VwGH 2013/05/0131

VwGH2013/05/01315.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde des C R in H, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler, Mag. Helmut Leitner, Mag. Roland Stöglehner und Mag. Thomas Bodingbauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 31a, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. Juli 2013, Zl. IKD(BauR)-014532/2-2013- Hc/Wm, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, 4041 Linz, Altes Rathaus, Hauptplatz 1), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1994 §35 Abs1 Z3;
BauO OÖ 1994 §35 Abs1;
BauO OÖ 1994 §35;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 30. April 2012 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung gemäß § 24 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (BO) für den Einbau einer Bar und eines Massagestudios sowie die thermische Sanierung betreffend das Gebäude R-Weg 3. Nach den Einreichunterlagen ergeben sich geplante Nutzungen im Kellergeschoss für Lager-, Sanitär- und Nebenräume, im Erdgeschoss für eine Bar samt abgetrenntem Raucherraum, Schulungsraum, zwei Behandlungsräume, ferner Personal-Umkleideraum, Küche, Büro, Aufenthaltsraum, zwei Damen-WC, zwei Herren-WC, Nebenräume (Abstellraum, Gänge), Garage und Garagennebenraum, im Obergeschoss für sechs Massageräume, vier Badezimmer, sieben WC, vier Personalräume und Nebenräume (Lagerräume, Vorräume) und im Dachgeschoss für Räume für eine Wohneinheit (fünf Wohnräume, Bad, zwei WC, Abstellraum).

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 11. Juli 2012 wurde das Bauansuchen für den Umbau und die Zweckwidmungsänderung abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Bauvorhaben befinde sich in der Nähe zu bestehenden Betrieben im Sinne der Seveso-II-Richtlinie. Geplant sei ein Objekt, das künftig als Dienstleistungsbetrieb öffentlich zugänglich sein solle. Kunden sollten aber nicht zusätzlich zum bereits genehmigten Bestand in den Gefährdungsbereich geführt werden, da dadurch das Risiko eines schweren Unfalls im Hinblick auf die menschliche Gesundheit vergrößert bzw. die Folgen eines derartigen Unfalls verschlimmert werden könnten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Die Berufungsbehörde holte eine gutächtliche Stellungnahme der Amtssachverständigen für Gewerbe und Sicherheitstechnik Dipl. Ing. M. vom 30. August 2012 ein. Diese gelangte im Wesentlichen zu dem Schluss, dass die angemessenen Abstände nach der Seveso-II-Richtlinie von Betrieben, die unter diese Richtlinie fielen, durch das Bauvorhaben nicht eingehalten würden. Eine genaue Auswirkung auf Grund toxischer Eigenschaften könne nicht konkretisiert werden, da die angemessenen Abstände sich aus der für diese Betriebe genehmigten Menge giftiger und sehr giftiger Stoffe ergäben. Im Mengenschwellenmodell seien keine Auswirkungen hinterlegt. Als Maßnahme bei Austritt eines giftigen oder sehr giftigen Stoffes sei die Exposition zu vermeiden (Türen bzw. Fenster schließen, Öffnungen abdichten etc.). Der angemessene Abstand sei im Übrigen über das Mengenschwellenmodell ausgewiesen, eine Ermittlung von Auswirkungen hochentzündlicher Eigenschaften mittels einer standardisierten Einzelfallbetrachtung betreffend die Explosion der größten zusammengelagerten Menge mit einem Beurteilungswert von 50 mbar Überdruck erübrige sich insofern.

Mit Schreiben vom 14. September 2012 gab die Berufungsbehörde dem Beschwerdeführer Parteiengehör dazu und teilte ihm mit, dass nach den archivierten Bauakten zum Objekt R-Weg 3 sich der zuletzt genehmigte Baubestand aus einem Bescheid des Magistrats Linz vom 24. Juli 1991 herleite. Der diesem Bescheid zugrunde liegende Bauplan weise im gesamten Objekt keine Wohnräume aus.

In einer Stellungnahme vom 30. November 2012 legte der Beschwerdeführer im Wesentlichen dar, dass die am 11. Dezember 2006 verstorbene R. bis 2001 im gegenständlichen Objekt gewohnt habe. Dies könnten ihre Nichte R. und ihr Nachbar Z. sowie dessen Gattin Z. zeugenschaftlich bestätigen. Deren Einvernahme werde ausdrücklich beantragt. Im Übrigen wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Ausführungen der Amtssachverständigen, stellte den Antrag, ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet Chemie, Anlagenbau und Umweltschutz einzuholen und legte das Sachverständigengutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen für Chemie, Anlagenbau und Umweltschutz Dr. L. vom 23. November 2012 vor.

