VwGH Ra 2017/03/0027

VwGHRa 2017/03/002728.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ing. P H in L, vertreten durch die Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kalchberggasse 6-8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 28. Juli 2016, LVwG 52.6- 1761/2016-5, betreffend Zurückweisung eines Antrags in einer Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Jagdgesetz 1986 (belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Liezen), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §68 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017030027.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 10. März 2015 war - durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - der Antrag des Revisionswerbers vom 22. November 2011 auf jagdrechtliche Genehmigung einer Ausnahme vom Verbot der Verwendung von Abzugeisen für ein näher genanntes Jagdgebiet gemäß § 58 Abs 3 des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1986 (JG) abgewiesen worden.

2 Daraufhin stellte der Revisionswerber am 18. April 2016 neuerlich einen entsprechenden Antrag nach § 58 Abs 3 JG auf Erteilung einer Ausnahme vom Verbot der Verwendung von Abzugeisen für das genannte Jagdgebiet. Begründend machte er im Wesentlichen geltend, die Raufußhühnerpopulation im Revier sei - was "schon immer die Begründung von Gefahr in Verzug" gewesen sei - durch massiven Prädatoreneingriff erheblich gefährdet; die Situation habe sich "dramatisch verschärft", weil die belangte Behörde über den Antrag vom 21. November 2011 so lange nicht entschieden habe. Die Raufußhühnerpopulation sei stark zurückgegangen, weil der Revisionswerber seit dem Jahr 2011 die Abzugeisen nicht mehr verwenden dürfe. Mangels effektiver Regulierungs- und Bejagungsmöglichkeiten sei die Population stark gefährdet. Sie könne nur durch eine Regulierung von Fressfeinden mit Abzugeisen geschützt werden. Das der abweisenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2015 zugrunde gelegte Gutachten des Sachverständigen T sei nicht nachvollziehbar bzw unrichtig gewesen und zudem mit einem vom Revisionswerber in Auftrag gegebenen, allerdings erst nach verwaltungsgerichtlicher Entscheidung fertiggestelltem Privatgutachten widerlegt worden.

3 Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juni 2016 gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Antrag vom 18. April 2016 bringe keine neuen Tatsache vor, die tatsächlichen Verhältnisse und die rechtlichen Grundlagen seien vielmehr gleich geblieben, weshalb entschiedene Sache iSd § 68 Abs 1 AVG vorliege.

4 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde machte der Revisionswerber auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes geltend: Richtig sei zwar, dass mit dem vorliegenden Antrag ein vom Revisionswerber bereits oftmals bei der belangten Behörde gestellter Antrag wiederholt werde. Während dem Revisionswerber seit dem Jahr 1995 laufend und immer wieder befristet entsprechende Ausnahmegenehmigungen erteilt worden seien, sei erstmals der Antrag vom 22. November 2011 abschlägig beschieden worden. Der neuerliche Antrag versuche aber nicht etwa, das frühere Verwaltungsverfahren neu aufzurollen, vielmehr würde mit ihm auf den "derzeitigen Ist-Zustand" abgestellt und sei er in die Zukunft gerichtet. Ihm sei eindeutig zu entnehmen, dass "zur Zeit Gefahr in Verzug" für die Raufußhühnerpopulation bestehe.

5 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis vom 28. Juli 2016 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet ab und sprach aus, dass eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, die Zurückweisung eines Antrags gemäß § 68 Abs 1 AVG setze voraus, dass sich der neue Antrag auf eine rechtskräftig entschiedene Sache beziehe; es dürfe weder der relevante Sachverhalt noch die maßgebliche Rechtslage geändert sein und es müsse sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren decken. Wolle eine Partei eine neuerliche Entscheidung in einer bereits rechtskräftig abgeschlossenen Angelegenheit herbeiführen, müsse sie selbst die wesentlichen neuen, gegebenenfalls die Rechtskraft zu durchbrechen geeigneten Umstände geltend machen. Fehlten solche Gründe, sei der neuerliche Antrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückzuweisen. Die vom Revisionswerber geltend gemachten Umstände stellten keine wesentliche Änderung der Sachlage dar. Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegen von Rechtsfragen iSd Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich - nach Ablehnung der dagegen zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde nach Art 144 B-VG - die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Entgegen deren Zulässigkeitsbegründung ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, weshalb vorliegend keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

9 Mit dem durch das angefochtene Erkenntnis bestätigten Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juni 2016 war der Antrag des Revisionswerbers vom 18. April 2016 gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden.

10 Wie der Verwaltungsgerichtshof zum VwGVG bereits ausgesprochen hat, darf über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden; die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts wird mit ihrer Erlassung rechtskräftig, wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranzuziehen. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist. Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen und folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl zum Ganzen VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/03/0050, mwN).

11 Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne deren sachliche Richtigkeit nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt.

12 Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist damit lediglich die Frage, ob die Bestätigung der Zurückweisung des Sachantrags des Revisionswerbers durch das angefochtene Erkenntnis den eben dargelegten Rechtsgrundsätzen entspricht. Es ist daher (eine Änderung der maßgebenden Rechtslage hat unstrittig nicht stattgefunden) das - im behördlichen Verfahren über den gegenständlichen Zweitantrag erstattete - Vorbringen zu Tatsachen, die erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens, also nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2015, eingetreten sind, auf das Vorliegen von relevanten Sachverhaltsänderungen zu prüfen (vgl VwGH vom 6. September 2005, 2005/03/0065).

13 Dass die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, einer neuerlichen Sachentscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 58 Abs 3 JG stehe die Rechtskraft der den diesbezüglichen Vorantrag abweisenden Entscheidung vom 10. März 2015 entgegen, sich außerhalb der Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bewegen würde (was vorliegend voraussetzte, dass sich der entscheidende Sachverhalt seit der eben genannten Entscheidung geändert hätte), wird von der Revision nicht aufgezeigt. Der Umstand, dass der Zweitantrag (ebenso wie im Übrigen der frühere Antrag) "in die Zukunft gerichtet" ist, begründet ebenso wenig eine relevante Sachverhaltsänderung wie das geltend gemachte Bestehen von "Gefahr in Verzug", die - so das Vorbringen des Revisionswerbers - "schon immer" bestanden habe.

14 Die außerordentliche Revision war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. April 2017

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