Normen
AVG §3 Z2;
AVG §3;
AVG §6 Abs1;
AWG 2002 §24a Abs4;
AWG 2002 §24a;
AWG 2002 §25a Abs6;
AWG 2002 §25a;
B-VG Art136 Abs2;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §3;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 7. November 2013 wurde der Revisionswerberin gemäß § 25a Abs. 6 AWG 2002 die Berechtigung zur Sammlung und Behandlung nicht gefährlicher Abfälle entzogen.
Dieser Bescheid wurde der Revisionswerberin an ihre Adresse in 8 T (in der S) zugestellt.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in der die Revisionswerberin als ihre "Normadresse" eine Adresse in W nannte, wurde dem Verwaltungsgericht Wien am 2. Jänner 2014 vorgelegt.
3. Nach Erhebungen zur Zuständigkeit durch das Verwaltungsgericht Wien wurde von diesem die Berufung (nunmehr: Beschwerde) mit Erledigung vom 14. Oktober 2014 gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 6 AVG zuständigkeitshalber an das Landesverwaltungsgericht Steiermark weitergeleitet.
Durch dieses wurde in weiterer Folge mit Erledigung vom 4. November 2014 - ohne Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes Wien zur Zuständigkeit - die Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien wieder rückgemittelt.
4. Daraufhin fasste das Verwaltungsgericht Wien am 28. Jänner 2015 den nun in Revision gezogenen Beschluss, mit dem es gemäß § 3 Abs. 1 VwGVG iVm § 3 AVG iVm § 17 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG feststellte, dass es nicht zur Entscheidung über die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom 7. November 2013 zuständig sei; unter einem wurde ausgesprochen, dass gegen diesen Beschluss gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
Dies wurde damit begründet, dass es sich um kein verwaltungsstrafrechtliches Verfahren handle, sodass § 27 VStG nicht anzuwenden sei.
Im AWG 2002 fände sich keine Sonderregelung zur Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit des als Rechtsmittelinstanz anzurufenden Landesverwaltungsgerichts. Dies gelte auch für § 24a Abs. 4 leg. cit., der offenkundig nur eine Regelung der erstinstanzlichen örtlichen Zuständigkeit treffe. Abgesehen davon sei das Verständnis des Begriffs "Sitz" in § 24a Abs. 4 AWG 2002 derart, dass damit der Ort gemeint sei, von welchem aus die tatsächliche Unternehmens- und Geschäftsführung in Hinblick auf die intendierte Abfallsammel- bzw. -behandlertätigkeit wahrgenommen werde.
Folglich sei die örtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde nach der Bestimmung des § 3 AVG zu ermitteln. Gegenstand des Verfahrens sei die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit welchem gemäß § 25a Abs. 6 AWG 2002 der Revisionswerberin die Berechtigung zur Sammlung und Behandlung nicht gefährlicher Abfälle entzogen worden sei. Die Sache des Verfahrens beziehe sich daher auf den Tätigkeitsbereich eines Unternehmens, daher auf den Betrieb eines Unternehmens im Sinn des § 3 Z. 2 AVG. Für die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts in Hinblick auf eine Beschwerde gegen einen auf § 24a Abs. 4 AWG 2002 gegründeten Bescheid sei daher der Ort, von welchem aus die tatsächliche Unternehmens- und Geschäftsführung in Hinblick auf die intendierte Abfallsammel- bzw. -behandlertätigkeit wahrgenommen werde, zu verstehen. Sohin sei nach diesem örtlichen Anknüpfungspunkt die örtliche Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts zu ermitteln. Dieser Ort liege in T in der S. Dies ergebe sich aus mehreren (im angefochtenen Beschluss detailliert wiedergegebenen) Ermittlungsergebnissen des LVwG.
Auf Grund dieser Ermittlungsergebnisse sei das LVwG schließlich zur Überzeugung gelangt, dass der Ort der tatsächlichen Verwaltungsführung des von der Revisionswerberin betriebenen Unternehmens in T liege. Besonders wesentlich für die Beantwortung dieser Frage seien regelmäßig die Angaben des jeweiligen Unternehmens an die Gewerbebehörde und daher die Gewerberegisterauszüge betreffend das jeweilige Unternehmen gewesen. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass ein Unternehmen grundsätzlich kein Interesse habe, einer Gewerbebehörde zu verheimlichen, von welchem Ort aus die tatsächliche Geschäfts- und Gewerbebetriebsführung erfolge, zumal jedes Unternehmen mit einer gewerberechtlichen Prüfung rechnen müsse. Im Hinblick auf die der Revisionswerberin erteilten Gewerbeberechtigungen (insbesondere für das Gewerbe der Verwertung, Beseitigung und Lagerung von Abfall) habe diese aber stets ausschließlich die Unternehmensadresse in T als den Ort der Ausübung ihrer Gewerbeberechtigung angeführt. Niemals habe sie vorgebracht, dass sie auch über eine Betriebsniederlassung in Wien verfüge.
