BVwG L524 2199342-3

BVwGL524 2199342-321.11.2023

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z3
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:L524.2199342.3.00

 

Spruch:

 

L524 2199342-3/8E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2023, XXXX , betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 06.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 06.06.2018 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.02.2021, I413 2199342-1/18E, mit einer im gegenständlichen Verfahren nicht relevanten Maßgabe als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs mit 15.02.2021 in Rechtskraft.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 31.03.2021, E 1147/2021-4 wurde der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 05.10.2021, E 1147/2021-7, wurde die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Beschwerde abgelehnt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.01.2022, Ra 2021/18/0397-7, wurde die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und beantragte die Wiederaufnahme des zu I413 2199342-1 rechtskräftig erledigten Asylverfahrens. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.2021, I413 2199342-2/10E, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtskräftig wegen Verspätung zurückgewiesen.

3. Am 24.08.2023 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonderes berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.

Mit Bescheid des BFA vom 30.08.2023, ZI. 1166886510/231686916, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde.

II. Feststellungen:

Der 24-jährige Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, Kurde und sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer wurde im Gouvernement Erbil in der Autonomen Region Kurdistan geboren. Bereits in seinen ersten Lebensjahren verzog der Beschwerdeführer in die Stadt XXXX im Gouvernement as-Sulaimaniyya in der Autonomen Region Kurdistan, wo er aufwuchs und bis zu seiner Ausreise aus dem Irak im Sommer 2017 lebte.

Der Beschwerdeführer besuchte im Irak mehr als zehn Jahre die Schule. Seinen Lebensunterhalt bestritt der Beschwerdeführer mit Hilfe seines Vaters. Der Beschwerdeführer beherrscht Kurmandschi auf muttersprachlichem Niveau.

Die Eltern, eine Schwester, zwei Brüder, zwei Tanten und vier Onkel leben in der Stadt XXXX im Irak. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers bewohnen dort ein Haus. Der Vater arbeitet als Diener in einer Moschee und der ältere Bruder geht einer Erwerbstätigkeit in einer Bäckerei nach. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder in Kontakt.

Der Beschwerdeführer reiste Anfang September 2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seither – abgesehen von einem kurzen Aufenthalt im Vereinigten Königreich bis Mitte Jänner 2018 – durchgehend in Österreich auf.

Er stellte am 06.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 06.06.2018 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.02.2021, I413 2199342-1/18E, mit einer hier nicht relevanten Maßgabe als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs mit 15.02.2021 in Rechtskraft. Einer gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Beschwerde wurde zunächst mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 31.03.2021 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.2021, I413 2199342-2/10E, wurde ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtskräftig wegen Verspätung zurückgewiesen. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 05.10.2021, E 1147/2021-7, wurde die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Beschwerde abgelehnt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.01.2022, Ra 2021/18/0397-7, wurde die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und hält sich seit der rechtskräftigen Beendigung seines Asylverfahrens illegal in Österreich auf. Er verfügt über keinen Aufenthaltstitel für Österreich.

Der Beschwerdeführer führt keine Beziehung und ist kinderlos. Er verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen.

Der Beschwerdeführer pflegt normale soziale Kontakte und verfügt hier über einen Freundes- und Bekanntenkreis, dem auch österreichische Staatsangehörige angehören. Er hat zahlreiche Unterstützungserklärungen vorgelegt. Der Beschwerdeführer und seine Freunde stehen in Kontakt. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Bekannten/Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Schule und keine Berufsausbildung abgeschlossen. Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation. Er ist weder ehrenamtlich noch gemeinnützig tätig.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich von 05.02.2018 bis 06.04.2018 einen Deutschkurs Sprachniveau A0 besucht. Am 27.06.2023 hat der Beschwerdeführer die A2-Prüfung des ÖIF, bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf dem Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen, erfolgreich abgelegt. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse, die es ihm erlauben, eine alltagstaugliche Unterhaltung in deutscher Sprache zu führen.

Der Beschwerdeführer bezog von 06.09.2017 bis 12.09.2017 und nach seiner Rücküberstellung aus dem Vereinigten Königreich von 17.01.2018 bis 09.06.2020 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Am 02.06.2020 meldete der Beschwerdeführer das reglementierte Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeerestaurant“ an. Der Beschwerdeführer ist selbständig erwerbstätig. Er ist nach dem GSVG pflichtversichert. Laut Einkommensteuerbescheid vom 19.07.2023 erzielte er im Jahr 2022 aus seiner selbständigen Tätigkeit ein Einkommen von € 6.932,37.

Der Beschwerdeführer verfügt seit seiner erstmaligen Hauptwohnsitzmeldung am 30.01.2018 – abgesehen von einer kurzzeitigen Unterbrechung von wenigen Tagen im Jänner 2023 – über eine aufrechte Meldeadresse im österreichischen Bundesgebiet. Die vom Beschwerdeführer bewohnte Unterkunft zeigt das Erscheinungsbild eines Firmenbüros mit kleiner Küche. Ein Bett findet sich in der Unterkunft nicht. Der Beschwerdeführer entrichtet einen „Mietzins“ in der Höhe von monatlich € 450,00. Aus dem vorgelegten – weder vom „Vermieter/Untervermieter“ noch vom Beschwerdeführer als „Mieter“ unterfertigten – undatierten Untermietvertrag geht die Größe der Unterkunft nicht hervor. Ebenso wenig geht aus dem Dokument die Zulässigkeit einer Untervermietung hervor.

Eine bindende Patenschaftserklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG wurde nicht vorgelegt.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Verwaltungsstrafrechtlich wurde er wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1b iVm § 52 Abs. 8 FPG mit einer Geldstrafe von € 600,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit einer Ersatzarreststrafe von einem Tag und 16 Stunden, rechtskräftig bestraft.

Zum Irak:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage im Irak hat sich seit dem Ende der groß angelegten Kämpfe gegen den Islamischen Staat (IS) erheblich verbessert (FH 3.3.2021). Derzeit ist es jedoch staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Dies gilt insbesondere für den Zentralirak außerhalb der Hauptstadt (AA 25.10.2021, S.9). Der IS ist zwar offiziell besiegt, stellt aber weiterhin eine Bedrohung dar, und es besteht die ernsthafte Sorge, dass die Gruppe wieder an Stärke gewinnt (DIIS 23.6.2021). Zusätzlich agieren insbesondere schiitische Milizen (Volksmobilisierungskräfte, PMF), aber auch sunnitische Stammesmilizen eigenmächtig (AA 25.10.2021, S.9). Die ursprünglich für den Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar (AA 25.10.2021, S.15). Die PMF haben erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Lage im Irak und nutzen ihre Stellung zum Teil, um unter anderem ungestraft gegen Kritiker vorzugehen. Immer wieder werden Aktivisten ermordet, welche die vom Iran unterstützten PMF öffentlich kritisiert haben (DIIS 23.6.2021). Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 25.10.2021, S.15).

Die Überreste des IS zählen zu den primären terroristischen Bedrohungen im Irak. Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), eine Terrorgruppe mit Sitz in den Bergen des Nordiraks, verübte ebenfalls mehrere Anschläge in der Kurdistan Region Irak (KRI), bei denen auch mehrere Angehörige der kurdischen Sicherheitskräfte getötet wurden. Auch gewisse mit dem Iran verbündete Milizen stellen eine terroristische Bedrohung dar (USDOS 16.12.2021).

Im Jahr 2020 blieb die Sicherheitslage in vielen Gebieten des Irak instabil (USDOS 30.3.2021). Die Gründe dafür liegen in sporadischen Angriffen durch den IS (UNSC 30.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021), in Kämpfen zwischen den irakischen Sicherheitskräften (ISF) und dem IS in dessen Hochburgen in abgelegenen Gebieten des Irak, in der Präsenz von Milizen, die nicht vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen, einschließlich bestimmter PMF sowie in ethno-konfessioneller und finanziell motivierter Gewalt (USDOS 30.3.2021).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA, die am 3.1.2020 in der gezielten Tötung von Qasem Soleimani, Kommandant des Korps der Islamischen Revolutionsgarden und der Quds Force, und Abu Mahdi al-Muhandis, Gründer der Kataib Hisbollah und de facto Anführer der Volksmobilisierungskräfte, bei einem Militärschlag am Internationalen Flughafen von Bagdad gipfelten, haben einen destabilisierenden Einfluss auf den Irak (DIIS 23.6.2021). Schiitische Milizenführer drohen regelmäßig damit, die von den USA unterstützten Streitkräfte im Irak anzugreifen. Anschläge mit Sprengfallen (IEDs) gegen militärische Versorgungskonvois der USA sind im Irak an der Tagesordnung. Es wird häufig über Anschläge in der südlichen Region des Landes berichtet, darunter in den Gouvernements Babil, Basra, Dhi-Qar, Qadisiyyah und Muthanna. Aber auch aus den zentralen Gouvernements Bagdad, Anbar und Salah ad-Din wurden Anschläge gemeldet. Konvois werden oft auf Autobahnen angegriffen, wobei diese Vorfälle selten Opfer oder größere Schäden zur Folge haben (Garda 15.7.2021). Die Zahl der Angriffe pro-iranischer Milizen hat ihren bisherigen monatlichen Höhepunkt mit 26 im April 2021 erreicht und ist seitdem zurückgegangen. Diese Gruppen versuchen, die US-Präsenz im Irak einzuschränken, was ihr auch gelungen ist, da sich die Amerikaner nun auf den Schutz ihrer Truppen konzentrieren, anstatt mit den irakischen Sicherheitskräften zusammenzuarbeiten (Wing 2.8.2021).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 25.10.2021, S.16).

Im Nordirak führt die Türkei zum Teil massive militärische Interventionen durch, die laut Ankara gegen die PKK gerichtet sind. Außerdem unterhält die Türkei dort temporäre Militärstützpunkte (GIZ 1.2021a), über 40 davon in der KRI sowie eine Militärbabsis in Bashiqa bei Mossul (BS 23.2.2022). Die Errichtung weiterer Militärstützpunkte ist geplant (Reuters 18.6.2020). Die Türkei hat im Rahmen ihrer gemeinsamen Operationen Claw-Eagle und Claw-Tiger gegen die PKK im Qandil-Gebirge, in Sinjar und Makhmur (beide in Ninewa) irakischen Boden bombardiert. Auch der Iran hat das Qandil-Gebirge bombardiert, ein Angriff, der vermutlich mit der Türkei koordiniert wurde (BS 23.2.2022).

Die Regierungen in Bagdad und Erbil haben im Mai 2021 eine Vereinbarung über den gemeinsamen Einsatz ihrer Sicherheitskräfte (ISF und der Peshmerga) in den Sicherheitslücken zwischen den von ihnen kontrollierten Gebieten getroffen (Rudaw 14.5.2021; vgl. Rudaw 21.6.2021). Seitdem wurden mehrere "Gemeinsame Koordinationszentren" eingerichtet (Rudaw 21.6.2021). In vier neuen Gemeinsamen Koordinationszentren, in Makhmour, in Diyala, in Kirkuks K1 Militärbasis und in Ninewa, werden kurdische und irakische Kräfte zusammenarbeiten und Informationen austauschen, um den IS in diesen Gebieten zu bekämpfen (Rudaw 25.5.2021). Jene Sicherheitslücken werden vom IS erfolgreich ausgenutzt. In einigen Gebieten ist die Sicherheitslücke bis zu 40 Kilometer breit. Der IS gewinnt dort an Stärke und führt tödliche Angriffe auf kurdische und irakische Kräfte und Zivilisten durch (Rudaw 14.5.2021).

 

Sicherheitslage in der Kurdistan Region Irak (KRI)

In der Kurdistan Region Irak (KRI) üben die kurdischen Kräfte das Monopol auf die Anwendung legitimer Gewalt in städtischen Gebieten aus. Die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) betreibt illegale Kontrollpunkte in den Grenzgebieten innerhalb der KRI, insbesondere im Sinjar-Gebirge, und erhebt Steuern von Einwohnern, einschließlich Landwirten und Viehhaltern (BS 23.2.2022). Die PKK ist in den Qandil Bergen (Erbil) präsent (WKI 11.5.2021). 2007 haben die Türkei und die Zentralregierung in Bagdad eine Vereinbarung getroffen, dass die Türkei Kämpfer der verbotenen PKK über die gebirgige Grenze in den Nordirak verfolgen darf, ohne zuvor die Erlaubnis der irakischen Regierung in Bagdad einholen zu müssen (Reuters 28.9.2007). Die Türkei führt im Nordirak zum Teil massive militärische Operationen gegen die PKK durch (GIZ 1.2021a). Seit 2018 hat die Türkei mehrere Militäroperationen auf KRI-Boden ausgeführt. Von August 2018 bis Mai 2019 fand die "Operation Resolve" statt (Clingendael 3.2022). Von Mai 2019 bis Juni 2020 führten die türkischen Streitkräfte die "Operation Claw" durch (FH 3.3.2021; vgl. Clingendael 3.2022) und errichteten mehrere temporäre Militärstützpunkte, vorgeblich, um die eigene Grenzsicherheit zu erhöhen (FH 3.3.2021; vgl. GIZ 1.2021a). Weitere Militäroperationen sind "Claw-Tiger", "Claw-Eagle" und "Claw-Thunder", von Juni 2020 bis heute (Clingendael 3.2022). Die Türkei hat eine etwa 25 km tiefe Sicherheitszone errichtet (WKI 11.5.2021) und verfügt über mindestens 41 Militärstützpunkte in der KRI (WKI 11.5.2021; vgl. BS 23.2.2022). Die Gründung weiterer Militärstützpunkte ist geplant (Reuters 18.6.2020). Durch die Einrichtung dieses Netzes von Militärstützpunkten soll die Handlungsfreiheit der PKK eingeschränkt werden. Die Stützpunkte dienen auch als Startpunkte für Such- und Zerstörungsoperationen durch mobile Bodentruppen und Lufteinheiten (Clingendael 3.2022). Seit Beginn der jüngsten Militäroperation "Claw Lock" wurden vier weitere Stützpunkte, zwei in Avashin und zwei in Zap, errichtet. Am 16.6.2022 wurde außerdem mit dem Bau eines neuen Stützpunktes auf dem Berg Kurazharo oberhalb von Shiladze begonnen (CPT 30.6.2022).

