VwGH 94/11/0055

VwGH94/11/005519.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der M in G, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 7. Dezember 1993, Zl. 1-576/93/E5, betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ARG 1984 §3 Abs2;
AVG §1;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VStG §24;
VStG §27 Abs1;
VStG §51 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
ARG 1984 §3 Abs2;
AVG §1;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VStG §24;
VStG §27 Abs1;
VStG §51 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 30. Juni 1993 wurde die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als "gemäß § 9 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte

(Bereich: Marktleiterin im f... Markt Nr. 117 in ... X

(NÖ) ...)" einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Dornbirn für schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß am Samstag, dem 13. Februar 1993, sechs namentlich genannte Arbeitnehmerinnen in dem in Rede stehenden Filialbetrieb in X (NÖ) bis 17.30 Uhr gearbeitet hätten. Dadurch habe sie sechs Übertretungen nach § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes begangen. Über sie wurden sechs Geldstrafen in der Höhe von je S 2.000,-- (je 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Dagegen wurde Berufung bei der belangten Behörde eingebracht. Darin wurde lediglich die Strafbemessung gerügt. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde - neben einer vom Arbeitsinspektorat, welches die zugrundeliegende Strafanzeige erstattet hatte, erhobenen Berufung - die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen und das Straferkenntnis vom 30. Juni 1993 bestätigt.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß der Umstand, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen das Straferkenntnis lediglich den Strafausspruch bekämpft hat, nicht zur Folge hat, daß dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung verwehrt wäre, ob die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig war. Das von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (vom 29. Juni 1992, Zl. 91/10/0223) bringt lediglich zum Ausdruck, daß die Schuldfrage nicht erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann und daß eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof in Ansehung des Schuldspruches auch dann zurückzuweisen ist, wenn die Berufungsbehörde in Verkennung der Rechtslage über die Schuldfrage entschieden hat.

Die Beschwerdeführerin wurde - wie bereits ausgeführt - in ihrer Eigenschaft als Filialleiterin bestraft, somit als für einen bestimmten räumlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens bestellte verantwortliche Beauftragte im Sinne des zweiten Satzes des § 9 Abs. 2 VStG. Dies entspricht auch der im Verwaltungsstrafakt erliegenden Bestellungsurkunde vom 8. Juli 1992. Sie bestreitet nicht, hinsichtlich ihres Verantwortungsbereiches eine entsprechende Anordnungsbefugnis im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG zu haben. Wenn für einen Filialbetrieb ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des zweiten Satzes des § 9 Abs. 2 VStG bestellt ist, dann liegt der Tatort einer von diesem zu verantwortenden Verwaltungsübertretung nicht am Sitz der (zentralen) Unternehmensleitung. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, daß der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen (vgl. das Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/11/227). Dies ist aber bei einem verantwortlichen beauftragten Filialleiter der Standort dieser Filiale.

Daraus folgt, daß Tatort der vorliegenden Verwaltungsübertretungen die Filiale X (NÖ) ist. Dies ist bereits Inhalt des Straferkenntnisses vom 30. Juni 1993 (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0070). Gemäß § 51 Abs. 1 VStG (wonach dem Beschuldigten die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zusteht, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde) war daher die belangte Behörde zur Erlassung einer Berufungsentscheidung in der vorliegenden Verwaltungsstrafsache nicht zuständig. Im Hinblick auf dieses Ergebnis war die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit der Erstbehörde vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beantworten.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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