OGH 7Ob107/11b

OGH7Ob107/11b28.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** B***** und 2. M***** B*****, beide: *****, vertreten durch Dr. Andreas Köb, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Grohs Hofer Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in Wien, wegen 47.002,67 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Februar 2011, GZ 4 R 276/10b‑18, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. August 2010, GZ 48 Cg 40/10g‑14, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00107.11B.0928.000

 

Spruch:

 

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von A***** AG auf A***** AG berichtigt.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

Das Klagebegehren, der Vertrag zwischen den Klägern und der Beklagten über den Ankauf des Wertpapiers Dragon FX Garant (*****) vom ***** zum Nominale von 40.000 EUR samt 2.000 EUR Spesen werde aufgehoben; die beklagte Partei sei schuldig, den klagenden Parteien 47.002,67 EUR samt 4 % Zinsen seit 21. 10. 2009 Zug-um-Zug gegen Übertragung sämtlicher Wertpapiere zu zahlen, wird abgewiesen.

Das Eventualbegehren, es werde festgestellt, die Beklagte hafte für jeden Schaden, der aus den genannten Geschäften entstehe, wird abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 15.400,72 EUR (darin enthalten 1.859,03 EUR an USt und 4.569,80 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Zu 1.:

Die Änderung der Firma der Beklagten ergibt sich aus dem Firmenbuch (FN ***** Handelsgericht Wien), die Parteibezeichnung war auf Antrag der Beklagten zu berichtigen.

Zu 2.:

Der Erstkläger ist Angestellter, die Zweitklägerin Kinderkrankenschwester. Aufgrund einer Erkrankung der Mutter des Erstklägers mussten sie im Jahr 2002 ihr Haus umbauen, was durch die Aufnahme von zwei Fremdwährungskrediten mit einem Gesamtvolumen von rund 400.000 EUR „und Anschaffung von Immofinanz‑ und Conwert‑Aktien und Versicherungen als Tilgungsträger“ finanziert wurde. Die Kläger wurden bereits damals von einer Mitarbeiterin der A***** GmbH (in der Folge: A*****) beraten. Die Beklagte war Depotbank.

Im Jahr 2006 schlug die Mitarbeiterin von A***** den Klägern vor, das investierte Kapital zu streuen und rund 40.000 EUR des in Immofinanz‑Aktien angelegten Geldes (das waren rund 30 % des verfügbaren Vermögens der Kläger) in die Anleihe (Inhaberschuldverschreibung) Dragon FX Garant zu inverstieren. Die Mitarbeiterin der A*****, die über die finanzielle Situation und den Zweck der Investitionen der Kläger Bescheid wusste, übergab ihnen den Werbefolder der Beklagten und besprach ihn mit ihnen. „Sie erklärte, dass die Beklagte das Produkt eines Emittenten, den sie nicht nannte, der für die Kläger aber nicht von Interesse war, herausgebe und durch eine Kapitalgarantie sicher gemacht habe. Sie meinte, dass die Beklagte ein Garantieprodukt herausgegeben habe. Sie sagte jedoch nicht explizit, dass die Beklagte die Garantin sei. Auch aus dem Prospekt lasen die Kläger nicht ausdrücklich, dass die Beklagte die Garantin sei, sie gingen jedoch davon aus.“ Die Mitarbeiterin von A***** stellte Dragon FX Garant als sehr gewinnträchtiges Produkt dar. Die Kläger gingen aufgrund der Beratung und der Aufmachung des Folders davon aus, dass die Beklagte die Gewinne aus Dragon FX Garant sammeln würde, um im Fall eines Verlustes die Garantie zu finanzieren. Das „dahinter stehende Produkt“, die Emittentin und die Kapitalverwendung waren für die Kläger nicht von Bedeutung, weil sie davon ausgingen, dass sie dies ohnedies nicht verstehen würden. Im Beratungsgespräch ging es vor allem um die Kapitalgarantie. Den Klägern wurde nicht erklärt, dass es trotz der Kapitalgarantie zu einem Verlust des Kapitals kommen könnte. Hätten sie davon Kenntnis gehabt und weiters gewusst, dass die Garantin keine österreichische Bank sei, so hätten sie Dragon FX Garant nicht gekauft. Aufgrund des Gesprächs mit der Mitarbeiterin von A***** und den Angaben im Folder der Beklagten gingen die Kläger davon aus, dass ihr Kapital sicher sei. An Rendite erwarteten die Kläger ca 5 %. Es kann nicht festgestellt werden, mit welchem Anteil die beiden Informationsquellen (Folder und Beratung) den Entschluss der Kläger zum Ankauf bewirkten. Die Kläger behielten den Folder der Beklagten und lasen ihn auch zur Gänze durch. Am 29. 10. 2006, unterfertigten sie den Kaufauftrag. Er lautet auszugsweise:

