OGH 7Ob58/09v

OGH7Ob58/09v29.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika F*****, vertreten durch Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei D***** AG *****, vertreten durch Partnerschaft SCHUPPICH SPORN & WINISCHHOFER Rechtsanwälte in Wien, wegen 16.560 EUR (sA), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 17. Dezember 2008, GZ 6 R 199/08v-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Juli 2008, GZ 11 Cg 75/08k-7, infolge Rekurses der beklagten Partei abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von D***** AG auf D***** AG ***** von Amts wegen richtig gestellt.

2.) Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.923,84 EUR (darin enthalten 320,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Zu 1.): Die Berichtigung der Parteibezeichnung der Beklagten gründet sich auf § 235 Abs 5 ZPO und das offene Firmenbuch (FN *****).

Zu 2.): Die Klägerin stellte am 18. 1. 2007 beim Büro der E***** Aktiengesellschaft (im Folgenden E*****) in H***** den Antrag auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags bei der Beklagten. Diese hat mit der selbständigen und gewerblich befugten Versicherungsmaklerin E***** mit Sitz in G***** am 28. 12. 2000/28. 5. 2001 eine Rahmenprovisionsvereinbarung geschlossen. Nach Punkt 3. letzter Absatz dieser Vereinbarung „hat der Makler bei der Vermittlung von Versicherungsanträgen im Verhältnis zur D***** (Beklagte) jene Interessen zu wahren, die auch der Versicherungskunde selbst vor und nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Versicherer gegenüber zu beachten hat". In Punkt 5. wurde vereinbart, die Betreuung umfasse „insbesondere die Unterstützung des Versicherungskunden bei der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses vor und nach Eintritt des Versicherungsfalles, namentlich auch bei Wahrnehmung aller für den Versicherungskunden wesentlichen Fristen, die laufende Überprüfung der bestehenden Versicherungsverträge sowie die Unterbreitung geeigneter Vorschläge für eine Verbesserung des Versicherungsschutzes". Das Antragsformular der E***** wurde mit dem „Versicherungslogo" der - von der Klägerin mit dem Vermittler als Versicherer ausgewählten - Beklagten vom Computer ausgedruckt und von der Klägerin und von E***** unterfertigt. Die Beklagte nahm den Antrag an. Die der Klägerin übermittelte Versicherungspolizze ist mit den Logos „D*****" und „D*****" versehen. Weiters ist vermerkt: „Es betreut Sie: E***** H*****". Unmittelbar unter diesem Vermerk ist die Adresse der „Landesdirektion S*****" der Beklagten angeführt. Die Klägerin hatte im Zuge des Versicherungsabschlusses allein Kontakt mit dem E*****-Büro H*****.

Mit der beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin den Zuspruch von 16.650 EUR aus dem Versicherungsvertrag. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gründe sich auf § 48 VersVG. Der Versicherungsantrag sei über Vermittlung des Versicherungsmaklers Mag. Josef N*****, einem Franchisenehmer der E***** mit Niederlassung in ***** H*****, im Sprengel des Erstgerichts zustandegekommen. In der Courtagevereinbarung übernehme der Versicherungsmakler Aufgaben, die eigentlich dem Versicherer oblägen. An der Maklereigenschaft der E***** sei zwar nicht zu zweifeln. Die Bestimmungen für Versicherungsagenten nach den §§ 43 ff VersVG, also auch der Agentengerichtsstand des § 48 VersVG, würden jedoch auch für einen Versicherungsmakler gelten, der mit dem Versicherer eine Courtagevereinbarung abgeschlossen habe und somit ständig damit betraut sei, Versicherungsverträge für diesen Versicherer abzuschließen.

Die Beklagte, die im Übrigen einwendete, wegen einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin leistungsfrei zu sein, erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Der Wahlgerichtsstand des § 48 VersVG liege nicht vor, da der Versicherungsvertrag von der E***** vermittelt worden sei. Dabei handle es sich schon nach dem Firmenwortlaut um einen Versicherungsmakler im Sinn der §§ 26 ff MaklerG und nicht um einen Versicherungsagenten im Sinn des § 43 VersVG. Es bestehe auch keinerlei Abhängigkeitsverhältnis der E***** zur Beklagten. Eine bloße Rahmenprovisionsvereinbarung mit einem Versicherer ändere nichts an der Eigenschaft als Versicherungsmakler. Dass der Versicherungsmakler den Versicherungskunden bei der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses und im Versicherungsfall zu unterstützen und Vorschläge für eine Verbesserung des Versicherungsschutzes zu unterbreiten habe, ergebe sich schon aus dem Maklergesetz, sodass die Wiederholung dieser Pflichten in der Courtagevereinbarung dem Vermittler die Maklereigenschaft gerade nicht nehmen könne.