Auch in den beigeschafften Akten betreffend die Verwaltungsverfahren der in Kärnten situierten Deponien der Revisionswerberin sei stets die steirische Anschrift in T bzw. die Anschrift eines steirischen Rechtsvertreters angegeben worden. Auch im Firmenbuch sei u.a. diese steirische Adresse als ein Niederlassungsort der Gesellschaft bezeichnet worden.
Zudem habe der Geschäftsführer der Revisionswerberin in einem Verfahren vor dem UVS Wien (im Jahre 2013) vorgebracht, dass diese Gesellschaft am Wiener Gesellschaftssitz über keine Abgabestelle verfüge und dass der Ort ihrer wirtschaftlichen Verwaltungstätigkeit in T liege. Vom Geschäftsführer sei in diesem Zusammenhang als Beleg vorgebracht worden, dass die Gesellschaft beim Finanzamt Graz veranlagt werde. Auch dieser Umstand bringe deutlich zum Ausdruck, dass der tatsächliche Ort der Verwaltungsführung in T und nicht in Wien liege.
Auch gegenüber dem Bundesumweltamt habe die Revisionswerberin als ihre Adresse die Adresse in T und nicht die Wiener Adresse angegeben. Nur so sei erklärlich, dass im Register des Umweltbundesamtes auf Grund einer Meldung der Revisionswerberin als Sitz der Gesellschaft die Adresse in T angeführt sei. Schließlich verfüge die Revisionswerberin nur über einen einzigen Telefonanschluss, welcher für die Adresse in T erteilt worden sei. Auch die zweite im Internet aufscheinende Telefonnummer "liege in Kärnten und nicht in Wien."
Schließlich habe die Anfrage bei der Sozialversicherung ergeben, dass von der Revisionswerberin seit dem 19. Dezember 2002 fast durchgehend am Beschäftigungsort in T Arbeitnehmer beschäftigt worden seien; am Kärntner Deponiestandort sei nur ein Arbeitnehmer gemeldet gewesen. Weil dieser Standort nur einen Arbeiter beschäftige und sich auch dort keine Büroräumlichkeiten befänden, müsse gefolgert werden, dass die Revisionswerberin nicht vom Kärntner Deponiestandort aus geführt werde. Auch an der Wiener Sitzadresse erfolge keinerlei Geschäftsführungstätigkeit für die gegenständliche Gesellschaft.
Daraus sei zu folgern, dass die gesamte Geschäftsführungstätigkeit der Revisionswerberin und die sonstigen Verwaltungsführungsarbeiten in Hinblick auf den Geschäftsbereich dieser Gesellschaft durch deren Geschäftsführer bzw. allfällig am Standort in T beschäftigten Arbeitnehmer an der Adresse in T wahrgenommen werde. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass die Revisionswerberin außer in T und an dem Kärntner Deponiestandort irgendeine Geschäfts- bzw. Verwaltungstätigkeit ausübe.
Bei der als Sitz der Revisionswerberin angeführten Adresse in Wien 1 handle es sich um eine reine Briefkastenadresse; die dort logierende B-GesmbH biete in wenigen Räumen mehr als 45 Gesellschaften Sitz und Geschäftsadresse und die Funktion eines "Briefkastens" (wird näher ausgeführt). Dort werde auch nicht die tatsächliche Geschäftsführung der Verwaltung der Revisionswerberin durchgeführt.
Da T in der S liege, sei sohin für das gegenständliche Beschwerdeverfahren das Landesverwaltungsgericht Steiermark zuständig. Das Verwaltungsgericht Wien sei demnach nicht zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde zuständig.