Zuvor hatte die Türkei im April 2021 eine neuerliche Militäroperation gegen die PKK in den Gebieten von Metina, Avasin und Basyan, im Gouvernement Dohuk eingeleitet (Al Jazeera 16.8.2021; vgl. FAZ 24.4.2021, Rudaw 24.4.2021). Ein Ziel der Operation war es, eine Militärbasis zu errichten, um die Bewegungen der PKK zwischen der KRI, der Türkei und Syrien zu unterbinden (Rudaw 5.5.2021). Das Gebiet von Metina, wo eine neue türkische Basis entstehen soll, steht im Mittelpunkt der Operation "Claw Lightning", während die "Operation Claw Thunder" auf die Gebiete Avashin und Basyan weiter östlich zielt (IKHRW o.D.). Die jüngste türkische Militärkampagne namens "Claw Lock" hat am 17.4.2022 begonnen. Ziel ist es die vollständige militärische Kontrolle über die gebirgige Grenzregion zu erlangen, die sich etwa 180 km von Osten nach Westen und bis zu 15 km südlich der irakisch-türkischen Grenzlinie erstreckt. Die Kampagne hat mit massiven Luftangriffen und dem Einsatz von Spezialeinheiten bis zu 12-15 km südlich der türkisch-irakischen Grenze in den Gebieten von Zap und Avashin, die zuvor von der Zivilbevölkerung geräumt worden waren, begonnen. Es wurden auch gezielte Drohnenangriffe gegen PKK-Mitglieder bis nach Kalar, 280 km von der irakisch-türkischen Grenze entfernt durchgeführt. Bei zwei Drohnenangriffen kamen Zivilisten ums Leben, darunter ein Kind. Insgesamt sind zwischen 21.5. und 21.6.2022 drei Kinder und zwei erwachsene Zivilisten getötet worden, 15 Zivilisten wurden verletzt (CPT 30.6.2022).

Obwohl die unmittelbar an die türkisch-irakische Grenze angrenzenden Gebiete nur dünn besiedelt sind, wirkt sich die Ausweitung der türkischen Operationen nach Süden zunehmend negativ auf das Leben der irakischen (kurdischen) Bewohner aus. Türkische Drohnen- und Artillerieangriffe fordern immer mehr zivile Opfer, zerstören ziviles Eigentum und Vieh und zwingen die Dorfbewohner, ganze Gebiete zu verlassen (Clingendael 3.2022).

Nachdem die Bedrohung durch den Islamischen Staat (IS) zurückgegangen war, begannen die Peshmerga-Truppen der kurdischen Regionalregierung (KRG) mit Versuchen, die PKK aus der Region zu vertreiben. Die Spannungen eskalierten nach der Ermordung eines kurdischen Grenzbeamten, angeblich durch die PKK. Inzwischen setzt die PKK ihre Angriffe auf eine wichtige Pipeline und auf Peshmerga-Soldaten fort (BS 23.2.2022).

Der IS greift in der KRI gelegentlich an und sucht nach günstigen Gelegenheiten für Angriffe (Wing 3.5.2021). Der IS hat die Taktik geändert, von groß angelegten zu kleineren und gezielten Angriffen. Dabei hat der IS seine Angriffe auch auf kurdische Sicherheitskräfte verstärkt (VOA 11.5.2021). Der IS teste auch im November und Dezember 2021 die Sicherheit in der KRI mit Angriffen in Sulaymaniyah und Erbil (Wing 4.1.2022).

 

Gouvernement Sulaymaniyah

Im Jänner 2021 wurden zwei sicherheitsrelevante Vorfälle mit einem Toten und drei Verletzten verzeichnet. Beide Vorfälle werden dem IS zugeschrieben (Wing 4.2.2021). Im April 2021 wurden neuerlich zwei sicherheitsrelevante Vorfälle, diesmal ohne Opfer, verzeichnet. Je ein Vorfall wird pro-iranischen Milizen und dem IS zugeschrieben (Wing 3.5.2021). Im September 2021 wurde ein Vorfall unter Beteiligung des IS verzeichnet, bei dem zwei Zivilisten starben und vier weitere verletzt wurden (Wing 4.10.2021). Im November 2021 wurden fünf sicherheitsrelevante Vorfälle mit sechs Toten und sieben Verletzten verzeichnet, die dem IS zugeschrieben werden. Alle Opfer waren Angehörige der Peshmerga (Wing 6.12.2021).

Im April 2022 wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall ohne Opfer verzeichnet, der dem IS zugeschrieben wird (Wing 11.5.2022). Ebenso im Mai 2022 (Wing 6.6.2022). Im Juni 2022 wurden drei sicherheitsrelevante Vorfälle mit zwei Verletzten Verzeichnet. Anders als in den Vormonaten werden diese Vorfälle pro-iranischen Milizen zugeschrieben. Es handelte sich dabei um Raketenangriffe auf das Khor-Mor-Erdgasfeld, die als Einschüchterungsversuche gegen die Patriotische Union Kurdistans (PUK) in Hinblick auf die Gespräche zur Regierungsbildung gesehen werden (Wing 6.7.2022).

Zwischen dem 1.10.2021 und dem 31.1.2022 wurden in Sulaymaniyah 85 Demonstrationen verzeichnet, von denen 77 verliefen friedlich, während es bei vieren zu Interventionen der Sicherheitskräfte kam, wobei zweimal auch Tränengas eingesetzt wurde, um die Demonstranten zu zerstreuen. Vier weitere Demonstrationen werden als gewalttätig kategorisiert. Am 23.11.2021 kam es bei einer Studentendemonstration zu einem Zusammenstoß mit der Polizei, die scharfe Munition einsetzte. Die Studenten setzten die Zentralen der Partei der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) und der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) sowie das Gebäude von Rudaw TV in Brand. Am Tag darauf, den 24.11.2021 wurden zwei gewalttätige Proteste in Saidsadiq verzeichnet, wobei brennende Straßensperren errichtet und auch das Hauptquartier der Gorran Bewegung in Brand gesetzt wurde. Auch bei einer weiteren Demonstration in Ziriyan in Halabja wurden brennende Straßensperren errichtet. Es wurden bei den Protesten jedoch keine Todesopfer verzeichnet (ACLED 2022).

Der Datenbank von ACLED zufolge gab es im Gouvernement Sulaymaniyah im Jahr 2021 234 Vorfälle, in der ersten Hälfte des Jahres 2022 waren es 90.

Die weitaus größte Kategorie an Vorfällen im Jahr 2021 sind "friedliche Demonstrationen", wovon 148 verzeichnet wurden, gefolgt von 26 Luft-/Drohnenangriffe der türkischen Armee gegen Stellungen der PKK. Davon betrafen neun den Distrikt Pshdar, je sechs die Distrikte Penjwen und Ranya, drei den Distrikt Mawat und zwei den Distrikt Sharbazher. Auch im Jahr 2022 waren friedliche Demonstrationen mit 60 der weitaus größte Anteil der verzeichneten Vorfälle. Bei einem Vorfall handelte es sich um einen Luft-/Drohnenangriff der türkischen Armee (ACLED 2022).

 

ACLED 2022

 

 

1.-3.2021

4.-6.2021

7.-9.2021

10.-12.2021

1.-3.2022

4.-6.2022

Gewalt gegen Zivilisten (davon Entführungen)

2 (1)

5

5

2

2

3 (1)

bewaffnete Auseinandersetzungen

3

6

1

4

1

5

Sprengstoffanschläge, Landminen, IEDs, Granaten

2

5

 

2

1

3

Artillerie- und Raketenbeschuss

 

1

 

 

 

4

Luft-/Drohnenangriff

2

3

10

12

 

5

Proteste/ friedliche Demonstrationen

24

35

12

77

25

35

Protest mit Intervention

 

 

 

4

1

2

Proteste/ exzessive Gewalt gegen Demonstranten

 

 

 

1

 

 

gewalttätige Demonstrationen/ Aufstände/ Mobgewalt

2

1

1

4

 

2

Strategische Entwicklungen

3

2

 

3

 

1

Vorfälle gesamt

38

58

29

109

30

60

       

 

Im Gouvernement Sulaymaniyah, unterteilt in die Distrikte Chamchamal, Darbandokeh, Dokan, Kalar, Mawat, Penjwen, Pshdar, Qaradagh, Ranya, Saidsadiq, Sharazur, Sharbazher und Sulaymaniyah wurden, inklusive Halabja 2021 14 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten angegriffen wurden (Kategorie "violence against civilians"), sowie 15 Vorfälle, bei denen Zivilisten zu Betroffenen gehörten, z.B. durch IEDs, Luft-/Drohnenangriffe, etc., verzeichnet. 2022 waren es bis Juni fünf Vorfälle (Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann).

 

Zivilisten als Ziele oder Opfer von Gewalt (davon Entführungen):

 

ACLED 2022

 

 

1.-3.2021

4.-6.2021

7.-9.2021

10.-12.2021

1.-3.2022

4.-6.2022

Chamchamal

1

2

 

 

 

 

Darbandokeh

 

 

 

 

 

 

Dokan

 

 

 

 

 

 

Kalar

1

2

1

2

1

1 (1)

Khanaqin (umstritten)

 

 

 

 

 

 

Kifri (umstritten)

 

 

 

 

 

 

Mawat

 

1

 

 

 

 

Penjwen

 

1

 

1

 

 

Pshdar

2

1

 

 

 

1

Qaradagh

1

1

 

 

 

 

Ranya

 

 

 

 

1

 

Saidsadiq

 

 

 

 

 

 

Sharazur

 

 

 

 

 

 

Sharbazher

1

 

 

 

 

 

Sulaymaniyah

1 (1)

3

4

 

 

1

Halabja

1

1

 

1

 

 

Vorfälle gesamt

2 (1)

5

5

2

2

3 (1)

       

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung vom 15.10.2005 garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit (AA 25.10.2021, S.20; vgl. GIZ 1.2021a), Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung (AA 25.10.2021, S.21). Die Verfassungswirklichkeit weicht jedoch vielfach von diesen Prinzipien ab. Unabhängige Institutionen, die stark genug wären, die Einhaltung der Verfassung zu kontrollieren und zu gewährleisten, existieren nicht (GIZ 1.2021a).

Der Irak hat auch wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte (AA 25.10.2021, S.20). Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft, und das Mandat für die unabhängige Menschenrechtskommission ist am 4.8.2021 ausgelaufen, wobei unklar ist, ob es erneuert wird (AA 25.10.2021, S.21). Im Zuge der Proteste seit Oktober 2019 versucht die Kommission sich unabhängig ein Bild von der Lage zu machen und die Zahlen von Toten und Verletzten zu sammeln, zu verifizieren und zu veröffentlichen, da sich die Regierung einer Veröffentlichung verweigert (AA 22.1.2021).

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen, Verschwindenlassen, Folter, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit, Gewalt gegen Journalisten, weit verbreitete Korruption, gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, erzwungene Rückkehr von Binnenvertriebenen (IDPs), Kriminalisierung und Gewalt gegen LGBTIQ-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 12.4.2022). Auch Menschenhandel ist ein Problem, wenngleich die Regierungen des Irak und der Kurdistan Region Irak ihre Bemühungen zur Verhinderung des Menschenhandels verstärkt haben. IDPs sind davon besonders gefährdet (FH 28.2.2022). Es fehlt an Rechenschaftspflicht für Gewalt gegen Frauen und Gewaltverbrechen, die sich gegen Angehörige ethnischer Minderheiten richten (USDOS 12.4.2022). Im Irak kam es 2020 zu einer Reihe von Morden an zivilgesellschaftlichen, politischen und Menschenrechtsaktivisten sowie zu vermehrten Drohungen gegen Journalisten (FCO 8.7.2021).

Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten (USDOS 12.4.2022). Tausende IDPs, die aus Gebieten geflohen sind, die unter der Kontrolle des Islamischen Staats (IS) standen, wurden von Irakischen Sicherheitskräften (ISF) und Volksmobilisierungskräften (PMF) willkürlich verhaftet und sind nach wie vor verschwunden (AI 7.4.2021).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten Enteignungen, außer diese erfolgen im öffentlichen Interesse, was jedoch nie eindeutig definiert wurde, und gegen eine gerechte Entschädigung (USDOS 12.4.2022; vgl. BS 23.2.2022, S.24). Seit den Offensiven des IS im Sommer 2014 sind föderalstaatliche und kurdische Sicherheitskräfte sowie paramilitärische bewaffnete Gruppen (IS und schiitische Milizen) für Angriffe auf Zivilisten verantwortlich, einschließlich der Beschlagnahme und Zerstörung von Privateigentum (BS 23.2.2022, S.24). In den vergangenen Jahren wurden Häuser und Eigentum von mutmaßlichen IS-Angehörigen sowie Mitgliedern religiöser und konfessioneller Minderheiten durch Regierungstruppen und PMF-Milizen konfisziert und besetzt, ohne Kompensationen für die Besitzer (USDOS 12.4.2022).

Die Regierung, einschließlich des Büros des Premierministers, untersucht Vorwürfe über Missbräuche und Gräueltaten, die durch die Irakischen Sicherheitskräfte ISF) begangen wurden, bestraft die Verantwortlichen jedoch selten. Viele hochrangige Regierungsbeamte und Angehörige der Sicherheitskräfte, einschließlich der irakischen Sicherheitskräfte, der Bundespolizei, der Volksmobilisierungskräfte (PMF) und Einheiten der Asayish (interne Sicherheitsdienste der kurdischen Regionalregierung), agieren ungestraft (USDOS 12.4.2022).

Der IS begeht weiterhin schwere Gräueltaten, darunter Tötungen durch Selbstmordattentate und improvisierte Sprengsätze (IEDs). Die Behörden untersuchen IS-Handlungen und verfolgen IS-Mitglieder nach dem Anti-Terrorgesetz von 2005 (USDOS 12.4.2022).

 

Allgemeine Menschenrechtslage in der Kurdistan Region Irak (KRI)

Es gibt eine unabhängige kurdische Menschenrechtskommission, die sich aber auf die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen beschränkt. Sie kann selten eine volle Aufklärung oder gar Ahndung von Menschenrechtsverletzungen gewährleisten (AA 25.10.2021, S.21).

Sicherheitskräfte der Kurdischen Regionalregierung (KRG) wie Peshmerga und Asayish verstoßen bisweilen gegen die Gesetze (USDOS 12.4.2022).

