob 283/06y = ÖBA 2007, 744 [Koziol]; 6 Ob 13/12y = ecolex 2012, 383). Maßgebend war in den letztgenannten Entscheidungen, dass der Mittelsmann „im Auftrag“ der Bank tätig geworden war, sodass er nicht als Dritter iSv § 875 ABGB angesehen werden konnte (vgl zur Abgrenzung 4 Ob 44/11s = EvBl 2011/147). Hingegen hat der Oberste Gerichtshof in 3 Ob 75/06k (= GesRZ 2006, 332) die Zurechnung von einer bewussten Instrumentalisierung des Vermittlers abhängig gemacht. Das Oberlandesgericht Wien lehnt die schadenersatzrechtliche Zurechnung des („kundennäheren“) Beraters an die den Auftrag ausführende („kundenfernere“) Bank im Allgemeinen ab (5 R 262/10a; 5 R 295/11f; 15 R 155/10i; 15 R 153/10w; anders, soweit ersichtlich, nur 4 R 276/10b).

3.2. Auch die Lehre ist gespalten. Die Zurechnung bejahen insbesondere Riedler (Geschäftsirrtum, Irrtumsveranlassung und Gehilfenzurechnung beim Wertpapierkauf, ÖJZ 2010, 841 [849]) und Graf (Zur Aufklärungspflicht der Bank bei Einschaltung eines weiteren Finanzdienstleisters, ÖBA 2012, 229 [237 ff]), die am allgemeinen Grundsatz anknüpfen, dass die „Arbeitsteilung“ zwischen der Bank und einem Vermittler nicht zu Lasten des Kunden gehen dürfe. Hingegen verneinen die Haftung der Bank ua Knobl/Grafenhofer (Haftung einer Bank für allfälliges Fehlverhalten von externen Anlageberatern oder Vermittlern, GesRZ 2010, 41 ff); Baum (Pflichten und Haftung im arbeitsteiligen Vertrieb von Finanzprodukten, ÖBA 2010, 278 [285, 288]), Krejci, Zur Anfechtung von Wertpapierkäufen wegen irreführender Werbung und Beratung, ÖJZ 2010, 58 [63]); Schopper (ÖBA Glosse zu 4 Ob 20/11m, ÖBA 2012, 61 [62]) und Knobl/Gasser (Aufklärungspflichten und irrtumsrechtliche Gehilfenzu-rechnung bei Einschaltung einer kundennäheren Wertpapierfirma: Zur Auslegung des § 27 WAG 2007, ÖBA 2012, 352 [358 ff]). Sie stützen sich in erster Linie darauf, dass das kundenfernere Unternehmen im Regelfall nicht zur Beratung verpflichtet sei, wenn diese bereits durch ein kundennäheres Unternehmen erfolgt sei; damit liege eine allenfalls mangelhafte Beratung nicht im Pflichtenkreis der Bank. Eine ‑ durch Arbeiten von Riedler (Schadenersatzpflicht irregeführter Anleger, ecolex 2011, 194 [196]) und Vonkilch (Grundfragen der Schadenersatzpflicht von Anlegern nach erfolgter Anfechtung von Wertpapierkäufen, ÖJZ 2011, 989 [993 ff]) vorgezeichnete ‑ vermittelnde Lösung schlägt zuletzt Trenker vor (Externe Anlageberater/-vermittler als Verhandlungs- und Erfüllungsgehilfen der ausführenden Bank? Zak 2012, 363 [365 ff]): Ein selbständiger Vermögensberater sei der Bank dann zuzurechnen, wenn eine wirtschaftliche Nahebeziehung iSv § 43a VersVG bestehe.

4. Auf dieser Grundlage hat der Senat Folgendes erwogen:

4.1. Wer einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet nach § 1313a ABGB für das Verschulden jener Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient. Erfüllungsgehilfe im Sinn dieser Bestimmung ist daher, wer ‑ gegebenenfalls auch als selbständiger Unternehmer (RIS-Justiz RS0028563) ‑ mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeiten als seine Hilfsperson tätig wird (6 Ob 696/81 = JBl 1982, 654; RIS-Justiz RS0028729, RS0028566). Dabei genügt, dass der Schuldner in zurechenbarer Weise den Anschein einer Erfüllungsgehilfeneigenschaft erweckt (10 Ob 528/94 = SZ 69/86; 10 Ob 96/08b = ZfRV-LS 2009/13 [Ofner]; RIS‑Justiz RS0028566 [T3, T5]).