Nach Wiedergabe des § 17 VwGVG führte das Verwaltungsgericht Wien weiter aus, mangels einer Regelung im VwGVG seien die entsprechenden Regelungen des AVG für die Frage, wie eine Behörde vorzugehen habe, wenn bei dieser einer Beschwerde einlange, anzuwenden. Diesbezüglich sei § 6 AVG einschlägig. Nach Wiedergabe dieser Bestimmung und der dazu ergangenen Rechtsprechung legte das Verwaltungsgericht Wien weiter dar, dass im § 6 AVG der Fall nicht ausdrücklich geregelt sei, in dem die Behörde bzw. das Gericht, an welche(s) zuständigkeitshalber ein Schriftsatz weitergeleitet worden sei, die weiterleitende Behörde bzw. das weiterleitende Gericht als zuständig erachte. Für diesen Fall habe die verwaltungsgerichtliche Judikatur aus § 6 Abs. 1 AVG abgeleitet, dass die Behörde (das Gericht), an welche(s) der Schriftsatz weitergeleitet worden sei, diesen an die Behörde (bzw. das Gericht), welche(s) diese Behörde bzw. dieses Gericht als zuständig erachte, rückzuleiten habe. Wenn daher das Gericht, an welches ein Schriftsatz zuständigkeitshalber weitergeleitet worden sei, zum Ergebnis gelange, dass für diesen Schriftsatz die weiterleitende Behörde bzw. das weiterleitende Gericht zuständig sei, dann habe es diesen Schriftsatz wieder zuständigkeitshalber rückzuübermitteln.
Aus nicht nachvollziehbaren und auch nicht dargelegten Gründen erachte sich das Landesverwaltungsgericht Steiermark als nicht zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde zuständig. Vielmehr qualifiziere es als das zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde zuständige Verwaltungsgericht das Verwaltungsgericht Wien. In Entsprechung der obgenannten Rechtsprechung zu § 6 AVG habe es daher die Beschwerde dem erkennenden Gericht wieder zuständigkeitshalber rückgemittelt. Wie weiterhin vorzugehen sei, sei dem § 6 AVG nicht zu entnehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verbiete sich in dieser Konstellation die abermalige Rückübermittlung an eine Behörde bzw. ein Gericht, welche(s) bereits ausdrücklich (durch die Vornahme einer Weiterleitung bzw. Rufübermittlung) ihre bzw. seine Zuständigkeit verneint habe, würde ein solches Vorgehen doch zu einer unendlichen Rückübermittlungsschleife führen.
Nach dieser Rechtsprechung sei aber die Behörde bzw. das Gericht auch nicht befugt, den Schriftsatz zurückzuweisen. Die Unzulässigkeit der Erlassung einer zurückweisenden Entscheidung werde damit begründet, dass mit einer Zurückweisung eines Rechtsmittels zugleich auch zum Ausdruck gebracht werde, dass keine weitere Entscheidung in Hinblick auf die durch das Rechtsmittel bekämpfte vorinstanzliche Entscheidung ergehen dürfe. Mit dem Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung, mit welcher ein Rechtsmittel zurückgewiesen werde, dürfe demnach nicht mehr über das (rechtskräftig zurückgewiesene) Rechtsmittel entschieden werden.
Auf Grund dieser Überlegung habe die Rechtsprechung aus § 6 Abs. 1 AVG gefolgert, dass im Falle der Rückübermittlung eines Rechtsmittels an eine Behörde bzw. ein Gericht, die Behörde bzw. das Gericht, das sich weiterhin als unzuständig erachte, mit einem feststellenden Bescheid seine Unzuständigkeit aussprechen müsse. Durch diese Entscheidung werde es den Parteien eröffnet, die Frage der Zuständigkeit im Beschwerdewege einer Klärung zuzuführen. Zugleich habe aber dieser Beschluss nicht die Wirkung, dass es auch der tatsächlich zuständigen Behörde bzw. dem tatsächlich zuständigen Gericht untersagt sei, über dieses Rechtsmittel als zuständige Behörde bzw. zuständiges Gericht zu entscheiden.
In Entsprechung dieser Rechtsprechung habe das erkennende Gericht daher mit Beschluss seine Unzuständigkeit festzustellen.
Die ordentliche Revision wurde als zulässig erklärt, da es bislang keine verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des "§ 3 Abs. 1 Z. 1 VwGVG" gebe. Zudem sei die Rechtsprechung zur Frage, wie im Falle der Rücküberweisung eines Rechtsmittelschriftsatzes an das Organ, welches zuvor seine Zuständigkeit durch Weiterleitung an das rücküberweisende Organ verneint habe, nicht einheitlich, zumal nach der Rechtsprechung diesfalls entweder das Organ gehalten sei, seine Unzuständigkeit festzustellen (VwGH 94/05/0370, 96/07/0040), oder aber es zulässig sei und ausreiche, wenn das Organ das Rechtsmittel zurückweise (VwGH 2009/07/0008), oder aber das Organ das Rechtsmittel selbst im Falle der Zurückweisung des Rechtsmittels durch dieses Organ wieder an das rücküberweisende Organ zurückzuleiten habe (VwGH 96/21/0670).
