BVwG W104 2148953-1

BVwGW104 2148953-117.6.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W104.2148953.1.00

 

Spruch:

W104 2148953-1/20E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut Blum, 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 09.02.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.05.2019 zu Recht:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG, § 10

Abs. Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 FPG und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer beantragte am 20.07.2015 die Erteilung eines Touristenvisums für den Schengenraum bei der österreichischen Botschaft in Abu Dhabi. Am 02.08.2015 wurde ihm ein Visum Typ C für den Schengenraum mit einem Gültigkeitszeitraum von 20.08.2015 bis 15.10.2015 für die mehrfache Einreise ausgestellt.

 

Am 21.08.2015 reiste der Beschwerdeführer mit diesem Visum legal über den Luftweg am Flughafen Wien-Schwechat in die Republik Österreich ein und meldete am 03.09.2015 seinen Hauptwohnsitz in XXXX bei der Meldebehörde. Am 18.09.2015 verließ der Beschwerdeführer die Republik Österreich über den Flughafen Wien-Schwechat und reiste am 19.09.2015 in die Vereinigten Arabischen Emirate ein, die er am 28.09.2015 wieder verließ, um wieder in seinen Herkunftsstaat Afghanistan über den Flughafen Kabul zurückzukehren. Am 01.10.2015 verließ der Beschwerdeführer Afghanistan über den Flughafen Kabul und reiste am 03.10.2015 legal am Flughafen Wien-Schwechat in die Republik Österreich ein. Am 14.10.2015 stellte der Beschwerdeführer erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.10.2015 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei am XXXX in Khost, Afghanistan geboren, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er sei verheiratet und habe einen Sohn und eine Tochter. Er habe elf Jahre die Grundschule besucht und sei Geschäftsmann. Zum Fluchtgrund führte er aus, er habe Afghanistan verlassen, weil er von den Taliban, unbekannten Leuten und der Mafia um sein Leben bedroht worden sei. Die Taliban hätten Geld für den Krieg von ihm verlangt und die Mafia bedrohe reiche Leute mit dem Tod, damit sie Geld bekomme. Er habe seine Kinder nicht mehr in die Schule schicken können, weil die Mafia versucht habe, die Kinder zu entführen. Sein Leben in Afghanistan sei sehr schwer gewesen, deshalb sei er geflüchtet. Im Fall einer Rückkehr befürchte er, getötet zu werden.

 

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.04.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass das Geburtsdatum seiner Frau und das Alter seiner Mutter in der Niederschrift der Erstbefragung falsch protokolliert worden seien. Weiters sei seine Tochter XXXX bei der Protokollierung vergessen worden und vor kurzem habe seine Frau ein weiteres Kind zur Welt gebracht. Er habe daher vier Kinder. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass er eine Geldwechselstube in Khost betreibe und es ihm finanziell sehr gut gehe. Er sei seit 2012 immer wieder, insgesamt über 20 Mal, bedroht worden. Die Taliban hätten monatliche Schutzgelder verlangt, um den heiligen Krieg gegen die Amerikaner und die Nato führen zu können, andernfalls sie ihn und seine Familie umbringen würden. Die Mafia habe ebenfalls Geld von ihm verlangt. Er sei hauptsächlich telefonisch bedroht worden, habe jedoch auch zwei Drohbriefe von den Taliban erhalten. Er sei daher bereits seit 2012 auf der Flucht. Er habe zunächst sein Heimatdorf verlassen und sei mit der Familie nach Kabul gereist. Dort habe er sich an verschiedenen Orten aufgehalten und häufig den Wohnsitz gewechselt. 2013 sei er dann allein nach Dubai gereist und nach einem Monat für einige Wochen wieder zu seiner Familie nach Kabul zurückgekehrt. Dann sei er wieder für vier bis fünf Monate nach Dubai geflogen. In dieser Zeit habe sein Sekretär einen Anruf von der Mafia erhalten, die ihm mitgeteilt hätten, dass sie wüssten, dass der Beschwerdeführer in Dubai sei und er auch dort ermordet werden könne. Daraufhin sei er in die Türkei geflogen und zehn bis 15 Tage in Istanbul geblieben. Dann sei er wieder für ein paar Monate nach Dubai geflogen und anschließend nach Kabul zu seiner Familie für ein bis zwei Monate zurückgekehrt. Dann sei er wieder für sechs Monate nach Dubai geflogen. Er sei auch in China, Russland, Marokko und im Oman gewesen. Im September 2015 sei er für vier bis fünf Tage in Afghanistan gewesen. Sein Sekretär habe einen Anruf erhalten, wonach der Beschwerdeführer jetzt, da er in Afghanistan sei, getötet werde. Daraufhin habe er am 01.10.2015 Afghanistan wieder verlassen und sei über Dubai nach Österreich geflogen. Auch seine Familie sei im Oktober 2015 nach Pakistan geflüchtet. Im Fall seiner Rückkehr befürchte er, getötet zu werden.

 

Mit Schriftsatz vom 08.04.2016 nahm der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter zu den von der belangten Behörde ins Verfahren eingebrachten Länderberichten Stellung. Im Wesentlichen traf er Ausführungen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere Kabul, unter Verweis auf diverse Zeitungsartikel und Länderberichte.

 

Mit Schriftsatz vom 14.04.2016 legte der Beschwerdeführer Unterlagen zu seiner Geldwechselstube in Afghanistan sowie Bankunterlagen vor. Weiters nahm er nochmals zu den eingebrachten Länderberichten Stellung.

 

Mit Schreiben vom 30.06.2016 ersuchte der Beschwerdeführer um einen möglichst baldigen Abschluss seines Verfahrens. Mit weiterem Schreiben vom 24.01.2017 ersuchte der Beschwerdeführer nochmals, eine Entscheidung in seinem Verfahren zu treffen, da die Ungewissheit seines Aufenthaltes sowie seine allgemeine Situation in Österreich sehr belastend für ihn sei.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 09.02.2017, zugestellt am 15.02.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe widersprüchliche und unplausible Angaben gemacht. Die vorgebrachten Fluchtgründe seien daher unglaubwürdig, es handle sich um ein Konstrukt zur Erlangung von Asyl. Es liege keine landesweite Bedrohungs- oder Verfolgungssituation des Beschwerdeführers vor. Eine Niederlassung in Kabul sei dem Beschwerdeführer jedenfalls zumutbar.

 

Dagegen richtet sich die am 28.02.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde wegen unrichtigen Tatsachenfeststellungen, unrichtiger Beweiswürdigung sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit in Folge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, in der insbesondere das Vorbringen zum Fluchtgrund wiederholt und ausgeführt wird, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich selbstständig machen wolle und diesbezüglich auch schon Dispositionen getätigt habe. Beim Magistrat der Stadt XXXX habe er bereits das Handelsgewerbe angemeldet. Weiters legte der Beschwerdeführer Unterlagen zu seinem Geschäftsvorhaben vor und erstattete erstmals Vorbringen zu seiner Integration in Österreich.

 

Mit Schreiben vom 24.08.2017 ersuchte der Beschwerdeführer um Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie um eine positive Entscheidung in seinem Fall und legte die Gewerbeberechtigung vom 01.03.2017, eine Förderzusage der Wirtschaftskammer XXXX hinsichtlich einer Beratung zum Thema Betriebsanlagengenehmigung für einen Lebensmittelhandel vom 07.06.2017 sowie einen Projektplan vor.

 

Mit Schreiben vom 25.08.2017 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Mitteilung zur Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers.

 

Mit Schreiben vom 29.08.2017 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen zu seinem Geschäftsvorhaben sowie einen Polizeibericht aus Afghanistan vor.

 

Am 04.09.2017 übermittelte der Beschwerdeführer der belangten Behörde die bereits mit Schreiben vom 29.08.2017 vorgelegten Unterlagen, die diese am 05.09.2017 an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitete.

 

Das Bundesverwaltungsgericht trug dem Beschwerdeführer mit Beschluss vom 06.09.2017 auf, nachzuweisen, dass die in seinem Namen eingebrachte Beschwerde vom 28.02.2017 ordnungsgemäß unterfertigt wurde, sowie hinsichtlich der vorgelegten Urkunden bekanntzugeben, zu welchem Beweisthema diese jeweils vorgelegt wurden, sowie eine Übersetzung der fremdsprachigen Urkunden in die deutsche Sprache vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 20.09.2017 kam der Beschwerdeführer dem Auftrag laut Beschluss vom 06.09.2017 nach und gab an, dass die vorgelegten Unterlagen zum Beweis der Integration des Beschwerdeführers vorgelegt wurden.

 

Mit Schreiben vom 02.10.2017 ersuchte der Beschwerdeführer um rasche Bearbeitung seiner Beschwerde. Er sei gerade dabei, seine geschäftlichen Aktivitäten in Österreich fortzusetzen, bereite die Eröffnung eines Handelsgeschäftes vor und finanziere seinen Lebensunterhalt aus eigenen Geldmitteln. Mit Schreiben vom 10.12.2018 bat er um rasche Anberaumung eines Verhandlungstermins und brachte vor, dass er in XXXX einen Supermarkt eröffnet und ca. 500.000 Euro in dieses Unternehmen investiert habe. Er leide unter der Trennung von seiner Familie. Mit weiterem Schreiben vom 07.03.2019 brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Ehegattin gesundheitliche Probleme in Pakistan habe und ersuchte um Anberaumung eines Verhandlungstermins.

 

Mit Schreiben vom 04.04.2019 beraumte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung an, brachte Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme. Die belangte Behörde teilte mit, dass eine Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei, und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

 

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 28.05.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde von den Taliban, der Mafia und weiteren unbekannten Personen bedroht, im Wesentlichen aufrecht.

 

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

 

* Reisepass Nr. XXXX , gültig von 30.09.2013 bis 30.09.2018;

 

* Reisepass Nr. XXXX gültig von 25.12.2010 bis 24.12.2015;

 

* Tazkira vom 06.01.2006, lautend auf XXXX ;

 

* Führerschein, Vereinigte Arabische Emirate, ausgestellt am 20.12.2014, gültig bis 20.12.2024, lautend auf XXXX ;

 

* Aufenthaltskarte, Vereinigte Arabische Emirate, ID Nr. XXXX Kartennummer XXXX gültig bis 17.06.2016, lautend auf XXXX ;

 

* ID-Karte, Vereinigte Arabische Emirate, Nr. XXXX Datum 19.09.2015;

 

* Registrierungsurkunde XXXX LTD, Reg. ID XXXX , Wirtschaftsministerium Afghanistan, Datum 23.09.2012;

 

* Handelslizenz Dubai für XXXX ., Lizenznummer XXXX vom 03.06.2013, gültig bis 02.06.2016;

 

* Handelslizenz Dubai für XXXX Lizenznummer XXXX vom 03.06.2013, gültig bis 02.06.2016;

 

* Lizenz Nummer XXXX der XXXX Bank, gültig von 27.08.2014 bis 10.05.2015, Geschäftsstandort XXXX ;

 

* Lizenz Nummer XXXX der XXXX Bank, gültig von 08.02.2016 bis 08.02.2017, Geschäftsstandort XXXX ;

 

* Lizenzverlängerung für XXXX vom 01.12.2014, Lizenznummer XXXX Wirtschaftsministerium Afghanistan, gültig bis 30.11.2017;

 

* Konvolut an Bank- und Geschäftsunterlagen betreffend Afghanistan;

 

* Drohbriefe Islamisches Emirat Afghanistan vom 22.11.2012 und 11.08.2013;

 

* Heiratsurkunde vom XXXX ;

 

* Tazkiren lautend auf XXXX (Ehefrau), XXXX (Sohn), XXXX (Tochter) und XXXX (Tochter), ausgestellt am 12.05.2014;

 

* Geburtszertifikate des afghanischen Konsulats in Dubai lautend auf XXXX (Sohn), XXXX (Tochter) und XXXX (Tochter); ausgestellt am 14.05.2014;

 

* Geburtszertifikat aus Pakistan lautend auf XXXX (Tochter), ausgestellt am 01.12.2016;

 

* Verbindliches Mietanbot hinsichtlich des Geschäftslokals XXXX vom 20.01.2017;

 

* Erklärung gemäß § 4 bzw. § 5a iVm § 4 Neugründungs-Förderungsgesetz vom 07.02.2017;

 

* Gewerbeanmeldung mit sofortiger Wirkung vom 07.02.2017;

 

* Niederschrift der Gewerbeanmeldung des Magistrats der Stadt XXXX vom 08.02.2017;

 

* Gewerbeberechtigung vom 01.03.2017;

 

* Förderzusage der Wirtschaftskammer XXXX hinsichtlich einer Beratung zum Thema Betriebsanlagengenehmigung für einen Lebensmittelhandel vom 07.06.2017;

 

* Projektplan;

 

* Mietvertrag hinsichtlich des Geschäftslokals XXXX vom 19.05.2017;

 

* Ansuchen um Genehmigung der Betriebsanlage bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX , August 2017;

 

* 24-Stunden-Bericht des operativen Diensthabenden der Sicherheitskommandantur Khost vom 20.02.2017;

 

* Medizinische Unterlagen betreffend XXXX (Ehefrau), Jänner 2019;

 

* Bestätigung über die ehrenamtliche Mitarbeit der XXXX gemeinnützige GmbH vom 11.04.2019.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Beweisaufnahme:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

 

* Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;

 

* Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;

 

* Einsichtnahme in folgende vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Berichte:

 

 

 

 

 

 

 

 

* Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente und Berichte.