„Antrag zur Depoteröffnung …

10. Optionserklärung, Erklärung zur Datenübermittlung, Beratung zu Telefaxaufträgen …

Ich (wir) nehme(n) zustimmend zur Kenntnis, dass die C***** (das ist die Beklagte) ausschließlich als Depot führende Stelle zu mir (uns) in ein Vertragsverhältnis tritt. Ich (wir) bestätige(n), dass die C***** deshalb im Rahmen dieser Geschäftsverbindung nicht verpflichtet ist, persönliche Kundenberatung sowie individuelle Produkt‑ oder Risikoaufklärung durchzuführen, sondern die von mir (uns) erteilten Aufträge über Vermögenstransaktionen als rein ausführende Stelle (execution‑only) abwickelt …“

Da die Kläger bereits Kunden von A***** und ihre Verhältnisse schon bekannt waren, wurden in der Gesprächsnotiz zu den Punkten „Kenntnisse und Erfahrungen“, „finanzielle Verhältnisse“, „Ziel der Veranlagung“ und „Risikobereitschaft“ die Kästchen mit „keine Angaben“ angekreuzt. Die Mitarbeiterin der A***** wusste, dass die Kläger ein hohes Sicherheitsbedürfnis hatten und nur eine sichere Veranlagung wollten. Wäre das Formular erstmals ausgefüllt worden, so hätten die Kläger „niedriges Kapitalwachstum bei geringer Risikobereitschaft“ angekreuzt. Unter Anlagewahl wurde ausdrücklich „Kapitalgarantie“ festgehalten. Bei „Aufklärung über Risken“ findet sich der handschriftliche Vermerk „keines, Kapitalgarantie“. Weiters sind die allgemeinen Punkte „Produktemittent (Insolvenzrisiko)“ und „Kapitalgarantie: Garantie des netto investierten Kapitals zum Laufzeitende“ angekreuzt. Einen gesondertern Punkt „Insolvenzrisiko des Garanten“ gibt es nicht.

Die Beklagte vertrieb in Österreich Dragon FX Garant exklusiv. Es handelt sich dabei um ein Nischen‑ bzw Beimischungsprodukt für Anleger, die das Risiko einer Unternehmensanleihe auf sich nehmen wollten. Zwischen der Beklagten und der A***** (sowie zu anderen Vertriebspartnern auch) bestand eine Vertriebsvereinbarung hinsichtlich Dragon FX Garant. Die Beklagte stellte der Geschäftsleitung der A***** einen KMG‑Prospekt und den Werbefolder zur Verfügung. Darüber hinaus wurden Schulungen der Berater durchgeführt.

In den Endgültigen Bedingungen finden sich nachstehende Erläuterungen:

„Mit den vorstehend beschriebenen Schuldverschreibungen sind erhebliche Risken verbunden, einschließlich unter anderem des Zins‑, Kurs‑, Liquiditäts‑, Rückzahlungs‑ und Kreditrisiko. Insbesondere sind Anleger in die Schuldverschreibungen dem Risiko von Wechselkurs‑ und Zinsschwankungen in Bezug auf die Korbwährungen (wie nachstehend definiert) ausgesetzt; 'die Volatilität der Währungsparitäten sowie das Kreditrisiko des Emittenten und des Garanten und somit könnten die Schuldverschreibungen mit einem Wert zur Rückzahlung fällig werden' [wörtliches Zitat], der erheblich unter der aus anderen Anlagen zu erzielenden Renditen liegen könnte.

