VwGH 2010/07/0171

VwGH2010/07/017124.10.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der C GmbH in Graz, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 11. August 2010, Zl. 020502/2008-15, betreffend Feststellung in einer Angelegenheit nach § 17 des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 2004, zu Recht erkannt:

Normen

AbfuhrO Graz 2006 §11 Abs1;
AVG §56;
AWG Stmk 2004 §17;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AbfuhrO Graz 2006 §11 Abs1;
AVG §56;
AWG Stmk 2004 §17;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 15. Februar 2010 beantragte die beschwerdeführende Partei beim Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz die Feststellung, "dass die von der Antragstellerin durchgeführte Sortierung der im Eigentum der Landeshauptstadt Graz stehenden Abfallbehälter nicht gemäß § 17 StAWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Grazer Abfall-VO untersagt ist".

Begründend führte die beschwerdeführende Partei aus, dass sie als Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Abfallwirtschaft gewerberechtlich befugt sei, die Nachsortierung von in Müllbehältern eingebrachten Abfällen durchzuführen. Die beschwerdeführende Partei habe mit großen Siedlungsgenossenschaften Verträge abgeschlossen, um jene Örtlichkeiten "sauber zu halten", auf denen die Müllcontainer der öffentlichen Müllabfuhr sowie der Branchengesellschaften für die Verpackungsabfallsammlung aufgestellt seien.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2008 habe der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz der beschwerdeführenden Partei das Nachsortieren der Abfallbehälter mit dem Argument verboten, dass der Abfall im Eigentum der Stadt Graz stehe und eine solche Tätigkeit daher in das Eigentum der Stadt Graz eingreife. Es handle sich daher um eine eigenmächtig vorgenommene Maßnahme, die gegen § 17 des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 2004 (StAWG 2004) i.V.m. § 11 Abs. 1 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 16. November 2006, mit der eine Abfuhrordnung erlassen wird (Grazer AbfO 2006), verstoßen würde.

Mit Erkenntnis vom 17. Juli 2009, V 6-10/09, habe der Verfassungsgerichtshof unter anderem § 11 Abs. 1 der Grazer AbfO 2006, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 11 vom 29. November 2006, als gesetzwidrig aufgehoben. Diese Verordnungsbestimmung sei somit "weder objektiv noch subjektiv rechtswirksam". Der am 14. Mai 2009 vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz erlassene Berufungsbescheid stütze sich ausschließlich auf den vom Verfassungsgerichtshof behobenen § 11 Abs. 1 der Grazer AbfO 2006. Mit der Aufhebung des § 11 Abs. 1 des Grazer AbfO 2006 sei der "Sortierverbotsbescheid" des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. Mai 2009 "außer Geltung getreten" und "nicht bindend".

Sowohl der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz als auch die belangte Behörde zögen diesen nicht mehr wirksamen Bescheid als Argument dafür heran, die beschwerdeführende Partei in ihren Rechten zu beschneiden, indem ihr weiterhin die Nachsortierung verboten und dieses Verbot der Nachsortierung als Begründung herangezogen werde, um die mit der Nachsortierung einhergehende Behälterreduzierung und Änderung des Abfuhrintervalls nicht zu genehmigen. Die beschwerdeführende Partei habe ein rechtliches Interesse an einer verbindlichen Erklärung, dass ihr das Nachsortieren nicht verboten sei. Dieser Feststellungsantrag sei ein notwendiges Mittel zweckmäßiger Rechtsverfolgung.

Diesen Feststellungsantrag der beschwerdeführenden Partei vom 15. Februar 2010 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz mit Bescheid vom 13. April 2010 zurück.

In seinen Begründungsausführungen hielt der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz den Antrag mangels eines rechtlichen Feststellungsinteresses für unzulässig.

Nach der Intention der beschwerdeführenden Partei solle mit dem Feststellungsantrag die Klärung einer Rechtsfrage erfolgen, die - mit umgekehrten Vorzeichen, was in der Sache keinen Unterschied mache - Spruchgegenstand des rechtskräftigen Bescheides des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. Mai 2009 gewesen sei; das Antragsbegehren sei so zu deuten, dass es auf Feststellung laute, ob der Bescheid vom 14. Mai 2009, dessen Rechtsgrundlage sich geändert habe, noch dem Rechtsbestand angehöre und dementsprechende Wirkungen entfalte.