 

2. Feststellungen:

 

2.1. Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers

 

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in Khost in Afghanistan geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu, er beherrscht jedoch auch Farsi und Englisch in Wort und Schrift. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

 

Der Beschwerdeführer besuchte elf bis zwölf Jahre die Schule in Khost und arbeitete anschließend erfolgreich als Geschäftsmann. Er ist Inhaber einer Geldwechselstube am XXXX in Kabul und betreibt in Dubai einen Supermarkt sowie eine Handelsfirma ( XXXX Dass der Beschwerdeführer auch ein Geschäft bzw. ein Vertretungsbüro in Khost betreibt, konnte nicht festgestellt werden. Die Geschäfte laufen nach wie vor sehr gut, die finanzielle Situation des Beschwerdeführers ist als sehr gut einzustufen.

 

Die Ehefrau des Beschwerdeführers, seine vier Kinder, seine Eltern, seine drei Brüder und eine Schwester leben derzeit in Pakistan. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie.

 

Dass der Beschwerdeführer bereits am 03.09.2015 seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet meldete, ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister.

 

Der Beschwerdeführer reiste am 21.08.2015 legal in die Republik Österreich ein und meldete am 03.09.2015 seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet. Am 18.09.2015 reiste er wieder aus dem Bundesstaat aus. Am 03.10.2015 reiste der Beschwerdeführer wieder legal ins Bundesgebiet ein und hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf. Am 14.10.2015 stellte er seinen Antrag auf internationalen Schutz. Er betreibt in XXXX einen Supermarkt und lebt nicht von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer spricht etwas Deutsch und arbeitet seit Mai 2018 ehrenamtlich bei der XXXX gem. GmbH als Dolmetscher. Der Beschwerdeführer hat keine Deutsch-Prüfungen abgelegt. Es kann daher nicht festgestellt werden, auf welchem Niveau der Beschwerdeführer Deutsch spricht. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer soziale Kontakte in Österreich geknüpft hat.

 

Der Beschwerdeführer ist im Wesentlichen gesund und strafgerichtlich unbescholten.

 

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

 

2.2. Zu Fluchtgründen und Rückkehrsituation des Beschwerdeführers

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von den Taliban, der Mafia oder sonstigen unbekannten Personen bedroht wurde. Dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr Übergriffen durch die Taliban, die Mafia oder sonstige unbekannte Personen bis hin Ermordung ausgesetzt wäre, ist nicht zu erwarten.

 

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

 

Die Provinz Khost gilt als umkämpfte Provinz Afghanistans. Im März 2018 wurde zwar verlautbart, dass sie zu den relativ ruhigen Provinzen in Südostafghanistan zählt, aus der weniger auf Terrorismus bezogene Vorfälle gemeldet werden. Dennoch sind Aufständische der Taliban und des Haqqani-Netzwerks in einigen Distrikten aktiv. Die Aufständischen versuchen, terroristische Angriffe in Form von Autobomben, Straßenbomben und koordinierten Angriffen durchzuführen. Es werden militärische Operationen in Form von Luftangriffen durchgeführt und es kommt zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften. Die Lage in der Provinz Khost ist daher als volatil einzustufen.

 

Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Khost droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

 

Die Hauptstadt Kabul ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban, des Haqqani-Netzwerkes und des IS betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

 

Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Sie verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen, die allerdings abgelegene Distrikte betreffen. Die Hauptstadt der Provinz - Herat (Stadt) - ist davon wenig betroffen und steht wie auch Mazar-e Sharif in Balkh unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den sie sicher erreicht werden können.

 

Die Provinzen Balkh und Herat sind von einer Dürre betroffen. Ernährungssicherheit, Zugang zu Wohnmöglichkeiten, Wasser und medizinische Versorgung sind in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) grundsätzlich gegeben. Die Arbeitslosigkeit im Herkunftsstaat ist hoch und Armut verbreitet.

 

Dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat (Stadt) die Gefahr droht, aufgrund der angespannten Sicherheitslage verletzt, misshandelt oder getötet zu werden, kann nicht festgestellt werden. Auch kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückführung in eine der genannten Städte keine Lebensgrundlage vorfinden würde bzw. nicht in der Lage wäre, die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz zu decken.

 

Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen.

 

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

 

2.3.1. Staatendokumentation (Stand 29.06.2018, außer wenn anders angegeben):

 

Allgemeine Sicherheitslage

 

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

 

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

 

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

 

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

 

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

 

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

 

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

 

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

 

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

 

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

 

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

 

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.

 

Sicherheitslage Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

 

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

 

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

 

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

 

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

 

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

 

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

 

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani- Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

 

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

 

Folgende öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele wurden im Jahr 2018 registriert (kein Anspruch auf Vollständigkeit).

 

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

 

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

 

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

 

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

 

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

 

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

 

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

 

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.1.

 

Wirtschafts- und Sicherheitslage Balkh

 

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts¬und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

 

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

 

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

 

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018). Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

 

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

 

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, [...].

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

 

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

 

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.5.

 

Erreichbarkeit

 

Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan. trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten. die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road. des Salang-Tunnels. etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 5.12.2017).

 

Verkehrsunfälle sind in Afghanistan keine Seltenheit; jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen. hohe Geschwindigkeiten und Nachlässigkeit der Fahrer während der Fahrt (KT 17.2.2017; vgl. IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen sowie Zusammenstöße zwischen letzteren und den Sicherheitskräften entlang einiger Straßenabschnitte gefährden die Sicherheit auf den Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kandahar-Uruzgan (Pajhwok 28.4.2018). Ghazni-Paktika (Reuters 5.5.2018). Kabul-Logar (Tolonews 21.7.2017) und Kunduz-Takhar (Tolonews 12.5.2017).

 

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.).

 

Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistans Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).

 

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu¬Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.35.

 

Wirtschafts- und Sicherheitslage Herat

 

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

 

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

 

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

 

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

 

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

 

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

 

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

 

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018). ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.13.

 

Erreichbarkeit:

 

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.35.

 

Sicherheitslage Khost

 

Die Provinz Khost liegt in Südostafghanistan. Im Norden grenzt sie an Paktia und im Süden an Paktika; im Osten an die Durandlinie Nordwaziristans. Die Provinz besteht aus folgenden administrativen Einheiten: Shamal, Maton/Khost und Laknu; und folgenden Distrikten:

Sapiri/Spera, Dwa Manda/Domanda, Nader Shah Kot/Nadirshahkot, Ismail Khail/Mandozayi, Tani, Garbaz/Gurbuz, Alisher/Terezay, Sabari, Baak/Bak, Zazai Maidan/Jajimaydan, Musa Khail/Musakhel und Qalandar (Pajhwok o.D.a; vgl. UN OCHA 4.2014). Khost-Stadt ist die Hauptstadt der Provinz und befindet sich im Distrikt Maton/Khost (Pajhwok o. D.a). Im Süden der Provinz Khost gibt es einen militärischen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 593.691 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben verschiedene Teilstämme der Paschtunen (Pajhwok o.D.b; vgl. NPS o.D.) als auch Kuchis (UN OCHA 26.2.2018).

 

Auf Druck von Unternehmern aus den Provinzen Paktia, Paktika und Khost wurde Mitte März 2018 die afghanische Pinienkern-Gesellschaft eingeweiht, welche die landwirtschaftliche Entwicklung und den Export von Agrarprodukten fördern soll (Tolonews 14.3.2018). Die Weltbank genehmigte Mitte Juni 2017 ein Paket im Wert von 520 Mio. USD zur Implementierung von Entwicklungsprojekten in Afghanistan. Eine der Empfänger-Provinzen ist Khost (RFE/RL 14.6.2017). Auch gibt es unterschiedliche Projekte zur Förderung des Schulwesens (Reliefweb 19.3.2018).

 

In Khost gibt es ca. 200 aktive Fabriken unterschiedlicher Größe; jedoch sind nur 44 davon offiziell registriert. Produziert werden Kekse, Stoffe, Plastikmaterialien, Getränke usw. Im Distrikt Ismail Khail wurden Stromtürme und ein Umspannwerk errichtet (IWPR 5.1.2018).

 

In den vergangenen Jahren wurde eine befahrbare Straße nach Khost gebaut, welche durch die Provinzen Logar und Paktia führt, wo Talibangruppierungen stark präsent sind. Reisende müssen zahlreiche Checkpoints der afghanischen Armee passieren und Kontrollpunkte der Taliban meiden (DA 19.3.2018).

 

Im November 2017 wurde berichtet, dass die Provinz Khost Opium-frei sei (UNODC 11.2017).

 

Auch wenn Khost als umkämpfte Provinz Afghanistans gilt (TE 1.3.2018; vgl. Xinhua 20.2.2018), wurde im März 2018 verlautbart, dass sie zu den relativ ruhigen Provinzen in Südostafghanistan zählt, aus der weniger Terrorismus-bezogene Vorfälle gemeldet werden. Nichtsdestotrotz sind Aufständische der Taliban und des Haqqani-Netzwerkes in einigen Distrikten aktiv. Die Aufständischen versuchen, terroristische Angriffe in Form von Autobomben, Straßenbomben und koordinierten Angriffen in Khost und anderen Provinzen Südostafghanistans durchzuführen (Khaama Press 6.3.2018).

 

In Khost befindet sich der Ghulam Khan Grenzübergang nach Nordwaziristan, der im Zuge einer militärischen Operation gegen die Taliban und andere Gruppierungen im Jahr 2014 geschlossen wurde (AAT 9.3.2018). Dieser Grenzübergang wurde erst wieder Anfang März 2018 geöffnet; er gilt zudem als eine wichtige Handelsroute zwischen Pakistan und Afghanistan (WB 13.3.2018; vgl. YS 9.3.2018).

 

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 81 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Khost 181 zivile Opfer (41 getötete Zivilisten und 140 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von gezielten Tötungen und Selbstmordanschlägen. Dies bedeutet eine Steigerung von 21% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

 

Im Jänner 2018 wurde berichtet, dass 2.000-2.500 (nomadische) Kuchi-Familien in der Provinz Khost feststeckten, nachdem die Grenze nach Pakistan geschlossen worden war (UN OCHA 1.2.2018; vgl. UN OCHA 26.2.2018). Wie bereits erwähnt, wurde der Grenzübergang erst im März 2018 wieder eröffnet (WB 13.3.2018; vgl. YS 9.3.2018).

 

In der Provinz werden Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Xinhua 20.2.2018; vgl. Pajhwok 11.1.2018, Khaama Press 4.2.2017, Tolonews 10.1.2017, Khaama Press 18.1.2017, UN OCHA 26.2.2018 ). Luftangriffe werden durchgeführt, dabei werden unter anderem hochrangige Talibanführer getötet (TET 4.22017; vgl. Xinhua 6.9.2017). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und afghanischen Sicherheitskräften (Telepolis 6.3.2018; vgl. Xinhua 4.3.2018, Pajhwok 9.1.2017). Selbstmordanschläge und andere Angriffe finden statt (AN 18.3.2018; vgl. UNAMA 2.2018, BBC 27.5.2017 ).

 

Die Präsenz der umstrittenen Khost Protection Force (KPF), einer von der CIA unterstützten und ausgebildeten lokalen afghanischen Miliz, ist einer der Gründe, weshalb die Provinz bis jetzt nicht unter die Kontrolle von Aufständischen geraten ist (DP 17.11.2017). Der KPF werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen; auch sollen von der KPF im Rahmen von Durchsuchungsoperationen Zivilisten getötet worden sein (UNAMA 2.2018).