Im Gutachten des Dr. L. wird im Wesentlichen ausgeführt, dass im Vorbestand (Nutzung als Druckerei und Verlag) durchschnittlich 55 Personen beschäftigt gewesen seien. Dazu seien noch die Bewohner der Wohnung zu rechnen, weiters Besucher, Kunden und Lieferanten, auch Leasingkräfte. Von einer ständigen Belegung durch mindestens 60 Personen sei auszugehen. Durch den künftigen Bau sollten sich hier etwa 15 bis höchstens 25 Personen aufhalten. Aufgelistet wurden vom Gutachter vergleichsweise andere Betriebe im Umgebungsbereich. Ferner ging der Gutachter auf Straßen im Einzugsbereich, auf Regelungen der Oberösterreichischen Bauordnung und rechtliche Stellungnahmen dazu und das Naheverhältnis anderer Anlagen ein, ebenso auf die Auswirkungen von Unfällen auf diese Anlagen. Der Gutachter kam zu dem Schluss, aus einem wesentlich größeren Druckereibetrieb werde eine kleine Bar für maximal zehn Gäste, zusätzlich kämen maximal fünf Kundinnen bzw. Kunden in den Massagestudios dazu. Somit liege eine deutliche Verringerung des potentiell gefährdeten Personenkreises vor. Andere Betriebe in der Umgebung seien mehr gefährdet. Diese seien auch erst neu geschaffen worden. Laut Rechtsauskunft des Landes Oberösterreich seien Gewerbebetriebe mit Verkauf, wenn sich keine größere Anzahl an Kunden dort aufhielte, so wie beispielsweise in einer Bäckerei, nach der Seveso-II-Richtlinie unproblematisch. Nach dieser Rechtsauskunft sei auch der gegenständliche Betrieb unproblematisch. Schon aus dem Gleichheitssatz könne die Bewilligung nicht versagt werden, da vergleichbare, sogar deutlich größere Betriebe die Genehmigung erhalten hätten. In einem Stadtgebiet, in dem sich praktisch jederzeit viele tausend uninformierte Personen jeglichen Alters inmitten einer relativ großen Anzahl von gefährlichen Betrieben aufhielten, sei die Anwesenheit von maximal 15 zusätzlichen Kunden höchst irrelevant.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2012 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

In der Bescheidbegründung legte die Berufungsbehörde zunächst dar, das eingereichte Projekt betreffe einerseits einen bewilligungspflichtigen Umbau samt bewilligungspflichtigen Zweckwidmungsänderungen und andererseits eine davon trennbare umfassende thermische Sanierung des Gebäudes, die bauanzeigepflichtig sei. Die erstinstanzliche Behörde habe die thermische Sanierung nicht in den Spruch ihres Abweisungsbescheides aufgenommen und damit zum Ausdruck gebracht, dass dieser, lediglich einer Anzeigepflicht unterliegende Teil des Einreichprojektes nicht von der Abweisung umfasst sei. Da keine Untersagung der Bauausführung bezüglich der thermischen Sanierung verfügt worden sei, habe der Beschwerdeführer das Recht, die thermische Sanierung zu realisieren. Sache des Berufungsverfahrens sei ausschließlich die Abweisung des Baubewilligungsantrages betreffend den Umbau und die Zweckwidmungsänderung.

