OGH 4Ob29/07d

OGH4Ob29/07d23.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. H***** Kommanditgesellschaft, *****, 2. T***** GmbH, *****, beide vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 50.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 13. Dezember 2006, GZ 1 R 200/06x-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 17. September 2006, GZ 2 Cg 163/06g-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt lautet:

„Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird den Beklagten für die Dauer des Rechtsstreits untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Pflanzenschutzmittel in Verkehr zu bringen, die nicht nach den Vorschriften des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 gekennzeichnet sind, insbesondere dadurch, dass nicht darauf hingewiesen wird, dass zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt die Gebrauchsanleitung einzuhalten sei, und/oder dadurch, dass keine Angaben über Erste-Hilfe-Maßnahmen angeführt werden. Das darüber hinausgehende Begehren, den Beklagten das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln zu untersagen, die ganz allgemein unrichtig und/oder mangelhaft und/oder irreführend gekennzeichnet seien, oder deren Verpackung insbesondere keine Angaben über die Art der Zubereitung (zB Spritzpulver, Emulsionskonzentrat usw) aufweise, wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Hälfte ihrer Kosten vorläufig selbst zu tragen; die andere Hälfte hat sie endgültig selbst zu tragen. Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen einen mit 657,92 EUR bestimmten Anteil an den Äußerungskosten (darin 109,65 EUR USt) zu ersetzen."