4.2. Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen soll eine Schlechterstellung des Gläubigers verhindern, wenn der Schuldner zur Erfüllung seiner eigenen Verpflichtungen einen Anderen heranzieht (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 336; Harrer in Schwimann 3, § 1313a Rz 1; Karner in KBB 3, § 1313a Rz 1; aus der Rsp etwa 8 Ob 579/90 = SZ 63/20 = JBl 1990, 656 [Dullinger]; 3 Ob 526/87 = SZ 60/133; RIS-Justiz RS0028495). Wer bei der Verfolgung seiner Interessen gegenüber dem Gläubiger den Vorteil der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, muss auch das Risiko tragen, dass der Gehilfe schuldhaft in rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers eingreift (1 Ob 265/03g = SZ 2004/19 = ecolex 2004/278 [Wilhelm] = JBl 2004, 648 [Lukas]; RIS‑Justiz RS0028606).

4.3. Auf dieser Grundlage ist zunächst die Frage zu beantworten, ob eine Bank, die von einem selbständigen Wertpapierdienstleister im Namen eines Kunden den Auftrag zur Durchführung eines Effektengeschäfts erhält, nach Maßgabe des ‑ hier noch anwendbaren ‑ WAG 1997 auch selbst zur Beratung der Kunden verpflichtet ist. Das trifft im Allgemeinen nicht zu: Dem Kunden stehen mit der Bank und dem Beratungsunternehmen zwei Dienstleister gegenüber, die beide unter die §§ 11 ff WAG 1997 fallen: Die Bank führt ein Effektengeschäft iSv § 11 Abs 1 Z 1 WAG 1997 iVm § 1 Abs 1 Z 7 lit e BWG, das Beratungsunternehmen erbringt als konzessioniertes Wertpapierdienstleistungsunternehmen iSv § 19 WAG 1997 eine Finanzdienstleistung iSv § 11 Abs 1 Z 2 WAG 1997 iVm § 1 Abs 1 Z 19 lit a und c BWG (idF vor dem BG BGBl I 2007/60). In einem solchen Fall ist grundsätzlich nur das kundennähere Unternehmen (idF: der Berater) verpflichtet, eine anleger- und objektgerechte Beratung vorzunehmen; das kundenfernere Unternehmen (idF: die Bank) trifft eine entsprechende Pflicht nur dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür hat oder sogar positiv weiß, dass das kundennähere Unternehmen seine Pflichten nicht erfüllt hatte (4 Ob 50/11y = ÖBA 2011, 898;

10 Ob 69/11m = ÖBA 2012, 621; ebenso die praktisch einhellige Lehre zum WAG 1997, vgl nur Gumpoldsberger, Aufklärungspflichten der Bank über Spesenaufteilungsvereinbarungen bei gestaffelter Einschaltung zweier WPDLU, ecolex 2005, 682 ff; Knobl/Grafenhofer, GesRZ 2010, 36 ff; Baum, ÖBA 2010, 285; Schopper, 4 Ob 20/11m, ÖBA 2012, 62; Knobl/Gasser, ÖBA 2012, 362 ff; anders [soweit ersichtlich] nur Graf, ÖBA 2012, 232 ff). Die von Graf für seine Auffassung zitierten Entscheidungen 1 Ob 231/04h (= ÖBA 2005, 719) und 5 Ob 106/05g (= ÖBA 2006, 376) betrafen die Zurechnung eines Versicherungsagenten, der nicht konzessionierter Vermögensberater war; sie stehen der zitierten Rechtsprechung daher nicht entgegen.

4.4. Besteht danach keine Verpflichtung des kundenferneren Dienstleisters (dh der Bank) zur Beratung des Kunden, kann ihm eine mangelhafte Beratung durch den kundennäheren Dienstleister (dh den Berater) nach § 1313a ABGB nicht zugerechnet werden. Denn der Berater wird in diesem Fall ja gerade nicht im Pflichtenkreis der kundenferneren Bank tätig (Knobl/Grafenhofer, GesRZ 2010, 41 ff; Baum, ÖBA 2010, 285, 288; Krejci, ÖJZ 2010, 63; Schopper, ÖBA 2012, 62; Knobl/Gasser, ÖBA 2012, 358 ff).

4.5. Dieses Ergebnis setzt allerdings voraus, dass der Berater tatsächlich unabhängig von der Bank agiert. Ausgangspunkt für die diesbezüglichen Erwägungen sind die gesetzlichen Regelungen zur Vermittlung von Versicherungsverträgen.