Investoren sollten ihre eigenen Finanz‑, Rechts‑, Rechnungslegungs‑ und Steuerberater hinsichtlich der mit einer Investition in diese Schuldverschreibungen verbundenen Risken, der geeigneten Instrumente für eine Analyse dieser Anlage sowie der Eignung derselben angesichts der besonderen Situation dieses Anlegers konsultieren.

Kein Anleger sollte die vorstehend beschriebenen Schuldverschreibungen erwerben, soweit er nicht über das nötige Verständnis der Kurs‑, Markt‑, Liquiditäts‑, strukturellen, Rückzahlungs‑ und sonstigen Risken in Verbindung mit einer Investition in diese Schuldverschreibungen sowie über ausreichende finanzielle Ressourcen zur Übernahme dieser Risken verfügt.

Lehman Brothers übernimmt keine Gewähr für die Existenz eines Sekundärmarkts für die Schuldverschreibungen. Es kann von erheblichen Schwankungen des Marktwerts ausgegangen werden, und die Anleger sollten darauf vorbereitet sein, die mit diesen Schuldverschreibungen verbundenen Marktrisken zu übernehmen.“

Weiters erklärte das Erstgericht den Werbefolder der Beklagten zum Bestandteil der Feststellungen. Die Kopie dieses Prospekts ist auch dieser Entscheidung angeschlossen. Daraus wird hervorgehoben:

Die Werbebroschüre (vier Seiten im Format A4) beschreibt unter der Überschrift „Asiens Währungen vor dem Durchbruch“ die Kursentwicklung der für das beworbene Zertifikat maßgeblichen asiatischen Währungen und verweist auf die wachsende Bedeutung Süd- und Ostasiens für die Weltwirtschaft, die hohen Exportüberschüsse, die boomende Binnenkonjunktur, die großen Währungsreserven (insbesondere Chinas) sowie den politischen Aufwertungsdruck. Die Wachstumsraten der betreffenden Länder sind ‑ im Vergleich zum Euro‑Raum ‑ grafisch dargestellt und es sind Gründe aufgezählt, warum mit einer Aufwertung der im Währungskorb vertretenen Währungen zu rechnen sei. Unter der Überschrift „enormes Potential und 100%ige Sicherheit“ wird erläutert, dass der Anleger während der Laufzeit des Papiers im Ausmaß von 200 % an der Aufwertung des Währungskorbs teilnimmt, dass die Rückzahlung des gesamten eingesetzten Kapitals garantiert wird („100 Prozent Kapitalgarantie“), dass die Laufzeit vier Jahre beträgt und dass das Produkt „in Partnerschaft mit Lehman Brothers, einem der weltweit führenden Anbieter für strukturierte Währungsprodukte mit spezieller Expertise für den asiatischen Raum begeben“ wird. Die Kapitalgarantie wird dahin näher erläutert, dass es trotz des hohen Ertragspotentials für den Anleger kein Verlustrisiko gebe, weil eine Garantie für das gesamte eingesetzte Kapital vorhanden sei. Auch wenn der Währungskorb abgewertet werden sollte, erhalte der Anleger den vollen Kapitaleinsatz zurück. Unter der Zwischenüberschrift „Große Chancen, kein Risiko“ werden die Vorteile des Produkts unter Hinweis auf 13,38 % pa historische Rendite auf Basis einer Rückrechnung für alle vier Jahresperioden von 1992 bis 2006 mit den Schlagworten: „Basket der attraktivsten asiatischen Währungen, 100 % Kapitalgarantie, hohe Performancepartizipation, kurze Laufzeit und Referenzwährung EUR“ zusammengefasst. Daneben wird unter der Überschrift „Eckdaten“ die Emittentin Lehman Brothers Treasury Co BV genannt und auf deren Rating A1/A+/A+ (dies entspricht offenbar den Bewertungen der führenden Rating-Agenturen Moody's, S&P und Fitch, vgl Baum, Garantie‑Zertifikate und 'Emittentenrisiko': Hinweispflicht in Werbefoldern? GesRZ 2010 FN 1) verwiesen. Die Wertpapierart wird mit „Zertifikat mit Kapitalgarantie“ beschrieben und die vierjährige Laufzeit beginnend ab 5. 12. 2006 datumsmäßig angeführt; weiters werden Emissionskurs (100 % zuzüglich 5 % Agio), Basiswert (näher beschriebener asiatischer Währungskorb), Partizipation (200 %), Stückelung (1.000 EUR) und die Orte der Börsennotiz (Luxemburg und Frankfurt) ausgewiesen. Die Werbebroschüre enthält keinen Hinweis auf die Person der Garantin (eine andere Gesellschaft der Lehman-Gruppe).