Die Klägerin hat die Hälfte ihrer Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die andere Hälfte hat sie endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen einen mit 1.807,94 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 301,32 EUR USt) zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin und die Zweitbeklagte handeln mit Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln, die Erstbeklagte betreibt eine Einzelhandelskette. Im Frühjahr 2006 bewarb und verkaufte die Erstbeklagte ein von der Zweitbeklagten geliefertes Pflanzenschutzmittel. Auf der Verpackung waren zwar verschiedene Warnhinweise angebracht; es fehlte aber der ausdrückliche Hinweis, dass zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt die Gebrauchsanleitung einzuhalten sei. Weiters waren keine Erste-Hilfe-Maßnahmen angeführt, und auch die „Art der Zubereitung" war nicht ausdrücklich angegeben. In der Gebrauchsanweisung wurde das Mittel allerdings als „Granulat" bezeichnet, das „auszustreuen" sei. Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, den Beklagten zu verbieten, Pflanzenschutzmittel in Verkehr zu bringen, die „unrichtig und/oder mangelhaft und/oder irreführend gekennzeichnet sind", und zwar insbesondere dadurch, „dass nicht darauf hingewiesen wird, dass zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt die Gebrauchsanleitung einzuhalten ist; keine Angaben über Erste-Hilfe-Maßnahmen auf der Verpackung angeführt werden; keine Angaben über die Art der Zubereitung (zB Spritzpulver, Emulsionskonzentrat usw) gemacht werden". Die Beklagten hätten gegen Kennzeichnungsvorschriften iSv § 20 Abs 1 PMG 1997 verstoßen. Es fehlten Angaben über Erste-Hilfe-Maßnahmen und über die Art der Zubereitung (§ 20 Abs 1 Z 7 und 13 PMG 1997). Weiters werde entgegen § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 iVm Art 10 der RL 1999/45/EG nicht darauf hingewiesen, dass zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt die Gebrauchsanleitung einzuhalten sei. Durch die Nichtbeachtung dieser Vorschriften verstießen die Beklagten gegen § 1 UWG. Zudem sei die unzureichende Kennzeichnung zur Irreführung des Publikums geeignet. Durch das Unterbleiben von Hinweisen auf Erste-Hilfe-Maßnahmen und auf Risiken für Mensch und Umwelt stellten die Beklagten ihr Produkt als ungefährlicher dar als jene von Mitbewerbern, die sich an die Kennzeichnungsvorschriften hielten. Bereits der einmalige Verstoß indiziere die Wiederholungsgefahr. Die Beklagten hätten kein Verhalten gesetzt, aus dem abzuleiten sei, dass sie von derartigen Werbepraktiken in Zukunft Abstand nehmen würden. Die Beklagten wenden ein, dass das Pflanzenschutzmittel ordnungsgemäß gekennzeichnet gewesen sei. § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 sei mangels ordnungsgemäßer Umsetzung der Richtlinie 1999/45/EG nicht verbindlich. Angaben über „Erste-Hilfe-Maßnahmen" iSv § 20 Abs 1 Z 7 PMG 1997 seien wegen der auch von der Zulassungsbehörde angenommenen Harmlosigkeit des Produkts nicht erforderlich gewesen. § 20 Abs 1 Z 13 PMG 1997 regle nicht, in welcher Form die „Art der Zubereitung" angegeben werden müsse. Daher genügten die Angaben in der Gebrauchsanweisung, wonach das Produkt „auszustreuen" sei. Zudem finde sich der von der Klägerin vermisste Begriff „Granulat" ohnehin auf der Verpackung. Selbst wenn es aber geringfügige Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften gegeben haben sollte, hätten sie keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung der angesprochenen Kreise gehabt; allfälligen Verstößen fehlte daher die wettbewerbsrechtliche Relevanz. Das Begehren sei zu weit gefasst, da, wenn überhaupt, nur das Inverkehrbringen des konkreten Produkts verboten werden könne. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr, da das Pflanzenschutzmittel ein Aktionsprodukt gewesen sei und sich maximal zwei Wochen im Verkauf befunden habe. Weder bei der Erst- noch bei der Zweitbeklagten gebe es Restbestände; die Zulassung ende mit Ablauf des Jahres 2006. Das Erstgericht erließ die beantragte Verfügung. Das Unterbleiben der Angaben begründe einen Verstoß gegen § 20 Abs 1 PMG 1997, der auch wettbewerbsrechtlich relevant sei. Wiederholungsgefahr sei gegeben. Zwar habe es sich beim strittigen Pflanzenschutzmittel um ein „Aktionsprodukt" gehandelt, von dem es keine Restbestände mehr gebe. Es liege aber nahe, dass die Beklagten in Zukunft andere Pflanzenschutzmittel in gleicher Weise in Verkehr bringen würden. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Beklagten hätten sich in sittenwidriger Weise über Kennzeichnungsvorschriften des PMG 1997 hinweggesetzt. Angesichts der auf dem Produkt angebrachten Warnhinweise könne nicht angenommen werden, dass das Mittel harmlos sei. Daher seien Angaben über „Erste-Hilfe-Maßnahmen" iSv § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 erforderlich gewesen. Weiters fehle die nach § 20 Abs 1 Z 7 PMG 1997 iVm Art 10 RL 1999/45/EG gebotene Angabe: „Zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt ist die Gebrauchsanleitung einzuhalten." Der in § 20 Abs 1 Z 7 PMG 1997 enthaltene Verweis auf die RL 1999/45/EG sei wirksam. Zwar dürfe eine Richtlinie, die Einzelnen subjektive Rechte einräume, nicht zur Gänze durch eine bloße Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht umgesetzt werden. Partielle Verweisungen seien aber insbesondere dann zulässig, wenn eine Richtlinienbestimmung - wie hier - ohnehin keinen Umsetzungsspielraum lasse. Entgegen § 20 Abs 1 Z 13 PMG 1997 fehle auch die ausdrückliche Angabe der Zubereitungsart. Dass im „Fließtext" der Gebrauchsanleitung der Begriff „Granulat" vorkomme, reiche nicht aus.

Das Unterbleiben der Angaben erwecke den Eindruck, das Pflanzenschutzmittel der Beklagten sei harmloser als ordnungsgemäß gekennzeichnete Produkte von Mitbewerbern. Das könne eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung herbeiführen. Die Missachtung der Kennzeichnungsvorschriften begründe daher einen Verstoß gegen § 1 UWG. Weiters seien die fehlenden Angaben geeignet, das Publikum in relevanter Weise über die Eigenschaften des Produkts in die Irre zu führen. Wiederholungsgefahr liege vor, da die Beklagten auf der Rechtmäßigkeit ihres Handelns beharrten. Das Unterlassungsgebot sei nicht zu weit gefasst, da es nahe liege, dass die Beklagten auch bei anderen Pflanzenschutzmitteln ähnlich handelten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines partiellen Verweises auf Richtlinienbestimmungen fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

1. Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch auf einen Verstoß der Beklagten gegen Kennzeichnungsvorschriften des § 20 Abs 1 PMG 1997. Dadurch verschafften sich die Beklagten einen Wettbewerbsvorsprung (§ 1 UWG); zudem seien die Angaben wegen ihrer Unvollständigkeit zur Irreführung des Publikums geeignet (§ 2 UWG). Da das Schwergewicht des Klagsvorbringens auf der Verletzung der Kennzeichnungsvorschriften liegt, ist zunächst der Verstoß gegen § 1 UWG zu prüfen.

2. Gegen § 1 UWG verstößt, wer sich durch einen zu Wettbewerbszwecken begangenen Rechtsbruch einen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern verschafft (RIS-Justiz RS0078089, RS0077931). Ein solcher Rechtsbruch kann auch in der Verletzung von Kennzeichnungsvorschriften liegen (4 Ob 328/76 = SZ 49/70 - Fruchtherzen; 4 Ob 364/86 = ÖBl 1989, 104 - Margarineschmalz; 4 Ob 47/94). Der Gesetzesverstoß muss subjektiv vorwerfbar sein. Maßgebend ist, ob die Auffassung des belangten Mitbewerbers über den Inhalt der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann (4 Ob 331/82 = SZ 56/2 - Metro-Post; RIS-Justiz RS0077771;

zuletzt etwa 4 Ob 173/06d und 4 Ob 245/06t). Weiters muss das

Verhalten geeignet sein, eine nicht bloß unerhebliche („spürbare")

Nachfrageverlagerung zu bewirken (4 Ob 99/03t = SZ 2003/56 -

Veranstaltungshinweise; zuletzt etwa 4 Ob 74/06w = wbl 2006, 438

[krit Schuhmacher] = ÖBl 2006, 268 [Rungg/Albiez] = ecolex 2007, 48

[Tonninger] - Einkaufszentrum U III, sowie 4 Ob 222/06k; beide mwN).

3. § 20 Abs 1 PMG 1997, auf dessen Verletzung sich die Klägerin stützt, lautet seit seiner Änderung durch das Agrarrechtsänderungsgesetzes 2004 (BGBl I 2004/83) wie folgt:

„Pflanzenschutzmittel dürfen im Inland nur in Verkehr gebracht werden, wenn auf den Verpackungen (Fertigpackungen und Überverpackungen) folgende Angaben als Kennzeichnung deutlich sichtbar, lesbar und unverwischbar in deutscher Sprache enthalten sind:

[...]

  1. 7. Angaben über die Erste-Hilfe-Maßnahmen,
  2. 8. die Kennzeichnungsanforderungen nach der Richtlinie 1999/45/EG vom 31. Mai 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen (ABl. Nr. L 200 vom 30. Juli 1999, S. 1),

    [...]

    13. die Art der Zubereitung (zB Spritzpulver, Emulsionskonzentrat usw.) [...]."

    Die in § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 genannte RL 1999/45/EG enthält in Artikel 10 unter der amtlichen Überschrift „Kennzeichnung" folgende

    Bestimmung:

„1.2. In Bezug auf Pflanzenschutzmittel im Sinne der Richtlinie 91/414/EWG werden die Kennzeichnungsvorschriften der vorliegenden

Richtlinie um folgende Aufschrift ergänzt: 'Zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt ist die Gebrauchsanleitung einzuhalten.' Diese Kennzeichnung erfolgt unbeschadet der nach Artikel 16 und Anhang V der Richtlinie 91/414/EWG erforderlichen Angaben."

Diese Regelung war schon in der ursprünglichen Fassung der - seither mehrfach geänderten - Richtlinie enthalten (ABl 1999 L 200). Die Umsetzung erfolgte durch den zu diesem Zweck mit dem Agrarrechtsänderungsgesetz 2004 neu gefassten § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997.

4. Die Verpackung entsprach nicht den Vorschriften der § 20 Abs 1 Z 7 und 8 PMG 1997. Ob auch ein Verstoß gegen § 20 Abs 1 Z 13 PMG vorlag, kann offen bleiben.