5. Gegen diesen Beschluss erhob die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 9. März 2015 eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG und verband diese mit einem "Antrag auf Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes gemäß § 71 VwGG iVm Art. 133 Abs. 1 Z. 3 B-VG."
In ihrer Revisionsbeantwortung vom 4. Mai 2015 beantragte die belangte Behörde (im Ergebnis) die kostenpflichtige Abweisung der Revision und die Zurückweisung des Antrags auf Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt.
6. Mit hg. Beschluss vom 30. Juni 2015, Ko 2015/03/0003-4, wurde der letztgenannte Antrag auf Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes als unzulässig zurückgewiesen.
Dies wurde unter Hinweis auf die hg. Beschlüsse vom 18. Februar 2015, Ko 2015/03/0001, und vom 30. Juni 2015, Ko 2015/03/0002, damit begründet, dass die Zulässigkeit eines solchen Antrages unter anderem voraussetze, dass im Zeitpunkt der Antragstellung an den Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung nicht mehr mit Revision bekämpft werden könne. Solange - wie hier -
die Frage der Zuständigkeit aber in einem Revisionsverfahren geklärt werden könne, sei ein Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes unzulässig.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ordentliche Revision erwogen:
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
2. Das Verwaltungsgericht Wien erachtete die ordentliche Revision als zulässig, zumal noch keine Rechtsprechung zu § 3 Abs. 1 (gemeint wohl: Abs. 2) Z 1 VwGVG bestehe und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in einer Konstellation wie der vorliegenden uneinheitlich sei.
Die Revision selbst stellt zusätzlich die Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien in Frage, wonach der "Sitz" nicht an den Sitz laut Firmenbuch, sondern an den Sitz der Betriebsführung anknüpfe.
Die Revision ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
3. Die ordentliche Revision macht geltend, es fehle eine einheitliche Rechtsprechung und Auslegung des § 3 Abs. 2 Z. 1 VwGVG.
3.1. Diese Bestimmung lautet:
"Örtliche Zuständigkeit
§ 3. (1) ...
(2) Im Übrigen richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören,
1. in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 und 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, nach § 3 Z 1, 2 und 3 mit Ausnahme des letzten Halbsatzes des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in Verwaltungsstrafsachen jedoch nach dem Sitz der Behörde, die den Bescheid erlassen bzw. nicht erlassen hat;
2. ..."
3.2. Eine Verwaltungsstrafsache liegt im vorliegenden Fall nicht vor; die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes ist daher anhand des § 3 Z 1, 2 und 3 (mit Ausnahme des letzten Halbsatzes) AVG zu ermitteln.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber des AWG 2002 nicht von der ihm gemäß Art. 136 Abs. 2 B-VG zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte abweichende Regelungen zu treffen. So wird mit den Zuständigkeitsregeln des § 24a Abs. 4 AWG 2002 bzw. des § 25a AWG 2002 keine Festlegung des zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen auf diese Bestimmungen gründende Bescheide zuständigen Landesverwaltungsgerichtes getroffen.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung prüfte das Verwaltungsgericht Wien nicht die Frage, ob die belangte Behörde selbst zu Recht ihre Zuständigkeit zur Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides angenommen hat. Es prüfte im angefochtenen Beschluss allein, welches Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung über eine gegen einen solchen Bescheid erhobene Beschwerde zuständig ist. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht Wien dargelegt, dass diesbezüglich aus den Bestimmungen des § 24a Abs. 4 in Verbindung mit § 25a Abs. 6 AWG 2002 nichts zu gewinnen ist.
3.3. Es ist vielmehr auf die Bestimmung des § 3 AVG zurück zu greifen.
§ 3 AVG lautet wie folgt:
"§ 3. Soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese
1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen:
nach der Lage des Gutes;
2. in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, dann nach seinem letzten Hauptwohnsitz (Sitz) im Inland, schließlich nach seinem letzten Aufenthalt im Inland, wenn aber keine dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlass zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig."
Im vorliegenden Fall geht es um die Entziehung einer abfallrechtlichen Genehmigung eines Unternehmens. Unstrittig liegt daher kein dem § 3 Z 1 oder Z 3 AVG zu subsumierender Tatbestand vor.