Im Ergebnis führte die Berufungsbehörde in ihrer Bescheidbegründung aus, das Gebäude R-Weg 3 liege innerhalb des Gefährdungsbereiches von drei unter die Seveso-II-Richtlinie fallenden Betrieben. Durch das Bauvorhaben käme es zu einem Heranrücken eines öffentlich und für Wohnzwecke genutzten Gebäudes an Seveso-II-Betriebe. Somit sei eine Erhöhung des Seveso-IIspezifischen Risikopotenzials gegeben. Besondere Schutzmaßnahmen gegen diese Risiken (hier: Explosionsdruck und Giftwolke) sehe das Projekt nicht vor. Eine Einzelfallbetrachtung habe daher außer Betracht bleiben müssen. Da der Beschwerdeführer durch Vorlage eines Gegengutachtens ausreichend Gelegenheit gehabt habe, Sachfragen aufzuwerfen, im Übrigen aber primär Rechtsfragen zu lösen gewesen seien, habe von einer mündlichen Berufungsverhandlung Abstand genommen werden können.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Vorstellung. Darin führte er unter anderem aus, es sei keine Gefahrenerhöhung gegeben, weil sich nicht mehr so viele Personen wie bisher im Objekt aufhalten würden. Das Risiko eines schweren Unfalls im Hinblick auf die menschliche Gesundheit werde somit keineswegs vergrößert, die Folgen eines solchen Unfalls im Hinblick auf die menschliche Gesundheit auch nicht verschlimmert. Zum diesbezüglichen Beweis beantrage er die zeugenschaftliche Einvernahme des P., des D. und des S. sowie die Einholung von Sachverständigengutachten auf dem Gebiet des Baus für chemische Anlagen und der Medizin und die Beischaffung eines näher genannten Aktes des Landesgerichtes Linz und des Kommunalsteueraktes betreffend die Vorgängerdruckerei.