Kurdischen Sicherheitskräften werden Gewalt, Drohungen und willkürliche Inhaftierung von Journalisten und Medienvertretern vorgeworfen (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Es gibt auch Vorwürfe von willkürlichen Verhaftungen, sowie von Missbrauch und Folter von Gefangenen und Häftlingen (USDOS 12.4.2022). Es liegen keine zuverlässigen Statistiken über die Anzahl solcher Vorfälle vor (USDOS 30.3.2021). Peshmerga und Asayish wird vorgeworfen, Vorschriften selektiv umzusetzen, auch aus ethno-konfessionellen Gründen. Die Vorwürfe umfassen auch Erpressung und die Verweigerung einer Rückkehr von Zivilisten in ihre Heimat, insbesondere sunnitischer Araber sowie Angehöriger ethno-konfessioneller Minderheiten (USDOS 12.4.2022).

Es besteht quasi Straffreiheit für Regierungsbeamte und Sicherheitskräfte, einschließlich bestimmter Einheiten der kurdischen Sicherheitsdienste, wie der Asayish (USDOS 12.4.2022).

 

Todesstrafe

Die Todesstrafe ist in Artikel 15 der Verfassung auf Grundlage einer von einer zuständigen Justizbehörde erlassenen Entscheidung erlaubt (DFAT 17.8.2020). Sie ist auch im irakischen Strafrecht vorgesehen, wird verhängt und vollstreckt (AA 25.10.2021, S.22). Der Irak ist eines der Länder mit der höchsten Zahl von verhängten Todesstrafen (HRW 13.1.2021). Die Todesstrafe kann bei 48 verschiedenen Delikten, darunter Mord, terroristische und staatsfeindliche Aktivitäten, Hochverrat, Einsatz von chemischen Waffen und Vergewaltigung verhängt werden (AA 25.10.2021, S.22).

Nach dem Antiterrorismusgesetz (2005) kann die Todesstrafe gegen jeden verhängt werden, der terroristische Handlungen begeht, dazu anstiftet, sie plant, finanziert oder unterstützt (DFAT 17.8.2020). Der Großteil der Hinrichtungen erfolgt wegen Terrorismusvorwürfen (AA 25.10.2021, S. 22; vgl. DFAT 17.8.2020). Viele Personen werden im Rahmen der Anti-Terror-Gesetzgebung wegen ihrer IS-Angehörigkeit verurteilt (HRW 13.1.2021). Die Todesstrafe stößt in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz (AA 22.1.2021).

Aktuelle Zahlen zu den vollstreckten Hinrichtungen liegen nicht vor (HRW 13.1.2021; vgl. AA 25.10.2021, S.22). Die Behörden berichten diese nicht mehr regelmäßig an die Vereinten Nationen und machen auch auf Nachfrage keine verlässlichen Angaben (AA 25.10.2021, S. 22). Amnesty International zufolge wurden 2020 mindestens 27 Todesurteile ausgesprochen (AI 4.2021). Mindestens 50 Hinrichtungen wurden vollzogen (AI 7.4.2021). 21 dieser Hinrichtungen fanden während einer Massenexekution am 17.11.2020 statt (AI 4.2021; vgl. DW 16.11.2020, HRW 13.1.2021). Unter den Verurteilen waren elf Franzosen und ein Belgier. Bis dahin wurde im Irak noch nie ein ausländisches IS-Mitglied hingerichtet (DW 16.11.2020). Im Jahr 2021 wurden bis September 2021 mindestens 19 Hinrichtungen ausgeführt (HRW 13.1.2022).

Bisherige Berichte gingen davon aus, dass Ende 2020/Anfang 2021 um die 8.000 Personen zum Tode verurteilt waren und auf ihre Hinrichtungen warteten (AI 4.2021; vgl. AA 25.10.2021, S. 22). Vor allem gegen mutmaßliche IS-Kämpfer werden in fragwürdigen Prozessen zunehmend Todesurteile verhängt und vollstreckt (AA 25.10.2021, S. 22). Laut einer Erklärung des Justizministeriums vom September 2021 halten die Behörden fast 50.000 Personen wegen mutmaßlicher Verbindungen zum Terrorismus fest, von denen über die Hälfte zum Tode verurteilt wurde (HRW 13.1.2022; vgl. BasNews 6.9.2021).

Das irakische Strafgesetzbuch verbietet das Verhängen der Todesstrafe gegen jugendliche Straftäter, d.h. Minderjährige und Personen im Alter von 18 bis 21 Jahren zum Zeitpunkt der Begehung der mutmaßlichen Straftat sowie gegen schwangere Frauen und Frauen bis zu vier Monaten nach einer Geburt. In diesem Fall wird die Todesstrafe in eine lebenslange Haft umgewandelt (HRC 5.6.2018).

 

Todesstrafe in der Kurdistan Region Irak (KRI)

In der Kurdistan Region Irak (KRI) wurde die Todesstrafe im Jahr 2008 in einem De-facto-Moratorium ausgesetzt, außer für wesentliche Fälle, wie zur Bekämpfung des Terrorismus (HRW 13.1.2022; vgl. AA 25.10.2021, S. 22). In den Jahren 2015 und 2016 wurde dieses Moratorium zweimal gebrochen, wobei vier Hinrichtungen vorgenommen wurden. Im Jahr 2020 saßen fast 400 zum Tode verurteilte Personen in kurdischen Gefängnissen (AA 25.10.2021, S. 22).

Berichten zufolge hat die Kurdische Regionalregierung (KRG) damit begonnen, Morde an Frauen, einschließlich Ehrenmorde, als Tötungsdelikte zu verfolgen, was bedeutet, dass die Schuldigen mit Strafen bis hin zur Todesstrafe belegt werden können (DFAT 17.8.2020).

 

Kurden

Schätzungen zufolge sind 15-20 % der irakischen Bevölkerung Kurden, die mehrheitlich im Nordosten des Irak leben (GIZ 1.2021c; vgl. AA 25.10.2021). Die Kurden in der Kurdistan Region Irak (KRI) bekennen sich überwiegend als Sunniten. Aber es gibt unter ihnen auch neuzeitliche Zoroastrier und Jesiden. Die meisten Kurden Bagdads fühlen sich einem schiitischen Religionszweig verbunden: dem des Faili-Schiitentums (GIZ 1.2021c).

Auch Kurden sind von ethnisch-konfessionellen Auseinandersetzungen betroffen, wenn sie außerhalb der KRI leben. Nach dem Unabhängigkeitsreferendum von 2017 hat die zentral-irakische Armee die zwischen der KRI und der Zentralregierung sogenannten "umstrittenen Gebiete" größtenteils wieder unter die Kontrolle Bagdads gebracht. Das Verhältnis zwischen Kurden und Arabern in den Gebieten ist generell angespannt (AA 25.10.2021).

Es gibt Berichte über willkürliche Festnahmen von Kurden, insbesondere in Ninewa, durch mit dem Iran verbündete PMF-Milizen (USDOS 12.4.2022). Kurden beklagen Landraub und Vertreibung (Rudaw 9.12.2020; vgl. AA 25.10.2021). So gibt es immer wieder Meldungen über Landstreitigkeiten zwischen Kurden und Arabern, insbesondere im Gouvernement Kirkuk (Rudaw 9.12.2020). Im Dezember 2020 wurden beispielsweise die kurdischen Einwohner des Dorfes Palkana im Gouvernement Kirkuk gezwungen ihre Häuser zu verlassen (USDOS 30.3.2021; vgl. K24 15.12.2020, Rudaw 9.12.2020). Ein Kontingent bestehend aus Angehörigen der Irakischen Armee, der PMF und der Bundespolizei hat das Dorf gestürmt und unter Androhung von Haft und Gewalt von den kurdischen Einwohnern die Räumung ihrer Häuser verlangt (K24 15.12.2020; vgl. Rudaw 9.12.2020). Personen, die sich weigerten, wurden festgenommen (Rudaw 9.12.2020). Zu Hilfe gerufene lokale Polizei hat nicht eingegriffen (USDOS 30.3.2021).

 

Grundversorgung und Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Einige Städte und Siedlungen sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 25.10.2021). Wiederaufbauprogramme liefen vor der Corona-Krise vorsichtig an (GIZ 1.2021b).

Nach Angaben der Weltbank (2018) leben 70 % der Iraker in Städten. Die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung ist prekär, ohne ausreichenden Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen. Die über Jahrzehnte durch internationale Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig (AA 25.10.2021).

Versorgungsengpässe bei Strom und Wasser sowie die mangelnde Arbeitsbeschaffung sind die Gründe für die andauernden Proteste in Iraks großen Städten (GIZ 1.2021b). Die Versorgungslage für die irakische Wohnbevölkerung stellt sich, je nach Region, sehr unterschiedlich dar. Die Knappheit an Strom und sauberem Trinkwasser hat 2018 zu mehreren, zum Teil gewalttätigen Protesten im Süden geführt (GIZ 1.2021d).

 

Wirtschaftslage

Der Irak ist eines der am stärksten vom Öl abhängigen Länder der Welt. In den letzten zehn Jahren machten die Öleinnahmen mehr als 99 % der Ausfuhren, 85 % des Staatshaushalts und 42 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Diese übermäßige Abhängigkeit vom Öl setzt das Land makroökonomischer Volatilität aus (WB 1.6.2022). Die größtenteils staatlich geführte Wirtschaft Iraks wird vom Ölsektor dominiert (Fanack 5.6.2020). Dieser erwirtschaftet rund 90 % der Staatseinnahmen (AA 25.10.2021; vgl. GIZ 1.2021b). Abseits des Ölsektors besitzt der Irak kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 25.10.2021).

Die seit 2020 sinkenden Ölpreise und die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben sich negativ auf die Wirtschaftsentwicklung niedergeschlagen, die wirtschaftlichen Probleme des Iraks verstärkt und zwei Jahre der stetigen Erholung zunichte gemacht (WB 5.4.2021; vgl. GIZ 1.2021b). Der Ölpreis fiel im April 2020 auf einen Tiefststand von 13,8 US-Dollar (Wing 2.6.2021). Im Zuge dessen haben sich auch die bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Schwachstellen vertieft und den öffentlichen Unmut, der bereits vor COVID-19 bestand, noch verstärkt. Die Fähigkeit der irakischen Regierung ein Konjunkturpaket für eine Wirtschaft zu schnüren, die in hohem Maße von Ölexporten abhängig ist, um Wachstum und Einnahmen zu erzielen, wird durch den fehlenden fiskalischen Spielraum eingeschränkt. Infolgedessen hat das Land die größte Schrumpfung seiner Wirtschaft seit 2003 erlebt (WB 5.4.2021). Die Prognosen der ökonomischen Entwicklung im Irak sind schlechter denn je (GIZ 1.2021b). Die wirtschaftlichen Aussichten des Irak hängen von der weiteren Entwicklung der COVID-19-Pandemie, den globalen Aussichten am Ölmarkt und von der Umsetzung von Reformen ab (WB 5.4.2021). Die Wirtschaft erholt sich allmählich von den Öl- und COVID-19-Schocks im Jahr 2020. Das reale BIP dürfte 2021 um 1,3 % gestiegen sein, nachdem es 2020 um 11,3 % geschrumpft war. Die Trendwende auf den Ölmärkten hat die mittelfristigen Wirtschaftsaussichten des Irak deutlich verbessert. Für das Jahr 2022 wird nun ein Gesamtwachstum von 8,9 % prognostiziert. Die jüngsten geopolitischen Spannungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine machen die Risiken für die irakische Wirtschaft deutlich. Während weitere Ölpreissteigerungen die Haushaltsbilanz des Irak verbessern würden, werden steigende Lebensmittelpreise und Störungen bei den Agrarimporten die bereits bestehenden Armutstrends verschärfen und die Risiken für die Ernährungssicherheit erhöhen. Der Konflikt birgt auch Risiken für die irakische Rohölproduktion, wenn die Tätigkeit russischer Ölgesellschaften im Irak durch die internationalen Sanktionen gegen Russland beeinträchtigt wird (WB 1.6.2022).

Ein wichtiger Faktor für die Landwirtschaft, vor allem im Süden des Irak, sind die Umweltzerstörung und der Klimawandel. Abnehmende Niederschläge, höhere Temperaturen und flussaufwärts gelegene Staudämme in der Türkei und im Iran haben den Wasserfluss im Euphrat und Tigris Becken verringert, in dem die Gouvernements Basra, Dhi Qar und Missan liegen. Die Verringerung des Wasserflusses hat Auswirkungen auf den Zugang zu Wasser, der für den Anbau von Pflanzen entscheidend ist (Altai 14.6.2021).

Die Arbeitslosenquote im Irak stieg von 12,76 % im Jahr 2019 auf 13,74 % im Jahr 2020 (TE 2021). Im Januar 2021 lag die Arbeitslosenquote im Irak um mehr als 10 % über dem Niveau von 12,7 % vor der COVID-19-Pandemie (WB 1.6.2022). Laut Schätzung der Vereinten Nationen beträgt die Arbeitslosenquote 11 %, bei Jugendlichen unter 24 Jahren ist sie doppelt so hoch und liegt bei 22,8 %. Unter den IDPs sind fast 24 % arbeitslos oder unterbeschäftigt (im Vergleich zu 18 % im Landesdurchschnitt) (GIZ 1.2021b). Verschiedene Quellen geben, mit Verweis auf Regierungsquellen, Arbeitslosenquoten im Land zwischen 13,8 % und 40% an (ACCORD 28.9.2021). Darüber hinaus ist fast ein Viertel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nicht ausgelastet, also entweder arbeitslos oder unterbeschäftigt. Bei Frauen, die am Arbeitsmarkt teilnehmen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie arbeitslos, unter- oder teilzeitbeschäftigt sind (ILO 2021). Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit bei IDPs, die in Lagern leben, wo 29 % der Haushalte angaben, dass mindestens ein Mitglied arbeitslos ist und aktiv nach Arbeit sucht. Bei IDPs, die außerhalb von Lagern leben, sind es 22 % und 18 % bei Rückkehrern (OCHA 2.2021). Die Arbeitslosigkeit unter Vertriebenen, Rückkehrern, arbeitssuchenden Frauen, Selbstständigen aus der Zeit vor der Pandemie und informell Beschäftigten ist weiterhin hoch (WB 1.6.2022).