4.1. Auf der Verpackung fehlten die in § 20 Abs 1 Z 7 PMG 1997 vorgesehenen Angaben über Erste-Hilfe-Maßnahmen. Die Beklagten bestreiten diesen Umstand nicht, vertreten aber die Auffassung, die Klägerin hätte ein Vorbringen zur Frage erstatten müssen, welche konkreten Erste-Hilfe-Maßnahmen anzuführen gewesen wären. Diese Argumentation kann nicht überzeugen. Der Vorwurf der Klägerin ist nicht darauf gerichtet, dass auf der Verpackung falsche oder unzureichende Erste-Hilfe-Maßnahmen abgedruckt gewesen wären. Sie stützt sich vielmehr auf das völlige Fehlen solcher Angaben. Auf dieser Grundlage wäre es Sache der Beklagen gewesen, durch Bescheinigung der völligen Harmlosigkeit des Mittels die subjektive Vertretbarkeit ihrer Auffassung darzulegen, dass Angaben über Erste-Hilfe-Maßnahmen entgegen dem Wortlaut des Gesetzes überhaupt nicht erforderlich waren. Angesichts der auf der Verpackung angebrachten Warnhinweise ist eine solche Harmlosigkeit freilich kaum anzunehmen.

Solange der Beweis (die Bescheinigung) der völligen Harmlosigkeit nicht gelingt, ist davon auszugehen, dass die Beklagten in subjektiv vorwerfbarer Weise gegen § 20 Abs 1 Z 7 PMG 1997 verstoßen haben. Ob dieser Verstoß geeignet ist, zu einer spürbaren Nachfrageverlagerung zu führen, ist gesondert zu prüfen (unten 5.).

4.2. Auf der Verpackung fehlte weiters der nach § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 iVm Art 10 Z 1.2. der RL 1999/45/EG erforderliche Satz: „Zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt ist die Gebrauchsanleitung einzuhalten." Die Beklagten vertreten hier die Auffassung, dass der Verweis auf die Richtlinie sowohl gegen das Gemeinschaftsrecht als auch gegen das österreichische Verfassungsrecht verstoße und daher keine (jedenfalls keine wettbewerbsrechtlich relevante) Kennzeichnungspflicht begründe. (a) Die Frage, ob der in § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 enthaltene Verweis die Richtlinie RL 1999/45/EG ausreichend umsetzt, kann hier offen bleiben. Denn auch wenn das nicht der Fall wäre, folgte aus dem Gemeinschaftsrecht keine Verpflichtung zur Nichtanwendung der nationalen Regelung. Aus dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts lässt sich nämlich nur ableiten, dass Gerichte und Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten nationales Recht unangewendet lassen müssen, das dem Gemeinschaftsrecht entgegensteht, (stRsp seit EuGH Rs 6/64, Slg 1964, 1521 - Costa/Enel, zusammenfassend etwa Rs 106/77, Slg 1978, 629 - Simmenthal II; vgl dazu mwN Hetmeier in Lenz/Borchardt (Hrsg), EUV/EGV4 [2006] Art 249 EGV Rz 24; Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht3 [2006] 80 f; Wegener in Callies/Ruffert (Hrsg), EUV/EGV2 [2002] Art 220 EGV Rz 22 ff; aus der österreichischen Rsp zuletzt etwa 1 Ob 57/04w = SZ 2004/76 mwN). Dadurch soll dem Gemeinschaftsrecht volle Wirksamkeit (plein effet) verschafft werden (EuGH Rs C-358/95 , Slg 1997 I 1431 - Morellato, Rz 18; Rs C-118/00 , Slg 2001 I 5063 - Kommission/Italien, Rz 52; vgl Hetmeier in Lenz/Borchardt aaO). Zweck des Anwendungsvorrangs ist somit die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Recht, das damit unvereinbar ist, dh in der Anwendung zu anderen Ergebnissen führt.