Die Kläger begehren wie im Spruch ersichtlich. Die Beklagte sei nach Beratung der Kläger durch eine Mitarbeiterin der A***** durch Selbsteintritt Verkäuferin und damit selbst zur Einhaltung der Wohlverhaltensregeln des WAG 1996 verpflichtet gewesen. Aufklärungs- und Beratungsmängel der A*****, dem Erfüllungs‑ und Verhandlungsgehilfen der Beklagten, seien ihr zuzurechnen. Die formularmäßigen Risikohinweise im Zeichnungsantrag seien für die Wahrnehmung der Wohlverhaltenspflichten nicht ausreichend. Es sei das wahre Risiko der Wertpapiere verschwiegen worden. Durch den Verkaufsprospekt und die fehlende Aufklärung durch die Beraterin von A***** sei der Anschein erweckt worden, die Beklagte selbst habe die Garantie abgegeben, es werde in die Währungen der fünf chancenreichsten Staaten Asiens investiert, die Entwicklung des Dragon FX Garant hänge ausschließlich von der Entwicklung der betreffenden Wechselkurse ab, es bestehe kein Verlustrisiko. Die wirtschaftliche Einheit von Garantiegeberin und Emittentin sei verschwiegen worden. Die Kläger hätten die ‑ für die Kaufentscheidung wesentliche ‑ Vorstellung gehabt, dass die Garantie von der Beklagten, einer österreichischen Bank, gewährt werde; sie hätten ein besonders sicheres, kapitalgarantiertes Produkt gewollt. Es habe kein Anlass bestanden, an den Ausführungen der Beraterin und den Angaben im Verkaufsprospekt zu zweifeln. Nunmehr habe sich herausgestellt, dass die Papiere nicht sicher und praktisch wertlos seien. Die Spesen seien als Teil des Kaufvertrags an die Beklagte überwiesen worden. Das Kapital hätte im Zeitraum 29. 10. 2006 bis 20. 10. 2009 mit 4 % bankmäßig verzinst alternativ angelegt werden können. Die Zahlungsverpflichtung der Beklagten ergebe sich aus Irrtumsanfechtung, Gewährleistung und Schadenersatz im Sinn der Naturalrestitution.