3.4. In diesem Zusammenhang vertritt die Revisionswerberin die Ansicht, dass mit dem auf Grundlage des § 25a Abs. 6 AWG 2002 ergangenen Bescheid der belangten Behörde lediglich ihre Berechtigung zur Sammlung und Behandlung von Abfällen im Bundesland Wien entzogen und ihre Berechtigung zur Sammlung und Behandlung von Abfällen in allen übrigen Bundesländern nicht beschränkt oder tangiert worden sei.
Damit verkennt die Revisionswerberin aber den Inhalt des Bescheides der belangten Behörde. Diese legte eingangs die Genesis der der Revisionswerberin erteilten Berechtigung, deren Überleitung (ins AWG 2002) und genauen (inhaltlichen) Umfang näher dar. Demnach war die Revisionswerberin nach § 24a AWG 2002 für das gesamte Bundesgebiet zur Sammlung und Behandlung von Abfällen befugt. § 25a Abs. 6 AWG 2002 als korrespondierende Norm regelt den Entzug dieser Erlaubnis; wird sie einschränkungslos entzogen, hat dies ebenfalls Auswirkungen auf das gesamte Bundesgebiet. Die belangte Behörde entzog daher der Revisionswerberin ihre Berechtigung zur Sammlung und Behandlung von (nicht gefährlichen) Abfällen nicht nur für das Bundesland Wien, sondern für das gesamte Bundesgebiet.
3.5. Es liegt somit im Sinne des § 3 Z 2 AVG eine Sache vor, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit bezieht. Die Zuständigkeit richtet sich somit nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll.
Während das Verwaltungsgericht Wien die Ansicht vertritt, es handle sich bei dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben wird, um die tatsächliche Betriebsstätte in der Steiermark, vertritt die Revisionswerberin die Ansicht, es handle sich um den nominellen Firmensitz in Wien.
Gegen das letztgenannte Verständnis spricht schon der Wortlaut des § 3 Z 2 AVG, wo vom Betrieb eines Unternehmens, nicht aber von seinem "Sitz" die Rede ist. Dass der Ort der Betriebsführung selbst in der Steiermark liegt, wird in der Revision nicht bestritten.
Im Übrigen ergibt sich aus den Ermittlungsergebnissen, den darauf gründenden Feststellungen und der dahinter stehenden und nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts Wien, dass es sich bei dem Firmensitz in Wien um einen rein nominellen Firmensitz handelt. In Bezug auf die Unternehmensausübung und auf deren gewerberechtliche, finanzielle und sozialversicherungsrechtliche Aspekte ergibt sich hingegen die Betriebsführung in der Steiermark.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts Wien, wonach nach § 3 Z 2 AVG die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Steiermark zur Entscheidung über die Beschwerde gegeben sei, ist daher nicht zu beanstanden.
4. Eine weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung erblickte das Verwaltungsgericht und auch die Revisionswerberin in der rechtsrichtigen Vorgangsweise bei mehrfachen Weiter- und Rückleitungen von Anträgen vor dem Hintergrund des § 6 AVG. Fraglich sei, wie nach Rückübermittlung zB einer Beschwerde an das ursprünglich weiterleitende Gericht dieses zu entscheiden habe; diesbezüglich bestehe keine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es wäre die Zurückweisung des Antrags (Rechtsmittels), die Feststellung der Unzuständigkeit oder die trotz beschlussmäßiger Zurückweisung neuerliche Weiterleitung des Antrags (Rechtsmittels) denkbar.
Nun wiederholt die Revisionswerberin zwar die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Wien im Zusammenhang mit der Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, unterlässt aber eine Darstellung der Rechte, in denen sie durch die Feststellung der Unzuständigkeit (statt der Zurückweisung des Rechtsmittels bzw. statt einer neuerlichen Weiterleitung an das Landesverwaltungsgericht Steiermark) verletzt worden wäre. Insoweit sie die Ansicht vertritt, das Verwaltungsgericht Wien hätte im hier gegebenen Fall der Rückmittlung auf jeden Fall in der Sache zu entscheiden gehabt, verkennt sie, dass die Weiterleitung oder Rückmittlung nach § 6 AVG keine zuständigkeitsbegründende Wirkung zu entfalten vermag (vgl. in diesem Sinne die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 2003, 2002/12/0306, und vom 19. März 2003, 2002/12/0284).
5. Die Revision erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 29. Oktober 2015
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