 

Die Provinz ist der Geburtsort von Jalaluddin Haqqani, dem Gründer des Haqqani-Netzwerkes (VoA 14.6.2017). Das Haqqani-Netzwerk operiert in der Provinz Khost (TNI 3.3.2018; vgl. TWP 19.7.2017, CRS 12.1.2017).

 

Teile der Provinz Khost waren in den letzten Jahren Schauplatz des von den Taliban geführten Aufstandes (Xinhua 4.3.2018; vgl. Khaama Press 6.3.2018). Taliban-bezogene Vorfälle fanden im Laufe des Jahres 2017 in den Distrikten Sabri und Terezayi statt (UNAMA 2.2018).

 

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in Khost IS-bezogene sicherheitsrelevante Vorfälle (Gewalt gegenüber Zivilisten, Gefechte) registriert (ACLED 23.2.2018).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

3.17.

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen (AA 5 .2018).

 

Zu den bedeutendsten Menschenrechtsfragen zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen (USDOS 20.4.2018). Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (AI 22.2.2018).

 

Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 5 .2018). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 5 .2018). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren in der Regel ohne staatliche Einschränkungen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbedienstete sind in dieser Hinsicht einigermaßen kooperativ und ansprechbar (USDOS 20.4.2018). Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Afghanistan Independent Human Rights Commission AIHRC bekämpft weiterhin Menschenrechtsverletzungen. Sie erhält nur minimale staatliche Mittel und stützt sich fast ausschließlich auf internationale Geldgeber. Innerhalb der Wolesi Jirga beschäftigen sich drei Arbeitsgruppen mit Menschenrechtsverletzungen: der Ausschuss für Geschlechterfragen, Zivilgesellschaft und Menschenrechte, das Komitee für Drogenbekämpfung, berauschende Drogen und ethischen Missbrauch sowie der Jusitz-, Verwaltungsreform- und Antikorruptionsausschuss (USDOS 20.4.2018).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

 

Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

10.

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:

Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen (NYT 26.12.2015; vgl. AP o.D.).

Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist (AP o.D.; vgl. vertrauliche Quelle 10.4.2018). Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle als auch das islamische Recht anzuwenden (AP o.D.).

 

Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich. Dem Gesetz nach gilt für alle Bürger/innen die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Bürger/innen sind bzgl. ihrer Verfassungsrechte oft im Unklaren und es ist selten, dass Staatsanwälte die Beschuldigten über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informieren. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt, sich von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt (USDOS 20.4.2018). In Afghanistan existieren keine Strafverteidiger nach dem westlichen Modell; traditionell dienten diese nur als Mittelsmänner zwischen der anklagenden Behörde, dem Angeklagten und dem Gericht. Seit 2008 ändert sich diese Tendenz und es existieren Strafverteidiger, die innerhalb des Justizministeriums und auch außerhalb tätig sind (NYT 26.12.2015). Der Zugriff der Anwälte auf Verfahrensdokumente ist oft beschränkt (USDOS 3.3.2017) und ihre Stellungnahmen werden während der Verfahren kaum beachtet (NYT 26.12.2015). Berichten zufolge zeigt sich die Richterschaft jedoch langsam respektvoller und toleranter gegenüber Strafverteidigern (USDOS 20.4.2018).

 

Gemäß einem Bericht der New York Times über die Entwicklung des afghanischen Justizwesens wurden im Land zahlreiche Fortbildungskurse für Rechtsgelehrte durch verschiedene westliche Institutionen durchgeführt. Die Fortbildenden wurden in einigen Fällen mit bedeutenden Aspekten der afghanischen Kultur (z. B. Respekt vor älteren Menschen), welche manchmal mit der westlichen Orientierung der Fortbildenden kollidierten, konfrontiert. Auch haben Strafverteidiger und Richter verschiedene Ausbildungshintergründe: Während Strafverteidiger rechts- und politikwissenschaftliche Fakultäten besuchen, studiert der Großteil der Richter Theologie und islamisches Recht (NYT 26.12.2015).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll (USIP 3.2015; vgl. USIP o.D.). Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. USIP o.D., NYT 26.12.2015, WP 31.5.2015, AA 5 .2018). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 5 .2018).

 

Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten. Bei Angelegenheiten, wo keine klar definierte Rechtssetzung angewendet werden kann, setzen Richter und lokale Schuras das Gewohnheitsrecht (welches auch nicht einheitlich ist, Anm.) durch (USDOS 20.4.2018).

 

Gemäß dem "Survey of the Afghan People" der Asia Foundation (AF) nutzten in den Jahren 2016 und 2017 ca. 20.4% der befragten Afghan/innen nationale und lokale Rechtsinstitutionen als Schlichtungsmechanismen. 43.2% benutzten Schuras und Jirgas, während 21.4% sich an die Huquq-Abteilung [Anm.: "Rechte"-Abteilung] des Justizministeriums wandten. Im Vergleich zur städtischen Bevölkerung bevorzugten Bewohner ruraler Zentren lokale Rechtsschlichtungsmechanismen wie Schuras und Jirgas (AF 11.2017; vgl. USIP o.D., USDOS 20.4.2018). Die mangelnde Präsenz eines formellen Rechtssystems in ruralen Gebieten führt zur Nutzung lokaler Schlichtungsmechanismen. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 3.3.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles auf der Scharia basierendes Rechtssystem um (USDOS 20.4.2018).

 

Die Unabhängigkeit des Justizwesens ist gesetzlich festgelegt; jedoch wird die afghanische Judikative durch Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquate Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert (USDOS 20.4.2018). Rechtsstaatliche (Verfahrens‑)Prinzipien werden nicht konsequent angewandt (AA 9 .2016). Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Fähigkeit die hohe Anzahl an neuen und novellierten Gesetzen einzugliedern und durchzuführen. Der Zugang zu Gesetzestexten wird zwar besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt aber für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben, erhöht sich weiterhin (USDOS 3.3.2017). Im Jahr 2017 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit auf 1.000 geschätzt (CRS 13.12.2017), davon waren rund 260 Richterinnen (CRS 13.12.2017; vgl. AT 29.3.2017). Hauptsächlich in unsicheren Gebieten herrscht ein verbreiteter Mangel an Richtern und Richterinnen. Nachdem das Justizministerium neue Richterinnen ohne angemessene Sicherheitsmaßnahmen in unsichere Provinzen versetzen wollte und diese protestierten, beschloss die Behörde, die Richterinnen in sicherere Provinzen zu schicken (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin, Anisa Rasooli, als erste Frau zur Richterin des Obersten Gerichtshofs ernannt, jedoch wurde ihr Amtsantritt durch das Unterhaus [Anm.: "wolesi jirga"] verhindert (AB 12.11.2017; vgl. AT 29.3.2017). Auch existiert in Afghanistan die "Afghan Women Judges Association", ein von Richterinnen geführter Verband, wodurch die Rechte der Bevölkerung, hauptsächlich der Frauen, vertreten werden sollen (TSC o.D.).

 

Korruption stellt weiterhin ein Problem innerhalb des Gerichtswesens dar (USDOS 20.4.2017; vgl. FH 11.4.2018); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen (FH 11.4.2018), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 20.4.2017). Wegen der Langsamkeit, der Korruption, der Ineffizienz und der politischen Prägung des afghanischen Justizwesens hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in die Judikative (BTI 2018). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das "Anti-Corruption Justice Center" (ACJC), um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (AB 17.11.2017; vgl. Reuters 12.11.2016). Der afghanische Generalprokurator Farid Hamidi engagiert sich landesweit für den Aufbau des gesellschaftlichen Vertrauens in das öffentliche Justizwesen (BTI 2018). Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

4.

 

Religionsfreiheit

 

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5 .2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha'i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi- Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

15.

 

Ethnische Minderheiten

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ,Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5 .2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

 

Paschtunen

 

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

 

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und

 

Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

16.

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).

 

Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).

 

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit:

 

Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).

 

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018).

 

Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).

 

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.

a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).

 

Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern, sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

12.

 

Medizinische Versorgung

 

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5 .2018).

 

In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).

 

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).

 

Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (TWBG 10.2016). In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt (AA 5 .2018). Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung:

 

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei

Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die

 

Kosten nicht ausreichend decken (MedCOl 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).

 

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5 .2018).

 

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen (IOM 5.2.2018). Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (RFG 2017). In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw. fachlicher Expertise nicht behandelt werden können (IOM 5.2.2018). Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen (RFG 2017). Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (IOM 5.2.2018).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

22.

 

Rückkehr

 

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet. die nach Afghanistan zurückgekehrt sind. nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen. die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben. als auch nicht-registrierte Personen. die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind. sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der

 

Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015. um 24% erhöht. und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz. die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und

462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig. als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

 

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

 

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

 

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (BFA Staatendokumentation; vgl. AAN 19.5.2017). Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten (BFA Staatendokumentation 4.2018; IOM 6.2012). Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 18.4.2018).

 

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

 

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM- Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM Belgium o. D.). IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 25.1.2018). ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von

 

Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IRARA o. D., IOM 25.1.2018). AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. FB o.D.). Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).

 

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an (BFA Staatendokumentation 4.2018). Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein.

Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt (BFA Staatendokumentation 4.2018). Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

 

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl UNHCR 13.12.2017).

 

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) - alle Leistungen sind kostenfrei (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Info Migrants 2.1.2018). Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

 

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung:

 

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak- Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).

 

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen:

 

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).

 

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).

 

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Landinfo 19.9.2017). Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

 

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

23.

 

2.3.2. EASO-Bericht "Country Guidance Afghanistan", Juni 2018:

 

Khost stellt eine Provinz dar, wo eine reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person dann droht, wenn der Antragsteller speziell aufgrund besonderer Faktoren oder seiner persönlichen Umstände betroffen ist (S. 85)

 

Alleinstehende Männer finden in den größeren Städten in der Regel zumutbare und vernünftige Fluchtalternativen vor (S. 30, 106). Für Antragsteller, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder sehr lange Zeit außerhalb Afghanistan gelebt haben, kann sich eine innerstaatliche Fluchtalternative als vernünftigerweise nicht vorhanden erweisen, wenn sie kein unterstützendes Netzwerk vorfinden, das bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen unterstützt. Neben dem Vorhandensein eines Netzwerks sind noch lokales Wissen und Bindungen zum Heimatstaat sowie der soziale und wirtschaftliche Hintergrund einschließlich der erlangten Bildung oder professionellen Ausbildung des Antragstellers zu berücksichtigen (S. 30, 109).

 

2.3.3. EASO-Bericht "Afghanistan Netzwerke" aus Jänner 2018:

 

Die Unterstützungspflicht der Großfamilie

 

Die wechselseitige Verpflichtung, einander innerhalb der Großfamilie zu helfen und zu unterstützen, ist stark, und die Traditionen, Verantwortung für Menschen innerhalb der Gruppe zu übernehmen, sind tief verwurzelt. Je enger die Verwandtschaft, desto stärker ist die Pflicht zu helfen und zu unterstützen. Mehrere Menschen, mit denen Landinfo in Kabul sprach, äußerten die Ansicht, dass es unmöglich sei, Menschen aus dem engsten Umfeld wie Brüder, die Kinder des Bruders des Vaters etc. zurückzuweisen, es sei denn, es besteht ein schwerwiegender Konflikt innerhalb der Familie. Man könne sich unmöglich vorstellen, dass ein Afghane kein Dach über dem Kopf anbietet, wenn die Alternative wäre, dass ein enges Familienmitglied auf der Straße stünde. Es ist kulturell inakzeptabel, eine Person, die um Zuflucht ersucht, abzuweisen, und das gilt insbesondere für enge Verwandte. Die Dauer des Aufenthaltes ist von den Mitteln der Familie abhängig. Die Pflichten gegenüber der Großfamilie gelten für alle Afghanen ungeachtet der ethnischen Zugehörigkeit, unter Paschtunen sind sie aber wahrscheinlich am stärksten ausgeprägt.

 

Stämme und Clans

 

Die soziale Organisation in Stämmen und Clans beruht auf der Annahme eines gemeinsamen Vorfahren und somit einer vermuteten Beziehung zwischen den Mitgliedern des Stammes/Clans. Einige Stämme und Clans der Paschtunen sind groß und umfassen Millionen Menschen.

 

Es wird angenommen, dass die Paschtunen die größte Stammesgesellschaft der Welt bilden; ihre Sozialstruktur besteht aus Stämmen, die ihrerseits in Clans gegliedert sind. Der Begriff Clan wird auch von anderen ethnischen Gruppen verwendet und bilden einen wichtigen Teil der Sozialstruktur in ländlichen Gebieten Afghanistans. So ist die Abstammung zum Beispiel auch für Hazara wichtig und gilt als Grundlage ihrer Sozialstruktur, obwohl die meisten ihre Vorfahren höchstens acht Generationen zurückverfolgen können. Im Gegensatz zu den Paschtunen und Hazara ist die tadschikische Bevölkerung Afghanistans nicht in Stämmen und Clans organisiert, sie hat auch keine Vorstellungen eines gemeinsamen Ahnen.