Die Arbeitsmarktbeteiligung im Irak war mit 48,7 % im Jahr 2019 bereits vor der Ausbreitung des COVID-19-Virus eine der niedrigsten der Welt (IOM 18.6.2021; vgl. ILO 2021). Der wirtschaftliche Abschwung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat die Beschäftigungsmöglichkeiten deutlich reduziert und die Löhne gesenkt (IOM 18.6.2021). Die Weltbank schätzt den Anteil der Arbeitssuchenden unter 24-Jährigen auf ca. 32 %. Die Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen liegt wesentlich unter dem Durchschnitt der MENA-Region (GIZ 1.2021b). Je nach Quelle liegt sie bei rund 12 % (DFAT 17.8.2020), bzw. wird sie auf rund 20 % geschätzt (ILO 2021). Die Frauenarbeitslosigkeit liegt bei etwa 29,7 % (DFAT 17.8.2020).

Die Armutsrate ist infolge der Wirtschaftskrise bis Juli 2020 auf ca. 30 % angestiegen (AA 25.10.2021; vgl. ILO 2021). Laut Weltbank lag sie Anfang 2021 bei 22,5 % (WB 5.4.2021). Dabei ist die Armutsrate in ländlichen Gebieten deutlich höher als in städtischen (ILO 2021). Aufgrund der COVID-19-Pandemie hatte die irakische Regierung Schwierigkeiten, die Gehälter der sechs Millionen Staatsbediensteten zu zahlen, und Millionen von Menschen, die im privaten und informellen Sektor arbeiten, haben ihre Beschäftigung und ihre Lebensgrundlage verloren. Nach Schätzungen von UNICEF und der Weltbankgruppe fielen im Jahr 2020 schätzungsweise 4,5 Millionen Iraker unter die Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag (IOM 18.6.2021). Einhergehend mit dem neuerlichen Ansteigen der Ölpreise wird auch eine Reduktion der Armutsrate um 7 bis 14 % erwartet (WB 5.4.2021).

 

Nahrungsmittelversorgung

Der Irak ist in hohem Maße von Nahrungsmittelimporten (schätzungsweise 50 % des Nahrungsmittelbedarfs) abhängig (FAO 30.6.2020). Grundnahrungsmittel sind in allen Gouvernements verfügbar (IOM 18.6.2021).

Aufgrund von Panikkäufen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie kam es in den letzten beiden Märzwochen 2020 zu einem vorübergehenden Preisanstieg für Lebensmittel. Strenge Preiskontrollmaßnahmen der Regierung führten ab April 2020 zuerst zu einer Stabilisierung der Preise und ab Mai 2020 wieder zu einer Normalisierung (FAO 30.6.2020). Die lokalen Märkte haben sich in allen Gouvernements als widerstandsfähig angesichts der Pandemie bewährt (OCHA 2.2021).

Vor der Covid-19-Krise war eines von fünf Kindern unter fünf Jahren unterernährt. 3,3 Millionen Kinder sind laut UNICEF immer noch auf humanitäre Unterstützung angewiesen (AA 25.10.2021). Etwa 4,1 Millionen Iraker benötigen humanitäre Hilfe (FAO 11.6.2021).

Alle Iraker, die als Familie registriert sind und über ein monatliches Einkommen von höchstens 1.000.000 IQD (558,14 EUR) verfügen, haben Anspruch auf Zugang zum Public Distribution System (PDS) (IOM 18.6.2021; vgl. USDOS 12.4.2022). Das PDS ist ein universelles Lebensmittelsubventionsprogramm der Regierung, das als Sozialschutzprogramm kostenlose Lebensmittel subventioniert oder verteilt (WB 2.2020). Formal erfordert die Registrierung für das PDS die irakische Staatsbürgerschaft sowie die Anerkennung als "Familie", die durch einen rechtsgültigen Ehevertrag oder eine Verwandtschaft ersten Grades (Eltern, Kinder) erreicht wird. Alleinstehende Rückkehrer können sich bei ihren Verwandten ersten Grades registrieren lassen, z.B. bei ihrer Mutter oder ihrem Vater. Sollten alleinstehende Rückkehrer keine Familienangehörigen haben, bei denen sie sich anmelden können, erhalten sie keine PDS-Unterstützung (IOM 18.6.2021). Die angeschlagene finanzielle Lage des Irak wirkt sich auch auf das PDS aus (WB 5.4.2021), insbesondere der niedrige Ölpreis schränkt die Mittel ein (USDOS 30.3.2021). In den vorangegangenen zwei Jahren hat die Regierung nur Mehl verteilt, aber keine anderen Waren wie Speiseöl oder Zucker. Ein Vorschlag der Regierung, die PDS-Nahrungsmittelverteilung durch Bargeldzahlungen (IQD 17.000, ca. 12 $ pro Person) zu ersetzen, wurde angesichts der anhaltenden Sicherheits- und wirtschaftlichen Instabilitäten noch nicht umgesetzt (BS 23.2.2022, S.26). Der Anteil der Haushalte, der im Rahmen des PDS Überweisungen erhalten hat, ist um etwa 8 % gesunken. Der Verlust von Haushaltseinkommen und Sozialhilfe hat die Anfälligkeit für Ernährungsunsicherheit erhöht (WB 5.4.2021).

Das Programm wird von den Behörden jedoch nur sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Die Behörden verteilen nicht jeden Monat alle Waren, und nicht in jedem Gouvernement haben alle Binnenvertriebenen (IDPs) Zugang zum PDS. Es wird berichtet, dass IDPs den Zugang zum PDS verloren haben, aufgrund der Voraussetzung, dass Bürger nur an ihrem registrierten Wohnort PDS-Rationen und andere Dienstleistungen beantragen können (USDOS 12.4.2022).

Aufgrund der Dürre kam es 2021 zu Ernteausfällen im Gouvernement Ninewa, sodass das Landwirtschaftsministerium (MoA) im April 2021 den Transport von Weizen und Gerste zwischen der KRI und dem Rest des Landes einschränkte, mit Ausnahme des Transfers in die Lagerhäuser des MoA, um Spekulanten und Schmuggler einzudämmen (FAO 11.6.2021).

 

Wasserversorgung

Die Hauptwasserquellen des Irak sind der Euphrat und der Tigris, die 98 % des Oberflächenwassers des Landes liefern (AGSIW 27.8.2021). Etwa 70 % des irakischen Wassers haben ihren Ursprung in Gebieten außerhalb des Landes (GRI 24.11.2019). Beide Flüsse entspringen in der Türkei, während der Euphrat durch Syrien fließt und einige Nebenflüsse durch den Iran fließen (AGSIW 27.8.2021). Der Wasserfluss aus diesen Ländern wurde durch Staudammprojekte stark, um etwa 80 % reduziert (GRI 24.11.2019; vgl. AGSIW 27.8.2021). Das verbleibende Wasser wird zu einem großen Teil für die Landwirtschaft genutzt, die rund 13 der 38 Millionen Einwohner des Landes ernährt (GRI 24.11.2019). 2019 berichtete die Internationale Organisation für Migration der Vereinten Nationen (IOM), dass 21.314 Iraker in den südlichen und zentralen Gouvernements des Irak aufgrund von Trinkwassermangel vertrieben wurden. Spannungen zwischen den Stämmen um Wasser nehmen zu. Der Wassermangel in den südlichen Gouvernements wie Missan und Dhi-Qar und die immer wiederkehrenden Dürreperioden sind bereits die Hauptursache für lokale Konflikte (AGSIW 27.8.2021). Da die Niederschlagsperiode 2020/2021 die zweit niedrigste seit 40 Jahren war, kam es zu einer Verringerung der Wassermenge im Tigris und Euphrat um 29 % bzw. 73 % (UNICEF 29.8.2021).

Trinkwasser ist in allen Gouvernements verfügbar (IOM 18.6.2021). Fast drei von fünf Kindern im Irak haben jedoch keinen Zugang zu einer sicheren Wasserversorgung, und weniger als die Hälfte aller Schulen im Land haben Zugang zu einer grundlegenden Wasserversorgung (UNICEF 29.8.2021). Die Wasserversorgung im Irak wird durch marode und teilweise im Krieg zerstörte Leitungen in Mitleidenschaft gezogen. Dies führt zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. (Industrie)abfälle führen zusätzlich zu Verschmutzung (AA 25.10.2021).

 

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 25.10.2021). Die meisten irakischen Städte haben keine 24-Stunden-Stromversorgung (DW 8.7.2021). Die Stromversorgung deckt nur etwa 60 % der Nachfrage ab, wobei etwa 20 % der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Die verfügbare Kapazität variiert je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 2020). Besonders in den Sommermonaten wird die Versorgungslage strapaziert (DW 8.7.2021). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten häufig unterbrochen (AA 25.10.2021).

Das irakische Stromnetz verliert bei der Stromübertragung zwischen 40 und 50 %. Dieser Verlust hat sowohl technische Gründe, z.B. beschädigte, unzureichend funktionierende oder veraltete Stromübertragungsanlagen, als auch nichttechnische Gründe wie Diebstahl oder Manipulation. So wird zum Beispiel dem IS vorgeworfen Strommasten sabotiert zu haben (DW 8.7.2021). Der IS hat im Jahr 2021 vermehrt das irakische Stromnetz angegriffen, indem er wiederholt Strommasten gesprengt hat (Wing 6.9.2021; vgl. Anadolu 2.7.2021). Allein im August 2021 wurden Masten in Bagdad, Babil, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din sabotiert (Wing 6.9.2021). Sabotageakte werden in jüngster Zeit zunehmend an Umspannwerken in Städten verübt und zielen auch auf die Trinkwasserversorgung, die Wasseraufbereitung und auf den Krankenhausbetrieb ab (VOA 14.8.2021). Am 2.7.2021 kam es zu einem stundenlangen, landesweiten Stromausfall (Anadolu 2.7.2021; vgl. BBC 2.7.2021). Nur die KRI war davon nicht betroffen (BBC 2.7.2021). Häufige Stromausfälle führen zu Protesten. Mitte 2021 haben wütende Iraker Kraftwerke in Bagdad und Diyala gestürmt. Ende Juni 2021 ist der irakische Elektrizitätsminister, Majed Mahdi Hantoush, zurückgetreten (DW 8.7.2021)

 

Grundversorgung und Wirtschaft in der Kurdistan Region Irak (KRI)

Wirtschaftslage

Wie im gesamten Land ist auch in der Kurdistan Region Irak (KRI) das Erdöl die Haupteinnahmequelle und trägt fast 80% zum BIP der Region bei. Die Landwirtschaft macht etwa 10% des BIP aus, der Tourismus 4% und Dienstleistungen und sonstige Industrie 6%. Öl macht auch bis zu 90% der Exporte aus der Region aus (IRIS 5.2021). Die Kurdische Regionalregierung (KRG) kann für ihren aufgeblähten öffentlichen Sektor und die Ölindustrie nicht zahlen. Die KRG hat Gehaltszahlungen mehrfach verzögert und im Mai 2021 eine Gehaltskürzung von 21% angekündigt. Darüber hinaus hat sie mehrfach die Zahlungen verpasst. Eine Studie der Vereinten Nationen hat ergeben, dass diese Probleme zu einem Rückgang des monatlichen Familieneinkommens in Kurdistan von 31% führten, höher als im Rest des Landes (Wing 9.6.2021).

Die Arbeitslosenrate in der KRI wird für das Jahr 2018 auf 9% geschätzt. Dabei lag im Jahr 2017 die Arbeitslosigkeit bei Männern bei 8,1% im Vergleich zu 20,1% bei Frauen (KRSO 2021). Die Arbeitsmarktbeteiligung wird in der KRI auf etwa 40% geschätzt (ILO 2021).

 

Nahrungsmittelversorgung

Grundnahrungsmittel sind in allen Gouvernements verfügbar. Das Lebensmittelrationierungsprogramm (PDS) des irakischen Handelsministeriums ist noch nicht abgeschlossen (IOM 18.6.2021). Ungünstige Niederschlagsmengen haben 2021 die Getreideproduktion im Nordirak und auch in der KRI beeinträchtigt. Die Ernte soll rund 50% unter jener im Jahr 2020 liegen (FAO 11.6.2021).

 

Wasserversorgung

In der KRI herrscht wegen einer Dürre, im Zusammenspiel mit Staudämmen im Iran, Wasserknappheit. Die KRG hat deswegen zusätzliche 1,7 Millionen Dollar (2,5 Mrd IQD) für Trinkwasser bereitgestellt (Rudaw 5.8.2021; vgl. Rudaw 4.7.2021). Grundsätzlich ist Trinkwasser in allen Gouvernements verfügbar (IOM 18.6.2021).

 

Stromversorgung

Die Stromversorgung erfolgt durch Betrieb eigener Kraftwerke (AA 14.10.2020). Der Großteil des Stroms wird durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt. Etwa 9% des Stroms werden aus Wasserkraft gewonnen (Rudaw 18.9.2021).

Die Stromversorgung unterliegt erheblichen Schwankungen (AA 14.10.2020). Sie ist nur für bis zu 20 Stunden pro Tag gegeben (AA 14.10.2020; vgl. K24 15.5.2021). Im Sommer 2021 konnten die drei kurdischen Gouvernements Erbil, Dohuk und Sulaymaniyah nur etwa zwölf Stunden lang Strom am Tag liefern. Darüber hinaus werden Generatoren verwendet, die jedoch nicht den gesamten Bedarf abdecken können (Anadolu 8.7.2021). Insbesondere im Sommer und im Winter ist der Strombedarf wegen Klimatisierung bzw. Heizung höher (AA 14.10.2020). Nach Angaben des KRG-Ministeriums für Elektrizität beträgt der Strombedarf im Sommer mindestens 4.500 MW (Rudaw 3.7.2021). Es werden jedoch nur bis zu 3.500 MW Strom produziert (K24 15.5.2021). Die Kraftwerke laufen jedoch vor allem wegen Brennstoffmangel nicht mit voller Kapazität (Rudaw 3.7.2021). Die KRG plant die Steigerung der Stromversorgung durch die Implementierung mehrerer Energieprojekte (K24 15.5.2021).

 

Sulaymaniyah

Schlechte Infrastruktur und Korruption behindern die wirtschaftliche Entwicklung des Gouvernements Sulaymaniyah (IOM 9.2021). Die Arbeitslosenrate in Sulaymaniyah wird für das Jahr 2017 auf 9,4% geschätzt (KRSO 2021). Im Jahr 2018 waren etwa 0,28% der Bevölkerung von akuter Armut betroffen und 2,69% waren armutsgefährdet (OPHI 10.9.2020). Einer anderen Quelle zufolge betrug die Armutsrate im Jahr 2018 4,46% (KRSO 2021).

