LVwG Niederösterreich LVwG-AV-1837/001-2021

LVwG NiederösterreichLVwG-AV-1837/001-20211.2.2022

AWG 2002 §13j
AWG 2002 §14 Abs2 Z11

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1837.001.2021

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Warum als Einzelrichter über die Beschwerde 1. der A GmbH, in ***, *** (Erstbeschwerdeführerin), und 2. der B KG, in der Bundesrepublik Deutschland, ***, *** (Zweitbeschwerdeführerin), beide vertreten durch D Rechtsanwälte GmbH, in ***, ***, gegen den Bescheid der Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMKUEMIT) vom 01.07.2021, Zl. ***, betreffend Zurückweisung eines Antrages nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), zu Recht:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Verfahrensgang und entscheidungswesentliche Feststellungen:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin beliefert den österreichischen Markt, darunter Einzelhandelsketten, mit Tragetaschen aus verschiedenen Materialien. Die Kunden der Erstantragstellerin bieten die Tragetaschen ihrerseits ihren Kunden, den Verbrauchern, in ihren Verkaufsstelen der Waren oder Produkte (z.B. Super- oder Möbelmärkte) oder bei Übergabe der Waren oder Produkte an. Übergeben werden die Tragetaschen von der Erstantragstellerin an deren österreichische Kunden in Österreich.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin produziert Tragetaschen und ist ebenfalls im Vertrieb von Tragetaschen europaweit tätig. Sie beliefert einerseits die Vertriebsgesellschaften der C Gruppe in Europa, darunter auch die Erstbeschwerdeführerin, andererseits auch konzernfremde Kunden. Sämtliche Tragetaschen, die die Zweitbeschwerdeführerin an die Erstbeschwerdeführerin liefert, dienen dazu, dass sie in Österreich in Verkehr gesetzt werden.

 

Bis zum 31.12.2019 bezog die Erstbeschwerdeführerin zu deren Vertrieb von der Zweitbeschwerdeführerin hergestellte Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von mehr als 50 Mikron (0,05 mm), wobei die Übergabe in Österreich in einem Hochlager in *** erfolgte. Die Beschwerdeführerinnen beabsichtigen auch in Zukunft, Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von mehr als 50 Mikron (0,05 mm) in Verkehr zu bringen.

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 20.8.2020, eingebracht zunächst 1. bei der Landeshauptfrau von NÖ, 2. bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach und 3. bei der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT), beantragten die Beschwerdeführerinnen jeweils, „die Behörde wolle bescheidmäßig feststellen, dass dem Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen mit einer Mindestwandstärke von 50 Mikron durch die [Beschwerdeführerinnen] in Österreich nicht das Verbot des [§ 13j] AWG 2002 entgegensteht.“

 

1.3. Mit Bescheid vom 16.9.2020, ***, wies die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach und mit Bescheid vom 25.9.2020, ***, wies die Landeshauptfrau von NÖ jeweils die Anträge der Beschwerdeführerinnen zurück.

 

Die dagegen jeweils erhobenen Beschwerden wies das Landesverwaltungsgericht NÖ mit Erkenntnissen vom 18.2.2021, LVwG-AV-1066/001-2020 und LVwG-AV-1113/001-2020, als unbegründet ab.

Gegen diese Erkenntnisse erhoben die Beschwerdeführerinnen jeweils außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH).

 

1.4. Mit dem hier angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die im Schriftsatz vom 20.8.2020 gestellten Anträge (in der mit E-Mail vom 10.9.2020 berichtigten Fassung) zurück.

 

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst zunächst zur Zuständigkeit aus, dass der von den Beschwerdeführerinnen begehrte Feststellungsbescheid im Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) nicht explizit vorgesehen sei. Ein Feststellungsbescheid könne außerdem nur von der örtlich und sachlich zuständigen Behörde erlassen werden, wobei jener Behörde die Zuständigkeit zukomme, zu deren Wirkungsbereich der engste sachliche Zusammenhang bestehe. Die belangte Behörde sei nach § 6 Abs. 5 AWG 2002 mit der Vollziehung der spezielleren Materie „Verpackungen“ betraut, während Feststellungsverfahren gemäß § 6 Abs. 1 AWG 2002 betreffend die generelle Materie „Abfall“ dem örtlich zuständigen Landeshauptmann obliegen würden. Die Zuständigkeiten des Landeshauptmanns in Feststellungsverfahren gemäß § 6 AWG 2002 beziehe sich nicht auf Verpackungen, woraus sich eine Zuständigkeit der belangten Behörde ergebe. Weiters ergebe sich eine Zuständigkeit der belangten Behörde aus der Verordnungsermächtigung des § 14 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 für die Festlegung einiger Vorgaben im Zusammenhang mit der Abgabe von Kunststofftragetaschen. Dass die Verordnungsermächtigung nicht explizit von einem Verbot des Inverkehrsetzens spreche, sei nicht maßgeblich.