Die Beklagte beantragt die kostenpflichtige Klagsabweisung. Die Kläger seien von einer Mitarbeiterin der A***** beraten worden. Die Arbeitsteilung, bei der der Beklagten nur die Funktion der depotführenden, rein ausführenden Stelle zukomme, habe sie den Klägern im Antrag zur Depoteröffnung zur Kenntnis gebracht. Eine zusätzliche Beratungsverpflichtung der Beklagten habe nicht bestanden. Bei Dragon FX Garant habe es sich um ein für den an hohen Ertragschancen interessierten, aber auch ein Risiko akzeptierenden Anleger geeignetes Produkt gehandelt. Die Vertriebspartner wie die A***** hätte von der Beklagten jene Unterlagen erhalten, die zu diesem Finanzinstrument veröffentlicht und zugänglich gewesen seien. Die Aufgabe der A***** sei es gewesen, die Elemente des Kapitalmarktprospekts für das Produkt den Klägern zu vermitteln. Den Klägern sei es nur darauf angekommen, aus zukünftigen Wechselkursentwicklungen Vorteile zu ziehen und dabei nach unten durch eine Kapitalgarantie abgesichert zu sein. Dass der Emittent sowie der Garant zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung der Kläger aus einer bestens renomierten Unternehmensgruppe stammten, spreche ebenfalls gegen die von den Klägern konstruierten Kausalitätsverläufe. Es seien im Prospekt keine irreführenden Angaben über die Kapitalgarantie enthalten und es finde sich kein Hinweis, dass die Beklagte selbst Garantin sei. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen darüber aufzuklären, dass das Kapital bei Insolvenz des Garanten vollständig verloren gehen könne. Die Verwendung eines Emissionserlöses für Unternehmens- oder Konzernzwecke sei der Normalfall der Anleihepraxis. Im vorliegenden Fall habe die Insolvenz des Emittenten und Garanten dazu geführt, dass die Anleihegläubiger auf ihre Konkursforderungen verwiesen worden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Angaben im Werbefolder der Beklagten einen beachtlichen Geschäftsirrtum der Kläger veranlasst hätten. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, sie sei lediglich die depotführende Stelle und daher nicht zur Aufklärung verpflichtet. Sie habe sich den Klägern gegenüber verpflichtet, ihnen als Komissionärin den Dragon FX Garant zu verschaffen und sei dieser Verpflichtung durch Selbsteintritt nachgekommen, sodass sie auch als Verkäuferin aufgetreten sei. Es treffe sie selbst die Verpflichtung zur Einhaltung der §§ 11 ff WAG 1996. Auf die Frage, ob die Beklagte für die Beraterin als ihre Erfüllungs- und Verhandlungsgehilfin einstehen müsse, brauche hier nicht eingegangen werden.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Da der Beratungssachverhalt vor Inkrafttreten des WAG 2007 (1. 11. 2007) liege und dieses Gesetz auf davor verwirklichte Sachverhalte nicht zurückwirke, sei das WAG 1996 anzuwenden. Der ebenfalls zu Dragon FX Garant ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 176/10a folgend gehe aus dem Prospekt der Beklagten nicht hervor, dass sie für den Fall der Insolvenz der Wertpapieremittentin eine Kapitalgarantie übernehme. Eine Aufklärung über alle Umstände dürfe nicht erwartet werden. Da mittels der Werbebroschüre keine Garantie der Beklagten vereinbart worden sei und der Beklagten in diesem Bereich keine Aufklärungspflichtverletzung zur Last falle, habe sie insoweit weder einen Irrtum in zurechenbarer Weise verursacht noch falle ihr ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zur Last. Die 100%ige Sicherheit des Wertpapiers werde damit begründet, dass die Rückzahlung des Kapitals zu 100 % garantiert sei, wenn auch nicht durch die Beklagte. Die Broschüre weise weiters deutlich und ausdrücklich auf die Person der Emittentin hin und nenne deren (zum damaligen Zeitpunkt) als völlig unproblematisch angesehene Bonität (Ranking). Dies bedeute aber auch eine Information der Anleger über das Insolvenzrisiko der Emittentin dahingehend, dass ein solches gering sei. Der für die Beurteilung der Richtigkeit einer Werbeankündigung maßgebende Zeitpunkt sei jener, in dem er gemacht worden sei. Die Risikolosigkeit des Wertpapiers beziehe sich unmissverständlich auf die Veranlagungsidee. Eine allgemeine Warnpflicht vor einer im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses durch nichts indizierten Insolvenz des Emittenten und/oder des Garanten sei nach dem WAG zu verneinen. Es liege kein Anspruch nach § 4 Abs 3 KMG vor.