 

In Afghanistan besteht eine Tradition der lokalen Selbstverwaltung, und der Stammesführer verfügt in diesem Zusammenhang über große Macht. Die führenden Familien innerhalb der Stämme genießen hohen sozialen und wirtschaftlichen Status. Die Identifikation mit einem Stamm/Clan ist ein wichtiger sozialer Indikator um zu zeigen: ‚Ich bin einer von euch'. Die verschiedenen Stämme/Clans bilden jedoch keine homogene Gruppe, unterschiedliche politische, wirtschaftliche, soziale und wertebezogene Trennlinien können die Mitglieder spalten. Die verschiedenen Regime, die das Land regiert haben, hatten sowohl Anhänger als auch Gegner innerhalb desselben Stammes und Clans. Das gilt auch noch heute, in den meisten Stämmen findet man Anhänger und Gegner sowohl des Staatsbildungsprojektes als auch der bewaffneten Opposition.

 

Zugang zum Arbeitsmarkt

 

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gibt es lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarkts. Der Arbeitsmarkt besteht zu einem großen Teil aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder.

 

Ein Mitarbeiter einer Botschaft vor Ort beschrieb, wie Tagelöhner von der Straße weg angeheuert werden. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Diese Treffpunkte befinden sich an speziellen Orten der Stadt. Hier treffen sich Arbeitssuchende und Anbieter von Arbeit am frühen Morgen und einigen sich über Tagelöhnerschaft und kurzzeitige geringfügige Tätigkeiten, für gewöhnlich manuelle Hilfsarbeit, manchmal auch qualifiziertere Arbeit. Durch das Mitführen seiner eigenen Werkzeuge oder Ausrüstung zeigt der Arbeitssuchende, was er kann. Nach einem kurzen Gespräch und einer Prüfung entscheidet der "Arbeitgeber", wer angeheuert wird. Viele bewerben sich, aber nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt in etwa 300 Afghani (ca. USD 4,3) für Hilfsarbeiter, während gelernte Kräfte bis zu 1.000 Afghani (ca. USD 14,5) pro Tag verdienen können.

 

Zugang zu Unterkunft

 

Für Fahrer und andere Reisende, Tagelöhner, Straßenverkäufer, Jugendliche, unverheiratete Männer und andere, die über keine permanente Wohnmöglichkeit in der Gegend verfügen, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität. Dabei handelt es sich um einfache, große Zimmer, wo Tee und einfaches, billiges Essen aufgetischt wird. Um wenig Geld kann man hier auch übernachten. Nach Quellen von Landinfo beträgt der Preis zwischen 30 und 100 Afghani (in etwa USD 0,4 bis 1,4) pro Nacht. Diese Lokale werden örtlich als chai khana bezeichnet - generell bekannt als samawar - oder übersetzt Teehaus. In Kabul und den anderen großen Städten gibt es viele solcher chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden, und es ist nichts Ungewöhnliches, dass Gäste alleine kommen. Der afghanische Forscher Hafizullah Emadi bezeichnet die chai khana als wichtige Treffpunkte und Orte der Sozialisierung.

 

Hilfe aus entfernten Netzwerken

 

In einer Empfehlung des UNHCR an Asylländer im Juni 2005 heißt es, dass Hilfe und Unterstützung durch Netzwerke auf Gebiete beschränkt seien, wo diese Netzwerke physisch präsent sind. Nach Einschätzung von Landinfo verliert der Faktor geografische Nähe durch technologische Entwicklungen an Wichtigkeit für den Zugriff auf Netzwerke. Wie schon erwähnt, ist der Besitz von Mobiltelefonen "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten.

 

Geld kann über das Bankensystem überwiesen werden, doch nicht alle Afghanen verfügen über ein Bankkonto. Dies gilt vor allem für die ländliche Bevölkerung. In der Durchschnittsbevölkerung ist das Vertrauen in Banken und den Bankenapparat gering. Wer das Bankensystem nicht nutzen kann oder möchte, kann Geld über ein informelles Geldüberweisungssystem (hawala) überweisen. Es gibt ein gut etabliertes System für grenzüberschreitende Zahlungen und Überweisungen, in das die Menschen Vertrauen haben. Ein gewisser Prozentsatz der transferierten Summe wird als Gebühr verrechnet. Geld kann in alle Landesteile überwiesen werden, auch in die und aus den Nachbarstaaten, etwa Iran und Pakistan.

 

2.3.4. Landinfo-Bericht "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungs- kampagne", August 2017:

 

Die Regierungsbeamten sind überzeugt, dass die Taliban über alles unterrichtet sind, was geschieht, selbst in Gegenden, in denen sie nur schwach vertreten sind. In Kabul sollen die verschiedenen Nachrichtendienste der Taliban über 1.500 Spione in allen Stadtteilen haben. Die Taliban haben auch Personen im Visier, von denen angenommen wird, dass sie der Regierung in irgendeiner Weise helfen.

 

2.3.5. Ecoi.net - European Country of Origin Information Network:

Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Fähigkeit der Taliban, Personen (insbesondere Dolmetscher, die für die US-Armee gearbeitet haben) in ganz Afghanistan aufzuspüren und zu verfolgen (Methoden; Netzwerke),

Februar 2013:

 

Lt. verschiedener Quellen können die Taliban gegen wichtige Personen in Kabul vorgehen. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass die Taliban das Aufspüren von Personen von geringerer Bedeutung in Kabul zu einer Priorität machen würden bzw. dazu die Möglichkeiten hätten. Hinsichtlich der Präsenz der Taliban ist die Sicherheitslage in Mazar-e-Sharif und Herat ähnlich wie in Kabul.

 

Nach den Regeln der Taliban müssen Kollaborateure mindestens zweimal gewarnt werden, bevor gegen sie Gewalt angewendet wird.

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers

 

Die Feststellungen zur Herkunft, Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, dem Familienstand und den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers, dessen schulischer Laufbahn und seiner Berufstätigkeit im Herkunftsstaat ergeben sich aus den vorgelegten Dokumenten (Reisepass, Geburtsurkunden, Tazkiren) sowie den im gesamten Verfahren diesbezüglich gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers. Es bestand kein Grund an diesen Angaben des Beschwerdeführers zu zweifeln.

 

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer eine Geldwechselstube in Kabul betreibt sowie einen Supermarkt und eine Handelsfirma in Dubai, ergibt sich aus den vorgelegten Geschäftsunterlagen sowie den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers. Den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er auch ein Geschäft bzw. ein Vertretungsbüro in Khost betreibe, konnte hingegen nicht gefolgt werden, da der Beschwerdeführer diesbezüglich vor der belangten Behörde und dem erkennenden Gericht widersprüchliche Angaben machte. So führte er vor der belangten Behörde nach seinem Firmensitz gefragt aus, dass sein Geschäft in der Stadt Khost sei und er einen Partner für Importe in Kabul habe (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 5). Er sei Inhaber der Geldwechselstube in Khost und werde wegen dieser Geldwechselstube von den Taliban und der Mafia bedroht (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 8). Eine von ihm betriebene Geldwechselstube in Kabul erwähnte der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde nicht. In der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer auf Vorhalt, dass er lediglich Dokumente für eine Wechselstube in Kabul vorgelegt habe, im Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen an, dass die Hauptwechselstube in Kabul sei und sie (der Beschwerdeführer und sein Partner) in Khost nur ein kleines Vertretungsbüro hätten. Die Wechselstube in Kabul sei von seinem Partner betrieben worden. Er sei der Leiter der Geldwechselstube gewesen, sein Partner sein Stellvertreter (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 7). Geld sei nur in Kabul gewechselt worden, in Khost hätten sie Motoröl, Textilien und Batterien verkauft (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 8). Gefragt, ob der Beschwerdeführer in Khost also ein Handelsgeschäft betrieben habe, gab er an, dass neben dem Büro ein Lager gewesen sei. Die Ware sei in das Lager gekommen und dann in Gardez und an verschiedenen Orten verkauft worden. Der Beschwerdeführer habe das Geld für den Verkauf der Waren dann in diesem Büro bekommen (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 8). Der Beschwerdeführer konnte zum Geschäft in Khost sohin keine klaren und konsistenten Angaben machen und vermittelte den Eindruck, als wisse er selbst nicht so genau, welchen Geschäften er im vermeintlichen Büro in Khost nachgehe. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auch ein Geschäft in Khost betreibt.

 

Dass die Geschäfte des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat und in Dubai gut laufen, ergibt sich zum einen aus den diesbezüglich konsistenten Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren sowie aus den vorgelegten Bankunterlagen. Ebenso gab der Beschwerdeführer konsistent an, dass es ihm finanziell sehr gut gehe.

 

Die Feststellung zum Verbleib der Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Pakistan basiert auf den konsistenten und diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers zum Aufenthalt seiner Familie und wird durch das vorgelegte Geburtszertifikat aus Pakistan lautend auf XXXX (Tochter), ausgestellt am 01.12.2016, und die vorgelegten medizinischen Unterlagen aus Pakistan betreffend die Gattin des Beschwerdeführers untermauert. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Kontakt zu seiner Familie hat, beruht darauf, dass er im Verfahren aktuelle Unterlagen zu seiner Familie vorlegte, in deren Besitz er nur bei aufrechtem Kontakt mit seiner Familie sein konnte (zB: medizinische Unterlagen betreffend seine Gattin, Jänner 2019). Der Beschwerdeführer behauptete im gesamten Verfahren nicht, dass er keinen Kontakt zu seiner Familie habe.

 

Die Feststellungen zur Ein- und Ausreise des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorliegenden Reisepässen sowie den Visaanträgen des Beschwerdeführers. Dass der Beschwerdeführer bereits am 03.09.2015 seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet meldete, ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister. Das Datum der Antragstellung ist aktenkundig und haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zwischenzeitig verlassen hätte.

 

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer einen Supermarkt in Österreich betreibt und keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen, den eingeholten Speicherauszügen der GVS-Datenbank und den konsistenten Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer etwas Deutsch spricht, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 28.05.2019 zwei Fragen auf Deutsch beantwortete. Dass der Beschwerdeführer noch keine Prüfung zu seinen Deutschkenntnissen abgelegt hat, ergibt sich aus der diesbezüglichen Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 5). Feststellungen zu sozialen Kontakten des Beschwerdeführers in Österreich konnten nicht getroffen werden, da der Beschwerdeführer auf die Frage nach privaten Bindungen in Österreich lediglich antwortete, er habe Freunde beim Magistrat und bei der Polizei. Eine Freundschaft mit konkreten Personen konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft darlegen, zumal er daraus, dass er bei Mag. XXXX vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ab und an nachgefragt habe, wann er seinen Bescheid bekomme, bereits auf eine Freundschaft schloss. Dass der Beschwerdeführer seit Mai 2018 ehrenamtlich bei der XXXX gem. GmbH als Dolmetscher arbeitet, ergibt sich aus der vorgelegten Bestätigung.

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Wesentlichen gesund ist, ergibt sich daraus, dass im Lauf des Verfahrens keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder Erkrankung des Beschwerdeführers nachweisen würden. Zur Angabe des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.05.2019, er habe sich an drei Stellen den Ellenbogen gebrochen, sei dreimal operiert worden und habe Schmerzen, ist auszuführen, dass diesbezügliche Belege nicht vorgelegt wurden. Mangels Objektivierbarkeit der vorgebrachten Erkrankung des Beschwerdeführers konnte diese nicht festgestellt werden. Das erkennende Gericht kam daher zum Schluss, dass der Beschwerdeführer im Wesentlichen gesund ist.

 

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

 

Dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen hat, gab dieser bereits vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Protokoll. Gegenteiliges wurde auch im weiteren Verfahren nicht behauptet.

 

3.2. Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers

 

Die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er von den Taliban, der Mafia oder sonstigen unbekannten Personen bedroht werde, weisen Widersprüche und Unplausibilitäten auf, die nicht aufgeklärt werden konnten.

 

Zunächst ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.10.2015 zum Fluchtgrund befragt, angab, dass die Mafia versucht hätte, seine Kinder zu entführen, und er diese daher nicht mehr in die Schule schicken konnte. Die Kinder des Beschwerdeführers sind jedoch in den Jahren XXXX geboren und befanden sich im Zeitpunkt der Flucht des Beschwerdeführers im Oktober 2015 nicht im schulpflichtigen Alter. Zudem wiederholte der Beschwerdeführer diese Behauptung in späteren Einvernahmen nicht. Das Vorbringen in der Erstbefragung erscheint dem erkennenden Richter daher nicht als glaubhaft. Dabei ist zwar zu beachten, dass gemäß § 19 Abs 1 zweiter Satz AsylG die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Allerdings erweist sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers unabhängig von dessen Angaben in der Erstbefragung aus nachstehenden Gründen als unplausibel und in einer Gesamtbetrachtung als unglaubwürdig:

 

Bereits hinsichtlich des letzten Wohnsitzes im Herkunftsstaat und seiner vermeintlichen Flucht im Jahr 2012 machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben. In der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie zu Beginn der Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer noch an, dass er im Dorf XXXX gelebt habe (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 5). In weiterer Folge führte er jedoch aus, dass er bereits seit 2012 mit seiner Familie auf der Flucht sei und von Khost mit seiner Familie nach Kabul gereist sei. Dort hätten sie sich an verschiedenen Orten aufgehalten, weil er oft den Wohnsitz wechseln habe müssen, um nicht gefunden zu werden (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 5). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer hingegen an, er habe seine Familie in Khost zurückgelassen und sei alleine nach Kabul gefahren (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 10). Dies widerspricht auch der Angabe vor der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer 2013 alleine nach Dubai gereist und nach einem Monat zu seiner Familie nach Kabul zurückgekehrt sei (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 6). Sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Reisetätigkeit erwiesen sich als konfus und uneinheitlich. Beharrte der Beschwerdeführer vor dem erkennenden Gericht darauf, dass die Familie stets in Khost gewesen sei (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 11) und er zur Geburt seiner Zwillingstöchter im September 2013 wieder nach Khost zurückgekehrt sei (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 12), schilderte er vor der belangten Behörde, dass er im Jahr 2013 zu seiner Familie nach Kabul zurückkehrte (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 6). Aus den vorgelegten Tazkiren von XXXX (Sohn), XXXX (Tochter) und XXXX (Tochter), ergibt sich, dass die drei erwähnten Kinder des Beschwerdeführers in XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Khost am XXXX bzw. XXXX geboren wurden. Die genannten Urkunden wurden im Mai 2014 in XXXX ausgestellt. Es ist daher entgegen den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde davon auszugehen, dass sich die Familie des Beschwerdeführers zumindest bis Mai 2014 in XXXX , Provinz Khost aufhielt. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Beschwerdeführer ins Treffen, dass er nach der Geburt seiner Zwillingstöchter am XXXX mit seiner Familie wieder nach Dubai geflogen sei (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 12), während er vor der belangten Behörde stets angab, alleine nach Dubai geflogen zu sein (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 6). Die geänderten Angaben zum Aufenthaltsort der Familie des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht sind nach Ansicht des Gerichtes darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer dem ergangenen Bescheid entnehmen konnte, dass die belangte Behörde seinen diesbezüglichen Angaben keinen Glauben schenkte. Es entsteht der Eindruck, als versuche der Beschwerdeführer die Widersprüche in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde zu den vorgelegten Urkunden in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auszubügeln. Aufgrund der dargelegten Widersprüche und unklaren Angaben des Beschwerdeführers zur vermeintlichen Flucht im Jahr 2012 mit der gesamten Familie, kann das erkennende Gericht die Angaben des Beschwerdeführers den Feststellungen nicht zu Grunde legen. Dass der Beschwerdeführer samt seiner Familie das Heimatdorf bereits im Jahr 2012 verlassen und nach Kabul gezogen sei, ist nicht glaubhaft. Vielmehr ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden, dass sich die Familie des Beschwerdeführers im Mai 2014 jedenfalls noch im Heimatdorf XXXX aufhielt. Erst aus der vorgelegten Heiratsurkunde, ausgestellt am XXXX , ergibt sich, dass die Gattin im XXXX der Stadt Kabul wohnhaft ist (AS 543 des Verwaltungsaktes des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl). Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die Wohnsitzverlegung nach Kabul erst zwischen Mai und Dezember 2014 erfolgte.

 

Wenn der Beschwerdeführer vermeint, die Bedrohungen durch die Taliban und die Mafia hätten bereits im Jahr 2012 ein derartiges Ausmaß angenommen, dass er mit der Familie habe fliehen müssen, ist dem entgegenzuhalten, dass wie oben beweiswürdigend ausgeführt, nicht glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer samt seiner Familie das Heimatdorf in Khost bereits im Jahr 2012 verlassen hat. So war jedenfalls die Familie des Beschwerdeführers noch im Heimatdorf aufhältig. Auch der Beschwerdeführer selbst gab vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er die Familie in Khost zurückgelassen habe (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 10). Aufgrund der zahlreichen oben dargestellten Widersprüche kann jedoch auch der Angabe, dass der Beschwerdeführer Khost alleine im Jahr 2012 verlassen habe, nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer vermochte diesbezüglich nicht darzutun, warum es seiner Familie habe zugemutet werden können, gefahrlos im Heimatdorf zu verbleiben, ihm selbst jedoch nicht. Insbesondere in Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung noch angab, seine Kinder seien beinahe durch die Mafia entführt worden, erscheint nicht nachvollziehbar, warum er diese im Fall einer tatsächlich bestehenden Gefahr im Heimatdorf zurücklassen hätte sollen.

 

Die gesamte Schilderung der Fluchtgeschichte durch den Beschwerdeführer erschien oberflächlich und holzschnittartig. Er vermochte keine Details zu nennen und erweckte dadurch beim erkennenden Richter den Eindruck, die Vorfälle nicht aus eigenem Erleben, sondern rein aus dem Wunsch heraus, im Bundesstaat bleiben zu können, zu schildern. Insbesondere in der Beschwerdeverhandlung vor dem erkennenden Gericht vermochte der Beschwerdeführer kein konkretes Bedrohungserlebnis zu schildern. Sein Vorbringen in Hinblick auf die Bedrohung erwies sich als schablonenhaft: So antwortete er auf die Frage, wer die Mafia sei, lediglich, dass er sie nicht kenne und von ihnen angerufen worden sei. Gefragt, wann er das erste Mal angerufen wurde, konnte er dies nicht sagen: "Es ist lange her. Ich weiß es nicht mehr." Weder konnte der Beschwerdeführer vor dem erkennenden Gericht genaue Angaben dazu machen, wie oft er bedroht worden sei (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 8), noch war er in der Lage, zu sagen, wo er das erste Telefonat erhalten habe bzw. wo er sich damals aufhielt (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 9). Aus eigenem machte der Beschwerdeführer keine erlebnisnahen Angaben. Erst auf mehrmaliges Nachfragen gab er nach und nach an, dass er den ersten Drohanruf an einem warmen Freitag in Kabul erhalten habe, als er gerade bei Freunden gewesen sei (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 10). Beim erkennenden Richter entstand der Eindruck, als vermeide der Beschwerdeführer konkrete und detaillierte Schilderungen, um sich nicht in weitere Widersprüche zu verstricken. Wenn der Beschwerdeführer immer wieder vermeint, dass er keine konkreten Angaben machen könne, weil er in den letzten vier Jahren vieles vergessen habe (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 9), ist dem entgegenzuhalten, dass die Drohanrufe den Beschwerdeführer nach eigenen Angaben derart in Furcht versetzt haben sollen, dass er sich bereits im Jahr 2012 zur Flucht nach Kabul und später auch nach Dubai veranlasst gesehen habe. Es ist nicht nachvollziehbar und entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass sich ein derartiges Ereignis wie ein Drohanruf der Taliban, den der Beschwerdeführer ja offenbar ernst genommen haben will, nicht im Gedächtnis einprägt und man keinerlei nähere Angaben dazu machen kann. Sollte die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers tatsächlich wahr sein, wäre vielmehr zu erwarten, dass der Beschwerdeführer sich detailliert vor allem an den ersten Drohanruf erinnern könnte. Dass der Beschwerdeführer diesbezüglich keine Erinnerungen haben bzw. keine Angaben machen will, lässt den Rückschluss zu, dass sich die Drohanrufe nicht so ereignet haben, wie vom Beschwerdeführer dargestellt.

 

Hinsichtlich der vorgelegten Drohbriefe ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht selbst angab, dass man in Afghanistan mit Korruption jede Funktion erreichen könne (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 4). So erscheint es insbesondere auch nicht abwegig, dass die vorgelegten Drohbriefe gefälscht sein könnten. Zudem datieren die Drohbriefe vom 22.11.2012 sowie vom 11.08.2013. Der Beschwerdeführer gab im Lauf des Verfahrens selbst immer wieder an, dass die Taliban Schutzgelder verlangt hätten, andernfalls sie ihn und seine Familie umbringen würden (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 5, 7 und 9). Für den Fall, dass die Drohbriefe tatsächlich echt sein sollten, ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer seine Familie diesem Risiko fortdauernd ausgesetzt hätte und nicht wesentlich früher eine gemeinsame Flucht organisiert hätte. Selbst wenn der Beschwerdeführer den ersten Drohbrief zunächst nicht ernst genommen hätte (was mit der Angabe des Beschwerdeführers, wonach er bereits im Jahr 2012 aus seinem Heimatdorf geflohen sei, nicht in Einklang zu bringen ist), entspräche es doch spätestens bei Erhalt des zweiten Drohbriefes vom 11.08.2013 dem üblichen Geschehnisverlauf, die Flucht der Familie zu planen. Stattdessen will der Beschwerdeführer seine Familie weiterhin im unsicheren Heimatdorf belassen und vor seiner letzten Ausreise nach Österreich sogar zurück nach Khost gebracht haben (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 9). Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer erst im Jahr 2015 nach Europa geflohen ist, obwohl er eigenen Angaben zu Folge bereits seit 2012 bedroht wurde.

 

Auch die zahlreichen Reisen des Beschwerdeführers vermögen seinen Fluchtgrund nicht zu untermauern. Zwar vermeint der Beschwerdeführer, aus Angst viel gereist zu sein (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 12), jedoch ist nicht nachvollziehbar, warum er bei tatsächlicher Furcht vor Verfolgung nicht bereits früher einen Asylantrag in einem sicheren durchreisten Staat gestellt haben sollte. So war der Beschwerdeführer bereits vor Oktober 2015 einige Male in Österreich. Bei keiner dieser Gelegenheiten fühlte er sich veranlasst, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Vielmehr kehrte der Beschwerdeführer immer wieder nach Afghanistan zu seiner Familie zurück. Dies entspricht nicht dem üblichen Verhalten im Fall wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung. Der Beschwerdeführer vermochte dieses Verhalten auch nicht aufzuklären. Wenn er vermeint, er habe gedacht, die Taliban würden ihn nicht mehr verfolgen, stellt dies nach Ansicht des Gerichts in Zusammenschau mit den sonstigen Widersprüchen und Unplausibilitäten lediglich eine Schutzbehauptung dar.

 

Bemerkenswert ist auch, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angab, sein Fluchtgrund stünde in Zusammenhang mit der Geldwechselstube in Khost, wegen der die Taliban und die Mafia Geld von ihm verlangt hätten (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 8), obwohl er dort laut eigener Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Geldwechselstube betreibt, sondern lediglich ein kleines Vertretungsbüro hat und Motoröl, Textilien und Batterien verkauft (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 8). Auch die im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Geschäftsunterlagen liefern keinen Hinweis auf eine Geldwechselstube in Khost. Wie bereits oben beweiswürdigend ausgeführt, konnte in Hinblick auf die betreffend das Geschäft in Khost unklaren und inkonsistenten Angaben des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser ein Büro in Khost betreibt. Die Angaben, wonach die Taliban und die Mafia wegen einer Geldwechselstube in Khost Geld von ihm erpresst hätten, erscheinen daher unglaubwürdig.