Im Zuge eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurde von der Vorstellungsbehörde ein Amtsbericht des Umwelt- und Technikcenters der Landeshauptstadt Linz vom 12. März 2009 zur Ermittlung angemessener Abstände Linzer Betriebe eingeholt. Dazu wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der Vorstellungsbehörde vom 3. Juni 2013 Parteiengehör gewährt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Nach Darstellung des Verfahrensgangs und von Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung im Wesentlichen aus, nach den Ausführungen der Amtssachverständigen Dipl. Ing. M. befinde sich das Bauvorhaben im Nahe- bzw. Gefährdungsbereich von drei Seveso-II-Betriebsanlagen, und der angemessene Abstand zu allen drei Betrieben werde deutlich unterschritten (wurde näher dargelegt). Der Privatsachverständige Dr. L. habe sich im Wesentlichen mit anderen Betrieben beschäftigt. Selbst wenn man von einer Genehmigung dieser Betriebe unter Missachtung des § 35 Abs. 1 Z 3 BO ausginge, würde dies der Vorstellung nicht zum Erfolg verhelfen, da es keine "Gleichheit im Unrecht" gebe. Die vorherrschende Westwetterlage, die der Privatsachverständige Dr. L. ins Treffen geführt habe, sei nicht relevant, nach dem nach den Gesetzesmaterialien auch vom Gesetzgeber selbst angeführten mengenschwellenbezogenen Abstandsmodell fließe eine eventuelle Wetterlage bzw. vorherrschende Windrichtung nicht in die Berechnung ein. Der Abstand sei im Abstandsmodell in anderer wissenschaftlicher Weise ermittelt worden. Außerdem sei angesichts dessen, dass im Nahebereich drei Seveso-II-Anlagen lägen, davon auszugehen, dass die gegenständliche bauliche Anlage praktisch nie in keinem der drei Gefährdungsradien liege. Der Privatsachverständige Dr. L. habe ferner ausgeführt, dass nicht der von der Amtssachverständigen herangezogene Kugelgasbehälter der Seveso-II-Richtlinie unterliege, sondern der unterirdische Röhrengasspeicher. Dieser liege aber noch näher zum gegenständlichen Gebäude, und somit würde dieses einen noch geringeren Abstand zum Seveso-II-Betrieb aufweisen. Abgesehen davon liege das Bauvorhaben noch immer im Gefährdungsbereich von zwei anderen Seveso-II-Anlagen. Die Intention der Seveso-II-Richtlinie liege vorrangig im Schutz von Wohngebieten und Örtlichkeiten mit Publikumsverkehr. Örtlichkeiten ohne Publikumsverkehr (z.B. Gewerbebetriebe ohne Verkauf oder mit einem Aufenthalt keiner größeren Anzahl von Kunden) seien in der Regel unbeachtlich. Konsensgemäß bestehe nunmehr auf der gegenständlichen Bauliegenschaft eine Druckerei. Die Wohnnutzung, die der Beschwerdeführer ins Treffen geführt habe, sei konsenswidrig, was er auch nicht bestritten habe. Soweit der Beschwerdeführer in der Vorstellung vorbringe, dass die Druckerei eine erhebliche Kunden- und Zulieferfrequenz von weit über 30 Fremdpersonen aufgewiesen habe, decke sich das nicht mit seinen früheren Angaben und auch nicht mit jenen, von denen der Privatgutachter ausgegangen sei. Außerdem bestehe der Schutz durch die Seveso-II-Richtlinie vorrangig im Schutz von Örtlichkeiten mit Publikumsverkehr (also Kunden), während Menschen, die sich zu Erwerbszwecken an ihre Arbeitsstätte begäben oder mit einem in der Gefahrenzone ansässigen Betrieb Geschäftsbeziehungen pflegten, in den Schutzkreis der Richtlinie nicht einbezogen würden. Demgemäß seien auch die ehemaligen Lieferanten und Leasingkräfte der Druckerei, die mit dieser Geschäftsbeziehungen gepflogen hätten, unbeachtlich. Ein Druckereibetrieb trete vorrangig als Produktionsbetrieb in Erscheinung. Es finde zwar Kundenkontakt auch persönlich statt, eine Vielzahl von Aufträgen würde aber auch über elektronischen Verkehr abgehandelt. Die Produktion von Druckwerken in einem solchen Gebäude stehe im Vordergrund. Demgegenüber sei nun ein Dienstleistungsbetrieb geplant, dessen vorrangiges Ziel es sei, Kunden "anzulocken" und so die Kundenfrequenz in diesem Gebäude zu erhöhen. Der Publikumsverkehr stehe naturgemäß im Vordergrund bzw. sei das Hauptziel. Darüber hinaus sei im Dachgeschoss sogar die Errichtung einer Wohnung geplant, sodass die neue Nutzung umso mehr in den Schutzbereich der Seveso-II-Richtlinie falle. Ungeachtet des Umstandes, dass der Baukörper als solcher bereits seit langem im Gefährdungsbereich existiere, würde es durch den Umbau bzw. die Umwidmung zur erstmaligen Schaffung einer den Abstandschutz der Seveso-II-Richtlinie genießenden Örtlichkeit und somit zu einem Heranrücken an einen (bzw. mehrere) Seveso-II-Betriebe kommen. Die gemeinschaftsrechtlich verpönte Erhöhung des Seveso-IIspezifischen Risikopotenzials, das ursächlich auf die Nichteinhaltung der angemessenen Abstände zurückzuführen sei, sei somit als erwiesen anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Landeshauptstadt hat eine Gegenschrift erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, von welchen konkreten Feststellungen die belangte Behörde ausgegangen sei und auf welchen Erwägungen ihre Beweiswürdigung beruhe. Es fehlten insbesondere Feststellungen dazu, welche bisherige Frequenz von betriebsfremden Personen bestanden habe. Diese wäre der zukünftigen Kundenfrequenz gegenüberzustellen gewesen. Dass ein Druckereibetrieb in erster Linie als Produktionsbetrieb in Erscheinung trete, vermöge über die Frequenz durch betriebsfremde Personen nichts zu sagen. Dabei komme es in erster Linie auf die Größe des Unternehmens und dessen betriebliche Ausgestaltung an. Aus den Erwägungen der Baubehörden lasse sich nicht ableiten, dass es zu der verpönten Risikoerhöhung komme. Dem Bauvorhaben liege ein bloßer Innenausbau zugrunde. Somit gebe es kein Heranrücken an einen Seveso-II-Betrieb. Eine Gefahrenerhöhung im Sinne der Seveso-II-Richtlinie sei nur dann relevant, wenn sie ursächlich auf die Nichteinhaltung des angemessenen Abstands zurückzuführen sei und somit in einem räumlichen Heranrücken bestehe. Eine bloße Erhöhung der Anzahl der aufhältigen Personen würde nicht zu einer Gefahrenerhöhung führen, wenn sie nicht ursächlich auf eine Nichteinhaltung des angemessenen Abstandes zurückzuführen sei. Die Intentionen der Seveso-II-Richtlinie seien auf ein räumliches Heranrücken gerichtet. Der gegenständliche bloße Innenausbau stelle kein räumliches Heranrücken dar. Die beantragte Widmungsänderung vermöge daran nichts zu ändern, weil sie keinen Einfluss auf das Gefährdungspotenzial habe bzw. zu keiner Risikoerhöhung führe. Zum Beweis dafür, dass die Baumaßnahme nicht dazu führe, dass im Sinne der Intentionen der Seveso-II-Richtlinie und nach der BO das Risiko eines schweren Unfalls vergrößert oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmert würden, habe der Beschwerdeführer die zeugenschaftliche Einvernahme von A., D. und S. sowie die Einholung von Sachverständigengutachten, die Beischaffung eines Aktes des Landesgerichts Linz und des Kommunalsteueraktes betreffend die Druckerei beantragt. Der Beschwerdeführer habe dazu vorgebracht, dass bislang über Jahrzehnte das gegenständliche Objekt betrieblich genutzt worden sei und sich darin eine Druckerei mit durchgehend über 50 Mitarbeitern und einer Geschäftsführung befunden habe, die auch eine erhebliche Kunden- und Zulieferfrequenz (weit über 30 Fremdpersonen) gehabt habe. Weiters habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass sich im Objekt eine ständig genutzte Betriebswohnung befunden habe, die von einer älteren Frau über Jahrzehnte bewohnt worden sei. Die Beweismittel habe der Beschwerdeführer auch zum Beweis dafür beantragt, dass sich im geplanten Objekt maximal 15 Gäste und sechs Personen an Personal aufhalten sollten, was im Ergebnis gegenüber der bisherigen Nutzung zu einer deutlichen Risikominimierung führen würde, weil die von einem Unfall möglicherweise betroffenen Personen nunmehr deutlich weniger seien. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Aussagen der Zeugen im Sinne des Beschwerdevorbringens zu einem anderen Ergebnis geführt hätten. Auch das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung sei ein Verfahrensfehler, weil die belangte Behörde die Sache fälschlicherweise bereits für spruchreif gehalten habe. Den Zeugen hätte zur Gewinnung eines persönlichen Eindrucks die grundsätzlich gebotene unmittelbare Aussage vor der erkennenden Behörde ermöglicht werden müssen. Die Annahme der belangten Behörde, dass eine Gefahrenerhöhung im Sinne der Seveso-II-Richtlinie gegeben sei, beruhe weder auf ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen noch auf einer nachvollziehbaren, stichhaltigen und schlüssigen Begründung.