Der Fluss Chami Rokhana im Süden der Sulaymaniyahs ist aufgrund der Dürre und wegen iranischer Dammbauten ausgetrocknet (Rudaw 5.8.2021). Vertreter der Gesundheitsbehörden warnen davor, dass durch die Wasserknappheit Krankheiten, die durch verunreinigtes Wasser verursacht werden, zunehmen könnten (K24 10.6.2021).

Im Jahr 2020 wurde laut der Generaldirektion für Elektrizitätsversorgung in Sulaymaniyah täglich Strom für 20 Stunden geliefert. Auch für 2021 wurde diese Menge anvisiert, jedoch sorgte rückgängiger Wasserstand dafür, dass die Kraftwerke am Dukan-Damm und in Darbandikhan nicht wie bisher Energie produzieren konnten (Shafaq 20.5.2021).

 

Medizinische Versorgung

Der Gesundheitssektor im Irak hat unter den Kriegen, den Sanktionen, der Korruption und den mangelnden Investitionen gelitten. Mithilfe der Vereinten Nationen und ausländischer Hilfsorganisationen kann meist nur das Nötigste gesichert werden (GIZ 1.2021b).

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor (IOM 1.4.2019). Öffentliche Krankenhäuser berechnen niedrigere Kosten für Untersuchungen und Medikamente als der private Sektor. Allerdings sind nicht alle medizinischen Leistungen in öffentlichen Einrichtungen verfügbar und von geringerer Qualität als jene im privaten Sektor. Vor allem in größeren Städten und für spezialisierte Behandlungen kann es zu langen Wartezeiten kommen. Die Qualität der Gesundheitsversorgung hängt stark davon ab, ob die Gesundheitsinfrastruktur seit dem jüngsten bewaffneten Konflikt wiederhergestellt wurde, und ob Ärzte und Krankenschwestern zurückgekehrt sind (IOM 18.6.2021).

Eine Umfrage deutet darauf hin, dass im Jahr 2020, infolge der COVID-Krise, die Zahl der Rückkehrerhaushalte, die mehr als 20 % ihrer monatlichen Gesamtausgaben für Gesundheit oder Medikamente ausgeben, stark auf 38 % gestiegen ist (gegenüber 7 % im Jahr 2019) (IOM 18.6.2021).

Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 1.2021d). Medizinische Kosten und Gesundheitsleistungen werden im Irak nicht von einer Krankenversicherung übernommen (IOM 18.6.2021).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 25.10.2021). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustregel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 1.2021d). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 25.10.2021). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Es gibt im Irak 1.146 primäre Gesundheitszentren, die von Mitarbeitern der mittleren Ebene geleitet werden und 1.185, die von Ärzten geleitet werden. Des Weiteren gibt es im Irak 229 allgemeine und spezialisierte Krankenhäuser, darunter 61 Lehrkrankenhäuser (WHO o.D.). Im Zuge der COVID-19 Krise hat die Regierung einen spürbaren Bedarf an medizinischer Ausrüstung festgestellt. Die Regierung hat Initiativen ergriffen, um die Verfügbarkeit von Gesichtsmasken und Handdesinfektionsmitteln zu erhöhen sowie Krankenhäuser mit mehr Sauerstofftanks und Notaufnahmen auszustatten. Im April 2021 hat die Regierung eine COVID-19-Unterstützung für abgelegene Gebiete initiiert, die Arztbesuche in abgelegenen Orten, die Verteilung von Medikamenten und die Bereitstellung kostenloser medizinischer Beratung umfasst. Daten über konkrete Initiativen und die Wirksamkeit der Maßnahmen sind jedoch nicht verfügbar (IOM 18.6.2021).

Anfang des Jahres 2020, mit Beginn der COVID-19-Pandemie stellten die medizinischen Fakultäten und Gesundheitseinrichtungen die meisten ihrer zur Verfügung gestellten Dienste ein und verlagerten sich auf die Untersuchung des Virus und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft. Im September 2020 nahm der öffentliche Gesundheitssektor seine Arbeit und Dienstleistungen wieder auf, mit neuen Regelungen, wie dem Zugang zu Krankenhäusern nur nach Terminvereinbarung, Rotationsschichten des medizinischen Personals, längeren erforderlichen Wartezeiten und strengeren Hygienemaßnahmen. Im Jahr 2021 bieten sowohl der öffentliche als auch der private Gesundheitssektor ihre Arbeit beinahe wieder normal an, jedoch mit hohen Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19, wie vom irakischen Gesundheitsministerium (MoH) angewiesen (IOM 18.6.2021). Das Gesundheitsministerium wandte sich angesichts der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den öffentlichen Gesundheitssektor an private Einrichtungen, um die Regierung bei der Krisenbewältigung zu unterstützen. So nutzte die Regierung beispielsweise das Andalus Hospital and Specialized Cancer Treatment Center in Bagdad, das einem irakischen Pathologen gehört (BS 23.2.2022, S.25).

Aufgrund der COVID-19-Pandemie steht die Bereitstellung grundlegender Gesundheitsdienste unter Druck. Familien haben nicht im gleichen Maße wie 2019 Zugang zu grundlegenden Diensten, einschließlich Impfungen und Gesundheitsfürsorge für Mutter und Kind. Schätzungsweise 300.000 Kinder laufen Gefahr, nicht geimpft zu werden, was zu Masernausbrüchen oder der Rückkehr von Polio führen könnte (UN OCHA 2021).

Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich (AA 25.10.2021).

 

Medizinische Versorgung in der Kurdistan Region Irak (KRI)

Das öffentliche Gesundheitssystem in der Kurdistan Region Irak (KRI) wird durch das Gesundheitsministerium (MoH) in Erbil verwaltet. Es gibt fünf Gesundheitsdirektionen (DoH) des MoH, eine in Dohuk, eine in Erbil und drei in Sulaymaniyah: das Slemani DoH, das Germian DoH und das Rania DoH. Unter jeder der Direktionen gibt es Gesundheitssektoren auf Distriktebene. Finanziert wird das öffentliche Gesundheitssystem durch eine Haushaltszuweisung der Kurdischen Regionalregierung (KRG), aus der die Gehälter der im öffentlichen Sektor tätigen medizinischen Fachkräfte, sowie Medikamente, Verbrauchsmaterialien und Investitionen in die Infrastruktur des Gesundheitswesens, wie Gebäude und Geräte bezahlt werden. Dabei ist die KRG von Zahlungen der irakischen Zentralregierung in Bagdad abhängig, die 17 % ihres Budgets ausmachten (MedCOI 8.2020).

Gesundheitsdienste werden hauptsächlich durch den öffentlichen Sektor angeboten, wobei auch der private Sektor und Nichtregierungsorganisationen nach und nach ihre Gesundheitseinrichtungen aufbauen (MedCOI 8.2020).

Die Gesundheitsversorgung in der KRI ist dreigeteilt. Primäre Gesundheitsversorgung wird durch Hauptzentren der primären Gesundheitsversorgung (PHC) sowie PHC-Unterzentren bereitgestellt. Im Jahr 2017 gab es in der KRI 548 PHCs. Diese sind mit mindestens einem Allgemeinmediziner besetzt und bieten eine medizinische Grundversorgung. Die meisten der PHCs versorgen mehr als 10.000 Personen. PHC-Unterzentren verfügen hingegen nicht über einen Arzt und ihre Leistungen sind in der Regel eingeschränkter. Sie stellen grundlegende Medikamente zur Verfügung und versorgen in der Regel etwa 2.000 Personen. Krankenhäuser bieten sekundäre und tertiäre Versorgung. Im Jahr 2017 gab es in der KRI 19 öffentliche und sieben private Krankenhäuser im Gouvernement Dohuk, 24 öffentliche und 19 private Krankenhäuser im Gouvernement Erbil sowie 33 öffentliche und 16 private Krankenhäuser im Gouvernement Sulaymaniyah (MedCOI 8.2020).

Die meisten Menschen leben in einem Umkreis von 30 Minuten um ein Zentrum der PHC, und die Gesamtzahl und Art der Gesundheitseinrichtungen (d.h. Krankenhäuser und PHCs) sind im weltweiten Vergleich ausreichend, jedoch ist die geografische Verteilung der angebotenen Leistungen, des Personals und der Ausstattung ungleichmäßig. In mehreren PHCs waren Labor- oder andere Geräte zwar vorhanden, aber nicht funktionsfähig, oder das PHC hatte keinen geschulten Nutzer für diese. Die KRG ist dabei Gesundheitsinformationssysteme (HIS) und Evidenz für die Entscheidungsfindung zu verbessern, um damit auch die Behandlung zu verbessern und den Fortschritt hin zu einer universellen Gesundheitsversorgung zu beschleunigen (MedCOI 8.2020).

Die staatliche medizinische Versorgung in der KRI ist kostenlos bzw. sehr kostengünstig, allerdings qualitativ schlecht und mit langen Wartezeiten verbunden (AA 25.10.2021; vgl. IOM 18.6.2021). Private Krankenhäuser, auch auf hohem medizinischem Niveau, sind kostspielig und sind nur für die obere Mittelschicht leistbar (AA 25.10.2021). Es gibt keine privaten Krankenversicherungen, sodass Zahlungen in privaten Einrichtungen aus eigener Tasche bezahlt werden müssen (MedCOI 8.2020).

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich insbesondere aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.02.2021, den Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes vom 31.03.2021 und vom 05.10.2021, dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.2021, dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.01.2022, dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonderes berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 AsylG, dem Bescheid des BFA vom 30.08.2023, der Beschwerde vom 02.10.2023, einem AJ-Web-Auszug, einem GISA-Auszug und Auskünften aus dem Zentralen Melderegister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem Grundversorgungsdatensystem und dem Strafregister betreffend den Beschwerdeführer.

Auf Grund seiner glaubhaften Angaben im gegenständlichen Verfahren vor der belangten Behörde in Zusammenschau mit einem irakischen Reisepass in Kopie (AS 13), einem irakischen Personalausweis in Kopie (AS 17ff [Übersetzung: AS 15]) und einem irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis in Kopie (AS 23 [Übersetzung: AS 21]) sowie einem laut Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister für den Beschwerdeführer von der irakischen Botschaft in Wien im September 2023 ausgestellten Heimreisezertifikat stehen die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers hinreichend fest.

Die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, der Geburts- und der Wohnort sowie die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers in Kurmandschi konnten auf der Grundlage der persönlichen Angaben des Beschwerdeführers im vorangegangen Verfahren zur Erlangung internationalen Schutzes festgestellt werden. Auch in der Beschwerde wird ein diesbezügliches ergänzendes oder den Angaben im vorangegangenen Asylverfahren entgegenstehendes Vorbringen nicht erstattet.

Die Feststellungen zu den vorangegangen Verfahren, zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonderes berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG, zur Dauer des Aufenthalts, zum kurzzeitigen Verbleib im Vereinigten Königreich und zum Nichtvorliegen eines Aufenthaltstitels für Österreich ergeben sich – in Zusammenschau mit einer Einsichtnahme in den Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister – aus dem vorgelegten Verfahrensakt und aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichts zu den Zahlen I413 2199342-1 und I413 2199342-2, insbesondere aus den in den Akten befindlichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.02.2021 und 16.06.2021, den Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes vom 31.03.2021 und vom 05.10.2021 und dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.01.2022.

Dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Rücküberstellung aus dem Vereinigten Königreich im Jänner 2018 bis zum Tage der heutigen Entscheidung durchgehend im Bundesgebiet aufhält. Dem Beschwerdeführer war es im Zuge des vorangegangenen Asylverfahrens möglich, plausibel zu schildern, dass er seit seiner Rücküberstellung aus dem Vereinigten Königreich im Jänner 2018 in Österreich verblieben ist, was sich auch in Zusammenschau mit dem Auszug aus dem Zentrales Melderegister als schlüssig erweist.

Dass er den Irak im Sommer 2017 verlassen hat und im September 2017 illegal in das Bundesgebiet eingereist ist, steht außer Frage und wurde nicht in Zweifel gezogen.

Die sonstigen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner schulischen Ausbildung, seinen Mitteln zur Bestreitung des Lebensunterhalts vor der Ausreise und zu seinen Familienangehörigen im Irak waren ebenfalls auf Grundlage der stringenten und insoweit glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im vorangegangenen Verfahren auf Erlangung internationalen Schutzes und im gegenständlichen Verfahren zu treffen.

Dass der Beschwerdeführer mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder in Kontakt steht, brachte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im vorangegangenen Asylverfahren selbst vor. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Angaben nicht mehr stimmen sollten, zumal sie der Beschwerdeführer auch im gegenständlichen Verfahren nicht in Abrede stellte. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sie daher ohne Weiteres den Feststellungen zugrunde legen.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine Beziehung führt und kinderlos ist sowie zum Fehlen von Familienangehörigen in Österreich, stützen sich ebenfalls auf seine eigenen Angaben im vorangegangen Asylverfahren.

Die Unterstützungserklärungen (AS 293 - 300 im Akt 2199342-1; AS 187 - 199) sind urkundlich hinreichend nachgewiesen. Den Feststellungen zum Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich liegen ebenfalls die Aussagen des Beschwerdeführers im vorangegangen Asylverfahren, im Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonderes berücksichtigungswürdigen Fällen (AS 4) und in der Beschwerde (AS 185), etwa auch zu den zahlreichen persönlichen Kontakten im Rahmen des vom Beschwerdeführer betriebenen Lokals, in Zusammenschau mit den vorgelegten Unterstützungsschreiben, die einen persönlichen Bezug der Verfasser zum Beschwerdeführer erkennen lassen (AS 293 - 300 im Akt 2199342-1; AS 187 - 199), zugrunde. Das Bundesverwaltungsgericht stellt insgesamt nicht in Abrede, dass der Beschwerdeführer verschiedene private Kontakte unterhält. Unterstützerinnen und Unterstützer attestieren dem Beschwerdeführer durchwegs positive Charaktereigenschaften, sie heben vor allem seine Hilfsbereitschaft, Lernwilligkeit, Höflichkeit, Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Ehrlichkeit, seinen Fleiß und sein Engagement sowie seine Aufgeschlossenheit bzw. seine Bemühungen zur Integration hervor. Dass der Beschwerdeführer diese Eigenschaften hat, zieht das Bundesverwaltungsgericht nicht in Zweifel. Weder aus diesen Eigenschaften noch aus den Charakterisierungen lässt sich jedoch ableiten, dass ein Abhängigkeitsverhältnis oder eine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung bestünde. Hinweise auf eine einem Familienleben entsprechende Beziehung gibt es angesichts der Darstellung der Kontakte nicht.