In der abgesonderten Verhandlung über die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit nach § 260 Abs 1 ZPO am 1. 7. 2008 beantragte die Klägerin für den Fall, dass die Unzuständigkeit des Erstgerichts rechtskräftig ausgesprochen werden sollte, die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Nach der neueren Rechtsprechung schließe das Bestehen einer Rahmenprovisionsvereinbarung allein noch nicht die Annahme eines unabhängigen Versicherungsmaklers aus. Der Versicherer hafte allerdings für den Makler, wenn das wirtschaftliche Naheverhältnis zu diesem so intensiv sei, dass zweifelhaft erscheine, ob dieser in der Lage sei, überwiegend die Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren. Bei der E***** handle es sich zwar um einen Versicherungsmakler im Sinn des Maklergesetzes. Da der Gesetzgeber gegenüber Versicherungsunternehmen aber ein durchaus strenges Haftungsregime etabliert habe, sei im vorliegenden Fall in Gesamtabwägung aller Umstände, insbesondere der Punkte 3. und 5. der Courtagevereinbarung, von einem wirtschaftlichen Naheverhältnis der E***** gegenüber der Beklagten auszugehen. Die E***** sei daher als Versicherungsagentin im Sinn des § 43 VersVG anzusehen.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurückwies. Die Abgrenzung zwischen Versicherungsagent und Versicherungsmakler sei anhand der Festlegung des Begriffs des Versicherungsagenten nach § 43 VersVG vorzunehmen, wobei das Maklergesetz ergänzend vorsehe, dass allein das Bestehen einer Rahmenprovisionsvereinbarung noch nicht die Annahme eines unabhängigen Versicherungsmaklers ausschließe. Ein Vermittler, der sich dem Kunden gegenüber zwar als unabhängiger Makler gebärde, tatsächlich aber einem bestimmten Versicherer so nahe stehe, dass er vorwiegend am Verkauf der Produkte dieses Versicherers interessiert sei, sei als „Pseudomakler" dennoch als Agent des Versicherers zu behandeln. Nach den Intentionen der Regierungsvorlage sollte „dieser Mann des Versicherers" auch wie dessen Agent behandelt werden. Verliere ein Versicherungsmakler seine wirtschaftliche Selbständigkeit, so vertrete er nicht mehr die Interessen des Versicherungsnehmers vorrangig, sondern werde zum Versicherungsagenten im Sinn des § 43 VersVG. Dann gelte zugunsten des Versicherungsnehmers § 48 VersVG. Die E***** sei aber in diesem Sinn nicht zum Versicherungsagenten geworden. Ihre Provisionsrahmenvereinbarung mit der Beklagten schließe die Annahme eines unabhängigen Versicherungsmaklers nicht aus. Nach deren Inhalt vermittle die E***** nicht exklusiv für die Beklagte und sei auch nicht ermächtigt gewesen, rechtsverbindliche Erklärungen für diese abzugeben. Die Rahmenvereinbarung enthalte auch keine Pflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer, die über jene eines Maklers hinausgingen. Der Hinweis auf dem Versicherungsschein, dass die E***** die Klägerin betreue, rechtfertige es ebensowenig, die E***** als Maklerin einem Versicherungsagenten gleichzustellen, wie die Verwendung des Logos der Beklagten durch E***** auf dem Versicherungsantrag. Weder habe sie vorgebracht noch habe das Beweisverfahren ergeben, dass die E***** der Beklagten so nahe stünde, dass die E***** vorwiegend am Verkauf deren Produkte interessiert wäre. Demnach liege der Gerichtsstand des § 48 VersVG nicht vor.

Die Klägerin habe zwar fristgerecht einen Antrag gemäß § 261 Abs 6 ZPO gestellt. Da dieser jedoch bedingt nur für den Fall der Rechtskraft der Unzuständigkeitsentscheidung gestellt worden sei, könne er als unzulässige Prozesshandlung nicht die in § 261 Abs 6 ZPO vorgesehenen Rechtsfolgen auslösen und sei so zu behandeln, als sei er nicht gestellt worden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob oder unter welchen Voraussetzungen der Gerichtsstand des § 48 VersVG auf einen Versicherungsmakler anzuwenden sei, keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Unzuständigkeitseinrede verworfen (und damit die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt) werde. Hilfsweise wird der Antrag gestellt, die Sache entsprechend dem Überweisungsantrag an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu überweisen.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, entweder das Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, da das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat, zulässig und berechtigt.

Der zum Schutz des Versicherungsnehmers normierte Wahlgerichtsstand des § 48 VersVG gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut sowohl für den Abschlussagenten als auch für den Vermittlungsagenten, aber nicht für den Versicherungsmakler. Er kann aber nach ganz herrschender Meinung (Schauer, Versicherungsvertragsrecht3, 98; Fromherz, MaklerG § 36 Rz 12; ders aaO § 26 Rz 14; Kollhosser in Prölss/Martin VVG27 § 48 Rn 3; Gruber in BK § 48 Rn 3, jeweils mwN) auch hinsichtlich eines Maklers anwendbar sein, wenn dieser als Agent auftritt (sog Anscheinsagent - § 43 Abs 1 letzter HS VersVG) oder mit einem (oder auch mehreren) Versicherern in einem solchen Naheverhältnis steht, dass es zweifelhaft erscheint, ob er in der Lage ist, überwiegend die Interessen der Versicherungsnehmer zu wahren (sog Pseudomakler - § 43a VersVG). Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen, dass derjenige Vermittler, der nicht bloß eine Rahmenprovisionsvereinbarung abgeschlossen hat (vgl 7 Ob 314/99y und 7 Ob 319/04v), sondern vom Versicherer ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen (und der damit zum Versicherer ein Naheverhältnis hat), im Dreiecksverhältnis Versicherer-Vermittler-Versicherungsnehmer als Agent im Sinn des § 43 VersVG zu behandeln ist (7 Ob 13/04v; 7 Ob 43/04f; erst jüngst 7 Ob 16/09t; RIS-Justiz RS0114041).