§ 35 BO idF LGBl. Nr. 96/2006 lautet auszugsweise:

"§ 35

Entscheidung über den Baubewilligungsantrag

(1) Die Baubehörde hat über den Antrag gemäß § 28 einen schriftlichen Bescheid zu erlassen. Sofern nicht eine Zurückweisung oder eine Abweisung nach § 30 zu erfolgen hat, ist die beantragte Baubewilligung zu erteilen, wenn

1. die erforderliche Zustimmung des Grundeigentümers oder der Grundeigentümerin vorliegt,

2. das Bauvorhaben in allen seinen Teilen den Bestimmungen des Flächenwidmungsplans und des Bebauungsplans sowie sonstigen baurechtlichen Vorschriften nicht widerspricht und

3. das Bauvorhaben auf Grund seiner Nähe zu einem bestehenden Betrieb im Sinn der Seveso II-Richtlinie das Risiko eines schweren Unfalls im Hinblick auf die menschliche Gesundheit weder vergrößern noch die Folgen eines solchen Unfalls im Hinblick auf die menschliche Gesundheit verschlimmern kann.

Andernfalls ist die beantragte Baubewilligung zu versagen. ...

..."

Zunächst ist davon auszugehen, dass § 35 Abs. 1 Z 3 BO eine eigenständige baurechtliche Regelung ist. Diese Bestimmung kommt dann zum Tragen, wenn ein Betrieb im Sinn der Seveso-II-Richtlinie in der Nähe des Bauvorhabens vorhanden ist. Dies wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Dass die genannte Bestimmung der Seveso-II-Richtlinie widerspreche oder diese im gegebenen Zusammenhang nicht ausreichend umsetze, wurde weder im Verfahren vorgebracht noch ist dies ersichtlich. Im Übrigen steht es dem Baurechtsgesetzgeber frei, auch strengere Regelungen im Hinblick auf baurechtlichen Gesundheitsschutz zu treffen, als dies durch die Richtlinie erfolgt.

Dem Beschwerdeführer ist Recht zu geben, dass es bei der Frage, ob sich das Risiko eines Unfalls vergrößern oder sich die Folgen eines Unfalls verschlimmern können, darauf ankommt, welcher Zustand vor dem gegenständlichen Bauvorhaben besteht. Dabei kommt es aber nicht auf die tatsächlichen Umstände, sondern auf die baurechtliche Bewilligung an. Hinsichtlich des Druckereibetriebes wäre daher festzustellen gewesen, wie viele Personen zu welchen Zeiträumen sich in einem Druckereibetrieb typischer Art der bewilligten Größe aufhalten (Betriebstype).

