VwGH Ro 2016/04/0014

VwGHRo 2016/04/001412.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz‑Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. S B in M, 2. Dr. J D in D, 3. H S, 4. K S, 5. F D, 6. H F, 7. K F, alle in M, 8. Gemeinde A, 9. A R, 10. A R, beide in M, 11. Dl V H, 12. Dl K H, 13. K H, 14. T H, alle in P, 15. E K, 16. K K, beide in S, 17. H R, 18. W R, 19. R R, alle in S, 20. S B, 21. E F, beide in M, 22. H T in S, 23. K S in W, 24. J S, 25. E S, beide in A, 26. M L, 27. J L, beide in M, 28. A K, 29. M K, 30. M K, 31. S K, 32. J K, alle in S, alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 11. April 2016, Zlen. 1) VGW‑101/V/050/2255/2016, 2) VGW‑101/V/050/2256/2016, 3) VGW‑101/V/050/2257/2016, 4) VGW‑101/V/050/2258/2016, 5) VGW‑101/V/050/2259/2016, 6) VWG‑101/V/050/2260/2016, 7) VGW‑101/V/050/2261/2016, 8) VGW‑101/V/050/2262/2016, 9) VGW‑101/V/050/2263/2016, 10) VGW‑101/V/050/2264/2016, 11) VGW‑101/V/050/2265/2016, 12) VGW‑101/V/050/2266/2016, 13) VGW‑101/V/050/2267/2016, 14) VGW‑101/V/050/2268/2016, 15) VGW‑101/V/050/2269/2016, 16) VGW‑101/V/050/2270/2016, 17) VGW‑101/V/050/2271/2016, 18) VGW‑101/V/050/2272/2016, 19) VGW‑101/V/050/2273/2016, 20) VGW‑101/V/050/2274/2016, 21) VGW‑101/V/050/2275/2016, 22) VGW‑101/V/050/2276/2016, 23) VGW‑101/V/050/2277/2016, 24) VGW‑101/V/050/2278/2016, 25) VGW‑101/V/050/2279/2016, 26) VGW‑101/V/050/2280/2016, 27) VGW‑101/V/050/2281/2016, 28) VGW‑101/V/050/2282/2016, 29) VGW‑101/V/050/2283/2016, 30) VGW‑101/V/050/2284/2016, 31) VGW‑101/V/050/2285/2016, 32) VGW‑101/V/050/2286/2016,

betreffend Bau- und Betriebsbewilligung nach dem Starkstromwegegesetz 1968 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft; mitbeteiligte Partei: A AG in W, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 24), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §3 Z1
B-VG Art10 Abs1 Z10
B-VG Art102 Abs2
B-VG Art102 Abs4
B-VG Art131
B-VG Art131 Abs1
B-VG Art131 Abs2
B-VG Art132 Abs1 Z1
StarkstromwegeG 1968
StarkstromwegeG 1968 §1 Abs1
StarkstromwegeG 1968 §24
StarkstromwegeG 1968 §25
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §3
VwGVG 2014 §3 Abs3
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RO2016040014.J00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien insgesamt den Aufwand in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (im Folgenden: belangte Behörde) vom 14. Dezember 2015 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß den Bestimmungen der §§ 6 und 7 des Bundesgesetzes über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (Starkstromwegegesetz 1968 ‑ StWG) die starkstromwegerechtliche Bau‑ und Betriebsbewilligung für das Vorhaben „220 kV‑Leitung Weißenbach ‑ Ernsthofen (Systeme 201/202), Generalsanierung und (n‑1)‑Optimierung“ unter Beachtung bestimmt bezeichneter Nebenbestimmungen erteilt (Spruchpunkt I. 1.).

2 Mit Spruchpunkt I. 2. stellte die belangte Behörde aufgrund der Bestimmungen des Bundesgesetzes über Sicherheitsmaßnahmen, Normalisierung und Typisierung auf dem Gebiet der Elektrotechnik (ETG 1992) fest, dass bei Einhaltung bestimmt bezeichneter Vorschriften gegen die Planung und bauliche Durchführung sowie gegen die Inbetriebnahme der Anlagen vom Standpunkt der elektrotechnischen Sicherheit, der Normalisierung und Typisierung auf dem Gebiet der Elektrotechnik keine Einwände zu erheben sind.

3 Weiter enthält der Bescheid unter Spruchpunkt I. 3. die Auflistung der Genehmigungsgrundlagen und unter Spruchpunkt I. 4. einzuhaltende Auflagen. Mit Spruchpunkt II. 1. bis 4. sprach die belangte Behörde aus, dass sämtliche gegen den verfahrenseinleitenden Antrag erhobenen Einwendungen als mit der Entscheidung über den Hauptantrag miterledigt anzusehen seien, übrige Anträge ab- bzw. zurückgewiesen würden. Weiter wurde die aufschiebende Wirkung von Beschwerden ausgeschlossen (Spruchpunkt III.) und über die Kosten des Verfahrens abgesprochen (Spruchpunkt IV.).