 

Inhaltlich führt die belangte Behörde aus, der gegenständliche Feststellungsantrag habe eine Feststellung zum Ziel, welche gesetzlich nicht vorgesehen sei. Diesfalls könne eine Feststellung nur als subsidiärer Rechtsbehelf erfolgen, wenn 1. die Feststellung eines Rechtsverhältnisses und nicht nur einer Tatsachenfrage beantragt werde, 2. ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung bestünde und 3. kein anderes gesetzliches Verfahren zu dieser Feststellung vorgesehen sei. Wie auch das Landesverwaltungsgericht Salzburg in einer vergleichbaren Entscheidung vom 22.5.2020, 405-2/212/1/6-2020, ausgesprochen hätte, werde gegenständlich die Auslegung bzw. Subsumtion bestimmter Gegenstände unter eine gesetzliche Bestimmung beantragt. Es fehle somit bereits an einem festzustellenden, bestehenden Recht oder Rechtsverhältnis. Auf Grund der klaren Rechtslage könne auch kein wesentliches rechtliches Interesse der Beschwerdeführerinnen an der Feststellung erkannt werden.

 

Den Beschwerdeführerinnen gehe es in ihren Anträgen auch nicht darum, ob die von ihnen beabsichtigten, in Verkehr zu setzenden Kunststofftragetaschen die Ausnahmebestimmung des § 13k AWG 2002 erfüllen würden, sondern bekämpft werde das generelle Verbot des Inverkehrsetzens, soweit Tragetaschen über 50 Mikron umfasst seien. Nähere Auseinandersetzungen mit der Ausnahmebestimmung des § 13k AWG 2002 könnten daher unterbleiben.

 

Die Anträge seien daher zurückzuweisen.

 

Der Bescheid enthält folgende Rechtsmittelbelehrung: „Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.“

 

1.5. Gegen den am 16.7.2021 zugestellten Bescheid erhoben die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 12.8.2021, eingebracht bei der belangten Behörde per E-Mail am selben Tag, Beschwerde. Darin wurde 1. die ersatzlose Behebung und 2., in eventu, die Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit beantragt.

 

Begründend wird im Wesentlichen zunächst ausgeführt, dass gegen den angefochtenen Bescheid entgegen der Rechtsmittelbelehrung die Beschwerde gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG zulässig sei. Weiters liege es in der Verantwortung der belangten Behörde, die Beschwerde dem gemäß Art. 131 B-VG zuständigen Verwaltungsgericht vorzulegen, somit gegenständlich dem Landesverwaltungsgericht NÖ. Das AWG 2002 zähle nicht zu den in Art. 102 Abs. 2 B-VG genannten Angelegenheiten, es liege auch kein Fall des Art. 102 Abs. 4 B-VG vor. Die örtliche Zuständigkeit folge mangels einfachgesetzlicher Festlegung aus § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 3 Z 2, ggf. Z 3 AVG.

 

Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid liege gegenständlich eine unklare Rechtslage vor, woraus sich ein Interesse an der beantragten Feststellung ergebe. Nach der innerstaatlichen Regelung des § 13j AWG 2002 sei das in § 2 Abs. 10 Z 5 AWG 2002 legaldefinierte Inverkehrsetzen der in Z 1 leg. cit. legaldefinierten Kunststofftragetaschen aus dem in Z 2 leg. cit. legaldefinierten Kunststoff seit dem 1.1.2020 verboten. Eine Ausnahme enthalte § 13k AWG 2002 in Bezug auf sehr leichte Kunststofftragetaschen sowie wiederverwendbare Tragetaschen. Nach der Auffassung der Beschwerdeführerinnen widerspreche das Verbot des § 13j AWG 2002 dem Unionsrecht.

 

Die Gesetzesmaterialien zur AWG-Rechtsbereinigungsnovelle 2019, BGBl. I Nr. 71/2019, mit der unter anderem § 13j AWG 2002 eingeführt worden sei, würden auf die Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie der EU, RL 2008/98/EG idF RL 2018/851/EU verweisen. Aus deren Art. 4 ergebe sich für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Verpackungsabfällen zu setzen. Dazu sei aber auszuführen, dass die in der Richtlinie angeführten Beispielmaßnahmen zur Vermeidung von Abfällen keine Verbote für das Inverkehrbringen vorsehen würden.