Bezogen auf den vorliegenden Fall ist dem Rekursgericht zwar darin zuzustimmen, dass der Inhalt der Rahmenprovisionsvereinbarung vom 28. 12. 2000/28. 5. 2001 allein nicht die Annahme rechtfertigt, E***** (bzw ihr Franchisenehmer) sei als Pseudomakler nach § 43a VersVG anzusehen. In den hier zitierten Passagen der Provisionsvereinbarung werden nämlich tatsächlich nur Aufgaben und Pflichten des Vermittlers angeführt, die jeder Versicherungsmakler dem Versicherungsnehmer gegenüber zu erfüllen hat (vgl § 28 MaklerG). Auf ein besonderes Naheverhältnis der E***** zur Beklagten im Sinn des § 43a VersVG lässt der bloße Abschluss dieser Courtagevereinbarung demnach nicht schließen.

Der Anschein eines solchen Naheverhältnisses wird aber entgegen der Ansicht des Rekursgerichts dadurch bewirkt, dass die von der Beklagten ausgestellte Versicherungspolizze den ausdrücklichen Hinweis enthält, dass die Betreuung der Klägerin von E***** durchgeführt werde. Aufgrund der Diktion („Es betreut Sie: ...") ist dem im Versicherungsschein enthaltenen Hinweis der objektive Erklärungswert beizumessen, dass die Betreuung des Versicherungskunden durch E***** nicht nur mit Wissen, sondern mit Willen der Beklagten erfolgt. Bedenkt man weiters, dass der Computerausdruck des Versicherungsantrags bereits mit dem Logo der Beklagten versehen war, wurde von (bzw mit Billigung) dieser ein Tatbestand geschaffen, aus dem der Kläger den Eindruck gewinnen musste, dass E***** von der Beklagten generell mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen betraut sei.

Die der gegenteiligen Meinung Kollhossers (aaO), ein solcher Hinweis rechtfertige es nicht, einen Versicherungsmakler einem Versicherungsagenten gleichzustellen, zugrundeliegende Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs VersR 1999, 1481 = NVersZ 2000, 124 betraf die Frage der Wissenszurechnung bei einem Versicherungsmakler nach der Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und ist daher mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Berücksichtigt man den Normzweck des § 48 VersVG, die Rechtsstellung der Versicherungsnehmer in Bezug auf den Gerichtsstand dahin zu verbessern, den Versicherungsnehmern die Möglichkeit zu geben, ihre Ansprüche bei den oft vom Sitz des Versicherers weit entfernten Gerichten geltend machen zu können, in deren Sprengel die Vermittlung durch einen der Sphäre des Versicherers zuzurechnenden Vermittler stattfand, erscheint es - ausgehend von den im vorliegenden Zuständigkeitsstreit allein maßgebenden Klagsangaben - hier doch angezeigt, einen Makler unter den gegebenen Umständen als (Anscheins-)Agenten nach § 43 Abs 1 letzter HS VersVG zu behandeln. Eine Bestimmung wie diese kennt das deutsche VVG (alt) im Übrigen nicht; dass ein Versicherungsnehmer nach § 215 Abs 1 VVG (neu) Klagen aus dem Versicherungsvertrag und der Versicherungsvermittlung nun auch generell an seinem Wohnsitzgericht erheben kann, zeigt, dass in Deutschland ein Bedürfnis erkannt wurde, dem Versicherungsnehmer diesbezüglich noch mehr entgegenzukommen.

Wollte man E***** im gegebenen Kontext nicht der Beklagten zurechnen, sondern allein als „Bundesgenossen" des Klägers betrachten (vgl RIS-Justiz RS0114041), bestünde für den erwähnten Hinweis im Versicherungsschein keine Veranlassung. Sieht man demnach den Versicherungsmakler E***** unter dem Blickwinkel des § 48 VersVG als (Anscheins-)Agent der Beklagten an, hat das Erstgericht die Anwendung dieser Bestimmung zutreffend bejaht. Da die (nach dem Schutzzweck des § 48 VersVG, den Versicherungsnehmer dort klagen zu lassen, wo der ihm gegenübertretende Vermittler seine Niederlassung/seinen Wohnsitz hat - vgl Gruber aaO Rn 2 mwN) maßgebliche gewerbliche Niederlassung des Franchisenehmers der E***** in H***** unstrittig im Sprengel des Erstgerichts liegt, ist dessen örtliche Zuständigkeit gegeben. Auf die allein den Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO betreffende Mängelrüge der Klägerin muss daher nicht mehr eingegangen werden.

Dem Revisionsrekurs ist spruchgemäß Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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