§ 35 Abs. 1 Z 3 BO stellt nicht darauf ab, ob es sich bei den in Frage kommenden Personen um Kunden oder Angestellte handelt. Eine diesbezügliche Unterscheidung nimmt diese Bestimmung nicht vor. Auf die Seveso-II-Richtlinie kommt es insofern, entgegen der Auffassung der belangten Behörde, nicht an. Man kann nach der Regelung des § 35 Abs. 1 Z 3 BO etwa nicht annehmen, dass dann, wenn ein Betrieb durch einen anderen mit einer typischerweise viel größeren Anzahl an anwesenden Beschäftigten ersetzt wird, kein vergrößertes Risiko vorläge bzw. sich die Folgen auf die menschliche Gesundheit nicht verschlimmern könnten.

Ausgehend von den rechtlich bewilligten, typischen Umständen ist also ein Vergleich mit dem Bauvorhaben und den damit verbundenen typischen Umständen dahingehend anzustellen, ob dieses Bauvorhaben das Risiko eines schweren Unfalls im Sinne des § 35 Abs. 1 Z 3 BO vergrößert oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern kann. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht darauf an, ob das Naheverhältnis der Bausubstanz zu einem Seveso-II-Betrieb verändert wird. Die Verschlimmerung im Sinne der genannten Bestimmung kann auch bei bestehen bleibender Bausubstanz eintreten. § 35 BO unterscheidet auch nicht jene Bauvorhaben, die eine Veränderung der Lage der Bausubstanz zum Gegenstand haben, von jenen, bei denen die Bausubstanz unverändert bleibt.

Da es auf den rechtlich bewilligten Altbestand und dessen typische Umstände ankommt, erweisen sich die Beweisanträge, die der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gestellt hat, als für die Sache irrelevant. Die Geltendmachung diesbezüglicher Verfahrensmängel führt die Beschwerde nicht zum Ziel.

Im Übrigen hat es die belangte Behörde zwar unterlassen, in Bezug auf die Druckerei Feststellungen im oben genannten Sinn zu treffen und Vergleiche mit dem beabsichtigten Bauvorhaben anzustellen. Der Beschwerde ist dennoch aus folgenden Gründen kein Erfolg beschieden:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass kein Baukonsens für eine Wohnung in der gegenständlichen Baulichkeit vorhanden ist; der im Akt ausgewiesene Bestand enthält keine (Betriebs‑)Wohnung. Er stellt nicht in Abrede, dass sein Bauvorhaben die Errichtung einer Wohnung umfasst. Nun ist aber davon auszugehen, dass eine Wohnung gegenüber einem Betrieb typischerweise in anderer Weise benützt wird, und zwar in solcher, die jedenfalls eine Verschlimmerung der Folgen eines Unfalls im Sinne des § 35 Abs. 1 Z 3 BO darstellen kann. Abgesehen davon, dass in baurechtlicher Hinsicht bei einer Wohnung typischerweise jedenfalls von der ständigen Anwesenheit von Personen auszugehen ist, können dies in Wohnungen auch pflegebedürftige oder schlafende und kranke Personen sowie Kinder und Kleinkinder sein. Derartiges ist bei einem Betrieb wie einer Druckerei grundsätzlich nicht anzunehmen. Da das Bauvorhaben auch die Schaffung einer neuen Wohnung zum Gegenstand hat, kann somit der belangten Behörde im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Versagung der Baubewilligung im Sinne des § 35 Abs. 1 BO als nicht in subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers eingreifend beurteilt hat. Da der Beschwerdeführer sich im Verfahren immer wieder auf eine vormalige Wohnnutzung berufen hat, kann der belangten Behörde auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn sie offenbar davon ausgegangen ist, dass der Bauwille des Beschwerdeführers auf ein unteilbares Bauvorhaben gerichtet ist und eine Modifikation des Projektes in diesem Verfahren insofern ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2013, Zl. 2011/05/0010). Bemerkt wird, dass es dem Beschwerdeführer freisteht, gegebenenfalls ein neues Projekt ohne Wohnung einzureichen, das nach den oben genannten Grundsätzen zu prüfen wäre.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Bemerkt wird, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 5. März 2014

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte