Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin verfügt (ua) am Firmensitz in S***** über eine Gewerbeberechtigung für das auf den Handel mit kosmetischen Erzeugnissen aller Art eingeschränkte Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO 1973 (nunmehr § 124 Z 11 GewO 1994). Sie ist inländischer Generalimporteur und Generalvertriebsberechtigter für kosmetische Produkte, die ua unter den Marken "JOOP!", "Davidoff", "Jil Sander" und "Sculpture" im Wege eines selektiven Vertriebssystems (Depotsystems) an Fachparfümerien und -drogerien im Wiederverkauf abgegeben werden.
Die Beklagte verfügt an einer Vielzahl von Standorten in Österreich regelmäßig über eine auf den Kleinhandel eingeschränkte Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO 1973 (nunmehr § 124 Z 11 GewO 1994) und für das Drogistengewerbe gemäß § 223 GewO 1973 (nunmehr: § 127 Z 14 GewO 1994) sowie noch andere (hier nicht maßgebliche) Gewerbeberechtigungen.
Die Herstellerin bringt auf jeder Verpackung und nach Möglichkeit auf auf dem Flacon eine (jedenfalls zumeist) zehnstellige Nummer an. Diese ist die Grundlage dafür, die Daten der Herstellung zu identifizieren, wobei die Informationen den Tag, die Uhrzeit nach Sekundenbruchteilen genau, den Herstellungsort und die konkrete Abfüllanlage sowie Aufzeichnungen über ungewöhnliche Vorkommnisse bei der Produktion - wie Überdrehen der Verschlüsse des Behältnisses, zu große Abfüllmengen und sonstige Produktionsprobleme - ausweisen. Die ersten zwei Ziffern bezeichnen den Laserdrucker, der den Herstellungscode anbringt, wonach sich die konkrete Abfüllstation ermittteln läßt. Die Herstellungsprozedur verläuft so, daß von Tanks mit mehreren tausend Litern abgefüllt wird; dabei können mehrere Füllstationen - jede für eine bestimmte Flacongröße - zugleich arbeiten. Mit jeder dieser Füllstationen ist ein Laserdrucker verbunden.
Der Computer der Klägerin kann den Code nur lesen, wenn er vollständig ist.
Der Code dient der Herstellerin auch als Kontrollinstrument, um bei Auftauchen ihrer Produkte auf dem "grauen Markt" den Lieferweg nachvollziehen zu können, und enthält auch die dafür erforderlichen Daten. Die Klägerin beliefert nur ausgesuchte Einzelhändler, wobei sie die Abgabepreise vorgibt. Sie unterliegt, wie alle Großhändler, einem selektiven Vertriebssystem, dh, daß die Produkte nur an bestimmte Händler angeboten werden und der Vertrieb nur innerhalb des autorisierten Vertriebssystems erfolgen darf.
Dennoch werden die Erzeugnisse der Klägerin auf dem "grauen Markt" gehandelt. Die Händler, die gegen die Vertriebsbindungen verstoßen, entfernen die Codierungen ganz oder teilweise oder machen sie unkenntlich.
Die Beklagte, die von der Klägerin nicht beliefert wird, hat deren Ware - sowohl vor als auch nach dem 1.Jänner 1994 - auf dem "grauen Markt" bezogen. Sie bot Produkte, bei denen die Codierung teilweise unkenntlich gemacht war, in mehreren Fällen an. Am 18.Juli 1995 verkaufte sie in ihrer Filiale S*****, vier Packungen Eau de Parfum-Natural Spray/50 ml der Marke "Sculpture-Nikos Parfums" und eine Packung Nr. 4 Eau de Parfum-Natural Spray/50 ml der Marke "Jil Sander". Dabei waren aus dem vom Hersteller Nikos Parfums/Paris auf der Bodenlasche des äußeren Verpackungskartons angebrachten zehnstelligen Code zur Identifizierung des Herstellungspostens jeweils fünf Ziffern herausgefräst oder herausgeschnitten. Auf der Verpackung des "Jil Sander"-Produktes waren dabei die fünf ersten Ziffern des Codes leserlich geblieben. Bei einem "Sculpture"-Produkt waren von dem auf der Standfläche des Einschubständers für den Glasflacon angebrachten zehnstelligen Herstellungscodes die fünf letzten Ziffern entfernt worden. In derselben Filiale bot die Beklagte Eau de Toilettte der Marke "Joop!" und After-Shave "Davidoff cool water" an, bei denen nur die ersten sechs Ziffern des Codes am äußeren Verpackungskarton und an der Standfläche des Glasflacons lesbar geblieben waren.
Gleiches geschah in V***** und den Wiener Filialen der Beklagten. In keinem Fall war der ganze Code unkenntlich, die ersten vier, meist fünf Ziffern blieben jedenfalls erhalten.
Die Beklagte hatte von ihrem Lieferanten die Zusicherung erhalten, daß die vorhandenen Ziffern für die Identifizierung der Charge ausreichten.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, kosmetische Mittel in den Verkehr zu bringen, die entgegen den Bestimmungen der Kosmetikkennzeichnungsverordnung 1993 nicht mit der Nummer des Herstellungspostens (Chargennummer) oder einer anderen Angabe (wie das Datum) versehen sind, welche die Identifizierung des Herstellungspostens (Charge) ermöglichen. Die Beklagte verstoße planmäßig und bewußt gegen die nicht wettbewerbsneutrale gesetzliche Kennzeichnungsvorschrift und mache zur Irreführung geeignete Angaben. Sie habe daher gegen §§ 1 und 2 UWG verstoßen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe die Kosmetikkennzeichnungsverordnung nicht verletzt, da aus den vier bis fünf Ziffern, die nach wie vor auf Verpackung und Flacon aufschienen, die Identifizierung des Herstellungspostens möglich sei. Die Behauptung, daß bei einem Verstoß gegen § 4 Abs 1 Z 8 der Kosmetikkennzeichnungsverordnung die Volksgesundheit gefährdet werde, sei an den Haaren herbeigezogen. Da die Klägerin eine rechtlich wirksame Vertriebsbindung gar nicht behauptet habe, könnten weder die Entfernung der Codenummer noch der Vertrieb der decodierten Ware gegen das UWG verstoßen. Das Unterlassungsbegehren sei auch zu weit gefaßt, weil dem darin enthaltenen allgemeinen Verbot die erforderliche Individualisierung des begehrten Titels durch den Bezug auf einen konkreten Verstoß fehle.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es könne nicht festgestellt werden, daß auf Grund der verbliebenen Ziffern die Charge nicht ermittelt werden könnte. Verstöße gegen Bestimmungen einer Kennzeichnungsverordnung könnten, soweit sie dem Schutz der Volksgesundheit dienten, zwar im Sinn des § 1 UWG sittenwidrig sein. Die Beklagte würde dafür, sofern sie nicht bereit und in der Lage sei, den Importeur bekanntzugeben (§ 5 Z 2 lit a Kosmetikkennzeichnungsverordnung) als Gehilfe des sittenwidrig handelnden Importeurs haften. Im vorliegenden Fall könne aber nicht als bescheinigt angenommen werden, daß die restliche Kennzeichnung nicht ausreiche. Außerdem sei der Beklagten zugesichert worden, daß die verbliebene Kennzeichnung zur Identifizierung genüge. Es fehle daher an der Bescheinigung eines rechtswidrigen Inverkehrbringens mangelhaft gekennzeichneter Ware und einer bewußten Rechtsverletzung, die in der Absicht, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, begangen wurde.
Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die von der Beklagten vertriebenen Produkte seien unbestrittenermaßen kosmetische Mittel im Sinn der Kosmetikkennzeichnungsverordnung BGBl 1993/891. Sie dürften daher im Inland nur dann gewerbsmäßig feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden, wenn sie nach den Bestimmungen dieser Verordnung gekennzeichnet sind (§ 2 der Verordnung). Zu den Kennzeichnungselementen nach § 4 Abs 1 Z 8 der Verordnung gehöre die Nummer des Herstellungspostens (Chargen-Nummer) oder eine andere Angabe (wie das Datum), welche die Identifizierung des Herstellungspostens (Charge) ermöglicht. Da die Beklagte Ware auf den Markt bringe, bei der die vom Hersteller - zumindest auch - in Erfüllung der Pflichten gemäß § 4 der Verordnung angebrachten Nummern entfernt wurden, habe die Beklagte zu bescheinigen, daß trotz teilweiser Entfernung der Ziffern die von § 4 Abs 1 Z 8 der Verordnung geforderte Identifizierung des Herstellungspostens noch in ausreichender Weise gewährleistet sei.
Das Rekursgericht nehme ergänzend als bescheinigt an, daß die restlichen acht Ziffern des Codes in fortlaufender Reihenfolge vergeben werden, also eine jedem Artikel zugeordnete fortlaufende Nummer bedeuteten. Darüber hinaus sei - entgegen der Beweiswürdigung des Erstgerichtes - auch als bescheinigt anzusehen, daß auf Grund der auf den von der Beklagten vertriebenen Artikeln verbliebenen Ziffern des Codes eine einwandfreie Identifizierung der Herstellungscharge nicht möglich ist. Daraus folge, daß die Ergebnisse der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Stuttgart vom 14.Juli 1995, 2 U 99/95 = WRP 1995, 973 auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind. § 4 deutsche Kosmetikverordnung 1985 idgF gehe nämlich ebenso wie § 4 Abs 1 Z 8 österreichische Kosmetikkennzeichnungsverordnung 1993 auf Artikel 6 Abs 1 lit e der EU-Ratslinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über kosmetische Mittel 1976 (idF der 6.-Rats-Änderungsrichtlinie 1993) zurück. § 4 der österreichischen Verordnung diene ebenso wie § 4 der deutschen Kosmetikverordnung dazu, bei einem festgestellten Fehler eines Artikels zum Schutz der Volksgesundheit umgehend allfällige weitere von einem entsprechenden Fehler betroffene Waren zu ermitteln und Schutzmaßnahmen einleiten zu können. Die Mißachtung eines solchen Gebotes verstoße gegen die guten Sitten im Sinn des § 1 UWG.
Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihr die Gesetzesverletzung subjektiv nicht vorwerfbar sei. Die ihr vom holländischen Lieferanten erteilte (unrichtige) Auskunft, daß auch mit den verbleibenden Ziffern eine einwandfreie Identifizierung der Herstellungscharge möglich sei, bilde keine Grundlage dafür, daß die Beklagte ihre Rechtsansicht "mit gutem Grund" vertrete. Die Frage, ob die Kennzeichnung auch dann nicht hätte entfernt werden dürfen, wenn sie nur zur Aufrechterhaltung von Vertriebsbindungen diente, könne offen bleiben, weil die Kontrollnummern jedenfalls auch der Erfüllung der Pflichten gemäß § 4 KosmetikkennzeichnungsV gedient hätten. Dem Einwand der "unclean hands" stehe das Neuerungsverbot entgegen; im übrigen sei er auch nicht berechtigt. Das - durch Einfügen der Worte "die von der Klägerin vertrieben werden" - verdeutlichte Unterlassungsbegehren sei nicht zu weit gefaßt. Bei engerer Fassung wäre eine Umgehung allzu leicht möglich.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor:
Aus § 397 Abs 1 EO ergibt sich - wie schon aus § 402 Abs 4 iVm § 3 Abs 2 - EO, daß eine einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Gegners erlassen werden kann. Unterbleibt eine Aufforderung des Beklagten, sich zum Sicherungsantrag zu äußern, dann bedeutet das weder Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (ÖBl 1974, 63 - Kallinger), noch einen Verfahrensmangel; in diesem Fall steht ja dem Beklagten der Widerspruch nach § 397 EO zu.
Im vorliegenden Fall hat zwar das Erstgericht eine Äußerung des Beklagten zum Sicherungsantrag, nicht aber zu der daraufhin erstatteten "Gegenäußerung" der Klägerin (ON 4) eingeholt und die von der Beklagten dazu überreichte Stellungnahme (ON 5) - ebenso wie das Rekursgericht - unberücksichtigt gelassen. Aber auch das begründet (weder Nichtigkeit noch) den geltend gemachten Verfahrensfehler, weil auch in diesem Fall die Beklagte das Recht gehabt hätte, gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch zu erheben (ÖBl 1982, 83 - Orientteppich-Ausverkauf). Daß - wie die Beklagte meint - ihr die Möglichkeit zu einem Widerspruch deshalb genommen gewesen sei, weil ja das Erstgericht den Sicherungsantrag abgewiesen habe, trifft nicht zu. Der Widerspruch ist ja auch dann statthaft, wenn erst das Gericht zweiter Instanz die einstweilige Verfügung bewilligt, nachdem das Erstgericht den Sicherungsantrag ohne Anhörung des Gegners abgewiesen hatte (SZ 40/17; ÖBl 1984, 28 - Rezeptschwindelaffäre).
Soweit die Beklagte beanstandet, daß das Gericht zweiter Instanz von einer Feststellung des Erstgerichtes abgegangen ist, ohne A.M***** persönlich vernommen oder seine Vernehmung durch das Erstgericht veranlaßt zu haben, übersieht sie, daß sie eine solche Vernehmung in erster Instanz nicht beantragt hat; vielmehr hat sie sich nur auf die eidesstättige Erklärung M*****s (Beilage ./5), eines holländischen Händlers, berufen. Richtig ist allerdings, daß sie als Bescheinigungsmittel für ihre Behauptungen - auch derjenigen, daß die auf den Verpackungen verbliebenen Nummern zur Identifizierung des Herstellungspostens ausreichten (S. 22) - nicht nur die eidesstattliche Erklärung Angela S*****s (Beilage./1), sondern auch deren Vernehmung als Auskunftsperson beantragt hat (S. 26). Daraus ist aber für die Beklagte nichts zu gewinnen. Schon aus ihrem Vorbringen wird deutlich, daß sie als bloße Bezieherin der mehrfach genannten Waren kein eigenes Wissen über die Bedeutung der einzelnen Bestandteile des Codes hat, sondern sich nur auf die Information ihres Lieferanten beruft ("Wie unsere nunmehrigen Nachforschungen ergeben haben, dürften, von wem immer, lediglich die Bestandteile der Chargen-Nummer entfernt worden sein, aus welchen zB hervorgeht, an wen der Hersteller die Ware zuerst auslieferte." ...). Aus der eidesstattlichen Erklärung Angela S*****s (Beilage ./1) geht hervor, daß diese - eine Angestellte der Beklagten - zu der strittigen Frage nur bekunden kann, was ihr der Lieferant mitteilte. Sie spricht dort davon, daß "nach unserem Informationsstand die erforderlichen Angaben zur Identifizierung des Herstellungspostens enthalten" waren, um das in der Folge mit der Auskunft des Lieferanten zu begründen. Daß das Rekursgericht bei dieser Sachlage eine persönliche Vernehmung der Auskunftsperson für entbehrlich gehalten hat, begründet keinen Verfahrensfehler, zumal eine "vorgreifende" Beweiswürdigung in dritter Instanz nicht überprüfbar ist (EFSlg 39.260; 44.106 ua).
Mit ihren Ausführungen, das Rekursgericht hätte den Bescheinigungsmitteln der Klägerin keinen Glauben schenken dürfen und wegen der Notwendigkeit eines aufwendigen Verfahrens nicht nach § 274 Abs 1 ZPO vorgehen dürfen, bekämpft die Beklagte in Wahrheit die Beweiswürdigung des Gerichtes zweiter Instanz. Das ist aber unzulässig, weil der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (ÖBl 1992, 60 - Club Diva-Creativ ua), die Anfechtung der Beweiswürdigung in dritter Instanz also unzulässig ist (Kodek in Rechberger ZPO, Rz 1 zu § 528 mwN).
Soweit die Beklagte die Berücksichtigung von Urkunden rügt, die die Klägerin erst in ihrer Gegenäußerunng vorgelegt hat, ist sie auf das oben Gesagte zu verweisen.
Auch die Rechtsrüge versagt.
Auf die Ausführungen zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen § 4 Abs 1 Z 8 KosmetikkennzeichnungsV gleichzeitig eine Verletzung der guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) bedeutet, braucht nicht eingegangen zu werden. Liegt nämlich ein Verstoß gegen eine Bestimmung der KosmetikkennzeichnungsV vor, dann bedarf es keines Rückgriffes auf § 1 UWG. Nach § 34 Abs 3 UWG kann unbeschadet der Strafverfolgung (ua) auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer den Vorschriften des II. Abschnittes des UWG (§§ 27 bis 33 f) zuwiderhandelt. Ein Verstoß gegen eine auf Grund des § 32 UWG erlassenen Verordnung wie die KosmetikkennzeichnungsV bedeutet nicht nur eine Verwaltungsübertretung (§ 33 Abs 1 UWG), sondern begründet auch einen Unterlassungsanspruch (4 Ob 33/95 - insoweit nicht veröffentlicht in WBl 1995, 470). Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof auch schon ausgesprochen, daß es seit der Einbettung der Bestimmungen über den Ausverkauf in das UWG (§§ 33 a ff UWG) nicht mehr auf das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 1 UWG ankomme (ÖBl 1995, 214 - Ausverkaufszeitraum). Es bedarf daher weder einer Prüfung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Verstoß gegen § 4 Abs 1 Z 8 KosmetikkennzeichnungsV BGBl 1993/891 idF BGBl 1995/333 gegen die guten Sitten verstößt und ob die Beklagte ihre Rechtsansicht mit guten Gründen vertreten könnte; vielmehr begründet allein schon der (objektive) Verstoß gegen § 4 Abs 1 Z 8 der Verordnung einen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch.
Da - nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden - Feststellungen des Rekursgerichtes die verbliebenen Nummern des Herstellungspostens zur Identifizierung der Herstellungsposten (Chargen) nicht ausreichen, liegt ein Verstoß gegen § 4 Abs 1 Z 8 Kosmetikkennzeichnungsverordnung vor.
Wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, steht diesem Unterlassungsanspruch nicht entgegen, daß die Herstellerin die Codierung als Kontrollinstrument benützt, um die Vertriebswege zu kontrollieren. Auch wenn dieses Interesse der Herstellerin - wie die Beklagte darlegt - im Hinblick auf Artikel 85 Abs 1 und 86 EGV rechtswidrig und daher jedenfalls nicht schutzwürdig sein sollte, kann daraus nicht mit der Beklagten der Schluß gezogen werden, daß deshalb die zur Überprüfung der Vertriebswege eingeführten Kennzahlen auch dann entfernt werden dürfen, wenn damit gleichzeitig die Identifizierung der Herstellungsposten verhindert wird. Die Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 8 Kosmetikschutzverordnung - welche in Ausführung des Artikels 6 Abs 1 lit e der EU-Ratsrichtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über kosmetische Mitteln 1976 geschaffen wurde - dient ja dazu, bei einem festgestellten Fehler eines Artikels im Interesse der Volksgesundheit umgehend alle von diesem Fehler möglicherweise betroffenen weiteren Waren zu ermitteln und entsprechende Schutzmaßnahmen einleiten zu können (BGH GRUR 1994, 642 - Chargen-Nummer). Daß ein solches Interesse "an den Haaren herbeigezogen sei", trifft nicht zu, sind doch gesundheitsschädliche Wirkungen bestimmter Herstellungsposten nur allzu leicht denkbar und auch - wie allgemein bekannt - schon des öfteren Gegenstand von Berichten in Medien gewesen (vgl Beilage ./P). In der erwähnten Richtlinie 76/768/EWG heißt es im Hinblick darauf auch ausdrücklich: "Es könnte vorkommen, daß in den Verkehr gebrachte kosmetische Mittel sich als für die Volksgesundheit schädlich erweisen, obgleich sie den Vorschriften dieser Richtlinie und ihrer Anhänge entsprechen; infolgedessen sollte ein Verfahren vorgesehen werden, um dieser Gefahr zu begegnen".
Daß aber die über § 4 Kosmetikkennzeichnungsverordnung geschützte Volksgesundheit ein (weit) höherwertiges Rechtsgut ist als das Interesse eines Herstellers, das Unterlaufen seines Vertriebsbindungssystemes unmöglich zu machen oder doch zu erschweren, liegt auf der Hand, zumal ja ohnehin rechtliche Mittel gegen unzulässige wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen bestehen.
Auch wenn sich die Gerichte bei der Auslegung einer nationalen Vorschrift, die der Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft dient (Art 189 Abs 3 EGV) soweit wie möglich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie zu orientieren und Rechtsbegriffe, die in der Richtlinie und im innerstaatlichen Recht übereinstimmen, entsprechend den gemeinsamrechtlichen Begriffen auszulegen haben (Gamerith, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EGV in Wettbewerbssachen, ÖBl 1995, 51 ff [54]; Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht2, 179; EuGH EuZW 1993, 544 - Nissen), besteht hier doch keine Notwendigkeit, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes nach Art 177 EGV einzuholen, weil die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes derart offenkundig ist, daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt (Borchardt in Lenz, EGV-Komm, Rz 30 und 31 zu Artikel 177; Geiger, EGVKomm2, Rz 16 zu Artikel 177; Gamerith aaO 57 mwN aus dem Schrifttum; EuGHSlg 1982, 3415 - CILFIT; ÖBl 1996, 28 - Teure S 185.-; ÖBl 1996, 133 = WBl 1996, 32 - Pizza-Vorab).
Aus diesem Grund war dem als Anregung zu verstehenden "Antrag" - der als solcher unzulässig wäre, weil allein das Gericht von Amts wegen zu entscheiden hat, ob der EuGH nach Artikel 177 EGV anzurufen ist (Krück in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, Rz 52 zu Art 177; ÖBl 1996, 28 - Teure S 185.-; ÖBl 1996, 133 = WBl 1996, 32 - Pizza-Vorab) - nicht zu entsprechen.
Schließlich kann der Beklagten auch darin nicht gefolgt werden, daß das Unterlassungsgebot zu weit gefaßt sei. Die Spruchfassung hält sich vielmehr an die Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Formulierung des Unterlassungsbegehrens (Unterlassungsgebotes) (ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II; ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille ua). Gerade bei einem Verstoß wie dem hier beanstandeten wäre es nahezu sinnlos, der Beklagten nur die konkreten Verletzungshandlungen im engsten Sinn zu untersagen, das Verbot also auf die in den Feststellungen erwähnten Parfümerieartikel einzuengen, liegt es doch sehr nahe, daß die Beklagte bei anderen kosmetischen Mitteln (wie sie auch die Klägerin vertreibt) in der gleichen Weise verfahren werde. Der Oberste Gerichtshof hat daher einem gleichartigen Unterlassungsbegehren schon einmal stattgegeben (4 Ob 47/94).
Auf den in erster Instanz erhobenen Einwand, daß die Kosmetikkennzeichnungsverordnung BGBl 1993/891 auf die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung (1.Jänner 1994) gewerbsmäßig feilgehaltenen oder sonst in Verkehr gesetzten verpackten kosmetischen Mittel nicht Anwendung finde (§ 6 Abs 4 der Verordnung), die Beklagte aber noch solche Waren auf Lager habe (S. 21), kommt die Beklagte im Revisionsrekurs nicht mehr zurück. Aus der vom Rekursgericht gewählten Spruchfassung geht ohnehin eindeutig hervor, daß sich das Unterlassungsgebot nur auf solche Waren bezieht, die der Kosmetikkennzeichnungsverordnung 1993 unterliegen.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.
Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Beklagten gründen sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO, jener über die Kosten der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO.
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