 

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde angibt, er habe im Oktober 2015 spontan den Entschluss zur Ausreise gefasst (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 4), nachdem ihm sein Sekretär nach seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat im September 2015 mitgeteilt habe, dass es einen neuerlichen Drohanruf gäbe, wonach er jetzt in Afghanistan getötet werde (Niederschrift vom 08.04.2016, S. 9), so ist dies unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer im Widerspruch zu seinem Vorbringen vor der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, dass der Sekretär und er selbst angerufen worden seien (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 13). Wenn der Beschwerdeführer also angibt, er sei gezwungen gewesen, nach diesem Anruf wieder nach Österreich zu kommen und hier einen Asylantrag zu stellen (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 9), vermochte er dies nicht glaubwürdig darzulegen. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, warum gerade dieser eine Drohanruf den Beschwerdeführer in Angst und Schrecken versetzt haben sollte, wo er doch bereits seit ca. drei Jahren derartigen Bedrohungen ausgesetzt sein will. Zudem ergibt sich aus den Visaanträgen des Beschwerdeführers sowie den vorliegenden Reisepässen, dass der Beschwerdeführer bereits am 20.07.2015 die Erteilung eines Touristenvisums für den Schengenraum bei der österreichischen Botschaft in Abu Dhabi beantragte. Mit diesem Visum reiste der Beschwerdeführer sodann am 21.08.2015 legal über den Luftweg in die Republik Österreich ein. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass er bereits am 03.09.2015 seinen Hauptwohnsitz bei der Meldebehörde in Österreich meldete. Dies entspricht nach Ansicht des Gerichtes keinesfalls dem üblichen Verhalten einer Person, die nicht vorhat, sich auf Dauer im Bundesstaat niederzulassen. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht selbst an, dass ihm ein Visum ausgestellt worden sei, seiner Familie jedoch nicht (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 13). Das erkennende Gericht geht daher - insbesondere auch in Hinblick auf die erfolgte Hauptwohnsitzmeldung Anfang September 2015 - davon aus, dass sich der Beschwerdeführer aus beruflichen Gründen (Gründung eines weiteren Supermarktes / Unternehmens) auf Dauer in Österreich niederlassen wollte. Laut Reisepass verließ der Beschwerdeführer die Republik Österreich am 18.09.2015 und reiste wiederum in die Vereinigten Arabischen Emirate ein. Daraus ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer wegen des Visums für seine Familie womöglich nochmals bei der dortigen österreichischen Botschaft vorsprechen wollte. Der Geschehnisverlauf erweckt den Anschein, als habe der Beschwerdeführer damit keinen Erfolg gehabt, und sei unverrichteter Dinge zu seiner Familie zurückgekehrt, ehe er beschloss, wieder in die Republik Österreich einzureisen und dort einen Asylantrag zu stellen, um die Familie später eventuell nachholen zu können. Der gesamte dargestellte Ereignisablauf entspricht jedenfalls nicht dem Verhalten einer tatsächlich von wohlbegründeter Furcht zur Flucht veranlassten Person. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat nicht aus asylrelevanten Gründen verlassen hat, ist, dass er seinen Asylantrag nicht unmittelbar nach seiner Einreise in die Republik Österreich im Oktober 2015 stellte, sondern erst einen Tag vor Ablauf seines Visums.

 

Zu guter Letzt ist anzumerken, dass es dem Beschwerdeführer auch durch Vorlage des afghanischen Polizeiberichts vom 20.02.2017 nicht gelingt, sein Fluchtvorbringen zu untermauern. Aus diesem geht nämlich lediglich hervor, dass sein Haus bombardiert wurde (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 4), nicht jedoch, dass der Angriff direkt gegen ihn gerichtet wäre. Sollten die Taliban und die Mafia den Beschwerdeführer tatsächlich verfolgen, so wüssten sie wohl, dass weder der Beschwerdeführer noch seine Familie derzeit dort aufhältig sind. Dieser Anschlag kann daher nicht als Einschüchterungsversuch gewertet werden, zumal es auch nur Zufall sein könnte, dass gerade das Haus des Beschwerdeführers getroffen wurde. Zudem handelt es sich beim ersten Absatz des 24-Stundenberichts vom 20.02.2017 um ein Ereignis, welches sich bereits am 19.02.2012 zutrug. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein 24-Stundenbericht vom 20.02.2017 von einem Ereignis aus dem Jahr 2012 berichten sollte. Auch der Beschwerdeführer vermochte dies nicht aufzuklären und verwies lediglich auf die in Afghanistan übliche Korruption (Verhandlungsprotokoll vom 28.05.2019, S. 4). Die Echtheit des Dokuments konnte sohin nicht festgestellt werden, weshalb das Gericht auch nicht zweifelsfrei davon ausgehen kann, dass das Haus des Beschwerdeführers tatsächlich Bomben zum Opfer gefallen ist.

 

Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Unplausibilitäten und Widersprüche sowie dem Aussageverhalten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erschien das gesamte Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft. Der erkennende Richter geht davon aus, das der Beschwerdeführer lediglich konstruierte Ereignisse schildert, um im Bundesstaat verbleiben zu können.

 

Folglich schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde, die das Vorbringen des Beschwerdeführers als widersprüchlich und unplausibel und damit unglaubwürdig wertete, an.

 

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat lässt sich im Wesentlichen dem Länderinformationsblatt entnehmen, insbesondere Kapitel 3. Sicherheitslage und findet auch Bestätigung in den UNHCR-Richtlinien (siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel 2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU ], S. 117 f.) Insbesondere die UNHCR-Richtlinie betont die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Dies lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes und der Country-Guidance zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

 

Die Feststellungen zur Sicherheitslage und Konfliktbetroffenheit der Provinz Khost ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.17. Khost) sowie aus der EASO Country Guidance (S. 85).

 

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückführung in seine Herkunftsprovinz die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe durch Aufständische zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden, speist sich aus den oben zitierten Berichten zur Herkunftsprovinz.

 

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen im Wesentlichen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul. Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Kabul die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden, basiert auf den bereits zitierten Informationen zur Sicherheitslage in Kabul aus dem Länderinformationsblatt sowie auf der Einschätzung in den UNHCR-Richtlinien, der zufolge Zivilisten in Kabul auf ihren täglichen Wegen einem erheblichen Risiko, Opfer einer der in der Stadt allgegenwärtigen Gefahren, wie sie auch festgestellt sind, (S. 126-127), ausgesetzt sind. Dieses Risiko bestünde im Fall einer Niederlassung in Kabul auch für den Beschwerdeführer.

 

Die Feststellungen zu Sicherheits- und Wirtschaftslage in Herat und Balkh ergeben sich aus den jeweiligen Kapiteln zu den genannten Provinzen im Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh und Unterkapitel 3.13. Herat) und der EASO Country Guidance (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Article 15(c) QD, Unterkapitel Indiscriminate violence assessment per province of Afghanistan, S. 76 ff., insbesondere die Abschnitte Balkh, S. 79 und Herat, S. 82-83).

 

Die Feststellung, dass Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) unter Regierungskontrolle stehen, basiert darauf, dass dem vorliegenden Länderberichtsmaterial keine gegenteilige Information entnommen werden kann und von einer Eroberung durch Aufständische nicht berichtet wird. Die Feststellung zu den Flughäfen in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) ist dem Länderinformationsblatt entnommen, Kapitel

3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit, Unterabschnitt Internationale Flughäfen in Afghanistan.

 

Bedingt durch die relativ gute Sicherheitslage und die geringe Betroffenheit der Städte Mazar-e Sharif und Herat vom Konflikt im Herkunftsstaat konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer für den Fall einer dortigen Niederlassung die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass die Städte gelegentlich von Angriffen und Anschlägen durch Aufständische betroffen sind, wie sich etwa den die jeweilige Provinz betreffenden Statistiken sicherheitsrelevanter Vorfälle im Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh und Unterkapitel 3.13. Herat) entnehmen lässt. Allerdings ist die Vorfallshäufigkeit nicht so groß, dass gleichsam jede in der Stadt anwesende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Vorfall betroffen wäre. Spezifische Gründe für ein erhöhtes auf seine Person bezogenes Risiko hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

 

Die Feststellung zur Dürre unter anderem in der Provinz Balkh und in der Provinz Herat ist den UNHCR-Richtlinien entnommen (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 3. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in afghanischen Städten, S. 126). Diese belegen zwar, dass der Bedarf an akuter humanitärer Hilfe durch die Dürre zugenommen hat. Dass sich der Herkunftsstaat allerdings in einer Hungersnot oder Hungerkrise befindet, ist dem vorliegenden Berichtsmaterial nicht zu entnehmen. Der Country-Guidance ist zu entnehmen, dass in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) grundsätzlich Zugang zu Wohnmöglichkeiten bzw. Unterkunft sowie zu medizinischer Versorgung vorhanden ist (S. 104).

 

Die Feststellungen zum Zugang zu medizinischer Versorgung in Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif sowie zur gewährleisteten medizinischen Behandlung des Beschwerdeführers fußt auf dem Länderinformationsblatt, demzufolge die primäre Gesundheitsversorgung im Herkunftsstaat prinzipiell wenn auch nicht flächendeckend und von variierender Qualität kostenfrei verfügbar ist. Zudem besteht die Möglichkeit privater Behandlung. Auch von einer Verbesserung der Flächendeckung und Fortschritten der Versorgung wird berichtet (Kapitel 22. Medizinische Versorgung). Die öffentlichen Krankenhäuser der größeren Städte können den vorliegenden Informationen zufolge leichte und saisonbedingte Krankheiten und medizinische Notfälle behandeln. Insbesondere sind im zitierten Abschnitt des Länderinformationsblattes auch Krankenhäuser in Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif aufgeführt (Kapitel 22. Medizinische Versorgung, Unterkapitel 22.1. Krankenhäuser in Afghanistan). Behandlungsmöglichkeiten für psychisch erkrankte Personen sind dem Länderinformationsblatt zufolge ebenfalls verfügbar. Insbesondere in den Städten existieren psychiatrische Kliniken und in Provinzkrankenhäusern wird psychologische Beratung angeboten (Länderinformationsblatt, Kapitel

22. Medizinische Versorgung, Abschnitt Beispiele für Behandlung psychisch[er] erkrankter Personen in Afghanistan). Auch die EASO Country-Guidance berichtet von der Verfügbarkeit medizinischer Versorgung in Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Reasonableness to settle, Unterkapitel General situation, S. 104). Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers erscheint damit insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass er im Wesentlichen gesund ist, gesichert.

 

Die Feststellung zur Lebensgrundlage des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) speist sich insbesondere aus den Informationen dazu in Country-Guidance, siehe insbesondere Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel General situation, S. 103 ff. sowie den UNHCR-Richtlinien, denen zufolge maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Mazar-e Sharif bzw. Herat (Stadt) eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund sind (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122).

 

Beim Beschwerdeführer handelt es sich zweifellos um einen jungen, gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilitäten. Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat eine elf- bis zwölfjährige Schulbildung genossen und arbeitet seither erfolgreich als Geschäftsmann. Er ist finanziell sehr gut gestellt und kann sich jedenfalls selbst versorgen. Der Beschwerdeführer hat den Großteil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wurde dort sozialisiert und spricht mit Paschtu und Dari zwei Landessprachen muttersprachlich. Er ist mit der afghanischen Kultur, den Traditionen, Sitten und Gebräuchen vertraut. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht zuletzt aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsmann über ein relativ großes Unterstützungsnetzwerk verfügt, das ihm beratend zur Seite stehen kann. Finanziell ist der Beschwerdeführer durch seine Geschäfte im Herkunftsstaat und in Dubai, welche nach wie vor gut laufen, abgesichert. Er verfügt daher in seinem Herkunftsstaat bereits über eine selbständige Existenzgrundlage und ist finanziell nicht auf die Unterstützung seiner in Pakistan aufhältigen Familie angewiesen. Er kann daher auch ohne Unterstützungsnetzwerk sein Auslangen finden.

 

Zudem wäre eine anfängliche Unterstützung des Beschwerdeführers durch eine der angebotenen Reintegrationsmaßnahmen - bis der Beschwerdeführer sich eine selbstständige Existenzgrundlage aufbauen kann - durchaus möglich. Hierbei ist anzumerken, dass es dem Beschwerdeführer auch freisteht, seine Rückkehr und Reintegration bereits von Österreich aus vorzubereiten, um auf diese Weise besser an den angebotenen Maßnahmen partizipieren zu können.

 

Die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers lässt spezifische Diskriminierungs- und Benachteiligungserfahrungen ebenso wenig erwarten (siehe dazu Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.1. Paschtunen) wie seine Zugehörigkeit zum sunnitischen Islam - der im Herkunftsstaat dominierenden Glaubensrichtung des Islam (Kapitel 15. Religionsfreiheit).

 

Ein besonderer Schutzbedarf ist damit nicht ersichtlich und sind im Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer einem Personenkreis angehören würde, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Insgesamt ist daher kein Grund ersichtlich, warum es dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Mazar-e Sharif (oder auch in Herat Stadt) nicht möglich sein sollte, ein gemessen an den üblichen Verhältnissen im Herkunftsstaat normales Leben zu führen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat im Fall einer Niederlassung in Mazar-e Sharif wie festgestellt eine Lebensgrundlage wird aufbauen können.

 

Die Feststellung zur Rückkehrhilfe ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr.

