Spruch:
I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „A***** AG, *****“ berichtigt.
II. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.181,61 EUR (darin enthalten 363,60 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
I. Aus dem Firmenbuch (FN *****) ist ersichtlich, dass die Firma der Beklagten nunmehr A***** AG lautet und ihr Sitz in W*****, ist. Die Bezeichnung der Beklagten ist nach § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.
II. Über Auftrag der Kläger vom November 2006 erwarb die Rechtsvorgängerin der Beklagten für diese Anfang Dezember 2006 eine Unternehmensanleihe, deren Emittentin dem Konzern einer amerikanischen Investmentbank angehörte. Dafür zahlten die Kläger 39.900 EUR, das Wertpapier kam in das für sie eröffnete Depot. Der Kaufentscheidung der Kläger lag unter anderem ein Werbefolder zu Grunde, in dem die Anleihe bereits am Deckblatt als Wertpapier mit einer „100 % Kapitalgarantie“ angepriesen wurde. Die Emittentin der Zertifikate war in der Werbebroschüre angegeben, die Garantiegeberin, die dem Konzern derselben amerikanischen Investmentbank angehörte, nicht.
Im Jahr 2008 wurde die amerikanische Investmentbank samt den mit ihr verbundenen Unternehmen (darunter die Emittentin und die Garantin) insolvent.
Die Kläger begehren die Erstattung des Kaufpreises zuzüglich entgangener Zinserlöse Zug um Zug gegen Rückübertragung der von ihnen erworbenen Wertpapiere, in eventu die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden, die ihnen aus dem Ankauf der Zertifikate entstünden.
Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt.
Das Berufungsgericht wies das Hauptbegehren und das Eventualbegehren ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil das Berufungsgericht bei der Beantwortung der Frage, ob der Beklagten das Verhalten des Vermögensberaters zuzurechnen sei und sie auch eine eigene Informations- und Aufklärungspflicht getroffen habe, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1.1 Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs maßgebend (RIS-Justiz RS0112921; vgl auch RS0112769).
1.2 Die Kläger haben den von der Beklagten aufgelegten Prospekt bereits in der Klage zur Grundlage ihrer Ansprüche gemacht. Nach den Feststellungen haben sie nur das Deckblatt des Prospekts gelesen, wobei darin Anhaltspunkte dafür fehlen, dass ihnen im Zuge des Beratungsgesprächs vom Inhalt des Prospekts abweichende Informationen vermittelt worden wären. Damit nehmen die Kläger in der Revision für sich zu Recht in Anspruch, dass es im Verhältnis zur Beklagten nicht darauf ankommt, ob sie den Prospekt selbst gelesen oder ihnen dessen Inhalt von einem Mitarbeiter der Vertriebspartnerin der Beklagten vermittelt wurde. Auch wer eine Urkunde ungelesen unterfertigt, kann die Erklärung unter den gleichen Voraussetzungen wegen Irrtums anfechten wie eine ausdrücklich abgegebene oder eine schriftliche Erklärung nach Durchlesen der Urkunde (RIS-Justiz RS0014753). Maßgeblich bleibt damit der Inhalt des von der Beklagten herausgegebenen Werbefolders, mit dem sich der Oberste Gerichtshof zwischenzeitig in mehreren Entscheidungen auseinandersetzte. Die dabei erarbeiteten Grundsätze haben auch im vorliegenden Fall Geltung. Darüber hinausgehende Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung zeigen die Kläger nicht auf.
2. Zur Beratungs- bzw Aufklärungspflicht im Vorfeld von Effektengeschäften führte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 20/11m (ihr folgend 7 Ob 29/11g, 8 Ob 148/10p ua) unter eingehender Darlegung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sowie der einschlägigen Literaturmeinungen in Beurteilung der auch hier gegenständlichen Werbebroschüre aus, dass die in Form des Ratings enthaltene Information über die Bonität der Emittentin ausreichend gewesen sei. Die Beklagte habe im Hinblick auf die Einschätzung durch die Fachkreise im November 2006 davon ausgehen dürfen, dass das Emittentenrisiko (Bonitäts- und Insolvenzrisiko) bloß theoretischer, vernachlässigbarer Natur sei. Im Hinblick darauf habe keine generelle Pflicht bestanden, über den Inhalt dieser Werbebroschüre hinaus auf das allgemeine Bonitätsrisiko des Emittenten hinzuweisen. Mangels Verletzung von Aufklärungspflichten sei das auf Irrtum und Schadenersatz gestützte Begehren unberechtigt (4 Ob 20/11m [abl Graf, ecolex 2011, 506]; 7 Ob 29/11g; 8 Ob 148/10p; 1 Ob 71/11i ua).
3. Zum angeblichen Irrtum über die Person des Garanten, wie ihn letztlich auch die Kläger geltend machen, gelangte der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 4 Ob 176/10a = ÖBA 2011/1705, 265 = ZFR 2011/42, 89 = ecolex 2011/141, 343 [krit Horak] (dieser folgend 4 Ob 20/11m ua) zum Ergebnis, aus dem von der Beklagten zu vertretenen Werbefolder sei nicht zu schließen gewesen, dass die Beklagte selbst Garantin des beworbenen Produkts wäre. Mangels jeglicher Anhaltspunkte hätten die Kläger nicht darauf vertrauen dürfen. Dass damit die im Werbefolder erwähnte 100%ige Kapitalgarantie nicht in dem von den Klägern angestrebten Sinn Vertragsinhalt wurde, hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits ausgesprochen (4 Ob 20/11m; 5 Ob 56/11p; 1 Ob 108/11f).
4. Verwirklicht hat sich einzig das Insolvenzrisiko, über das die Bank nach gesicherter Rechtsprechung im Hinblick auf die Einschätzung durch die Fachkreise im November 2006 nicht aufzuklären hatte. Dass sich die Lage bis zu ihrem eigenen Erwerb geändert hätte, machen sie nicht geltend. Soweit sich die Kläger darüber hinaus auf eine Verletzung von Aufklärungspflichten (insbesondere nach § 4 Kapitalmarktgesetz [KMG] und §§ 11 ff Wertpapieraufsichtsgesetz [WAG] alt) berufen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass diese behaupteten Unterlassungen und daraus allenfalls resultierenden Fehlvorstellungen ohnehin nicht schlagend geworden sind.
5. Damit kommt auch der Frage, inwieweit die Beklagte den Klägern gegenüber zu einer eigenen, über den Werbefolder hinausgehenden Beratung verpflichtet gewesen wäre, und der Frage nach der Zurechenbarkeit des Verhaltens von Mitarbeitern der Vertriebspartnerin der Beklagten nur noch theoretische Bedeutung zu. Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob ein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu diesen Fragen vorliegt, ist damit für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht präjudiziell (RIS-Justiz RS0088931 [T2, T4, T7]). Sonstige Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung zeigen die Kläger nicht auf.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sie Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Revisionsbeantwortung hat.
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