(a) Der Versicherer haftet jedenfalls für das Verschulden eines Versicherungsagenten, also einer Person, die von ihm ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln (§ 43 Abs 1 VersVG). Ein Versicherungsagent wird der Sphäre des Versicherers zugerechnet und auch in Bezug auf Beratungs- und Aufklärungspflichten als dessen Erfüllungsgehilfe angesehen (RIS-Justiz RS0114041, RS0080420). Dabei schadet es nicht, wenn der Agent entsprechende Aufträge auch für andere Versicherungen ausführt (7 Ob 58/09v). Nach § 43a VersVG haftet der Versicherer darüber hinaus für das Verschulden eines Vermittlers, der zwar nicht Agent iSv § 43 Abs 1 VersVG (sondern Makler) ist, zum Versicherer aber in einem solchen wirtschaftlichen Naheverhältnis steht, das es zweifelhaft erscheinen lässt, ob er in der Lage ist, die Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren.

(b) Zwar begründet das Vorliegen einer Rahmenprovisionsvereinbarung noch nicht ein wirtschaftliches Naheverhältnis iSv § 43a VersVG (7 Ob 314/99y = VersE 1866; 7 Ob 319/04v = VersE 2092; RIS-Justiz RS0114041 [T4]). Wohl ist aber ein Vermittler, der vom Versicherer ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen und der damit zum Versicherer ein Naheverhältnis hat, im Dreiecksverhältnis Versicherer-Vermittler-Versicherungsnehmer als Agent iSd § 43 VersVG zu behandeln (7 Ob 13/04v = SZ 2004/57; RIS-Justiz RS0114041; zuletzt etwa 7 Ob 16/09t = VR 2010/831 und 7 Ob 58/09v = EvBl 2009/122).

(c) Diese Überlegungen können auf die Vermittlung von (anderen) Anlageprodukten übertragen werden. Wird ein Vermögensberater von einem anderen Wertpapierdienstleister ständig mit der Vermittlung von bestimmten Anlageprodukten betraut, so entsteht dadurch ein wirtschaftliches Naheverhältnis, das es ‑ ungeachtet einer eigenen vertraglichen Verpflichtung des Beraters gegenüber dem Kunden ‑ rechtfertigt, ein Verschulden des Beraters nach § 1313a ABGB der Bank zuzurechnen. Denn diese ständige Betrauung begründet zusammen mit der regelmäßig produkt- und umsatzabhängigen Provision die Gefahr, dass der Vermittler nicht mehr ausschließlich oder doch überwiegend im Interesse des Kunden tätig wird, sondern auch andere Erwägungen ‑ insbesondere die Maximierung des eigenen Gewinns ‑ in seine Tätigkeit einfließen lässt. Dies erfolgt im Interesse der Bank, die den Vertrieb ihrer Produkte vertraglich auslagert und so die Vorteile der Arbeitsteilung für sich in Anspruch nimmt. Anders gewendet: Zwar kann eine Bank im Allgemeinen darauf vertrauen, dass ein vom Kunden beigezogener Berater den Kunden ausreichend berät, sodass sie insofern keine eigenen Pflichten treffen und ihr (daher) auch ein allfälliges Verschulden des Beraters nicht zuzurechnen ist. Das gilt aber nur dann, wenn sie ‑ insbesondere bei einer Entlohnung des Beraters unabhängig von den vermittelten Produkten ‑ auf eine objektive Beratung vertrauen darf. Letzteres trifft nicht zu, wenn der Berater ‑ wie hier nach dem Vorbringen der Beklagten ‑ mit der Bank in einer ständigen Geschäftsbeziehung steht („Vertriebspartner“), sein wirtschaftlicher Erfolg somit (auch) vom Ausmaß der Vermittlung ihrer Produkte abhängt und daher sein Interesse an der Vermittlung der Verträge grundsätzlich mit jenem der Bank an deren Abschluss parallel läuft. Ist ein Berater derart in die Interessenverfolgung der Bank eingebunden, bleiben deren Beratungspflichten mangels legitimen Vertrauens auf eine objektive Beratung durch einen Dritten aufrecht. Damit ist der Berater der Bank aber nicht nur irrtumsrechtlich zuzurechnen (so auch Vonkilch, RdW 2010, 324 [326]), sondern die Bank haftet auch für Schäden aufgrund von dessen Verhalten bei der Vermittlung der Anlage. Eine dies ausschließende Vertragsklausel in AGB wäre wegen der Abweichung vom dispositiven Recht, aber auch wegen der damit verbundenen Überwälzung des Insolvenzrisikos (unten 4.7.) gröblich benachteiligend iSv § 879 Abs 3 ABGB.