 

3.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

 

Zur Seriosität des beweiswürdigend herangezogenen und oben unter

2.3. teilweise wiedergegebenen Berichtsmaterials ist auszuführen, dass diese länderkundlichen Informationen (Länderinformationsblatt, UNHCR-Richtlinien, Country Guidance), einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen. Die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist insbesondere nach § 5 Abs. 2 BFA-G verpflichtet, die gesammelten Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgenden Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Weiter ist nach der schon zitierten Rechtsprechung des VwGH den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"; zuletzt VwGH 23.01.2019, Ra 2018/18/0521 mwN). Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen daher auf die bereits zitierten Quellen, wobei anzumerken ist, dass diese zu den fallrelevanten Gesichtspunkten ein insgesamt übereinstimmendes Bild zur Situation im Herkunftsstaat zeichnen, mögen sie auch im Detailgrad - wie oben im Einzelfall berücksichtigt - eine unterschiedliche Tiefe aufweisen.

 

4. Rechtliche Beurteilung:

 

4.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist), dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

 

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); diese muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).

 

"Glaubhaftmachung" im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. die Erkenntnisse des VwGH 23.01.1997, 95/20/0303, sowie 28.05.2009, 2007/19/1248) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.07.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann allerdings nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).

 

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, er werde wegen Nichtzahlung des begehrten Schutzgeldes von den Taliban bzw. der Mafia verfolgt, fällt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter den GFK-Fluchtgrund der (unterstellten) politischen Einstellung durch die Verweigerung der finanziellen Unterstützung.

 

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm aufgrund einer gegen ihn persönlich gerichteten, konkreten Bedrohung durch die Taliban, die Mafia oder sonstige Personen Verfolgung drohe. Es liegt daher eine Verfolgungsgefahr wegen unterstellter politischer Gesinnung, die allenfalls unter den GFK-Fluchtgrund der politischen Einstellung, fallen könnte, für den Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht vor.

 

Eine Betroffenheit seiner Person von Verfolgungshandlungen aus einem der GFK-Fluchtgründe hat der Beschwerdeführer damit nicht glaubhaft machen können. Auf die sich für den Beschwerdeführer aus der allgemeinen Sicherheitslage ergebenden Gefahren wird allerdings sogleich noch unter Punkt 4.2. eingegangen werden.

 

Im Ergebnis war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.

 

4.2. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG führt jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten.

 

Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen waren, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH, 30.01.2018, Ra 2017/20/0406). Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher für die Gewährung von subsidiärem Schutz insbesondere auf den Maßstab des Art. 3 EMRK ab (vgl. etwa VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

 

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung der Judikatur des EuGH zur Statusrichtlinie ausgesprochen, dass § 8 Abs. 1 AsylG entgegen seinem Wortlaut in unionsrechtskonformer Interpretation einschränkend auszulegen ist. Danach ist subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

 

In seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 wiederholt der Verwaltungsgerichtshof, dass es der Statusrichtlinie widerspricht, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen.

 

Art. 6. Statusrichtlinie definiert als Akteur den Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (lit. b) und nichtstaatliche Akteure, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art. 7 zu bieten (lit. c).

 

Als ernsthafter Schaden gilt nach Art. 15 Statusrichtlinie die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit. a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Herkunftsstaat (lit. b) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (lit. c).

 

4.2.1. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsregion

 

Für die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers (Khost) ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr dorthin die Gefahr droht, im Zuge des im Herkunftsstaat herrschenden bewaffneten Konfliktes getötet, verletzt oder misshandelt zu werden. Daher droht ihm ein Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie durch einen innerstaatlichen iSd lit. c leg cit.

 

4.2.2. Zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Antrage auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

 

Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Zunächst muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Der VwGH hält das Kriterium der Zumutbarkeit als getrennt zu prüfende Voraussetzung auch in seiner jüngsten Rechtsprechung weiterhin aufrecht (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

 

Fallbezogen ist dazu auszuführen, dass sich für die Stadt Kabul ergibt, dass der Beschwerdeführer im Fall einer dortigen Niederlassung Bedingungen ausgesetzt wäre, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, weil die Stadt, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, vom innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat relativ stark betroffen ist. Kabul kommt daher nicht als innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer in Betracht.

 

Nachdem der Beschwerdeführer wie beweiswürdigend und rechtlich ausgeführt für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine ihn betreffende Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft machen konnte, ist diese auch für Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) - das als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet - zu verneinen.

 

Zur Frage, ob auch für Mazar-e Sharif Bedingungen vorliegen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, ist auszuführen, dass die genannte Stadt den Feststellungen zufolge vom innerstaatlichen Konflikt in Afghanistan weit weniger intensiv betroffen ist als Kabul und zu den ruhigen Landesteilen zählt. Insbesondere steht die Stadt den Feststellungen zufolge unter der Kontrolle der afghanischen Regierung, auch wenn aufständische Gruppierungen prinzipiell auf Zivilpersonen auch in den größeren Städten zugreifen können. Ein spezifisches Risiko, dass sich ein Angriff Aufständischer auf den Beschwerdeführer beziehen oder besonders auswirken könnte, ist von diesem nicht dargetan worden bzw. wurde beweiswürdigend verneint und sind auch sonst keine diesbezüglichen Anhaltspunkte im Verfahren hervorgekommen. Demnach liegen Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, in Mazar-e Sharif nicht vor.

 

Auch hinsichtlich Herat (Stadt) ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass bedingt durch die relativ geringe Betroffenheit der Stadt vom Konflikt für den Fall einer dortigen Niederlassung des Beschwerdeführers eine Gefahr, dass dieser im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommt oder misshandelt oder verletzt zu wird, nicht droht. Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz für den Beschwerdeführer rechtfertigen würden, liegen demnach dort nicht vor.

 

Die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bildet nach der Judikatur des VwGH die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen (Vgl. abermals VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0154 mwN). Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen, wäre die innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen.

 

Das Kriterium der Zumutbarkeit ist in unionsrechtskonformer Auslegung gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, nämlich, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

 

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es nie zumutbar sein kann, dass ein Antragsteller eine Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte in Kauf nehmen muss. Folglich müssen Umstände, die im Fall einer Rückkehr im als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht kommenden Teil des Staatsgebietes zu einer Verletzung vor Art. 2 oder 3 EMRK führen würden, die nach der nunmehrigen Judikatur des VwGH für eine Zuerkennung von subsidiärem Schutz aber nicht in Betracht kommen (siehe dazu VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106), im Zuge der Prüfung der Zumutbarkeit Berücksichtigung finden.

 

Nach der auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bezugnehmenden ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307 mwN). Insbesondere ist die allgemeine Situation in Afghanistan, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 MRK verstoßen würde (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095 mwN).

 

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist damit zu rechnen, dass sich der Beschwerdeführer im Fall seiner Niederlassung in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, weswegen von exzeptionellen Umständen im Sinne der oben zitierten Judikatur nicht auszugehen ist. Eine durch die Lebensbedingungen im Herkunftsstaat bedingte Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK für den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat ist dadurch zu verneinen.

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der auf die Entscheidungen des EGMR Bezug nimmt, hat ein Fremder im Allgemeinen kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B2400/07 mwN).

 

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR bereits ausgesprochen, dass die nach der oben zitierten geforderten außergewöhnlichen Umstände, die zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen können, vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (zuletzt VwGH 30.06.2017, Ra 2017/18/0086).

 

Den Feststellungen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Wesentlichen gesund ist. Auch ist - wie beweiswürdigend ausgeführt - die primäre Gesundheitsversorgung in Mazar-e Sharif und Herat Stadt gewährleistet. Außergewöhnliche Umstände im Sinne der oben zitierten Judikatur wurden damit nicht dargetan und es kann im gegenständlichen Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr der realen Gefahr im Sinne der oben zitierten Judikatur ausgesetzt wäre, wegen des Fehlens einer geeigneten Heilbehandlung oder mangelnden Zugangs zu einer solchen eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die ein starkes Leiden zu Folge hätte, oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zu erfahren. Die gesundheitliche Verfassung des Beschwerdeführers führt demnach für den Beschwerdeführer nicht zur Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind hinsichtlich des bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative anzuwendenden Maßstabs die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und die persönlichen Umstände des Asylwerbers zu berücksichtigen. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (VwGH 27.06.2018, Ra 2018/18/0269).

 

Eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden würde, reicht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (zuletzt VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

 

Aufgrund der besonderen Situation des Beschwerdeführers als vermögender Geschäftsmann ist im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat und seiner Niederlassung in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) beim Aufbau seiner Lebensgrundlage nicht mit Startschwierigkeiten zu rechnen. Der Beschwerdeführer ist jedenfalls in der Lage, sich eine Lebensgrundlage aufbauen zu können, weswegen sich seine Niederlassung im als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet - gegenständlich Mazar-e Sharif bzw. Herat (Stadt) - als zumutbar im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erweist.

 

4.3. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung)

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Rückkehrentscheidung nach dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

 

4.3.1. Zur Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG an den Beschwerdeführer

 

Nachdem der Antrag des Beschwerdeführers mit diesem Erkenntnis sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ist vor Erlassung der Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Zulässigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG zwingend zunächst eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG vorzunehmen (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht Kommentar § 10 AsylG K6). Damit korrespondierend sieht auch § 58 Abs. 1 Z. 1 AsylG vor, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen ist, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 AsylG erfüllt, sind im Verfahren weder geltend gemacht worden noch hervorgekommen. Die Nichtzuerkennung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG an den Beschwerdeführer durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht.

 

4.3.2. Zur Rückkehrentscheidung

 

Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

 

§ 9 Abs. 1 BFA-VG normiert, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK umfasst Ehegemeinschaften und auch nicht formalisierte eheähnliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau; bei solchen ist normalerweise das Zusammenleben der beiden Partner in einem gemeinsamen Haushalt erforderlich, es können aber auch andere Faktoren wie etwa die Dauer oder die Verbundenheit durch gemeinsame Kinder unter Beweis stellen, dass die Beziehung hinreichend konstant ist (EGMR vom 27.10.1994, 18535/91 Kroon und andere gg. die Niederlande, Z 30; EGMR vom 22.04.1997, 21.830/93, X,Y und Z gg. Vereinigtes Köngreich, Z 36)

 

Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. Zum geschützten Privatleben gehört das Netzwerk der gewachsenen persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen (EGMR vom 09.10.2003, 48321/99, Slivenko gg. Lettland). So können persönliche Beziehungen, die nicht unter das Familienleben fallen, sehr wohl als "Privatleben" relevant sein.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1-9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

 

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0026).

 

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen stellen regelmäßig einen Eingriff in das Privatleben dar, weil sie die betroffene Person aus ihrem gegenwärtigen sozialen Umfeld herausreißen. Nach der Rechtsprechung des EGMR hängt es von den Umständen des jeweiligen Falles ab, ob es angebracht ist, sich eher auf den Gesichtspunkt des Familienlebens zu konzentrieren als auf den des Privatlebens (EGMR 23.04.2015, 38030/12, Khan, Rn. 38; 05.07.2005, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 59). Die Prüfung am Maßstab des Privatlebens ist jedoch weniger streng als jene am Maßstab des Familienlebens, weshalb letztere in der Praxis im Vordergrund steht (Ewald Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hg.], Handbuch der Grundrechte VII/1, 2. Aufl., § 10, Rn. 52).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

 

Der Beschwerdeführer hält sich infolge seiner legalen Einreise seit 03.10.2015 und damit etwa dreieinhalb Jahre durchgehend im Bundesgebiet auf, wobei der Beschwerdeführer durchgehend gemäß § 13 AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine nur vorläufige Aufenthaltsberechtigung handelt, der der Verwaltungsgerichtshof, wenn sie nur auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist, keine hohe Bedeutung zumisst (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Auch ist ein Aufenthalt eines Asylwerbers im Bundesgebiet in der Dauer von weniger als vier Jahren nicht so lang, dass daraus automatisch eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188).

 

Nachdem der Beschwerdeführer keine im Bundesgebiet aufhältigen Angehörigen hat und familiäre Bindungen nicht geknüpft hat, greift die Rückkehrentscheidung nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein (§ 9 Abs. 2 Z 2 BFA-VG).

 

Die Rückkehrentscheidung greift allerdings in das Recht auf Achtung des Privatlebens ein, weil und soweit sie den Beschwerdeführer von seinem gegenwärtigen sozialen Umfeld in Österreich trennt. Ein schutzwürdiges Privatleben des Beschwerdeführers ist daher zweifellos gegeben (§ 9 Abs. 2 Z 3 BFA-VG). Maßgeblich relativierend ist jedoch in die Gewichtung einzubeziehen, dass die das Privatleben des Fremden in Österreich betreffenden integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem er sich (spätestens nach Abweisung seines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG). Das Gewicht des schutzwürdigen Privatlebens des Beschwerdeführers ist daher insofern erheblich gemindert.