4 2. Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag, die Unzuständigkeit der belangten Behörde auszusprechen, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Zur Begründung wurde ausgeführt, das gegenständliche Vorhaben sei nicht nach dem Starkstromwegegesetz sondern nach den Bestimmungen des UVP‑Gesetzes 2000 zu prüfen gewesen. Wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde für den verfahrensgegenständlichen Antrag sei durch deren Entscheidung das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden.

5 3. Mit Beschluss vom 23. Februar 2016 leitete das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an das Verwaltungsgericht Wien weiter und sprach aus, dass eine Revision gegen diesen Beschluss gemäß § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig sei.

6 Zusammengefasst führte das Bundesverwaltungsgericht begründend aus, die in § 24 StWG vorgesehene Ministerzuständigkeit könne nur dahingehend gedeutet werden, dass der einfache Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, in diesem Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung aus praktischen Erwägungen nicht den Landeshauptmann oder die Bezirksverwaltungsbehörden, sondern (ausnahmsweise) den Bundesminister als erste und letzte Behördeninstanz vorzusehen. Das in Spruchpunkt I. 2. des angefochtenen Bescheids vollzogene Elektrotechnikgesetz zähle zu den in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehenden Angelegenheiten, woraus sich ebenfalls die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte ergebe.

7 Nach der Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B‑VG seien die Verwaltungsgerichte der Länder für Rechtssachen der Vollziehung in mittelbarer Bundesverwaltung sachlich zuständig. Das Bundesverwaltungsgericht sei daher in der vorliegenden Beschwerdesache sachlich unzuständig, weshalb die Rechtssache an das zuständige Landesverwaltungsgericht weiterzuleiten sei.

8 Da sich die verfahrensgegenständliche Leitungsanlage über drei Bundesländer erstrecke, führe § 3 Z 1 AVG, der auf die „Lage des Gutes“ abstelle, zu keinem eindeutigen Ergebnis. Aus diesem Grund sei gemäß § 3 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht Wien als das örtlich zuständige Gericht anzusehen und die Beschwerde an dieses weiterzuleiten.

9 4. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht Wien die weitergeleitete Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gemäß § 31 iVm § 17 VwGVG iVm § 6 AVG wegen Unzuständigkeit zurück (Spruchpunkt I.) und erklärte die ordentliche Revision für zulässig (Spruchpunkt II.).

10 Die Regelung des Starkstromwegerechtes falle gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 10 B‑VG in die Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz des Bundes, sofern sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstrecke. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes knüpfe die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes daran an, dass es sich um eine Angelegenheit der unmittelbaren Bundesverwaltung handle. Die Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung könne sich dabei auch aus anderen Bestimmungen als Art. 102 Abs. 2 B‑VG und damit auch aus dem Starkstromwegerechtsgesetz ergeben. Gemäß § 30 StWG sei mit der Vollziehung dieses Gesetzes entweder der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) alleine oder im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz als „Behörde“ betraut. Dabei kommt dem BMWFW die Bescheidkompetenz hinsichtlich starkstromwegerechtlicher Bau- und Betriebsbewilligungen zu. Es handle sich daher vorliegend um eine Rechtssache in Angelegenheit der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von einer Bundesbehörde besorgt werde, woraus die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes resultiere.

11 Selbst im Falle der Verneinung der sachlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes komme jedenfalls nicht das Verwaltungsgericht Wien als örtlich zuständiges Gericht in Frage. Als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit sei die Lage des Gutes bezogen auf die jeweilige Liegenschaft der einzelnen Beschwerdeführer anzusehen, weil diese ihre Parteistellung jeweils aus dem Grundeigentum bzw. einer dinglichen Berechtigung an einer Liegenschaft ableiten würden. Die Beurteilung der Beschwerden habe nur die darin geltend gemachten Einwendungen in Bezug auf das betreffende Grundstück zum Gegenstand.

12 Da keine Judikatur zu der strittigen Frage der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit über Beschwerden gegen Entscheidungen des BMWFW im Rahmen der Vollziehung des StWG vorliege, sei die ordentliche Revision gegen diesen Beschluss zulässig.

13 5. Gegen diesen Beschluss richtet sich die ordentliche Revision mit dem Antrag, den Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und die Beschwerdesache zur neuerlichen Entscheidung an das Verwaltungsgericht Wien zurückzuverweisen.

14 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist wegen der erforderlichen Klarstellung der Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichtes im Anwendungsbereich des StWG sowie der Klärung der örtlichen Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte im Falle Bundesländergrenzen überschreitender Vorhaben zulässig. Sie ist auch berechtigt.