Im hier zu beurteilenden Fall steht § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 aber nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht, sondern dient gerade dessen Umsetzung. Unvereinbarkeit im Sinn von unterschiedlichen Rechtsfolgen liegt daher nicht vor. Aus diesem Grund kann offen bleiben, ob die österreichische Regelung den Bestimmtheitsanforderungen entspricht, die das Gemeinschaftsrecht für die Umsetzung von Richtlinien verlangt (vgl dazu EuGH Rs C-96/95 Slg 1997 I 1654 - Kommission/Deutschland; Ruffert in Callies/Ruffert Art 249 EGV Rz 52; Öhlinger/Potacs aaO 118 f). Denn diese Frage wäre nur in einem gegen die Republik Österreich geführten Vertragsverletzungsverfahren zu prüfen. Demgegenüber könnte aus einer unzureichenden Umsetzung keinesfalls abgeleitet werden, dass die Umsetzungsbestimmung, die jedenfalls nicht im inhaltlichen Widerspruch zur Richtlinie steht, aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen unanwendbar wäre. Denn damit würde die mit dem Anwendungsvorrang bezweckte „volle Wirksamkeit" des Gemeinschaftsrechts geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Die bloße Tatsache, dass die Richtlinie möglicherweise unzureichend umgesetzt wurde, steht daher der Anwendung des ihr inhaltlich nicht widersprechenden Umsetzungsgesetzes nicht entgegen. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten ist angesichts des dargestellten Zwecks des Anwendungsvorrangs nicht mit guten Gründen vertretbar. Die auf das Kriterium der Vertretbarkeit abstellende Rechtsprechung deckt nicht den Versuch, einen offenkundigen Gesetzesverstoß nachträglich mit spitzfindigen Argumenten zu rechtfertigen.

(b) Zu prüfen bleibt daher der Einwand, dass § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 nicht den Erfordernissen des nationalen Verfassungsrechts genüge. Auch das trifft aber nicht zu.

Der Verfassungsgerichtshof sieht Verweisungen auf das Gemeinschaftsrecht als grundsätzlich zulässig an (VfGH 13. 12. 2005 G 104/05 = ecolex 2006, 339; B 249/04 = VfSlg 17.479; weitere Nachweise bei Öhlinger/Potacs aaO 119 f). Das gilt wohl auch für solche Verweisungen, die sich nicht auf eine bestimmte Fassung eines Gemeinschaftsrechtsakts beziehen, sondern - durch die Technik der „dynamischen Verweisung" - auch allfällige Änderungen erfassen (VfGH B 249/04 = VfSlg 17.479; eingehend Öhlinger/Potacs aaO 120 mwN; ebenso Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht [2005] Rz 193; Öhlinger, Verfassungsrecht6 [2005] Rz 86; aA Eisenberger/ Urbantschitsch, Die Verweisung als Instrument zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, ÖZW 1999, 74, 78). Diese Frage kann hier aber offen bleiben, weil § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 schon wegen der Angabe der Fundstelle des Gemeinschaftsrechtsakts als - jedenfalls zulässige - statische Verweisung zu deuten ist (vgl zur Zulässigkeit statischer Verweisungen Eisenberger/Urbantschitsch, ÖZW 1999, 77 f; allgemein Berka aaO Rz 193 und Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts9 [2000] Rz 253).

Dass der Gesetzgeber in § 20 Abs 1 PMG 1997 keine dynamischen Verweisungen anordnen wollte, erhellt im Übrigen auch aus § 20 Abs 1 Z 9 PMG 1997, der - wieder mit Angabe der Fundstelle - auf Anhänge einer Richtlinie in der Fassung einer anderen Richtlinie verweist. Aus Art 18 B-VG folgt, dass (auch) Verweisungen auf das Gemeinschaftsrecht das Verweisungsobjekt ausreichend bestimmt festlegen müssen (VfGH G 49/03 ua = VfSlg 16.999; 13. 12. 2005 G 104/05; 11. 10. 2006 G 50/06 ua; Öhlinger/Potacs aaO 119 f mwN; für Verweisungen innerhalb des nationalen Rechts VfGH G 135/93 ua = VfSlg 13.740; Berka aaO Rz 193 mwN). Auch daran besteht hier aber kein Zweifel. Denn die Verweisung richtet sich ausdrücklich auf die „Kennzeichnungsanforderungen" der Richtlinie 1999/45/EG . Aus deren amtlichen Überschriften ergibt sich, dass damit jedenfalls Art 10 („Kennzeichnung") und die darin genannten Anhänge gemeint sind. Damit ist das Ziel der Verweisung ohne jeden Zweifel erkennbar. Aus diesem Grund unterscheidet sich die hier zu beurteilende Bestimmung von den vom Verfassungsgerichtshof als zu unbestimmt angesehenen Verweisungen auf das „Marktordnungsrecht als Ganzes" (VfGH 13. 12. 2005 G 104/05, 11. 10. 2006 G 50/06 ua) oder auf „bestehende Rechtsakte des Rates der Europäischen Gemeinschaft" (VfGH G 49/03 ua = VfSlg 16.999).