 

Weiters werde in den Gesetzesmaterialien die RL 94/62/EG (Verpackungs-RL) erwähnt, welche unter anderem durch die RL 2015/720/EU geändert worden sei. Deren Erwägungsgrund 11 führe aus, dass von den Mitgliedstaaten zu ergreifende Maßnahmen den Einsatz wirtschaftlicher Instrumente wie Preisfestsetzung, Steuern und Abgaben, die sich zur Verringerung des Verbrauchs an Kunststofftragetaschen als besonders effektiv erwiesen hätten, sowie von Marktbeschränkungen wie Verboten abweichend von Artikel 18 der RL 94/62/EG , sofern diese Beschränkungen verhältnismäßig und nichtdiskriminierend seien, einschließen könnten. Die RL 2015/720/EU differenziere jedoch zwischen „leichten Kunststofftragetaschen“ (unter 50 Mikron) und „Kunststofftragetaschen“, woraus eben keine einheitliche Behandlung und somit kein einheitliches Verbot abzuleiten sei.

 

Aus Art. 18 Verpackungs-RL ergebe sich, dass ein Verbot des Inverkehrbringens sich lediglich auf Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von unter 50 Mikron beziehen dürfe, es sich also lediglich um „leichte Kunststofftragetaschen“ handeln dürfe. Auch unter Berücksichtigung der RL 2019/904/EU (Einwegkunststoff-RL) ergebe sich höchstens eine mögliche Marktbeschränkung für leichte Kunststofftragetaschen. Eine Rechtsgrundlage für ein Verbot sämtlicher Kunststofftragetaschen bestehe nicht.

 

Weiters wird vorgebracht, dass sich aus der unmittelbaren Anwendbarkeit des Unionsprimärrechts wie auch sekundärer unionsrechtlicher Bestimmungen ein Anwendungsvorrang vor diesem entgegenstehendem innerstaatlichen Recht ergebe. Art 18 Verpackungs-RL sei unmittelbar anwendbar. § 13j AWG 2002 werde daher von Art. 18 Verpackungs-RL verdrängt.

 

Das Verbot des § 13j AWG 2002 bewirke außerdem ein Einfuhrverbot im Sinne des Art. 34 AEUV, weil es die Übergabe von Kunststofftragetaschen in Österreich an eine andere Rechtsperson verbiete. Einschränkungen des Art. 24 AEUV seien jedoch nur zulässig, wenn sie verhältnismäßig seien. Zur Beurteilung der Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit des Verbotes nach § 13j AWG 2002 sind die für Kunststofftragetaschen einschlägigen Bestimmungen in der Verpackungs-RL, welche lex specialis gegenüber der Abfallrahmen-RL sei, heranzuziehen. Auch wenn es mit der RL 2015/720/EU zu einer Einschränkung der Anwendung von Art. 18 Verpackungs-RL gekommen sei, ergebe sich daraus nicht, dass ein absolutes Verbot für das Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen zulässig sei. Sohin bestünden erhebliche Zweifel, dass das Verbot des § 13j AWG 2002 in Bezug auf andere als leichte Kunststofftragetaschen im Sinne des Art. 3 Z 1c Verpackungs-RL Art. 18 leg. cit. entspreche.

 

Selbst unter der Annahme, dass ein Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen grundsätzlich ein Ziel verfolge, dass die Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen würde, wäre die gewählte innerstaatliche Umsetzung jedoch nicht geeignet, weil das Ziel – die Verringerung des Pro-Kopf-Verbrauchs von Kunststofftragetaschen – nicht kohärent und systematisch verfolgt würde. Der Verbrauch von leichten Kunststofftragetaschen in Österreich sei niedrig, weshalb ein Verbot nicht erforderlich sei. Ein Verbot sonstiger Kunststofftragetaschen ab einer Folienstärke von 50 Mikron sei eine unverhältnismäßige Einschränkung.

 

Schließlich wird vorgebracht, dass § 13j AWG 2002 richtlinienkonform auszulegen sei. Dazu gehöre auch die teleologische Reduktion oder Analogie. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 13j und § 13k AWG 2002 habe der Gesetzgeber eine Umsetzung der RL 2015/720/EU vor Augen gehabt. Dabei sei offenbar angenommen worden, dass – abgesehen von der Ausnahme des § 13k AWG 2002 – ein weitgehendes Verbot für Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von mehr als 50 Mikron zulässig sei. Angesichts der dargelegten Bedenken sei eine teleologische Reduktion des Verbotes des § 13j AWG 2002 anzustellen. Das darin enthaltene Verbot sei nur für jene Kunststofftragetaschen anwendbar, die über keine Mindestwandstärke von 50 Mikron verfügten. Auf Grund dieser Bedenken sei die Rechtslage, entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, keineswegs klar.

 

Zur Feststellbarkeit eines Rechts oder Rechtsverhältnisses wird sodann vorgebracht, dass das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg gegenständlich nicht herangezogen werden könne. So werde gerade nicht die Feststellung beantragt, ob bestimmte Produkte, die die Beschwerdeführerinnen in Verkehr setzen wollten, vom Verbot des § 13j AWG 2002 erfasst seien. Der gegenständliche Feststellungsantrag ziele auch nicht auf die Anwendbarkeit bzw. Auslegung des § 13j AWG 2002 ab, denn es werde die Feststellung beantragt, dass Kunststofftragetaschen mit einer bestimmten Wandstäke in Verkehr gesetzt werden dürften. Es werde nicht die Feststellung beantragt, dass § 13j AWG 2002 nicht anwendbar oder in einer bestimmten Weise auszulegen sei.