Der (auch festgestellte) Schluss der Kläger, die Beklagte sei Garantin, sei „für einen objektiven Erklärungsempfänger nachvollziehbar“. Grundsätzlich treffe den Verkäufer die Verpflichtung, den Kaufinteressenten im vorvertraglichen Schuldverhältnis unter anderem über die Beschaffenheit des in Aussicht genommenen Kaufobjekts aufzuklären. Dies sei damit ein der Bank zufallender Aufgabenbereich, dessen Erfüllung sich nicht in der bloßen Übergabe von Informationsmaterial an den Berater oder in dessen Schulung erschöpfen könne. Nach Selbsteintritt des Kommissionärs stehe nämlich die kaufvertragliche Rechtsbeziehung der Vertragsteile im Vordergrund und verdränge die Regeln des Kommissionsgeschäfts. Der Vermittler sei als verlängerter Arm anzusehen. Der Bank müsse klar sein, dass bei einem Beratungsgespräch der Vermittler bereits ihre Formulare benütze und es somit für den Kunden augenfällig werde, dass im Hintergrund ein Kontakt zwischen der Bank und dem Vertriebsberater bestehe. Die Beklagte müsse damit rechnen, dass der Kunde von ihr als Verkäuferin Aufklärung erwarte. Werde in einer solchen Konstellation die Beratung (Broschüre und Formular) ausschließlich vom, wenn auch selbständigen, Berater erteilt, müsse die Bank miteinberechnen, dass der Käufer diese Information über die Eigenschaften des Produkts (auch) als für sie erteilt wahrnehme. Vor diesem Hintergrund komme Punkt 10 des Antrags zur Depoteröffnung besondere Bedeutung zu. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 15 Abs 2 WAG sei der Hinweis auf die Arbeitsteilung nicht mit der wegen seiner Bedeutung notwendigen Deutlichkeit gesetzt. Er sei nicht hervorgehoben und bilde keinen eigenen Vertragspunkt. Auf Basis dieser Erwägungen und der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 24/10p habe die Beklagte den von der Beraterin der A***** verursachten Irrtum der Kläger zu vertreten. Der Vertrag sei daher rückabzuwickeln. Der Zinsentgang sei als positiver Schaden zuzusprechen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der sich in einer Vielzahl von Anlegerentschädigungsprozessen stellenden Frage der Zurechnung des Verhaltens des Wertpapierdienstleisters im Verhältnis zwischen Bank und Kunden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits vielfach mit der Frage der Haftung der Beklagten aufgrund ihres Werbefolders im Zusammenhang mit Dragon FX Garant auseinandergesetzt (4 Ob 176/10a, 9 Ob 45/10y, 8 Ob 148/10p, 9 Ob 87/10z, 4 Ob 20/11m, 10 Ob 10/11k, 8 Ob 38/11p, 7 Ob 29/11g, 7 Ob 79/11k, 8 Ob 47/11m, 1 Ob 71/11i, 6 Ob 65/11v, 5 Ob 56/11p, 1 Ob 108/11f). Es wird in ständiger Rechtsprechung in den (zum vorliegenden) gleichgelagerten Fällen, in denen Anleger gegenüber der Beklagten Ansprüche aus ihrem Werbefolder geltend machen, die Rechtsansicht vertreten, dass sich aus dem Text der Werbebroschüre kein Hinweis auf die Identität des Garanten ergibt. Es ist daraus keine Garantiezusage der Beklagten abzuleiten. Durch den Prospektinhalt wird kein falscher Gesamteindruck (blickfang- und schlagwortartig als „100%ige Kapitalgarantie“ und „100‑%ige Sicherheit“) über das Risiko der geplanten Investitionen hervorgerufen. Es besteht kein Schutzbedürfnis des Vertragspartners, ihn über ein bloß theoretisches, praktisch auf Grund des Rankings und der sehr guten Bonitätseinstufung zu vernachlässigendes (allgemeines) Insolvenzrisiko der Emittentin oder Garantin aufzuklären. Eine Aufklärung über ein letztlich jeder Fremdveranlagung immanentes Risiko ist bei einer Anlageberatung nicht zu verlangen (RIS‑Justiz RS0124492 [T2]; zustimmend Klausburger, Anm zu 4 Ob 20/11m in ÖJZ 2011, 827).