Der Beschwerdeführer legte keine Nachweise über einen Schulbesuch oder eine Berufsausbildung in Österreich vor, weshalb die dementsprechenden Feststellungen getroffen wurden. Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde argumentiert, dass er infolge fehlender staatlicher Unterstützung und des arbeitsbedingten Zeitmangels keine weitere Ausbildung in Österreich absolviert habe, so erlaubt sich das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zur Vollständigkeit darauf hinzuweisen, dass es der Beschwerdeführer jedenfalls auch vor Aufnahme seiner Erwerbstätigkeit im Juni 2020 für etwa zweieinhalb Jahre im Rahmen des Asylverfahrens nicht für erforderlich erachtete, entsprechende Schritte zu setzen, obwohl dem Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt zweifelsfrei ausreichend Zeit zur Verfügung stand und kann in diesem Zusammenhang durchaus auch eine gewisse Eigeninitiative, etwa eine Kontaktaufnahme mit karitativen Einrichtungen und dergleichen, erwartet werden, womit im Ergebnis zur Schlussfolgerung zu gelangen ist, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich lediglich kein hervorhebenswertes Engagement aufweist.

Dass der Beschwerdeführer nicht ehrenamtlich oder gemeinnützig tätig ist, nicht in Vereinen oder Organisationen aktiv und auch nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen in Österreich ist, ist im Lichte der Aussagen des Beschwerdeführers (bisweilen im Umkehrschluss) nicht zweifelhaft. Insofern der Beschwerdeführer in der Beschwerde sein fehlendes ehrenamtliches Engagement dadurch zu relativieren versucht, dass er einerseits auf seine Berufstätigkeit und andererseits auf von ihm an eine örtliche Feuerwehr geleistete finanzielle Spenden verweist, so vermag dies nicht zu überzeugen. Die Unterstützung der örtlichen Feuerwehr durch finanzielle Spenden erscheint zwar durchaus löblich, zeigt jedoch im Gegensatz zur Ausübung eines Ehrenamts oder einer gemeinnützigen Tätigkeit kein besonderes persönliches Engagement in der (örtlichen) Gemeinschaft auf. Was die angeblich fehlenden zeitlichen Ressourcen auf Grund der Erwerbstätigkeit betrifft, so erlaubt sich das Bundesverwaltungsgericht dieser Argumentation wiederum zu entgegnen, dass zweifelsfrei ein Großteil der sich in Österreich gemeinnützig oder ehrenamtlich engagierenden Personen diese Tätigkeiten in ihrer Freizeit nach Verrichtung ihrer Erwerbsarbeit zur Verbesserung des Gemeinwohls ausüben. Weshalb dies dem Beschwerdeführer nicht möglich sein soll, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht.

Dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache in alltagstauglicher Weise beherrscht, eine Qualifizierungsmaßnahme zum Erwerb der deutschen Sprache besuchte, das Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau A2 des ÖIF erfolgreich erlangte, wurde auf Grund der diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers im vorangegangen Asyl- und im vorangegangen Wiederaufnahmeverfahren in Zusammenschau mit den unbedenklichen in den Akten enthaltenen Urkunden festgestellt (AS 111 im Akt 2199342-1; AS 39).

Die Feststellungen betreffend die vom Beschwerdeführer vormalig in Anspruch genommenen Leistungen der Grundversorgung ergeben sich aus dem Auszug aus dem Grundversorgungsdatensystem. Aus seinen Angaben in Verbindung mit einem amtswegig eingeholten aktuellen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit 02.06.2020 das Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeerestaurant“ angemeldet hat. Die Feststellungen zu seiner hiesigen Erwerbstätigkeit gehen aus den vorgelegten Unterlagen hervor (AS 27 - 37, 201). Aus dem AJ-Web-Auszug in Zusammenschau mit dem GISA-Auszug ergibt sich, dass der Beschwerdeführer nach dem GSVG pflichtversichert ist. Die Feststellung zum Einkommen des Beschwerdeführers ist durch den Einkommensteuerbescheid vom 19.07.2023 urkundlich hinreichend nachgewiesen (AS 35ff).

Dass der Beschwerdeführer seit seiner erstmaligen Hauptwohnsitzmeldung am 30.01.2018 – abgesehen von einer kurzzeitigen Unterbrechung von wenigen Tagen im Jänner 2023 – über eine aufrechte Meldeadresse im österreichischen Bundesgebiet verfügt, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Die Feststellungen zum Erscheinungsbild der „Wohnunterkunft“ waren auf Grundlage der in einer e-mail vom 02.10.2023 festgehaltenen Wahrnehmungen zweier Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts, die am 01.10.2023 nachts an der Wohnadresse des Beschwerdeführers im Zuge eines Festnahmeversuchs Nachschau hielten (OZ 4), zu treffen. Die Höhe des vom Beschwerdeführer zu entrichtenden „Mietzinses“ kann dem als Untermietvertrag titulierten Schriftstück entnommen werden (AS 47). Diesem – weder vom „Vermieter/Untervermieter“ noch vom Beschwerdeführer als „Mieter“ unterfertigten – undatierten Schriftstück kann weder die Größe der Unterkunft noch die Zulässigkeit der Untervermietung entnommen werden (AS 45 - 49), weshalb die dementsprechenden Feststellungen getroffen wurden. Auch in der Beschwerde wird ein diesbezügliches ergänzendes Vorbringen nicht erstattet.

Insofern bislang die Vorlage einer bindenden Patenschaftserklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG unterblieb, ist eine entsprechende Feststellung bezüglich der Nichtvorlage zu treffen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einem Strafregisterauszug. Anhand der im vorgelegten Akt enthaltenen Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 29.03.2022 war die Feststellung hinsichtlich der Verwaltungsübertretung zu treffen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Die Feststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf dessen Ausführungen im vorangegangenen Asylverfahren und im gegenständlichen Verfahren im Hinblick auf die mehrjährige Schulausbildung und die in Österreich erworbene Berufserfahrung im Gastronomiebereich. Ferner brachte der Beschwerdeführer keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor, welche die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würden.

Die Feststellungen zur Lage im Irak stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, welches auch im angefochtenen Bescheid herangezogen wurde. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Insofern das BFA dem Beschwerdeführer das Parteiengehör, insbesondere zu den Feststellungen zur Lage im Irak, versagt haben mag, ist gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, 2000/18/0040) eine solche Verletzung des Parteiengehörs bereits saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Beschwerde dagegen Stellung zu nehmen – Voraussetzung einer solchen Sanierung ist freilich, dass in der verwaltungsbehördlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde [nunmehr: das Verwaltungsgericht] das Parteiengehör einräumen müsste (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0056). Diese Anforderungen an den Bescheid des BFA sind erfüllt, eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs ist daher durch die Stellungnahmemöglichkeit in der Beschwerde als saniert anzusehen.

Der Beschwerdeführer und dessen rechtsfreundliche Vertretung traten diesen Feststellungen in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war, das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB VwGH 20.01.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.01.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

Insofern in der Beschwerde abschließend noch angeführt wird, dass sich der Beschwerdeführer ausdrücklich weiteres Vorbringen im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorbehalte (AS 186), erlaubt sich das Bundesverwaltungsgericht anzumerken, dass bis zur Genehmigung dieser Entscheidung eine Beschwerdeergänzung nicht mehr einlangte.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer alle zur Begründung seines Antrags erforderlichen Dokumente vorgelegt und umfassende schriftliche Ausführungen getroffen.

In der Beschwerde wird kein darüber hinausgehender Sachverhalt behauptet, weshalb von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

A) Abweisung der Beschwerde:

I. Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG lauten:

„Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen

§ 56. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) - (5) …

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) …

(10) …

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) …

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.“

 

§ 11 Abs. 5 NAG lautet:

„(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des ASVG lauten:

„Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage

§ 292. (1) - (2) …

(3) Nettoeinkommen im Sinne der Abs. 1 und 2 ist, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge. Für die Bewertung der Sachbezüge gilt, soweit nicht Abs. 8 anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit der Maßgabe, daß als Wert der vollen freien Station der Betrag von 216,78 € (Anm. 1) heranzuziehen ist; an die Stelle dieses Betrages tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab 1. Jänner 1994, der unter Bedachtnahme auf § 108 Abs. 6 mit dem Anpassungsfaktor (§ 108f) vervielfachte Betrag. Im Falle des Bezuges einer Hinterbliebenenpension (§ 257) vermindert sich dieser Betrag, wenn für die Ermittlung der Ausgleichszulage zur Pension des verstorbenen Ehegatten/der verstorbenen Ehegattin oder des verstorbenen eingetragenen Partners/der verstorbenen eingetragenen Partnerin (Elternteiles) Abs. 8 anzuwenden war oder anzuwenden gewesen wäre und der (die) Hinterbliebene nicht Eigentümer (Miteigentümer) des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes war, für Einheitswerte unter 4 400 € im Verhältnis des maßgeblichen Einheitswertes zu dem genannten Einheitswert, gerundet auf Cent; Entsprechendes gilt auch bei der Bewertung von sonstigen Sachbezügen.

(4) – 14 …

Anm. 1: gemäß BGBl. II Nr. 590/2021 für 2022: 309,93 €

gemäß BGBl. II Nr. 459/2022 für 2023: 327,91 €

 

Richtsätze

§ 293. (1) Der Richtsatz beträgt unbeschadet des Abs. 2a) für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung,aa) wenn sie mit dem Ehegatten/der Ehegattin oder dem/der eingetragenen Partner/in im gemeinsamen Haushalt leben 1751,56 €,bb) wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen 1 110,26 €,b) für Pensionsberechtigte auf Witwen/Witwerpension oder Pension nach § 259 1 110,26 €,c) für Pensionsberechtigte auf Waisenpension:aa) bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres 408,36 €,

falls beide Elternteile verstorben sind 613,16 €,bb) nach Vollendung des 24. Lebensjahres 725,67 €,

falls beide Elternteile verstorben sind 1 110,26 €.

Der Richtsatz nach lit. a erhöht sich um 171,31 € für jedes Kind (§ 252), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreicht.

(2) - (3) …“

Gesetzeszweck des § 56 AsylG ist die Bereinigung von besonders berücksichtigungswürdigen "Altfällen" unter isolierter Bewertung allein des faktischen – notwendigerweise mindestens zur Hälfte rechtmäßigen – Aufenthalts sowie des Grades der in Österreich erlangten Integration. Den betroffenen Drittstaatsangehörigen soll in diesen Fällen die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben werden, wobei hiervon jene Konstellationen erfasst sein sollen, in denen die Schwelle des Art. 8 MRK, sodass gemäß § 55 AsylG ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht wird (vgl. unter vielen VwGH 22.03.2021, Ra 2020/21/0448, mwN).

Der Beschwerdeführer erfüllt schon nicht sämtliche allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 60 Abs. 2 AsylG) für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels.

Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 AsylG dürfen Aufenthaltstitel nach § 56 AsylG einem Drittstaatsangehörigen nur dann erteilt werden, wenn er einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es dem Fremden, initiativ und untermauert durch entsprechende Bescheinigungsmittel einen derartigen Rechtsanspruch nachzuweisen (vgl. VwGH 01.07.2021, Ra 2021/21/0034; 26.03.2021 Ra 2020/22/0050 mwN). Gemäß § 8 Abs. 2 Z 1 AsylG-DV gelten als Nachweis des Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft insbesondere Miet- oder Untermietverträge, bestandrechtliche Vorverträge oder Eigentumsnachweise. Fehlt ein Nachweis über den Rechtsanspruch auf eine entsprechende Unterkunft, stellt dies nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Bestimmung des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG keinen Mangel iSd § 13 Abs. 3 AVG dar (vgl. VwGH 23.02.2012, 2009/22/0144 mwN). In einem solchen Fall kann es zur Abweisung des Antrags ohne vorausgegangenem Verbesserungsverfahren kommen.

Der Beschwerdeführer legte lediglich ein als „Untermietvertrag“ tituliertes Schreiben (AS 45 - 49) vor. Allerdings unterfertigten weder der „Vermieter/Untervermieter“ noch der Beschwerdeführer als „Mieter“ (!) dieses undatierte Schriftstück. Im Übrigen geht aus diesem Dokument nicht hervor, ob eine Untervermietung dieses Objekts überhaupt zulässig ist. Mit diesem Schreiben kann somit ein Rechtsanspruch auf die angeblich seit 10.01.2023 bewohnte Privatunterkunft gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 nicht nachgewiesen werden.

Zur Vollständigkeit erlaubt sich das Bundesverwaltungsgericht zur Frage der Ortsüblichkeit der Wohnung anzumerken, dass die dem Beschwerdeführer zur Verfügung gestellte Wohnunterkunft, deren Größe sich dem als „Untermietvertrag“ titulierten Schreiben nicht entnehmen lässt, auf Grund des Erscheinungsbildes in Form eines Firmenbüros mit kleiner Küche – ohne Vorhandensein eines Betts – auch als nicht ortsüblich anzusehen wäre.

Gemäß § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG darf ein Aufenthaltstitel gemäß § 56 des Weiteren nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte. Als Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts gelten gemäß § 8 Abs. 2 Z 3 AsylG-DV insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen, Dienstverträge, arbeitsrechtliche Vorverträge, Bestätigungen über Pensions-, Renten- oder sonstige Versicherungsleistungen, Nachweise über das Investitionskapital, Nachweis eigenen Vermögens in ausreichender Höhe oder in den bundesgesetzlich vorgesehenen Fällen eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung. Fehlt ein Nachweis über den gesicherten Lebensunterhalt, stellt dies nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren - früheren - Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 7 NAG-DV ("Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes") keinen Mangel iSd § 13 Abs. 3 AVG dar (vgl. VwGH 23.02.2012, 2009/22/0144 mwN). In einem solchen Fall kann es ebenfalls zur Abweisung des Antrags ohne vorausgegangenem Verbesserungsverfahren kommen.