 

Auch beziehe sich der Feststellungsantrag nicht auf die Qualifikation eines Sachverhalts, weil gerade nicht in Zweifel gezogen werde, dass ein Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen, die die Voraussetzungen des § 13k AWG 2002 nicht erfüllten, anhand des Wortlauts des § 13j AWG 2002 rechtswidrig wäre. Es werde von der belangten Behörde insofern zu Recht angenommen, dass es nicht darum gehe, dass festgestellt werde, ob die antragsgegenständlichen Kunststofftragetaschen den Ausnahmetatbestand des § 13k AWG 2002 erfüllten.

 

Die Beschwerdeführerinnen hätten ein rechtliches Interesse an der Klärung der Rechtsfrage, ob sie trotz des nationalen Verbots weiterhin Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von 50 Mikron in Österreich in Verkehr setzen dürften. Werde die nationale Bestimmung von Unionsrecht verdrängt, dürften solche Kunststofftragetaschen in Verkehr gesetzt werden. Es werde daher die Klärung des strittigen Rechts auf Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen mit einer bestimmten Wandstärke in Österreich angestrebt. Im Ergebnis liege daher ein feststellungsfähiges Recht bzw. Rechtsverhältnis vor.

 

Da es schließlich den Beschwerdeführerinnen nicht zumutbar sei, sich der Gefahr einer Bestrafung auszusetzen, sei das Feststellungsverfahren zulässig, zumal kein anderes gesetzliches Verfahren zur Verfügung stehe.

 

1.6. Mit Schreiben vom 11.10.2021 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht NÖ den Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

 

2. Beweiswürdigung:

Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, Zl. ***, darin inliegend insbesondere die verfahrensgegenständlichen Anträge, der angefochtene Bescheid sowie die Beschwerde. Der Inhalt des Verwaltungsaktes erwies sich als unbedenklich. Ein strittiger Sachverhalt ergab sich aus dem Verwaltungsakt in Bezug zur Beschwerde nicht, wurde denn dem Bescheid das sachverhaltsbezogene Vorbringen der Feststellungsanträge zugrunde gelegt. Ein davon abweichendes Vorbringen enthält auch die Beschwerde nicht.

 

3. Rechtslage:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) lauten auszugsweise:

„Artikel 131. (1) Soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt, erkennen über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 die Verwaltungsgerichte der Länder.

(2) Soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. […]

(3) […]

(4) Durch Bundesgesetz kann

Bundesgesetze gemäß Z 1 und Z 2 lit. c dürfen nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

[…]“

 

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten auszugsweise:

„Örtliche Zuständigkeit

§ 3. (1) Sofern die Rechtssache nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehört, ist in Rechtssachen in den Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Landessache ist, das Verwaltungsgericht im Land zuständig.

(2) Im Übrigen richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören,

  1. 1. in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 und 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, nach § 3 Z 1, 2 und 3 mit Ausnahme des letzten Halbsatzes des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in Verwaltungsstrafsachen jedoch nach dem Sitz der Behörde, die den Bescheid erlassen bzw. nicht erlassen hat;

[…]

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

  1. 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
  2. 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

[…]“

 

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) lauten auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) – (9) […]

(10) Im Hinblick auf die §§ 13j bis 13q ist oder sind

[…]

Feststellungsbescheide

§ 6. (1) Bestehen begründete Zweifel,

hat der Landeshauptmann dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten oder auf Veranlassung der Bundespolizei nach Maßgabe des § 82 oder der Zollorgane nach Maßgabe des § 83 mit Bescheid festzustellen. Der Verfügungsberechtigte hat die für die Beurteilung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Ein Feststellungsbescheid gemäß Z 2 darf nur beantragt werden, sofern nicht § 7 zur Anwendung kommt.

(2) – (4) […]

(5) Bestehen begründete Zweifel, ob oder inwieweit eine Sache einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 unterliegt oder welcher Produktgruppe einer Verordnung nach § 13h Abs. 2 eine Verpackung zuzuordnen ist, hat die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf Antrag eines Verpflichteten oder von Amts wegen innerhalb von drei Monaten einen Feststellungsbescheid zu erlassen.

(6) Der Landeshauptmann hat auf Antrag eines Projektwerbers oder des Umweltanwaltes oder von Amts wegen innerhalb von drei Monaten festzustellen, ob

Parteistellung hat neben dem Projektwerber der Umweltanwalt.

(7) Bestehen begründete Zweifel über den Umfang

hat der Landeshauptmann auf Antrag des Inhabers der Berechtigung oder der Anlagengenehmigung oder von Amts wegen einen Feststellungsbescheid zu erlassen. Abs. 4 gilt sinngemäß.