Dem müsse entgegengehalten werden, dass der Bescheid vom 14. Mai 2009 rechtskräftig sei und auch weiterhin dem Rechtsbestand angehöre. Wenn die beschwerdeführende Partei meine, dieser Bescheid gelte nicht mehr bzw. entfalte keine Wirkungen, verkenne sie das Wesen der Rechtskraft.

Ob die neu eingetretenen Umstände (Änderung der Rechtslage) eine neuerliche Sachentscheidung zuließen, sei demgegenüber nicht Verfahrensgegenstand; hier gehe es ausschließlich um die Frage, ob die begehrte Feststellung getroffen werden könne.

Faktum sei, dass der Gegenstand der begehrten Feststellung schon in rechtskräftiger Weise klargestellt sei. Die Rechtsfrage sei im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden worden, in dem die beschwerdeführende Partei ihre Interessen vertreten habe.

Für eine gesonderte Feststellung, die eine "Neuaufrollung" eines rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens bezwecke, bleibe daher kein Raum.

Zudem könnte ein Feststellungsbescheid die Rechtskraftwirkungen eines Bescheides, dessen Rechtsgrundlagen sich geändert hätten, nicht beseitigen. Dazu bedürfte es eines "contrarius actus", etwa in Form eines aufhebenden Bescheides nach § 68 Abs. 2 und 3 AVG.

Im Übrigen sei festzuhalten, dass auch nach der durch den Verfassungsgerichtshof bereinigten Rechtslage ein ergebnisgleicher Bescheid auf Grundlage des § 17 StAWG 2004 erlassen werden könne, weil mit den im Feststellungsantrag genannten Tätigkeiten unzulässigerweise in die Aufgabenzuordnung des StAWG 2004 und ebenso unzulässig in zivilrechtliche Positionen der Stadt Graz eingegriffen werde.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde diese Berufung "als unbegründet abgewiesen und die Entscheidung der Behörde erster Rechtsstufe bestätigt".

Die erstinstanzliche Behörde habe zutreffend festgestellt, dass das verfahrensgegenständliche Feststellungsbegehren mit der Frage ident sei, ob der Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. Mai 2009, welcher mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/07/0168, bestätigt worden sei, der beschwerdeführenden Partei gegenüber bindend sei. Es sei offenkundig, dass ein dem Rechtsbestand angehörender Bescheid den Adressaten gegenüber solange Verbindlichkeit besitze, solange er nicht aus dem Rechtsbestand entfernt werde. Das Feststellungsbegehren würde darüber hinaus weder im öffentlichen Interesse noch im rechtlichen Interesse der beschwerdeführenden Partei liegen. Auch ohne die wegfallende Verordnungsbestimmung müsse - so führte die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter aus - ein im Ergebnis gleicher Bescheid erlassen werden, sodass auch unter diesem Aspekt ein Feststellungsinteresse nicht mit Erfolg behauptet werden könne.

Die Nachsortierung greife zwangsläufig in den Stoffkreislauf ein und behindere damit die Gemeinden an der gesetzeskonformen Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Da die Nachsortierung Teil der gemäß dem StAWG 2004 den Gemeinden und dem Abfallwirtschaftsverband obliegenden Aufgaben sei, finde die Tätigkeit der beschwerdeführenden Partei keine Deckung in StAWG 2004.

Die Nachsortierung stelle demgemäß einen unzulässigen Eingriff in die durch das StAWG 2004 vorgenommene Aufgabenzuteilung dar, wodurch die Aufgabenerfüllung der zur Wahrnehmung dieser Aufgabe ausschließlich berufenen Stadt Graz beeinträchtigt bzw. vereitelt werden würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde bezieht sich auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/07/0168, mit welchem der Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. Mai 2009 bestätigt wurde. Dieses Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, entfaltet indessen für die hier durch den Feststellungsantrag der beschwerdeführenden Partei vom 15. Februar 2010 zur Beurteilung stehende Fallkonstellation deshalb keine Rechtswirkungen mehr, weil sich seit Erlassung des Bescheides des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. Mai 2009 durch die mittlerweile erfolgte Aufhebung des § 11 Abs. 1 der Grazer AbfO 2006 durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 2009, V 6- 10/09, auf den dieser Bescheid in tragender Weise gestützt wurde, die Rechtslage maßgeblich geändert hat (siehe zu den "objektiven Grenzen der Rechtskraft" etwa Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, 238).