Der Beschwerdeführer müsste für sich gemäß § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG iVm § 11 Abs. 5 NAG iVm § 293 ASVG ein (regelmäßiges) monatliches Einkommen („Haushaltsnettoeinkommen“) von jedenfalls € 1.110,26 [= Richtsatz für Alleinstehende] aufbringen, um erst einmal den Nominalwert der notwendigen aktuellen Ausgleichszulagenrichtsätze zu erreichen. Es wird zwar nicht in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer mit seinem Lokal einen Jahresumsatz von ca. € 200.000,00 erwirtschaftet, entscheidend ist jedoch sein Einkommen. Sein durchschnittlicher Verdienst war zuletzt mit ca. € 577,7 pro Monat bereits geringer als der Nominalwert und von diesem Betrag wären in der Folge Aufwendungen für Mietbelastungen (€ 450,00), die über die „freie Station“ des § 292 Abs. 3 ASVG (für das Jahr 2023: € 327,91) hinausgehen, somit gegenständlich € 122,09 abzuziehen, somit ergäbe sich eine relevante Einkommenshöhe des Beschwerdeführers von nur mehr € 455,61. Damit steht jedenfalls unzweifelhaft fest, dass die regelmäßig geltend gemachten Einkünfte des Beschwerdeführers bei Weitem nicht ausreichen, um davon ausgehen zu können, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG und § 11 Abs. 5 NAG führen könnte, zumal der Beschwerdeführer weder über Ersparnisse, Unterhaltsansprüche oder über eine Haftungserklärung verfügt.

Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Über eine solche den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Patenschaftserklärung verfügt der Beschwerdeführer – wie vorangehend ausgeführt – nicht. Der Beschwerdeführer erfüllt daher schon die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht.

Darüber hinaus erfüllt der Beschwerdeführer auch nicht alle Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 56 AsylG.

Der Beschwerdeführer hält sich seit Mitte Jänner 2018 durchgängig in Österreich auf und kann damit die nach § 56 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erforderliche Aufenthaltsdauer vorweisen. Er stellte am 06.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.02.2021, I413 2199342-1/18E, abgewiesen wurde. Diese Entscheidung erwuchs am 15.02.2021 in Rechtskraft. Den hier gegenständlichen Antrag stellte er am 24.08.2023. Der Beschwerdeführer hielt sich während des Verfahrens auf internationalen Schutz als Asylwerber rechtmäßig in Österreich auf (§ 13 Abs. 1 AsylG 2005) und war damit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 24.08.2023 mehr als die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, in Österreich rechtmäßig aufhältig, weshalb auch die Voraussetzung des § 56 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erfüllt ist.

Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist wiederum erfüllt, wenn ein Drittstaatsangehöriger gemäß § 9 Abs. 4 Z 1 Integrationsgesetz einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsvereinbarung gemäß § 11 Integrationsgesetz vorlegt. Der Beschwerdeführer brachte eine Urkunde über die Absolvierung der Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 vom 27.06.2023 in Vorlage und erfüllt damit ferner § 56 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005.

Das Bundesverwaltungsgericht erlaubt sich jedoch darauf hinzuweisen, dass die Behörde gemäß § 56 Abs. 3 AsylG inhaltlich den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen hat.

Der Beschwerdeführer weist insoweit keinen besonders hohen bzw. geforderten Integrationsgrad auf.

Zunächst ist festzuhalten, dass alleine durch die angeführte Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet, welcher zu Beginn rechtmäßig auf Grund der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz am 06.09.2017, jedoch weiter ab Mitte Februar 2021 (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.02.2021, I413 2199342-1/18E) ausschließlich auf Grund des unberechtigten weiteren Verbleibens nach rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens begründet wurde, und durch die in dieser Zeit gesetzten integrativen Anstrengungen insgesamt noch keine validen Gründe aufgezeigt werden konnten, warum dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung plus gem. § 56 AsylG zu erteilen wäre. Auch der Beschwerde sind diesbezüglich konkret hierauf bezogene, substantiell begründete ergänzende Ausführungen nicht zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer verfügt zwar über Deutschkenntnisse, die es ihm erlauben, eine alltagstaugliche Unterhaltung in deutscher Sprache zu führen, es wird jedoch festgehalten, dass alleine das Erlernen der deutschen Sprache keine für den Beschwerdeführer ausschlaggebende Integration bedeutet und die Absolvierung einer Prüfung auf dem Niveau A2 im Jahr 2023 (!) nach jahrelangem Aufenthalt im Bundesgebiet keine besonders berücksichtigungswürdige Motivation am Erlernen der deutschen Sprache erkennen lässt, was sich auch daran zeigt, dass die zuletzt erfolgreiche Ablegung einer Prüfung auf dem Niveau A2 in den Bereichen Schreiben und Lesen seitens des Beschwerdeführers nur äußerst knapp bestanden wurde. So erreichte der Beschwerdeführer im Bereich Schreiben lediglich das Mindestmaß für das Niveau A2 von zehn Punkten und überschritt im Bereich Sprechen das erforderliche Mindestmaß für das Niveau A2 von 15 Punkten nur um einen Punkt, was eben keine besondere Motivation am (fortgesetzten) Erlernen der deutschen Sprache erkennen lässt.

Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation in Österreich. Der Beschwerdeführer ist zudem weder ehrenamtlich noch gemeinnützig tätig. Der Beschwerdeführer hat in Österreich auch keine Schule und keine Berufsausbildung abgeschlossen.

Bis 09.06.2020 finanzierte der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt in Österreich aus den Leistungen der Grundversorgung. Seit 02.06.2020 hat er das reglementierte Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeerestaurant“ angemeldet und versucht seinen Lebensunterhalt aus seinen Einkünften aus seiner selbständigen Tätigkeit zu finanzieren. Nach § 7 Abs. 2 Grundversorgungsgesetz-Bund 2005 ist die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit in den ersten drei Monaten nach Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz unzulässig. Das bedeutet, dass eine ab Beginn des vierten Monats nach Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutzausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit rechtmäßig ist. Mit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens wird die selbständige Erwerbstätigkeit des Fremden im Grunde des § 32 NAG aus fremdenrechtlicher Sicht unrechtmäßig, woran auch das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung nichts zu ändern vermag (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2018/21/0134, mwN). Seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über seinen Antrag auf internationalen Schutz war der Beschwerdeführer nicht mehr zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Trotz des rechtskräftigen Abschlusses seines Asylverfahrens setzte er seine selbständige Tätigkeit in Form der Ausübung des umschriebenen Gewerbes fort. Er betreibt weiterhin im Bezirk Amstetten ein Lokal und lukriert aus dieser Tätigkeit ein monatliches Einkommen.

Die Bestimmung des § 88 Abs. 1 GewO 1994 verpflichtet die Gewerbebehörde, die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn sich der Betreffende nicht mehr legal in Österreich aufhält (vgl. VwGH 11.09.2013, 2012/04/0146). Der Verlust der Gewerbeberechtigung tritt nicht automatisch ein. Ein Gewerbeentziehungsverfahren ist indes aktenkundig. Nach Anregung durch die belangte Behörde entzog die zuständige Behörde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 26.09.2023, AMW1-G-20550/001, die Gewerbeberechtigung, wobei aus dem vorgelegten Verfahrensakt nicht hervorgeht, ob der Bescheid mittlerweile in Rechtskraft erwachsen ist. Jedenfalls vermag die nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens vom Beschwerdeführer weiterhin in Form eines Gewerbes ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit keine nachhaltige Integration in den heimischen Arbeitsmarkt mehr zu begründen (vgl. VwGH 28.05.2019, Ra 2016/22/0011, Punkt 6.2.). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen (vgl. etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162), dass der Fremde durch seine selbständige Erwerbstätigkeit jedenfalls ab dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens und dem Ende der damit verbundenen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung keine nachhaltige Integration in den heimischen Arbeitsmarkt mehr erlangt, weil es an einem dafür notwendigen Aufenthaltstitel fehlt (vgl. § 32 NAG); das Vorliegen von Werkverträgen bzw. einer Gewerbeberechtigung kann daran nichts ändern (vgl. auch VwGH 12.12.2012, 2012/18/0174). Die Aussage, dass ab dem Wegfall der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz einer ausgeübten Beschäftigung keine wesentliche Bedeutung mehr zukommt, hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon in Ansehung eines knapp über zehnjährigen Inlandsaufenthalts getroffen (vgl. etwa VwGH 21.01.2010, 2009/18/0429).

Angesichts der vergleichsweise sehr kurzen Dauer seiner Erwerbstätigkeit während des damals noch anhängigen Asylverfahrens, muss daher von einer geringen beruflichen Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ausgegangen werden.

Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Er führt im Bundesgebiet keine Beziehung und verfügt hier über keine Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich indes über einen Freundes- und Bekanntenkreis, dem auch österreichische Staatsangehörige angehören. Zu diesen Kontakten wird festgehalten, dass sich den vorgelegten Unterstützungserklärungen und den Aussagen des Beschwerdeführers nicht entnehmen lässt, dass zu diesen Personen gegenwärtig über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindungen bestünden. Des Weiteren basieren sie auf einem ohne Notwendigkeit bestehenden, bewussten unberechtigten Verbleiben im Bundesgebiet.

Von einem besonders berücksichtigungswürdigen Fall kann daher nicht gesprochen werden.

Der Beschwerdeführer erfüllt damit auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG nicht.

Da der Beschwerdeführer weder sämtliche der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 60 AsylG, noch mangels besonders hohen Integrationsgrad die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG erfüllt, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen.

II. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG zurück- oder abgewiesen wird.

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG abgewiesen wurde, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 59 Abs. 5 FPG bedarf es, wenn gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen.

Im Hinblick auf § 59 Abs. 5 FPG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, dass im Sinne der Verfahrensökonomie rechtskräftige Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverbot gerade bei Folgeanträgen weiter als Rechtsgrundlage für eine Außerlandesbringung dienen können (vgl. zuletzt VwGH 31.03.2020, Ra 2019/14/0209, mwN). Nur im Falle einer Änderung des für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots relevanten Sachverhalts bedarf es einer neuerlichen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können (vgl. VwGH 26.03.2019, Ra 2019/19/0018; 22.03.2018, Ra 2017/01/0287; 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass § 59 Abs. 5 FPG (in diesem Umfang) eine spezielle Regelung der Rechtskraft (einer Rückkehrentscheidung) darstellt (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0287). Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (vgl. zu allem VwGH 28.04.2017, Ra 2017/03/0027, mwN). Diese Bindungswirkung besteht innerhalb der Grenzen der Rechtskraft, sohin nicht im Falle einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0029).

Die gegen den Beschwerdeführer bestehende rechtskräftige Rückkehrentscheidung ist nicht mit einem Einreiseverbot verbunden. Gemäß der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fällt diese Rückkehrentscheidung daher nicht in den Anwendungsbereich von § 59 Abs. 5 FPG, und ist die verfahrensgegenständliche abweisende Entscheidung aus diesem Grund, unabhängig vom Bestehen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung im Entscheidungszeitpunkt, gemäß § 52 Abs. 3 FPG und § 10 Abs. 3 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, zumal das BFA erst im gegenständlichen Verfahren ein Einreiseverbot erlassen hat.

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 25.06.2019, Ra 2019/14/0260 unter Hinweis auf VwGH 02.08.2016, Ra 2016/18/0049).

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Die sozialen Kontakte, die der Beschwerdeführer in Österreich unterhält, sind nicht als Familienleben iSd Art. 8 EMRK zu qualifizieren, weshalb insofern ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts zu verneinen ist.

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme bewirkt somit lediglich einen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers.

Es ist somit zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058; VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 unter Hinweis auf VwGH 21.01.2016, Ra 2015/22/0119; 10.05.2016, Ra 2015/22/0158; 15.03.2016, Ra 2016/19/0031). Erst bei einem (knapp unter) zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden kann regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich ausgegangen werden (vgl. VwGH 14.04.2016; Ra 2016/21/0029).

Die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Rücküberstellung aus dem Vereinigten Königreich Mitte Jänner 2018 beträgt – abgesehen von dem vorangegangenen kurzzeitigen Aufenthalt nach seiner illegalen Einreise im September 2017 – etwa fünf Jahre und zehn Monate. Eine derartige Aufenthaltsdauer in Österreich stellt nun zwar keine geringe Dauer dar, aber führt nicht per se dazu, dass seine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären wäre. Ferner wird die Relevanz der Aufenthaltsdauer erheblich gemindert, zumal der Beschwerdeführer abgesehen von seinem zulässigen Aufenthalt im Rahmen eines rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahrens nie über ein anderes Aufenthaltsrecht für Österreich verfügte. Sein Aufenthalt war damit ab Mitte Jänner 2018 rund drei Jahre und ein Monat lediglich auf Grund eines (unbegründeten) Antrags auf internationalen Schutz vorübergehend rechtmäßig. Der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG begründet gemäß § 58 Abs. 13 AsylG kein Aufenthaltsrecht. Seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.02.2021 hält sich der Beschwerdeführer nun unrechtmäßig in Österreich auf und kam seiner Pflicht zum Verlassen des österreichischen Bundesgebiets nicht nach. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 06.06.2018 abgewiesen, womit sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bereits relativ früh bewusst gewesen sein musste. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten oder Angehörigen. Er verfügt indes im Bundesgebiet über soziale Kontakte, auch zu österreichischen Staatsangehörigen, insbesondere auf Grund seiner Erwerbstätigkeit und seinen Freizeitaktivitäten. Er erweist sich in seinem persönlichen Bekannten- und Freundeskreis als hilfsbereit und engagiert. Den vorgelegten Unterstützungserklärungen und den Aussagen des Beschwerdeführers lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass zu diesen Personen gegenwärtig über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindungen bestünden. Die Angaben des Beschwerdeführers und die Unterstützungserklärungen lassen nicht auf eine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung und auch nicht auf ein Abhängigkeitsverhältnis schließen. Diese Kontakte, die der Beschwerdeführer zu Einheimischen unterhält, deuten zwar grundsätzlich auf eine gewisse gesellschaftliche Integration hin. Es verwundert – unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer seit Juni 2020 bis zum heutigen Tag in einer weniger als 3.500 Einwohner zählenden Gemeinde in ländlicher Umgebung ein Lokal betreibt und seit Jänner 2023 bis zum heutigen Tag in einer weniger als 3.000 Einwohner zählenden Gemeinde in ländlicher Umgebung wohnt – aber auch nicht, dass er die angebotene Hilfe und die gebotenen Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme angenommen hat, womit diese Personen auch zu Freunden des Beschwerdeführers wurden. Eine besondere Integrationsleistung des Beschwerdeführers ist darin jedoch noch nicht zu erkennen. Die dem Beschwerdeführer zugeschriebenen Werte wie etwa Hilfsbereitschaft, Lernwilligkeit, Höflichkeit, Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Fleiß und Engagement sowie Aufgeschlossenheit etc. sind im Übrigen nicht als Zeichen besonderer Integration anzusehen und werden gerade für Personen, die sich in Österreich auf Dauer niederlassen wollen, vom Bundesverwaltungsgericht als selbstverständlich vorausgesetzt.