[…]

Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen

§ 13j. Das Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen ab dem 1. Jänner 2020 ist verboten.

Ausnahmen vom Inverkehrsetzungsverbot von Kunststofftragetaschen

§ 13k. Ausgenommen vom Verbot des Inverkehrsetzens gemäß § 13j sind

[…]

Maßnahmen für die Abfallvermeidung und -verwertung

§ 14. (1) Soweit dies zur Erreichung der Ziele und Grundsätze der Abfallwirtschaft, insbesondere der Hierarchie gemäß § 1 Abs. 2 und 2a und der Ziele der Abfallvermeidungsmaßnahmen gemäß § 9 zur Verringerung der Abfallmengen und Schadstoffgehalte und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft erforderlich ist, wird die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ermächtigt, Maßnahmen gemäß Abs. 2 zur Wahrung der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) und unter Bedachtnahme auf die Vorgaben des Bundes-Abfallwirtschaftsplans im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort mit Verordnung festzulegen. Dabei ist auf die Erfüllung der Anforderungen an die Warenverteilung und auf die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten Bedacht zu nehmen.

(2) Folgende Pflichten für Hersteller, Importeure, Vertreiber, Sammel- und Verwertungssysteme, Abfallsammler, -behandler und Letztverbraucher können festgelegt werden:

Bei der Festlegung von Maßnahmen gemäß § 14 Abs. 2 Z 7 ist hinsichtlich der Vermeidung unzulässiger Auswirkungen auf Gewässer das Einvernehmen mit der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus herzustellen.

(2a) […]

(2b) Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird ermächtigt, durch Verordnung nähere Bestimmungen über den Inhalt der Sicherstellung gemäß § 13a Abs. 5, deren Festsetzung, Art, Bemessung, Leistung, Zugriff, Verfall, Verwendung und Freiwerden, deren Nachweis- und Meldepflichten und nähere Bestimmungen über die Berechnung der Finanzierung der Sammlung und Behandlung von Abfällen, die einer Verordnung gemäß Abs. 1 unterliegen, festzulegen.

(3) Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird ermächtigt, in einer Verordnung gemäß Abs. 1 für Verpflichtete, bei denen bestimmte Abfälle ab einer in der Verordnung festzulegenden Mengenschwelle anfallen, gleichwertige alternative Pflichten zur Rückgabe, Rücknahme, Wiederverwendung oder sonstigen Verwertung von Produkten oder Abfällen oder zur Beteiligung an einem Sammel- und Verwertungssystem oder zu den erforderlichen Aufzeichnungs-, Nachweis- und Meldepflichten festzulegen.

(4) […]

(5) In anderen Gesetzen geregelte Pflichten zur Kennzeichnung, Information, Rückgabe, Rücknahme, Einhebung eines Pfandbetrages oder Unterlassung des In-Verkehr-Setzens von Produkten bleiben davon unberührt.

(6) Für Verpackungen wird die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ermächtigt, im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort mit Verordnung festzulegen:

(7) – (8) […]

Maßnahmen zur Reduktion von Einwegkunststoff-Verpackungen

§ 14a. (1) Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zur Verminderung der in Verkehr gesetzten Einwegkunststoff-Verpackungen bis zum Jahr 2025 um 20% gegenüber dem Jahr 2018 (§ 9 Z 18) und zur Förderung des Ausbaus von Mehrwegsystemen für Verpackungen, insbesondere für Getränkeverpackungen (§9 Z 19), folgende Pflichten für Gebietskörperschaften, Hersteller, Importeure, Vertreiber, Sammel- und Verwertungssysteme, Abfallsammler, -behandler und Letztverbraucher durch Verordnung festzulegen:

(2) Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort für die Zwecke des Abs. 1 durch Verordnung Verfahren zur Feststellung des Beitrags der gewählten Maßnahme zur Zielerreichung und Informationspflichten über das Ausmaß oder die Abschätzung der Zielerreichung festzulegen.

[…]“

 

4. Erwägungen:

4.1. Eingangs ist auszuführen, dass die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides lediglich den Satz enthält, dass gegen den Bescheid „ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig“ sei. Diese zwar unzureichende Rechtsmittelbelehrung schadet im Hinblick auf § 61 Abs. 2 AVG letztendlich nicht, wurde die Beschwerde denn binnen der Beschwerdefrist von vier Wochen (vgl. § 7 Abs. 4 VwGVG) und somit rechtzeitig bei der belangten Behörde (vgl. § 12 VwGVG) eingebracht.