 

Zum Grad der Integration des Beschwerdeführers (§ 9 Abs. 2 Z 4 BFA-VG) ist zunächst auszuführen, dass mit § 2 Integrationsgesetz (IntG), StF: BGBl. I Nr. 68/2017 den Materialien zufolge erstmals bundesweit geregelt wurde, was unter dem Begriff Integration verstanden wird (Vgl. ErläutRV 1586 Blg NR 25. GP 2). Zwar fällt der Beschwerdeführer als Asylwerber nach der taxativen Aufzählung des § 3 IntG (Vgl. auch ErläutRsehr V 1586 Blg NR 25. GP 3) nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Allerdings handelt es sich bei den §§ 1 und 2 IntG um programmatische Umschreibungen von Zielvorstellungen des Gesetzgebers ohne normativen Gehalt (Vgl. Czech, Integriert Euch! Ein Überblick über Integrationsgesetz und Integrationsjahrgesetz. FABL 2/2017-I, 25), aus denen Rechte und Pflichten nicht abgeleitet werden können. Bedingt durch den Verweisungszusammenhang zwischen AsylG (§ 55 Abs. 1 Z 1 AsylG), IntG und BFA-VG erscheint eine Berücksichtigung der Ziele und der Teleologie des IntG dennoch geboten, mag der Beschwerdeführer auch nicht in den Genuss der im IntG vorgesehenen Fördermaßnahmen kommen.

 

Aus § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 IntG ergibt sich in Zusammenschau mit den im IntG vorgesehenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Erläuterungen, dass Sprachkenntnisse, wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit sowie die Anerkennung und Einhaltung der österreichischen und europäischen Rechts- und Werteordnung die drei Grundpfeiler der Integration darstellen (Vgl. ErläutRV 1586 Blg NR 25. GP 1).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Judikatur zu § 9 Abs. 2 Z 4 BFA-VG auch bereits ausgesprochen, dass den sehr guten Deutschkenntnissen des Fremden bei der Beurteilung des Grades der Integration Bedeutung zukommt (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224). Der Beschwerdeführer hat wie festgestellt keine Deutschprüfungen absolviert. Er spricht zwar etwas Deutsch, konnte jedoch keine Deutschkenntnisse nach dem gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen nachweisen. Zwar arbeitet der Beschwerdeführer ehrenamtlich als Dolmetscher, aus der diesbezüglich vorliegenden Bestätigung ist jedoch nicht ersichtlich, in welche Sprache er übersetzt. Es kann daher von keiner Integrationsverfestigung im Teilaspekt der Sprachkenntnisse ausgegangen werden.

 

Zur wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dieser einen Supermarkt in XXXX betreibt und derzeit wirtschaftlich selbsterhaltungsfähig ist. Er beschäftigt drei Personen und will sein Geld weiter in Österreich investieren. Diesbezüglich hat der VwGH jedoch festgehalten, dass bei der Interessenabwägung zu Gunsten des Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen (wie dass der Beschwerdeführer Steuern zahle, regulär gemeldet sei und keine finanzielle oder sonstige Belastung für eine Gebietskörperschaft darstelle) zu berücksichtigen sind. Interessen des inländischen Arbeitsmarktes sind nicht von Art. 8 EMRK umfasst (VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003). Dass der Beschwerdeführer in Österreich durch den Betrieb des Supermarktes Arbeitsplätze schafft und in die österreichische Wirtschaft investiert, ist daher nicht in die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK miteinzubeziehen. In Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer auch in seinem Herkunftsstaat sowie in Dubai Unternehmen betreibt und es sich beim im Bundesstaat eröffneten Supermarkt nur um eines von mehreren Projekten des Beschwerdeführers handelt, kann nicht von einer beruflichen Verfestigung des Beschwerdeführers in Österreich gesprochen werden.

 

Zur Anerkennung und Einhaltung der österreichischen und europäischen Rechts- und Werteordnung ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführer dadurch, dass er sich keine aktenkundigen Rechtsverstöße zuschulden hat kommen lassen, wohl ausdrückt, dass er die österreichische Rechtsordnung einhält und anerkennt (Vgl. auch Czech, Integriert Euch! Ein Überblick über Integrationsgesetz und Integrationsjahrgesetz. FABL 2/2017-I, 25). Zu beachten ist allerdings, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes strafgerichtliche Unbescholtenheit insofern nicht besonders ins Gewicht fällt, als nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die strafrechtliche Unbescholtenheit weder das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen vermag (VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253 mwN). Dies muss auch für das Nichtvorliegen von Verstößen gegen die öffentliche Ordnung gelten (§ 9 Abs. 2 Z 6 und 7 BFA-VG). Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die Österreichische Werteordnung nicht achten würde, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

 

Gemessen an seiner etwa dreieinhalbjährigen Aufenthaltsdauer hat der Beschwerdeführer insgesamt betrachtet durch seine wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit zwar zu beachtende Integrationserfolge erzielt. Allerdings muss sich der Asylwerber nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfGH 12.06.2013, U485/2012; § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG). Demnach ist das Gewicht der Integrationserfolge des Beschwerdeführers erheblich gemindert. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukomme. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass eine kürzere Aufenthaltsdauer keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen kann und somit schon allein aufgrund des kürzeren Aufenthaltes von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen sei. Da es sich bei der Aufenthaltsdauer um einen von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstand handelt, ist die Annahme eines Automatismus, wonach ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer kürzeren Aufenthaltsdauer als fünf Jahren jedenfalls abzuweisen wäre, verfehlt (zuletzt VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191).

 

Der Beschwerdeführer ist im Herkunftsstaat geboren und aufgewachsen und hat fast sein gesamtes Leben bis zur Ausreise dort verbracht. Er betreibt in seinem Herkunftsstaat ein Unternehmen und ist finanziell abgesichert. Aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsmann ist davon auszugehen, dass er über ein großes soziales Netz in seinem Herkunftsstaat verfügt. Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der Beurteilung, inwieweit noch ein Bezug zum Herkunftsstaat besteht, auch die Sprachkenntnisse zu berücksichtigen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht. § 9 BFA-VG K46), wobei der Beschwerdeführer mit Paschtu und Farsi gleich zwei weit verbreitete Landessprachen seines Herkunftsstaates spricht. Unter dem Blickwinkel der Bindung zum Heimatsstaat ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes außerdem auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Bedacht zu nehmen (VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0083 mwN). Dazu wurde festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein Unternehmen im Herkunftsstaat betreibt und die Geschäfte nach wie vor sehr gut laufen. Der Beschwerdeführer hat daher jedenfalls eine Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat. Insgesamt geht das Bundesverwaltungsgericht daher davon aus, dass eine ausgeprägte Bindung des Beschwerdeführers zum Heimatstaat besteht. Außerdem vermögen Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland des Fremden dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr - letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188;§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG).

 

Die Dauer des Asylverfahrens des Beschwerdeführers mit etwas über drei Jahren übersteigt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist (VfGH 12.06.2013, U485/2012; § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG).

 

Fallbezogen ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zwar bereits seit etwa dreieinhalb Jahren in Österreich aufhältig ist. Dieser Aufenthalt gründet sich jedoch lediglich auf einen nicht berechtigten Asylantrag des Beschwerdeführers. Zwar hat dies nicht zur Konsequenz, dass der während des unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen sei (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325), der Beschwerdeführer hat jedoch keine maßgeblichen sozialen Kontakte in Österreich geknüpft und weist im Ergebnis nur ein typisches Privatleben auf, wie es im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. Führung eines Unternehmens entsteht. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass der Beschwerdeführer besondere Bemühungen in Hinblick auf die Gründung eines Unternehmens zeigte. Allerdings erfolgten die maßgeblichen Dispositionen in Hinblick auf die Unternehmensgründung (Erlangung einer Gewerbeberechtigung vom 01.03.2017, Abschluss des Mietvertrages vom 19.05.2017, Ansuchen um Genehmigung der Betriebsanlage im August 2017) nach Erlassung des abweisenden Bescheides, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthalts jedenfalls bewusst sein musste. Der Beschwerdeführer zeigte kein besonderes Bemühen bei der Erlangung von Deutschkenntnissen und legte keine einzige Deutschprüfung ab. Er verfügt auch über keine nennenswerten sozialen Kontakte im Bundesstaat. Insgesamt besteht keine derartige Verdichtung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, dass von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden kann und ihm daher allein deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191). Letztlich versuchte der Beschwerdeführer in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl dazu VwGH 21.02.2013, 2011/23/0617). Auch die ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Dolmetscher mag daran nichts zu ändern. So hat der VwGH im Fall eines Revisionswerbers, welcher zuletzt berufstätig war, Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 und eine fünfjährige Aufenthaltsdauer im Bundesstaat vorweisen konnte, sowie Mitglied beim Roten Kreuz ist, festgehalten, dass auch (ergänzende) Feststellungen zur Funktion als Dolmetscher für einen Verein keinen anderen (für den Revisionswerber positiven) Ausgang des Verfahrens begründen hätten können (vgl VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0062). Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte auf, seine Familie lebt in Pakistan. Der Beschwerdeführer hat bereits eindrucksvoll bewiesen, dass die Führung seiner Unternehmen in seinem Herkunftsstaat sowie in Dubai nicht seiner persönlichen Anwesenheit bedarf. So kann der Beschwerdeführer auch in Österreich einen Mitarbeiter mit der Leitung des Supermarktes betrauen. Es kann daher insgesamt keine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" angenommen werden (vgl. VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, einer feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung jedoch keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354).

 

Insgesamt lässt sich unter Berücksichtigung der Umstände des Falles bei einer gewichtenden Gegenüberstellung der eben beleuchteten vorhandenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich mit dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens - wobei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein großes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen besteht (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0062) - nicht sagen, dass der mit der Rückkehrentscheidung verbundene Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers unverhältnismäßig wäre.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt daher keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar und die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG nicht geboten.

 

4.3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 leg. cit. in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Für diese Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234, siehe insbesondere Rechtssatz 2).

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Soweit sich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG auf Sachverhalte bezieht, die zur Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz führen können, ist sie nur Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz (vgl. VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

 

Mit gegenständlicher Entscheidung wurde das Vorliegen von Sachverhalten, die zur Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz führen könnten und damit das Vorliegen eines der Bestimmung des § 50 Abs. 2 FPG entsprechenden Sachverhalts bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes iSd § 50 Abs. 1 FPG im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat bereits verneint.

 

Die Prüfung, ob im Fall der Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan Art. 2. oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. Zusatzprotokoll zur EMRK aus anderen Gründen verletzt würden (§ 50 Abs. 1 FPG), als jenen, die für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz in Betracht kommen (Vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106), wurde in Bezug auf die ins Auge gefasste Rückkehr des Beschwerdeführers nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif bereits im Zuge der Überprüfung der Zumutbarkeit Herats (Stadt) bzw. Mazar-e Sharifs als innerstaatliche Fluchtalternative abgehandelt, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden kann.

 

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

 

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

 

Damit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß abzuweisen.

 

4.4. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Frist für die freiwillige Ausreise)

 

Gegen die Rechtsrichtigkeit der mit Spruchpunkt IV. gesetzten zweiwöchigen Frist zur Ausreise gemäß § 55 Abs. 1, 2 und 3 FPG wurde weder auf der Tatsachenebene noch in rechtlicher Hinsicht ein näheres Vorbringen erstattet. Auch das Bundesverwaltungsgericht hegt keine dahingehenden Bedenken.

 

Auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher spruchgemäß abzuweisen.

 

4.5. Unzulässigkeit der Revision

 

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt in seiner rechtlichen Beurteilung einer asylrelevanten Verfolgung der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie ausschließlich beweiswürdigenden Erwägungen. Zur Frage, ob dem Beschwerdeführer in nunmehr unionsrechtskonformer Interpretation des § 8 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, hat sich das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls an der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientiert, so wie auch bei der Frage der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative, wo bezüglich möglicher Menschenrechtsverletzungen im ins Auge gefassten Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative eine Orientierung an der alten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG möglich war. Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw. der Abschiebung konnte das Bundesverwaltungsgericht seine rechtliche Beurteilung auf der umfassenden vorliegenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes aufbauen bzw. dem ohnedies klaren Gesetzeswortlaut folgen. Ansonsten waren beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich.

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