§ 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 steht daher im Einklang mit dem österreichischen Verfassungsrecht. Den Beklagten kann auch in diesem Zusammenhang keine vertretbare Rechtsansicht zugebilligt werden. Denn schon im Hinblick auf die zwingende Anordnung des Art 140 Abs 7 B-VG können - vom Senat nicht geteilte - Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes einen dagegen begangenen Verstoß niemals als „aus guten Gründen vertretbar" erscheinen lassen (4 Ob 32/89; 4 Ob 105/92 = ecolex 1993, 611 - Samstag-Frühschluss; zuletzt etwa 4 Ob 225/05z; RIS-Justiz RS0077751 T19). Zudem ist offenkundig, dass zumindest der Zweitbeklagten die Verbindlichkeit des Verweises auf gemeinschaftsrechtliche Kennzeichnungsvorschriften bewusst war. Denn sonst wäre nicht erklärbar, weshalb sie auf der Verpackung die - ebenfalls nur durch Verweis erschließbaren - „Standardsätze" (Warnhinweise) nach § 20 Abs 1 Z 9 PMG 1997 iVm den Anhängen IV und V der RL 91/414/EWG idF der RL 2003/82/EG anbringen ließ. (c) Diese Erwägungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Verweisung auf Bestimmungen einer Richtlinie mag zwar unter gewissen Umständen aus Sicht des Gemeinschaftsrechts für deren korrekte Umsetzung nicht ausreichen, sie führt aber nicht dazu, dass das Umsetzungsgesetz aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht anzuwenden wäre. Aus Sicht des nationalen Verfassungsrechts ist eine solche Verweisung jedenfalls dann zulässig, wenn sie sich auf eine bestimmte Fassung der Richtlinie bezieht (statische Verweisung) und das Objekt der Verweisung ausreichend bestimmt ist.

Die Beklagten haben daher in subjektiv nicht vertretbarer Weise gegen § 20 Abs 1 Z 8 PMG 1997 verstoßen. Ob dieser Verstoß geeignet ist, zu einer spürbaren Nachfrageverlagerung zu führen, ist gesondert zu prüfen (unten 5.).

4.3. Ob durch die Verwendung des Begriffs „Granulat" im „Fließtext" und durch die in der Gebrauchsanleitung enthaltene Klarstellung, dass das Pflanzenschutzmittel „auszustreuen" ist, das Erfordernis der Angabe der Zubereitungsart iSv § 20 Abs 1 Z 13 PMG 1997 erfüllt wurde, kann dahinstehen. Denn insofern fehlt jedenfalls die Eignung zu einer spürbareren Verlagerung der Nachfrage (unten 5.).

5. Wie bereits ausgeführt (oben 2.), erfüllen nur solche Rechtsverletzungen den Tatbestand des § 1 UWG, die geeignet sind, zu einer spürbaren Verlagerung der Nachfrage führen.