 

4.2.1. Das AWG 2002 gehört nicht zu den in Art. 102 Abs. 2 B-VG aufgezählten Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, welche im Rahmen des verfassungsmäßig festgestellten Wirkungsbereiches unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden können. Eine in einem solchen Fall (ausnahmsweise) vorgesehen erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesministers macht diese Angelegenheit nicht zu einer der unmittelbaren Bundesverwaltung, sodass auch bei einer Zuständigkeit eines Bundesministers in einer sonst in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogenen Angelegenheit die Kompetenz des Landesverwaltungsgerichts gegeben ist (vgl. VwGH 27.2.2019, Ro 2016/04/0048; Köhler in Köhler/Brandtner/Schmelz, VwGVG Kommentar, Art. 131 B-VG Rz 54; Raschauer in Raschauer/Wessely (Hrsg), VwGVG § 3 Rz 12).

 

4.2.2. Die angesichts der zwei Antragstellerinnen zunächst strittig erscheinende örtliche Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts NÖ ergibt sich im Ergebnis aus § 3 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Z 2 AVG, wonach auf den Betrieb des Unternehmens bzw. den Ort, an dem die sonstige dauernde Tätigkeit ausgeübt werden soll, abgestellt wird. Das Unternehmen der Erstbeschwerdeführerin wird in ***, Niederösterreich, betrieben, von dort aus werden die verfahrensgegenständlichen Kunststofftragetaschen verkauft und anschließend an Kunden in ganz Österreich geliefert. Die Zweitbeschwerdeführerin beliefert wiederum die Erstbeschwerdeführerin, woraus sich der Anknüpfungspunkt der Ausübung der dauernden Tätigkeit ergibt. Von einer örtlichen Zuständigkeit des LVwG NÖ war daher auszugehen (vgl. auch VwGH 29.10.2015, Ro 2015/07/0017).

4.3. Zur Zuständigkeit der belangten Behörde:

4.3.1. Wie bereits zutreffend sowohl im Feststellungsantrag als auch im angefochtenen Bescheid ausgeführt, besteht für das gegenständliche Feststellungsbegehren im AWG 2002 keine explizite Rechtsgrundlage. Zwar sieht § 6 AWG 2002 die Möglichkeit der Erlassung von Feststellungsbescheiden vor, allerdings ist zum einen Abs. 1 leg. cit. nicht anwendbar, da es sich bei den gegenständlichen Kunststofftragetaschen nicht um Abfall handelt und dies auch nicht bezweifelt wird. Zum anderen wird weder begehrt, ob die Kunststofftragetaschen einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 AWG 2002 unterliegen, noch, welcher Produktgruppe einer Verordnung nach § 13h AWG 2002 sie zuzuordnen seien, weshalb auch § 6 Abs. 5 AWG 2002 nicht explizit angewendet werden kann.

 

4.3.2. Wie bereits die belangte Behörde in ihrem Bescheid ausführt, ist auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Zuständigkeitsnorm jene Behörde zur Erlassung eines Feststellungsbescheides als zuständig anzusehen, zu deren Wirkungsbereich der engste sachliche Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 30.5.2006, 2003/12/0102). Erstens ist die belangte Behörde im Rahmen der Bestimmung des § 6 Abs. 5 AWG 2002 für Feststellungsverfahren betreffend Verpackungen zuständig. Zweitens ist die BMKUEMIT gemäß § 14 Abs. 1 AWG 2002 ermächtigt, mittels Verordnung Maßnahmen gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Wahrung der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) und unter Bedachtnahme auf die Vorgaben des Bundes-Abfallwirtschaftsplans im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort mit Verordnung festzulegen. § 14 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 sieht dabei etwa als Maßnahme ein „Verbot der unentgeltlichen Abgabe von Kunststofftragetaschen an Letztverbraucher, Mindestentgelte für die Abgabe von Kunststofftragetaschen und Aufzeichnungs- und Meldepflichten über die Menge der in Verkehr gesetzten Kunststofftragetaschen“ vor. Zumal es sich um ein Inverkehrsetzen der Kunststofftragetaschen in ganz Österreich handelt, folgt das erkennende Gericht der Ansicht der belangten Behörde, wonach die BMKUEMIT jene Behörde ist, zu deren Wirkungsbereich der gegenständliche Feststellungsantrag den engsten sachlichen Zusammenhang aufweist (so auch LVwG NÖ 18.2.2021, LVwG-AV-1113/001-2020 und LVwG-AV-1066/001-2020).

 

4.4. Zur Zulässigkeit der Feststellungsanträge:

4.4.1. Ein rechtliches Interesse einer Partei an einer bescheidmäßigen Feststellung ist bei Fällen, in denen die Erlassung eines Feststellungsbescheides im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, gegeben, wenn der Feststellungsbescheid für die Partei ein geeignetes Mittel zur Beseitigung aktueller oder zukünftiger Rechtsgefährdung ist (vgl. VwGH 30.3.2004, 2002/06/0199). Der Feststellung muss somit in concreto die Eignung zukommen, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch die Gefährdung eines subjektiven Rechtes des Antragstellers zu beseitigen (VwGH 30.9.2021, Ra 2020/12/0034, mHa VwGH 24.10.2013, 2010/07/0171; 20.2.2014, 2011/07/0089). Die Erlassung eines Feststellungsbescheides ist außerdem nur dann zulässig, wenn andere Möglichkeiten, die maßgebende Rechtsfrage zu klären, nicht vorhanden oder nicht zumutbar sind (vgl. VwGH 20.12.2016, Ro 2015/15/0023). Unzumutbar wäre es etwa, wenn sich ein Antragsteller im Falle, dass die Rechtslage ungeklärt bleibt, einer Bestrafung aussetzen würde (VwGH 3.4.2003, 2001/05/0386).