Bezüglich dieser privaten Bindungen (Freundes-/Bekanntenkreis) in Österreich ist darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Irak gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der Beschwerdeführer hierdurch gezwungen wäre, den Kontakt zu den betreffenden in Österreich lebenden Personen gänzlich abzubrechen. Es steht ihm insbesondere frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch Urlaubsaufenthalte etc.) aufrechtzuerhalten. Der Vollständigkeit halber weist das Bundesverwaltungsgericht auch darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer generell freisteht, einen weiteren temporären Aufenthalt im Bundesgebiet im Wege der Beantragung einer Wiedereinreise nach § 26a FPG bzw. Art. 25 des EU-Visakodex und einer anschließenden rechtmäßigen Einreise herbeizuführen.

Der Beschwerdeführer bezieht seit etwa Mitte Juni 2020 keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung mehr. Seit 02.06.2020 hat er das reglementierte Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeerestaurant“ angemeldet und versucht seinen Lebensunterhalt aus seiner selbständigen Tätigkeit zu finanzieren. Wie bereits im Rahmen der Prüfung der Voraussetzung des § 56 Abs. 3 AsylG ausgeführt wurde, vermag seine nach rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens weiterhin in Form eines Gewerbes ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit keine nachhaltige Integration in den heimischen Arbeitsmarkt mehr zu begründen.

Der Beschwerdeführer hat alltagstaugliche Kenntnisse der deutschen Sprache durch den Besuch von Qualifizierungsmaßnahmen und den mehrjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet erworben und legte zudem die A2-Prüfung des ÖIF bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf dem Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen am 27.06.2023 erfolgreich ab. Der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, stellen zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich dar. Die gesamte Stufe "A" (A1 und A2) bezieht sich nach dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts allerdings auf den Standard der elementaren Sprachverwendung und reichen die derartigen Ausbaustufen aber bis zum Stand „C2“, welcher einer nahezu muttersprachlichen Verwendung der jeweiligen Sprache – hier Deutsch – gleichkommt. Ausgehend davon wird mit der erfolgreichen Absolvierung einer Prüfung auf dem Niveau A2 im Rahmen eines Aufenthalts von etwa fünf Jahren und zehn Monaten kein hervorhebenswertes Engagement beim Spracherwerb dargetan.

Der Beschwerdeführer verrichtet keine gemeinnützigen Arbeiten und leistet auch keine offizielle ehrenamtliche Tätigkeit; er ist in Österreich nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen. Anderweitige Integrationsschritte (wie etwa die Teilnahme an diesbezüglichen Schulungen, Wertkursen und dergleichen) hat der Beschwerdeführer – abgesehen von der Absolvierung der Integrationsprüfung Sprachniveau A2 bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz und zu Werte- und Orientierungswissen – ebenfalls nicht ergriffen.

Weitere Bemühungen des Beschwerdeführers, sich in Österreich zu integrieren, sind nicht zu erkennen.

Insgesamt besteht dadurch noch keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen, dass ihm schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).

Unter der Schwelle des § 50 FPG kommt den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 unter Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Ein diesbezügliches konkretes Vorbringen wurde vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft erstattet, zumal der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise als Jugendlicher mithilfe seines – einer Erwerbstätigkeit nachgehenden – Vaters im Heimatgouvernement as-Sulaimaniyya auch problemlos seinen Lebensunterhalt bestritt und es seinen Eltern und Geschwistern auch aktuell möglich ist, ihren Lebensunterhalt im Heimatgouvernement as-Sulaimaniyya zu erwirtschaften.

Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).

Die Bindungen zum Heimatstaat des Beschwerdeführers sind deutlich stärker ausgeprägt. Der 24-jährige Beschwerdeführer hat sein gesamtes Leben bis zur Ausreise im Irak verbracht, ist dort aufgewachsen und hat dort seine Sozialisation erfahren. Er spricht Kurmandschi auf muttersprachlichem Niveau. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Zudem leben im Irak noch seine Eltern und drei Geschwister sowie mehrere Tanten und Onkel. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zum Irak auszugehen.

Es ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage im Falle einer Rückkehr hat. Der Beschwerdeführer verfügt über eine mehrjährige Schulausbildung sowie in Österreich erworbene Berufserfahrung im Gastronomiebereich. Er spricht Kurmandschi auf muttersprachlichem Niveau. Seine Eltern, eine Schwester und zwei Brüder sowie mehrere Tanten und Onkel leben im Herkunftsstaat. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer als junger und gesunder Mann mit umfassender Schulausbildung sowie Berufserfahrung bei einer Rückkehr in den Irak nicht in der Lage sein sollte, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, ist nicht ersichtlich bzw. wurde auch nicht vorgebracht, zumal der Beschwerdeführer über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für den Irak, insbesondere für die Autonome Region Kurdistan, verfügt. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein wird, sich in seinem Heimatland, insbesondere in der Autonomen Region Kurdistan, deren Amtssprache Kurdisch er spricht und in der seine Verwandten leben, zu denen er teilweise in Kontakt steht, eine Existenzgrundlage aufzubauen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vermag weder das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253 unter Hinweis auf VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070, mwN).

Negativ zu berücksichtigen ist allerdings der Umstand, dass der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Verbleib in Österreich nach rechtskräftiger Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz und in Missachtung des in Form der damit verbundenen Rückkehrentscheidung erlassenen Ausreisebefehls versucht hat, in Bezug auf seinen Aufenthalt vollendete Tatsachen zu schaffen, was dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen widerspricht, dem ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 23.01.2020, Ra 2020/21/0002 unter Hinweis auf VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0020, Rn. 7). Insofern verhängte die zuständige Verwaltungsbehörde wider den Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1b iVm § 52 Abs. 8 FPG eine Geldstrafe von € 600,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzarreststrafe von einem Tag und 16 Stunden. Dieser Verstoß gegen das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen bzw. die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist keinesfalls unerheblich.

Im gegenständlichen Verfahren ist insgesamt keine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wäre (vgl. hierzu auch VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001).

Der Beschwerdeführer vermochte zum Entscheidungszeitpunkt daher keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat führen könnten.

Auf Grund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht die zahlreichen sozialen Kontakte, den Versuch des Beschwerdeführers seit 02.06.2020 seinen Lebensunterhalt mithilfe einer selbständigen Tätigkeit zu finanzieren, die Absolvierung von sprachlichen Qualifizierungsmaßnahmen und den Erwerb von alltagstauglichen Deutschkenntnissen nicht verkennt, wiegt im gegenständlichen Fall das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet, zumal der Beschwerdeführer illegal in das Bundesgebiet einreiste und einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Außerdem nahm der Beschwerdeführer an keinen sonstigen Schulungen, Wertkursen und dergleichen teil, hat in Österreich keine Schule und keine Berufsausbildung abgeschlossen, ist kein Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation und weder ehrenamtlich noch gemeinnützig tätig. Ferner lässt der Beschwerdeführer kein hervorhebenswertes Engagement beim Erwerb der deutschen Sprache erkennen. Dazu tritt, dass die Bindungen des Beschwerdeführers zum Herkunftsstaat auf Grund der Präsenz von Angehörigen vergleichsweise stark sind und dem kein im Bundesgebiet eingegangenes Familienleben gegenübersteht. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer sein Privatleben zu einem wesentlichen Teil auch in einem Zeitraum, als er über seinen unsicheren Aufenthaltsstatus Bescheid wusste, begründete. Er kam seiner Pflicht zum Verlassen des österreichischen Bundesgebiets nicht nach. Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung liegt eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 52 Abs. 3 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

III. Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

Unter Verweis auf die aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach über die Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat ausschließlich im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen sei und demzufolge die Feststellung im Sinn des § 52 Abs. 9 FPG bloß der Festlegung des Zielstaates der Abschiebung diene (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119), sind im Hinblick auf die gemäß § 52 Abs. 9 FPG getroffenen Feststellungen nunmehr keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert behauptet (vgl. auch VwGH 22.01.2013, 2012/18/0182; 17.04.2013, 2013/22/0068; 20.12.2012, 2011/23/0480, wonach im Verfahren über das Treffen einer Rückkehrentscheidung nicht primär die Fragen des internationalen Schutzes im Vordergrund stünden, sondern dies Aufgabe eines eigenen Verfahrens sei).

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.02.2021 rechtskräftig abgewiesen. Es sind auch von Amts wegen – so lassen die Länderfeststellungen nicht auf solche Bedrohungen schließen – keine relevanten Gründe im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG ersichtlich. Ebenso wenig existiert im gegenständlichen Fall eine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Bezüglich § 50 Abs. 1 FPG bleibt festzuhalten, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak nicht vor.

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen, zumal die Sicherheitslage im Irak, insbesondere im Gouvernement as-Sulaimaniyya, vergleichsweise stabil ist und infolge der militärischen Niederlage des Islamischen Staates ein gravierender Rückgang der sicherheitsrelevanten Vorfälle und der damit einhergehenden zivilen Opfer eingetreten ist. Im aktuellen Beobachtungszeitraum ist keine Häufung gravierender Sicherheitsereignisse im Irak, insbesondere im Gouvernement as-Sulaimaniyya, aufgetreten. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kann in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage im Gouvernement as-Sulaimaniyya dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon auf Grund der bloßen Präsenz des Beschwerdeführers im Gouvernement as-Sulaimaniyya davon ausgegangen werden muss, dass dieser wahrscheinlich das Opfer eines terroristischen Anschlags, krimineller Aktivtäten oder von Gewalt bei Demonstrationen und Ausschreitungen werden würde (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 zur Lage in Bagdad).

Zum anderen hat weder der Beschwerdeführer selbst ein substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, noch kann aus den Feststellungen zur Lage im Irak und insbesondere zur Lage im Gouvernement as-Sulaimaniyya abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer alleine schon auf Grund seiner bloßen Anwesenheit im Heimatgouvernement as-Sulaimaniyya bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung durch terroristische Anschläge, organisierte Kriminalität oder bürgerkriegsähnliche Zustände ausgesetzt wäre.

Es sind keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig wäre.

IV. Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Die eingeräumte Frist ist angemessen und es wurde diesbezüglich auch kein Vorbringen erstattet.

V. Einreiseverbot (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

§ 53 FPG lautet:

„Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

(Anm.: aufgehoben durch VfGH, BGBl. I Nr. 202/2022)7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) …

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) – (6) …“

Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das BFA stützte die Verhängung des Einreiseverbotes auf § 53 Abs. 2 Z 3 FPG (rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung des FPG, wobei es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt).

Der Verwaltungsgerichtshof hält in ständiger Rechtsprechung fest, dass sich die Begründung eines Einreiseverbotes nicht alleine auf einen unrechtmäßigen Aufenthalt reduzieren lässt. Liegt aber nicht bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt, sondern eine qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung vor, so kann daraus eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuleiten sein. Dies entspricht auch Art. 11 Abs. 1 lit. b der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einhergehen, falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde (VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0192, mwN).

Der Beschwerdeführer ist seiner seit Februar 2021 bestehenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Danach war der Beschwerdeführer jedenfalls – trotz der zuletzt erfolgten Stellung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG im August 2023 – grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet. Der Beschwerdeführer ist seiner nach der Erlassung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Asylverfahren seit Februar 2021 bestehenden Ausreiseverpflichtung nie nachgekommen und brachte damit zum Ausdruck, kein Interesse daran zu haben, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Der Beschwerdeführer ignorierte nicht nur den rechtskräftigen Auftrag, Österreich zu verlassen und blieb weiterhin illegal im Bundesgebiet, er unternahm letztlich keinerlei ernsthaften Schritte, seine Ausreise vorzubereiten oder waren sonstige Schritte zu sehen, die auf eine baldige Befolgung der Rückkehrentscheidung schließen ließen. Dementsprechend nahm der Beschwerdeführer zuletzt auch die verpflichtende Rückkehrberatung gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG nicht in Anspruch. Der Beschwerdeführer hält sich somit seit ca. zwei Jahren und neun Monaten unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Dies wird durch die rechtskräftige Strafverfügung wegen Verletzung des § 120 Abs. 1b FPG iVm § 52 Abs. 8 FPG untermauert. Auch die damit einhergehende Verhängung eine Geldstrafe von € 600,00 konnte den Beschwerdeführer nicht zu einer Ausreise bewegen.

Besonders hervorzuheben ist ferner, dass der Beschwerdeführer offensichtlich jahrelang versucht hat, seine Identität gegenüber den österreichischen Behörden, konkret etwa dem belangten BFA und der zuständigen Gewerbebehörde, zu verschleiern. Erst im Jahr 2022 legte der Beschwerdeführer in einem Führerscheinverfahren seinen irakischen Reisepass in Österreich vor (AS 529ff im Akt I413 2199342-1). Offensichtlich wollte der Beschwerdeführer den Besitz eines irakischen Identitätsdokuments im Asylverfahren nicht eingestehen, um eventuell im Verfahren Vorteile zu erlangen bzw. dieses Verfahren zu verzögern und somit seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern.

Unter dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild ist der belangten Behörde daher nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG anzunehmen. Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (vgl. VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349 unter Hinweis auf VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311, Rn. 12 und 19, mwN).

Auch die gemäß § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung eines Einreiseverbotes nicht rechtfertigen. Diesbezüglich wird auf die obigen Erwägungen zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung verwiesen.

Im Fall des Beschwerdeführers ist die Verhängung eines fünfjährigen Einreiseverbotes möglich. Ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot steht unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände im Bundesgebiet in Relation zu dessen Gesamtfehlverhalten und der Tatsache, dass er seiner seit Februar 2021 bestehenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist. Auf Grund dessen ist ein Einreiseverbot im Ausmaß von zwei Jahren, dies auch angesichts des Umstandes, dass sich diese Höhe im unteren Bereich des zeitlichen Spektrums befindet, angemessen und erforderlich.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes übereinstimmt.

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