Dieses Erfordernis ist bei der Verletzung von § 20 Abs 1 Z 7 und 8 PMG 1997 aus den vom Rekursgericht zutreffend dargelegten Gründen erfüllt. Das Fehlen von ausdrücklichen Hinweisen auf „Risiken für Mensch und Umwelt" und von Angaben über „Erste-Hilfe-Maßnahmen" ist geeignet, einen Eindruck der Harmlosigkeit zu erwecken, der das Mittel der Beklagten gegenüber Konkurrenzprodukten als vorzugswürdig erscheinen lässt. Denn gerade Hobbygärtner werden im Zweifel eher zu einem Produkt greifen, das - bei sonst gleicher Wirkung - nach den Verpackungsangaben weniger in den Naturhaushalt einzugreifen scheint als andere. Schon aus diesem Grund ist es auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht erforderlich, dass die mit der Gefährlichkeit und/oder Wirksamkeit eines Produkts zusammenhängenden Kennzeichnungsvorschriften genau eingehalten werden. Anders verhält es sich mit der Angabe der Zubereitungsart iSv § 20 Abs 1 Z 13 PMG 1997. Denn selbst wenn man dieses Erfordernis - wie die Vorinstanzen - als objektiv verletzt ansehen wollte, ist doch nicht erkennbar, warum das im konkreten Fall zu einer spürbaren Nachfrageverlagerung führen könnte. Denn für die angesprochenen Verkehrskreise ist nach den Feststellungen offenkundig, dass es sich beim strittigen Pflanzenschutzmittel um ein Granulat handelt; dieser Begriff wird sogar auf der Verpackung erwähnt. Selbst wenn das den Anforderungen des § 20 Abs 1 Z 13 PMG 1997 nicht genügen sollte, wäre die wettbewerbsrechtliche Relevanz jedenfalls zu verneinen. An dieser Beurteilung änderte sich nichts, wenn man im Sinn der Kritik Schuhmachers (Glosse zu 4 Ob 74/06w, wbl 2006, 438) für die Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Relevanz nicht (nur) an einer „nicht unerheblichen Nachfrageverlagerung", sondern (auch) an einer „wesentlichen Beeinflussung eines Durchschnittsverbrauchers" anknüpfte. Denn im Regelfall werden diese Kriterien ohnehin zum selben Ergebnis führen: Wird ein Durchschnittsverbraucher durch eine unlautere Geschäftspraktik „wesentlich beeinflusst", so wird das meist auch zu einer „nicht unerheblichen" Nachfrageverlagerung führen. Über den Grenzfall, dass sich eine Geschäftspraktik nur auf einen oder eine ganz geringe Zahl von Verbrauchern auswirkt, ist hier nicht zu entscheiden.

6. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Beklagten (nur) durch die Verletzung von § 20 Abs 1 Z 7 und 8 PMG 1997 gegen § 1 UWG verstoßen haben. Damit ist bei Vorliegen von Wiederholungsgefahr (unten 7.) ein Unterlassungsanspruch begründet.

§ 2 UWG kann zu keinen weitergehenden Ansprüchen führen. Denn die „Spürbarkeit" durch eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung iSd Rsp zu § 1 UWG entspricht ihrem Wesen nach der für einen Verstoß gegen § 2 UWG geforderten „Relevanz" der Irreführung infolge Beeinflussung eines nicht unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise (4 Ob 222/06k = RIS-Justiz RS0121680). Eine gesonderte Prüfung des beanstandeten Verhaltens nach § 2 UWG ist daher nicht erforderlich.

7. Der Verstoß gegen § 1 UWG indiziert nach allgemeinen Grundsätzen die Wiederholungsgefahr (RIS-Justiz RS0080065); die Behauptungs- und Beweislast (Bescheinigungslast) für den Wegfall trifft die Beklagten (RIS-Justiz RS0005402). Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, dass der Abverkauf des strittigen Produkts nicht die geringste Gewähr dafür bietet, dass die Beklagten beim Vertrieb anderer Pflanzenschutzmittel nicht in ähnlicher Weise gegen Kennzeichnungsvorschriften verstoßen werden. Wiederholungsgefahr liegt daher vor.

Richtig ist auch, dass eine allgemeinere Fassung des Verbots erforderlich ist, um Umgehungen zu verhindern (RIS-Justiz RS0037733; RS0037607). Würde das Verbot auf das konkret strittige Pflanzenschutzmittel beschränkt, wäre es nahezu sinnlos (vgl 4 Ob 2100/96v = ÖBl 1996, 231 - Chargennummern; zuletzt die zwischen denselben Parteien ergangene E 4 Ob 55/06a). Die Vorinstanzen haben daher zu Recht nicht nur das Inverkehrbringen des strittigen Pflanzenschutzmittels verboten.