 

Nach der Rechtsprechung kann die Behörde im Spruch eines (damit feststellenden) Bescheides jedoch nicht über abstrakte Rechtsfragen, also weder über das Bestehen einer bestimmten Rechtslage in einem gewissen Zeitraum (VwGH 22.12.1960, 2945/58) noch über die Geltung (VwGH 23.11.1993, 93/11/0083) bzw. die Anwendbarkeit von Gesetzen oder gesetzlichen Bestimmungen noch über ihre Auslegung entscheiden (vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2019/02/0229, mHa VwGH 20.9.1993, 92/10/0457).

 

4.4.2. Wenn nun die Beschwerde vorbringt, der Feststellungsantrag ziele nicht auf die Anwendbarkeit bzw. Auslegung des § 13j AWG 2002 und die Antragstellerinnen begehrten auch nicht die Feststellung, dass § 13j AWG 2002 nicht anwendbar oder in einer bestimmten Weise auszulegen sei, so kann dem aus nachstehenden Gründen nicht gefolgt werden:

 

4.4.2.1. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu vom Verwaltungsgericht zu führenden Verfahren über Beschwerden gegen verwaltungsbehördliche Bescheide ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfangs – als Sache eines solchen Verfahrens jedenfalls jene Angelegenheit anzusehen, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. VwGH 12.9.2016, Ro 2016/04/0014). In einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren bestimmt in erster Linie der Antragsteller, was Gegenstand des Verfahrens ist; der Antrag legt fest, was Sache des Genehmigungsverfahrens ist (vgl. VwGH 19.12.2013, 2011/03/0160, mwN). Gegenstand einer Feststellung ist die Sache in jener Form, die der Antragsteller zum Gegenstand dieser Feststellung gemacht wissen will (vgl. VwGH 4.7.2001, 99/07/0177).

 

Hinzu kommt, dass Anträge ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind (vgl. VwGH 3.10.2013, 2012/06/0185). Entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss (VwGH 19.1.2011, 2009/08/0058; vgl. auch VfSlg 17.082/2003). Bei eindeutigem Inhalt eines Anbringens sind davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck gebrachte Absichten und Beweggründe grundsätzlich ohne Belang (vgl. VwGH 19.3.2013, 2012/21/0082).

 

4.4.2.2. Das gegenständliche Verfahren, welches zum hier angefochtenen Bescheid geführt hat, wurde auf Grund der Anträge vom 20.8.2020 eingeleitet. Somit wurde durch die Anträge die Sache des Verfahrens vor der belangten Behörde festgelegt. In den Anträgen wird die Feststellung begehrt, dass „dem Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen mit einer Mindestwandstärke von 50 Mikron durch die Antragstellerinnen in Österreich nicht das Verbot des [§ 13j] AWG 2002 entgegensteht.“

 

4.4.2.3. Mit dem Wortlaut des Feststellungsantrages vermeinen die Beschwerdeführerinnen im Ergebnis, dass die Frage der (Nicht-)Anwendbarkeit einer innerstaatlichen Bestimmung auf Grund von Vorgaben des Unionsrechts von der Frage der Feststellung, dass konkret § 13j AWG 2002 auf einen bestimmten Sachverhalt, nämlich das Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen in Österreich, nicht anwendbar sei, zu unterscheiden sei. Dabei wird jedoch übersehen, dass diese Fragen nicht losgelöst voneinander beurteilt werden können. Zweck des Antrages ist eben genau, dass die Beschwerdeführerinnen festgestellt wissen möchten, ob beim Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen in Österreich durch die Antragstellerinnen es zu einer Anwendung der Bestimmung des § 13j AWG 2002 käme. Gerade dadurch, dass die Antragstellerinnen vermeinen, die Bestimmung sei angesichts unionsrechtlicher Vorgaben nicht anwendbar, wird die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmung zum Gegenstand des Verfahrens erhoben. Die Beschwerdeführerinnen wollen wissen, ob auf einen bestimmten Sachverhalt – das Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen in Österreich – eine bestimmte gesetzliche Bestimmung – § 13j AWG 2002 – anzuwenden ist oder nicht.