16 6.1. Das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (Starkstromwegegesetz 1968 ‑ StWG), BGBl. Nr. 70/1968 idF BGBl. I Nr. 144/1998, lautet auszugsweise:

„§ 24. Behörde

Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ‑ soweit § 25 nichts anderes bestimmt ‑ der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.

§ 25. Delegierung

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann im Einzelfall die örtlich zuständigen Landeshauptmänner zur Vornahme von Amtshandlungen, insbesondere auch zur Erlassung von Bescheiden, ganz oder zum Teil ermächtigen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist. Die Landeshauptmänner treten für den betreffenden Fall vollständig an die Stelle des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten.“

17 6.2. Zur sachlichen Zuständigkeit:

6.2.1. Art. 131 B‑VG sieht eine Aufteilung der (sachlichen) Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte in Form von Generalklauseln zugunsten der Landesverwaltungsgerichte (Abs. 1 und Abs. 6 leg. cit.) in Verbindung mit einer taxativen Aufzählung jener Angelegenheiten, über die die Verwaltungsgerichte des Bundes entscheiden (Abs. 2 und Abs. 3 leg. cit.), vor. Gemäß Art. 131 Abs. 2 erster Satz B‑VG ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig „in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden“. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes knüpft also daran an, dass eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung im Sinne des Art. 102 Abs. 2 B‑VG erledigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2015, Ra 2015/04/0035, mwN). Rechtssachen in Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, fallen nach der Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B‑VG zur Gänze in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte. Den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012 ist zudem zu entnehmen, dass eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nicht besteht, wenn in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird, (ausnahmsweise) eine erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesministers vorgesehen ist (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP , 15 sowie nochmals Ra 2015/04/0035).

18 6.2.2. Das „Starkstromwegerecht ist, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt“ gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 10 B‑VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Es handelt sich jedoch weder um eine in Art. 102 Abs. 2 B‑VG genannte Angelegenheit noch um einen Anwendungsfall des Art. 102 Abs. 4 B‑VG (vgl. wiederum RV 1618 BlgNR 24. GP , 15). Eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Vollziehung dieser Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung ist dem StWG nicht zu entnehmen. Vielmehr sieht dieses neben den erstinstanzlichen Ministerialzuständigkeiten die Möglichkeit der Delegation an die örtlich zuständigen Landeshauptmänner vor. Es ist daher ‑ und nur darauf kommt es bei der Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit an ‑ davon auszugehen, dass es sich beim Starkstromwegerecht um eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung handelt, in der ausnahmsweise erstinstanzliche Ministerialzuständigkeiten bestehen.

19 6.2.3. Für die vom Verwaltungsgericht Wien vertretene, nicht auf die „Angelegenheit“ als solche, sondern auf die einzelne Rechtssache abstellende Verteilung der sachlichen Zuständigkeit zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und den Landesverwaltungsgerichten findet sich in Art. 131 Abs. 2 erster Satz B‑VG kein Anhaltspunkt. Folgte man dieser Rechtsansicht würde es in den nach dem StWG geregelten Angelegenheiten zu einer zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und den Landesverwaltungsgerichten „nach organisatorischen Kriterien geteilten Zuständigkeit in ein und derselben Angelegenheit“ kommen. Eine solche geteilte Zuständigkeit wollte der Verfassungsgesetzgeber aber gerade vermeiden (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP  15).

Das Verwaltungsgericht Wien hat die sachliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte zu Unrecht verneint.

20 6.3. Zur örtlichen Zuständigkeit:

6.3.1. Gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören, in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B‑VG nach § 3 Z 1, 2 und 3 (mit Ausnahme des letzten Halbsatzes) AVG. Lässt sich die Zuständigkeit nicht gemäß § 3 Abs. 1 oder 2 VwGVG bestimmen, ist das Verwaltungsgericht im Land Wien zuständig (§ 3 Abs. 3 VwGVG).

6.3.2. Gemäß § 3 Z 1 AVG richtet sich ‑ soweit die in § 1 AVG erwähnten Vorschriften wie hier nichts anderes bestimmen ‑ die örtliche Zuständigkeit in (Verwaltungs‑)Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut im Sinne des bürgerlichen Rechts beziehen (zB Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, Baubewilligungsverfahren) nach der Lage des Gutes (vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG I², § 3 Rz 3). Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist sohin die Lage des unbeweglichen Gutes, das den Prozessgegenstand bildet.

21 6.3.3. Entscheidend zur Festlegung des Prozessgegenstandes vor dem Verwaltungsgericht ist die Beurteilung, was im gegenständlichen Fall als Verwaltungssache anzusehen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu vom Verwaltungsgericht zu führenden Verfahren über Beschwerden gegen verwaltungsbehördliche Bescheide festgehalten, dass ‑ ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfanges ‑ als Sache eines solchen Verfahrens jedenfalls jene Angelegenheit anzusehen ist, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0134, mwN).

In einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren bestimmt in erster Linie der Antragsteller, was Gegenstand des Verfahren ist; der Antrag legt fest, was Sache des Genehmigungsverfahrens ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013, 2011/03/0160, mwN).

Fallbezogen wurde die starkstromwegerechtliche Bau‑ und Betriebsbewilligung für ein bestimmt bezeichnetes Vorhaben beantragt, die nach dem eben Gesagten die Sache des Genehmigungsverfahrens darstellt. Dass es auf die Leitungsanlage ankommt, zeigen auch die Bestimmungen des StWG, die bereits in ihrem Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 1) daran anknüpfen, dass es sich um „elektrische Leitungsanlagen für Starkstrom, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken“ handelt. Die zu bewilligende Starkstromleitung stellt ein unbewegliches Gut im Sinne des bürgerlichen Rechts dar. Damit bezieht sich die verfahrensgegenständliche Verwaltungssache auf ein unbewegliches Gut im Sinne des § 3 Z 1 AVG. Die Lage der Leitung ist daher der Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit.

22 6.3.4. Unabhängig von der Bestimmung der Verwaltungssache und dem daran anschließenden Prozessgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Frage des allenfalls eingeschränkten Prüfungsumfangs gemäß § 27 VwGVG zu sehen. So sind Parteibeschwerden im Sinn des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B‑VG nur insoweit zu prüfen, als diese die behauptete Verletzung von subjektiv‑öffentlichen Rechten der beschwerdeführenden Partei zum Gegenstand hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2015, Ra 2015/04/0012). Die Lage der Liegenschaft, an der ein Beschwerdeführer ein dingliches Recht hat, mag insofern von rechtlicher Relevanz sein, als diese die Parteistellung begründet und sich aus ihr subjektive Rechte in jeweils unterschiedlichem Umfang ableiten lassen. Die Liegenschaften der beschwerdeführenden Parteien bilden aber nicht den Verfahrensgegenstand vor der belangten Behörde, weil sich der verfahrenseinleitende Antrag nicht auf diese bezieht. Sie sind daher entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien nicht der gesetzliche Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit im Beschwerdeverfahren über den Genehmigungsbescheid.

23 6.3.5. Fallbezogen ist Gegenstand des Antrages der mitbeteiligten Partei bei der belangten Behörde die Erteilung der Bau- und Betriebsbewilligung für die projektierte 220 kV‑Leitung „Weißenbach ‑ Ernsthofen“. Der Spruch des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides umfasst die Erteilung der Bewilligung des beantragten Vorhabens in seiner Gesamtheit. Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nach dem oben Gesagten daher die Bewilligung der gesamten Leitung, die sich über drei Bundesländer erstreckt und als das prozessgegenständliche unbewegliche Gut den Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes gemäß § 3 Z 1 AVG bildet.

Über die Lage des Gutes hinaus bieten sich für den vorliegenden Fall keine gesetzlichen Anhaltspunkte für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit. So sieht insbesondere das Starkstromwegegesetz 1968 ‑ anders als etwa § 32a BStG oder § 101 Abs. 5 WRG ‑ keine Regelung vor, die die örtliche Zuständigkeit nach sachlichen Kriterien von vornherein bei einem Landesverwaltungsgericht konzentrieren würde (vgl. Eberhard/Ranacher/Weinhandl, Rsp‑Bericht, ZfV 2016/20‑8). Da die Situierung der projektierten Leitung keine Zuordnung zum Zuständigkeitsbereich eines der Landesverwaltungsgerichte erlaubt, lässt sich die örtliche Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichtes für die Rechtssache aufgrund der Lage des Gutes nicht bestimmen. Die örtliche Zuständigkeit mehrerer Verwaltungsgerichte anzunehmen, kommt schon deshalb nicht in Frage, weil der bekämpfte Bescheid die Bewilligung der Leitung in ihrer gesamten Länge umfasst. Diese bekämpfte Bewilligung bildet unabhängig von der Person des Beschwerdeführers und dem sich daraus ergebenden Prüfungsumfang den Prozessgegenstand im jeweiligen Beschwerdeverfahren. Eine Entscheidung durch mehrere Verwaltungsgerichte in der identen Sache ist ausgeschlossen.

Nachdem sich aufgrund der Lage des Gutes die örtliche Zuständigkeit nicht bestimmen lässt, greift der Auffangtatbestand des § 3 Abs. 3 VwGVG, der die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien vorsieht.

Das Verwaltungsgericht hat daher fallbezogen seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint, weshalb der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben ist.

24 6.4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. September 2016

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