OGH 9Ob87/10z

OGH9Ob87/10z27.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef T*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg, gegen die beklagte Partei A***** Bank AG, *****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 11.758,85 EUR sA (hilfsweise Feststellung), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2010, GZ 15 R 153/10w-14, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 11. Mai 2010, GZ 19 Cg 217/09x-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 838,44 EUR (darin enthalten 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Der Kläger beauftragte die Beklagte über Vermittlung eines *****-Beraters mit dem Erwerb von 100 Anteilen des von der Lehman Brothers Treasury Co BV emittierten und von der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holding Inc garantierten Wertpapiers „Dragon FX Garant“ zum Kurswert von 10.000 EUR und Spesen von 500 EUR. Die Beklagte führte den Auftrag durch Selbsteintritt am 5. 12. 2006 aus. Sie überließ ihren Vertriebspartnern, darunter auch dem *****, eine Werbebroschüre, in der dem Wertpapier „100%ige Sicherheit“ und „100 % Kapitalgarantie“ bescheinigt wurde. Die Emittentin des Zertifikats gehörte dem Konzern der - in der Werbebroschüre nicht genannten - Garantin an. Ende September 2008 geriet die Garantin samt den mit ihr verbundenen Unternehmen (darunter die Emittentin) - auch für Fachkreise überraschend - in die Insolvenz. Die vom Kläger erworbenen Wertpapiere wurden daher nahezu wertlos. Für den Kläger war entscheidend, dass er sein Geld sicher wieder zurückbekommt, was er dem Hinweis auf die Kapitalgarantie in der Werbebroschüre entnahm sowie dem Umstand einer relativ kurzen Laufzeit. Wenn er gewusst hätte, dass nicht die Beklagte, sondern „eine amerikanische Großbank“ (gemeint: die Garantin) mit damals ausgezeichnetem Rating hafte, hätte er deswegen den Kauf nicht rückgängig gemacht.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Aufhebung des Vertrags über den Ankauf der Wertpapiere und die Zahlung von 11.758,85 EUR sA Zug um Zug gegen die Rückstellung der Wertpapiere. Hilfsweise begehrte er die Feststellung, dass die Beklagte ihm für jeden Schaden hafte, der ihm aus dem Rechtsgeschäft entstehe. Zusammengefasst und für das Revisionsverfahren relevant brachte er vor, dass die Beklagte das Wertpapier im Verkaufsprospekt in irreführender Weise als sichere Anlage beworben und das hohe Risiko verschwiegen habe. Insbesondere sei er über das Insolvenzrisiko nicht aufgeklärt worden.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die zu beurteilende Werbebroschüre einer Vielzahl von Anlegern übergeben worden sei und die von der Berufung aufgeworfenen Rechtsfragen damit über den Einzelfall hinaus Bedeutung hätten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die vom Kläger erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Zur maßgeblichen Rechtsfrage, ob der Kläger unrichtig informiert wurde, weil er von der Beklagten weder mündlich noch schriftlich im Werbeprospekt auf die Gefahr der Insolvenz der Emittentin oder der Garantin hingewiesen worden sei, hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst in der einen gleich gelagerten Parallelfall betreffenden Entscheidung 4 Ob 20/11m Stellung genommen. Auch dort hatten die Kläger im November 2006 „Dragon FX Garant“ Zertifikate über Vermittlung von ***** für private Anleger erworben. In dieser Entscheidung legte der Oberste Gerichtshof mit eingehender Begründung dar, dass die Beklagte im Anlassfall im Hinblick auf die Einschätzung der Finanzkraft der Emittentin durch die Fachkreise im November 2006 davon ausgehen durfte, dass das Bonitätsrisiko (Insolvenzrisiko) bloß theoretischer, vernachlässigter Natur sei (so schon die - dieselbe Werbebroschüre betreffende - Entscheidung 4 Ob 176/10a). Dass die in der Werbebroschüre angeführten exzellenten Ratings der drei führenden Ratingagenturen zum Kaufdatum noch gültig gewesen seien, werde von den Klägern nicht bestritten. Unter diesen Umständen sei die in der Werbebroschüre in Form des Ratings enthaltene Information über die Bonität der Emittentin ausreichend gewesen und es habe keiner darüber hinausgehenden Aufklärung der Kläger über das allgemeine Bonitätsrisiko bedurft. Schon mangels Verletzung von Aufklärungspflichten sei das auf Irrtum und Schadenersatz gestützte Begehren unberechtigt. Auf die Frage der Zurechnung des Verhaltens der *****-Beraterin zur Beklagten komme es daher nicht an.

Nichts anderes gilt im vorliegenden, gleich gelagerten Fall. Da der Oberste Gerichtshof zur maßgeblichen Rechtsfrage in der zitierten - wenngleich erst nach dem bekämpften Berufungsurteil ergangenen - Entscheidung bereits eingehend Stellung genommen hat, mangelt es der Revision an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO, die nach ständiger Rechtsprechung noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegeben sein muss (RIS-Justiz RS0112769). Auch der Umstand allein, dass sich die hier zu beantwortenden Rechtsfragen in mehreren Parallelverfahren stellten und stellen, bewirkt nicht ihre Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042816). Ebenso wenig liegt die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Zuspruch der tarifmäßigen Kosten beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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