Normen
AVG §36 Abs5;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 Z1;
VStG §24;
VStG §51 Abs1;
AVG §36 Abs5;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 Z1;
VStG §24;
VStG §51 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13. und 14. Bezirk, vom 13. Oktober 1994 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der ... Ges.m.b.H. mit Sitz in Wien und somit als zur Vertretung nach außen Berufener zu verantworten zu haben, daß am 28. Jänner 1994 auf dem Betriebsgelände dieser Gesellschaft in R, ..., in einer Halle 250.000 Leuchtstoffröhren und 50 Fässer Leuchtstoffröhrenbruch gefunden worden seien, die ohne Genehmigung gelagert worden seien. Er habe dadurch § 39 Abs. 1 lit. b Z. 8 Abfallwirtschaftsgesetz i.V.m. Punkt 2 des rechtskräftigen Bescheides der MA 22 vom 2. Oktober 1992 sowie § 39 Abs. 1 lit. a Z. 3 Abfallwirtschaftsgesetz verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 39 lit. a und b Abfallwirtschaftsgesetz eine Geldstrafe von S 80.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 80 Tage) verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Beschwerdeführer bei der Erstbehörde fristgerecht Berufung ein, welche mit dem Bezug habenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vorgelegt wurde. Dieser übermittelte mit Schreiben vom 6. Dezember 1994 die Berufung samt Verwaltungsstrafakt "gemäß § 51 Abs. 1 VStG i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG" zuständigkeitshalber dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich zur Entscheidung. Letzterer stellte mit Bescheid vom 21. März 1995 fest, daß er zur Entscheidung über die verfahrensgegenständliche Berufung nicht zuständig sei. Die Erstbehörde legte hierauf mit Schreiben vom 5. April 1995 den gesamten Akt dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien "zuständigkeitshalber" vor.
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. April 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG "wegen örtlicher Unzuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien als unzulässig zurückgewiesen". Aus der Vorlage des Aktes sei der Schluß zu ziehen, daß die erstinstanzliche Behörde als weitere Partei des Verfahrens (§ 51d VStG) darauf beharre, daß nunmehr auch der Unabhängige Verwaltungssenat Wien bescheidmäßig erkenne. Gemäß § 51 Abs. 1 VStG stehe dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen worden sei. Im konkreten Fall sei dem Beschwerdeführer dezidiert zur Last gelegt worden, auf dem Betriebsgelände in R und damit in Niederösterreich eine nach dem Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) nicht genehmigte Lagerung durchgeführt zu haben. Daran ändere auch nichts, daß im Spruch des Straferkenntnisses zusätzlich die in Wien gelegene Anschrift des Sitzes der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft angeführt gewesen sei. Als wahrer Tatort sei nämlich schon rein begrifflich der Ort anzusehen, an dem die nicht genehmigte Lagerung erfolgt sei, denn die vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft hätte dort tätig werden müssen, indem sie bei der örtlich zuständigen Behörde die entsprechende Genehmigung zu erwirken gehabt hätte. Die Angabe des diesbezüglich richtigen Tatorts in Niederösterreich sei bereits Inhalt des Straferkenntnisses der Erstbehörde, weshalb gemäß § 51 Abs. 1 VStG nicht der Unabhängige Verwaltungssenat Wien, sondern der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich zur Erlassung einer Berufungsentscheidung in der vorliegenden Verwaltungsstrafsache zuständig gewesen wäre (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl. 94/11/0055). Dieser hätte das Straferkenntnis der Erstbehörde wegen deren örtlicher Unzuständigkeit aufzuheben gehabt.
Dagegen richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung der Behandlung mit Beschluß vom 27. November 1995, B 2153/95-6, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichtbestrafung sowie in dem Recht auf materielle Entscheidung über die von ihm gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 13. Oktober 1994 erhobene Berufung verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Mai 1996, Zl. 94/05/0370, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß eine Behörde, der eine Berufung nach ihrer Auffassung zu Unrecht von der erstinstanzlichen Behörde vorgelegt wird, diese gemäß § 6 AVG an die ihrer Auffassung nach zuständige Berufungsbehörde weiterzuleiten hat, nicht aber berechtigt ist, eine an sich zulässige Berufung wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen und damit im Ergebnis die Verantwortung für die (angenommen) verfehlte Weiterleitung innerhalb des Behördenapparates auf die Partei zu überwälzen. Weder die unrichtige Bezeichnung der Berufungsbehörde durch die Partei noch ein Beharren der Partei auf die Entscheidung einer bestimmten Berufungsbehörde vermag eine Berechtigung oder gar Verpflichtung dieser Behörde zur Zurückweisung einer (zulässigen) Berufung auszulösen. Die Berufungsbehörde ist in Wahrnehmung der Zuständigkeit nicht berechtigt, aus diesem Grund mit einer Zurückweisung der Berufung vorzugehen. Eine solche Zurückweisung der Berufung kann nicht in eine bloße Feststellung der Unzuständigkeit der Berufungsbehörde umgedeutet werden. Da die Zuständigkeit der Berufungsbehörde nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Berufung angesehen werden kann, liegt in der nach § 66 Abs. 4 AVG erfolgten Zurückweisung der Berufung durch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid wegen örtlicher Unzuständigkeit eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Im Hinblick auf die durch BGBl. Nr. 620/1995 erfolgte Änderung des § 51 Abs. 1 VStG ist - unter Berücksichtigung der Übergangsbestimmung des § 66b Abs. 6 VStG in der Fassung der vorzitierten Novelle zum VStG - im fortgesetzten Verfahren die belangte Behörde jedenfalls als zur Entscheidung über die Berufung zuständig anzusehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1995. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht ersatzfähigen Schriftsatzaufwand für die Verfassungsgerichtshofsbeschwerde.
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