Allerdings geht das Verbot in zwei Richtungen zu weit. Zum einen nennt es mit der (angeblich) unterbliebenen Angabe der Zubereitungsart ein Verhalten, das, wie oben dargestellt, selbst bei einem objektiven Verstoß gegen § 20 Abs 1 Z 13 PMG 1997 nicht wettbewerbswidrig wäre. Die Beklagten können aber nicht zu einer Unterlassung verhalten werden, zu der sie nach materiellem Recht gar nicht verpflichtet sind (RIS-Justiz RS0037461; zuletzt etwa 4 Ob 23/06w = wbl 2006, 487 - Direktvergabe mwN). Insofern ist das Begehren daher jedenfalls abzuweisen.

Zum anderen war das Unterlassungsbegehren zu unbestimmt. Nach stRsp

muss das Unterlassungsgebot das verbotene Verhalten so deutlich

umschreiben, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein

zukünftiges Verhalten dienen kann. Es muss in einer für das Gericht

und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet

wird; nicht näher konkretisierte, allgemeine Begriffe reichen dafür

nicht aus (4 Ob 258/04a = RIS-Justiz RS0119807; RIS-Justiz RS0004864

T7; zuletzt 4 Ob 247/05k = ÖBl 2007, 17 [Gamerith] - Plakatwechsler

II mwN).

Das hier beantragte Verbot, Pflanzenschutzmittel in Verkehr zu bringen, die „unrichtig und/oder mangelhaft und/oder irreführend" gekennzeichnet sind, geht nicht über die abstrakte Aufforderung hinaus, nur solche Waren in Verkehr zu bringen, die „richtig" gekennzeichnet sind, sich maW rechtmäßig zu verhalten. Diese allgemeine Formulierung erfüllt das Bestimmtheitserfordernis nicht (4 Ob 247/05k). Das Unterlassungsgebot ist daher auf die konkret geltend gemachte Rechtsverletzung, nämlich die Nichtbeachtung von Kennzeichnungsvorschriften des PMG 1997 einzuschränken. Das Mehrbegehren ist abzuweisen.

Hingegen ist es nicht erforderlich, auch das Spürbarkeitskriterium in den Spruch aufzunehmen. Nach stRsp (SZ 73/117 = MR 2000, 308 - Verbrecherpolizisten; RIS-Justiz RS0114017) besteht kein zwingender Anlass, Rechtfertigungsgründe und daraus resultierende Ausnahmen vom gerichtlichen Verbot in den Spruch aufzunehmen, gelten diese doch auf Grund des Gesetzes unabhängig davon, ob sie im Spruch ausdrücklich erwähnt werden oder nicht. Liegt der rechtfertigende Tatbestand vor, kann nicht erfolgreich Exekution geführt werden.

Gleiches muss für die hier zu beurteilende Spürbarkeit der Wettbewerbsverletzung gelten. Die Beklagten haben durch die Nichtbeachtung von zwei Kennzeichnungsbestimmungen des PMG 1997 gegen § 1 UWG verstoßen. Daher kann ihnen dieses Verhalten mit einer zwar am konkreten Verstoß orientierten, jedoch allgemein gehaltenen Formulierung verboten werden. Die fehlende Eignung zu einer wettbewerbsrechtlich erheblichen Nachfrageverlagerung aus besonderen Gründen könnte gegebenenfalls mit Impugnationsklage geltend gemacht werden; eine weitergehende Einschränkung des Titels ist dafür nicht erforderlich.

8. Aus diesen Gründen ist die von den Vorinstanzen erlassene einstweilige Verfügung teilweise abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Angesichts der nicht nur die Formulierung des Unterlassungsgebots, sondern auch die konkret beanstandeten Verhaltensweisen betreffenden Teilabweisung ist die Klägerin aus kostenrechtlicher Sicht nur mit etwa der Hälfte ihres Begehrens durchgedrungen.

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