4.6. Der Senat folgt daher im Ansatz den Erwägungen von Trenker (Zak 2012, 365 ff), der für die Beurteilung der Haftung nach § 1313a ABGB ebenfalls auf die Wertungen des Versicherungsrechts zurückgreift. Allerdings nimmt der Senat ‑ anders als dieser Autor ‑ eine „wirtschaftliche Nahebeziehung“, die das Vertrauen der Bank auf eine einwandfreie Beratung durch ein kundennäheres Unternehmen ausschließt, schon dann als gegeben an, wenn dieses Unternehmen als „Vertriebspartner“ ständig mit der Vermittlung der Anlage betraut und so in die Interessenverfolgung der Bank eingebunden ist. Dies entspricht der Rechtslage in Deutschland. Denn auch dort steht ein Vermittler, der mit Wissen und Wollen einer Vertragspartei Aufgaben übernimmt, die typischerweise ihr obliegen, im Lager dieser Vertragspartei, wird in deren Pflichtenkreis tätig und ist als deren Hilfsperson zu betrachten, dies unabhängig von einer etwaigen Selbständigkeit des Vermittlers und einer Tätigkeit (als Makler) auch für den anderen Vertragspartner (vgl die Entscheidungen des BGH zum Vertrieb von Clerical Medical Versicherungen über Makler unter Verzicht auf eine eigene Vertriebsorganisation: IV ZR 271/10 = WM 2012, 1577; IV ZR 286/10 = WM 2012, 1579; IV ZR 164/11 = WM 2012, 1582). Ob das alles auch nach dem ‑ hier noch nicht anwendbaren ‑ WAG 2007 gilt oder ob insofern ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung von Art 20 MIFID erforderlich sein könnte (vgl dazu etwa Baum, ÖBA 2010, 283 ff; Knobl/Grafenhofer, GesRZ 2010, 30 ff), ist hier nicht zu entscheiden.

4.7. Gegen diese Lösung kann nicht eingewendet werden, dass sie den arbeitsteiligen Vertrieb von Finanzprodukten unverhältnismäßig erschwert. Denn der Berater ist bei Vorliegen einer Vertriebsvereinbarung selbstverständlich auch gegenüber der Bank zur einwandfreien Beratung der Kunden verpflichtet. Damit bestehen Regressansprüche, wenn Kunden die Bank nach § 1313a ABGB in Anspruch nehmen. Die Bank muss den Schaden daher nur dann endgültig tragen, wenn sie den Beratungsfehler, etwa durch mangelhafte Informationen, verschuldet hat oder wenn der Berater nicht in der Lage ist, Regressansprüche zu erfüllen. Im ersten Fall bestünden Ansprüche des Kunden schon aufgrund des Fehlverhaltens der Bank, sodass ihr die Zurechnung (auch) des Beraterverhaltens nicht weiter schadet. Im zweiten geht es letztlich nur um die Frage, wer das Risiko einer Insolvenz des Beraters zu tragen hat. Da die Bank ihre Vertriebspartner auswählt, sich dadurch Kosten erspart und aus deren Tätigkeit Gewinn zieht, liegt es nahe, dieses Risiko ihr und nicht den Kunden zuzuordnen.

5. Aus diesen Gründen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob der Mitarbeiter des Beratungsunternehmens tatsächlich, wie von den Klägern behauptet, die Garantenstellung der Beklagten behauptet hat. Dies begründete bei Kausalität für den Anlageentschluss und Vorliegen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs die Haftung der Beklagten.

6. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden: Mangels eigener Beratungspflicht haftet eine Bank, die Effektengeschäfte ausführt, im Allgemeinen nicht für die mangelhafte Beratung ihrer Kunden durch ein von diesen beigezogenes („kundennäheres“) Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Das gilt jedoch nicht, wenn die Bank konkrete Anhaltspunkte dafür hatte oder sogar positiv wusste, dass das kundennähere Unternehmen seine Pflichten nicht erfüllte, oder wenn die Bank dieses Unternehmen ständig mit dem Vertrieb von Anlageprodukten betraut und so in die Verfolgung ihrer eigenen Interessen eingebunden hatte.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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