Alle Einwände der Kläger, die darauf abzielen, der Werbefolder der Beklagten sei irreführend und verspreche eine 100%ige Sicherheit und die Garantie der Beklagten, wurden also in etlichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bereits verworfen.

Die Kläger und das Berufungsgericht bejahen jedoch eine Haftung der Beklagten deshalb, weil ihr das Verhalten der Mitarbeiterin des Vertriebspartners A***** zuzurechnen sei, wobei sie sich dabei zu Unrecht nur äußerst kursorisch damit auseinandersetzten, inwiefern der Beraterin überhaupt eine Fehlberatung über das Produkt selbst vorzuwerfen ist. Das Berufungsgericht führt dazu nur aus, dass der Schluss der Kläger auf Grund der festgestellten Äußerungen, die Beklagte sei Garantin, für einen objektiven Erklärungsempfänger nachvollziehbar sei. Auch die Kläger setzen offensichtlich voraus, dass der Mitarbeiterin der A***** eine Falschberatung anzulasten ist. Ob Dragon FX Garant für die Zwecke der Kläger grundsätzlich geeignet war, ist hier, wie dies offenbar auch die Kläger zutreffend erkannt haben, nicht zu beurteilen, weil die diesbezügliche Beratungsverpflichtung nur Inhalt des Vertrags zwischen den Klägern und A***** war, der Beklagten daher allfällige Fehlberatungen in diesem Bereich jedenfalls nicht zuzurechnen sind.

Die Kläger könnten, wenn überhaupt, nur dann zu einer Irrtumsanfechtung und Geltendmachung von allfälligen daraus resultierenden Schadenersatzansprüchen (RIS‑Justiz RS0014882) berechtigt sein, wenn ihr Geschäftsirrtum von der Erklärung der Mitarbeiterin von A***** adäquat verursacht worden wäre (vgl RIS‑Justiz RS0016195).

Tatsächlich bieten aber die Feststellungen des Erstgerichts keine Grundlage für die Annahme, dass die Mitarbeiterin der A***** den Klägern gegenüber andere als die im Werbefolder der Beklagten ersichtlichen Aussagen gemacht hätte. Sie besprach den Folder der Beklagten. Sie nannte die Beklagte nicht als Garantin, sondern wies lediglich darauf hin, dass die Beklagte ein „Garantieprodukt“ herausgebe und sie dies durch Kapitalgarantie „sichergemacht“ habe. Auch aus diesen Äußerungen ergibt sich nicht, wer Garant ist, insbesondere nicht, dass dies die Beklagte selbst sein soll. Die Kläger lasen dies auch nicht aus dem Prospekt der Beklagten heraus. Ihre allenfalls dennoch gezogene Schlussfolgerung, die Beklagte sei Garantin, wurde jedenfalls nicht von der Mitarbeiterin der A*****, die dies nicht andeutete, nicht adäquat veranlasst. Weiters ist festgestellt, dass es im Beratungsgespräch vor allem um die Kapitalgarantie ging. Der Hinweis, dass es kein Risiko gebe, erfolgte ‑ wie im Folder ‑ im Zusammenhang mit der Kapitalgarantie. Die festgestellte Aufklärung der Mitarbeiterin von A***** ist also nicht anders zu verstehen als der Text des Werbefolders der Beklagten. Da eine adäquate Verursachung des festgestellten Irrtums der Kläger auch durch Mitarbeiter des Vertriebspartners der Beklagten A***** nicht feststeht und damit auch nicht eine ausdrücklich zugesagte Eigenschaft des Produkts, kann die Frage, ob die Beklagte für Handlungen des Vertriebspartners wie für eigene haftet, dahingestellt bleiben.

Das Klagebegehren ist daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

 

 

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