In diesem Zusammenhang genügt es gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 26. Mai 2011, Zl. 2011/07/0026, zu verweisen.

Auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 2009, V 6-10/09, bezieht sich die beschwerdeführende Partei in ihrem verfahrensgegenständlichen Feststellungsantrag vom 15. Februar 2010.

Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde erweist sich dieser Feststellungsantrag aus nachstehenden Gründen als zulässig:

Die Erlassung eines Feststellungsbescheides, der im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, ist nach ständiger Rechtsprechung dann zulässig, wenn die Erlassung eines solchen Bescheides im öffentlichen Interesse liegt oder insofern im Interesse der Partei, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2001, Zl. 2001/08/0046, VwSlg. 15.608 A/2001, mwN).

Ein rechtliches Interesse einer Partei an einer bescheidmäßigen Feststellung ist gegeben, wenn der Feststellungsbescheid für die Partei ein geeignetes Mittel zur Beseitigung aktueller oder zukünftiger Rechtsgefährdung ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 2004, Zl. 2002/06/0199).

Der Feststellung muss somit in concreto die Eignung zukommen, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch die Gefährdung eines subjektiven Rechtes des Antragstellers zu beseitigen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 3. April 2003, Zl. 2001/05/0386, und vom 14. Mai 2004, Zl. 2000/12/0272).

Dementsprechend besteht auch kein Rechtsanspruch auf Feststellung der Rechtmäßigkeit eines in der Vergangenheit gelegenen Verhaltens, aus dem (noch) keine rechtlichen Konsequenzen gezogen wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 94/01/0797). So würde etwa einem Feststellungsbescheid, der klären soll, ob bereits durchgeführte Maßnahmen einer naturschutzrechtlichen Bewilligung bedurft hätten, die erforderliche Eignung fehlen, weil die Partei dadurch nicht von einem Wiederherstellungsauftrag oder vor einem Verwaltungsstrafverfahren bewahrt werden könnte (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 27. November 1995, Zl. 95/10/0134).

Die beschwerdeführende Partei verfolgt aber gerade mit ihrem verfahrensgegenständlichen Feststellungsantrag die Klarstellung ihres Rechtes der Nachsortierung für die Zukunft. Sie möchte nämlich unter Berücksichtigung der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juli 2009, V 6-10/09, bereinigten Rechtslage festgestellt wissen, dass ihr eine Sortierung nicht gemäß § 17 StAWG 2004 untersagt ist.

Damit ist auch ausgeschlossen, dass die beschwerdeführende Partei festgestellt wissen will, ob der Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. Mai 2009, der Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/07/0168, gewesen ist und dessen Rechtsgrundlage sich inzwischen geändert hat, noch dem Rechtsbestand angehört und dementsprechende Wirkungen entfaltet (zur Unzulässigkeit mittels Feststellungsbescheides über die Auslegung eines rechtskräftigen Bescheides abzusprechen vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2006, Zl. 2003/10/0299).

Auch war die beschwerdeführende Partei auf Grund der zum Zeitpunkt ihres Feststellungsantrages ungeklärten Rechtslage der Gefahr einer Bestrafung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. August 2002, Zl. 2000/10/0126, vom 28. Februar 2005, Zl. 2004/10/0010, und vom 27. September 2007, Zl. 2004/11/0133) ausgesetzt. Auf diese Tatsache wies die beschwerdeführende Partei bereits in ihrer Berufung an die belangte Behörde hin. Damit ist das gesonderte Feststellungsinteresse der beschwerdeführenden Partei dokumentiert.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Oktober 2013

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