 

Zusätzlich bringt die Beschwerde selbst vor, als Auslegungsmethode im Rahmen der richtlinienkonformen Interpretation des § 13j AWG 2002 solle auch eine teleologische Reduktion bzw. Analogie zur Anwendung gelangen. Schon damit wird wiederum eine gewünschte Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung angestrengt, die erst – sollte dem Argument der Beschwerdeführerinnen gefolgt werden – in der Konsequenz eine Nichtanwendbarkeit auf den vorliegenden Sachverhalt zur Folge hätte.

 

4.4.3. Daraus folgt, dass Gegenstand des Feststellungsverfahrens die Anwendbarkeit von gesetzlichen Bestimmungen bzw. deren Auslegung ist. Damit liegt jedoch eine Konstellation vor, in der ein Feststellungsbegehren, welches keine explizite gesetzliche Grundlage hat, nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung unzulässig ist.

 

Darüber hinaus erwies sich der verfahrensgegenständliche Antrag seinem objektiven Wortlaut nach (s.o.) auch nicht unklar. Zum Vorbringen, die belangte Behörde hätte die Beschwerdeführerinnen zur Verbesserung im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG auffordern müssen, ist auszuführen, dass § 13 Abs. 3 AVG – auch in Verbindung mit § 13a AVG – die Behörde nicht dazu verpflichtet, der Partei Anleitungen dahingehend zu geben, mit welchen rechtlichen Mitteln und welchen Anträgen sie ein von ihr allenfalls angestrebtes Ziel erreichen könnte. Eine derartige inhaltliche Anleitungspflicht besteht nicht (vgl. VwGH 26.7.2012, 2011/07/0143, mHa VwGH 15.9.2009, 2005/06/0003; s.a. VwGH 24.5.2016, Ra 2016/07/0016).

 

4.4.4. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich gegenständlich um ein strittiges Recht handelt, konnte deshalb bereits aus den vorstehenden Überlegungen unterbleiben. Im Übrigen ist auf den Beschluss des VfGH vom 17.6.2020, ***, zu verweisen, in dem der Gerichtshof den Antrag auf Aufhebung mehrerer Bestimmungen des AWG 2002 im Zusammenhang mit dem Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt hat. Der Begründung des Beschlusses ist unter anderem zu entnehmen, dass „der Gesetzgeber […] nicht unsachlich [handelt], wenn er auf Grund unionsrechtlicher Vorgaben und der hohen Bedeutung des Umweltschutzes […] das Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen verbietet“.

 

4.5. Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. VwGH 27.3.2019, Ra 2019/10/0020, mHa VwGH 23.6.2015, Ra 2015/22/0040).

 

Die Zurückweisung der Anträge der Beschwerdeführerinnen durch die belangte Behörde im Bescheid vom 1.7.2021 erfolgte im Ergebnis zu Recht, weshalb die dagegen erhobenen Beschwerden abzuweisen waren.

 

5. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Gem. § 24 Abs. 4 VwGVG konnte von der Durchführung einer – im Übrigen nicht beantragten – mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Es waren weder (neue oder ergänzende) Beweise aufzunehmen noch Fragen der Beweiswürdigung zu klären, die Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde wurden vielmehr nicht bestritten. Das erkennende Gericht kommt auch unter Zugrundelegung des Vorbringens der beiden Beschwerdeführerinnen zur vorhin dargestellten rechtlichen Beurteilung. Eine mündliche Verhandlung hätte daher eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lassen. Da im Ergebnis ausschließlich rechtliche Fragen aufgeworfen wurden, konnte die Entscheidung daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden (vgl. VwGH 5.3.2014, 2013/05/0131).

 

6. Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Beim erkennenden Gericht sind zunächst Bedenken im Hinblick auf dessen örtliche Zuständigkeit entstanden, zumal das Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen in Österreich seitens der Zweitbeschwerdeführerin nicht ausschließlich im Wege der Erstbeschwerdeführerin erfolgt, sondern auch Kunden von Deutschland aus direkt beliefert werden könnten. Es wäre nach Ansicht des erkennenden Gerichts daher auch eine Auslegung der Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit denkbar, die einen Anknüpfungspunkt nicht ausschließlich in Niederösterreich sieht, weshalb unter Umständen mehrere Verwaltungsgerichte berufen wären, über ein und dieselbe Sache zu entscheiden. Ein einziger Bescheid führte nach dieser Ansicht zur Zuständigkeit mehrere Verwaltungsgerichte, weshalb es zu einer Anwendung von § 3 Abs. 3 VwGVG und einer Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wien käme (vgl. Thalhammer in Köhler/Brandtner/Schmelz, VwGVG Kommentar, § 3 VwGVG Rz 24).

 

Soweit für das erkennende Gericht ersichtlich, wurde diese Frage höchstgerichtlich noch nicht eindeutig geklärt, weshalb im Sinne der Rechtssicherheit für künftige Verfahren (und vor dem Hintergrund des Art. 83 Abs. 2 B-VG) von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auszugehen war.

 

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