BVwG L524 2136861-1

BVwGL524 2136861-115.4.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:L524.2136861.1.00

 

Spruch:

L524 2136861-1/13E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch RA Mag. Nadja LORENZ, Burggasse 116/17-19, 1070 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2016, Zl. 1072625702-150632514/BMI-BFA_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2019, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 09.06.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei Moslem und Araber. Am 10.10.2014 sei er legal aus dem Irak ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er Probleme mit einer Gruppe (Milischiatelschia) habe, die schlimmer sei als die IS-Truppen. Er sei Sunnite und werde von den Schiiten vertrieben. Sonst habe er keine Fluchtgründe.

 

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 21.07.2015 gab der Beschwerdeführer an, dass er seine bisherigen Angaben aufrecht halte. Es sei alles korrekt abgelaufen. Er wisse aber nicht mehr, ob ihm die Erstbefragung rückübersetzt worden sei. Er habe aber die Wahrheit gesagt. Seine Mutter und seine Geschwister würden noch im Irak in ihrem Einfamilienhaus leben. Die Familie habe auch einen Bauernhof sowie einen Modeladen, in dem Kleidungsstücke verkauft würden. Der Beschwerdeführer sei Soldat beim irakischen Militär gewesen, habe zeitweise als Elektriker gearbeitet sowie auf dem Bauernhof seiner Eltern.

 

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass seine Einheit im Jahr 2014 nach Falludscha verlegt worden sei. An einem späten Nachmittag seien Milizen zu seiner Einheit gekommen, als der Beschwerdeführer von einem Kollegen mit seinem Familiennamen gerufen worden sei. Daraufhin hätten die Milizen erkannt, dass er Sunnit sei. Sie hätten ihm vorgeworfen, dass er ein Betrüger sei und ihn gefragt, weshalb er hier sei. Er habe zu erklären versucht, dass er gegen den IS kämpfe und schon lange beim Militär sei. Sie hätten ihn beschimpft, es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen und sie hätten ihn mitnehmen wollen. Der Kommandant (Offizier) habe die Auseinandersetzung unterbrochen und ihn geschützt. Noch am selben Abend habe ihm der Kommandant einen Passierschein ausgestellt, damit der Beschwerdeführer nach Hause fahren könne. Er habe sich dann ca. einen Monat zu Hause versteckt. Sein Kommandant habe ihm mitgeteilt, dass die Milizen ständig nach ihm suchten. Auch in den Modeladen seien sie zwei Mal gekommen und hätten ihn gesucht. Aus Angst, gefunden zu werden, habe er auf dem Bauernhof seiner Eltern geschlafen. Zwei Mal seien sie in der Nacht zum Elternhaus gekommen. Es seien vier Autos mit bewaffneten Personen gewesen. Er habe gewusst, dass die Sache sehr ernst sei und habe sich entschlossen, das Land zu verlassen. Sein Cousin, der Polizist sei, habe ihm einen Reisepass organisiert und ihn zum Flughafen gebracht.

 

3. Mit Bescheid des BFA vom 15.09.2016, Zl. 1072625702-150632514/BMI-BFA_SZB_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

 

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

 

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 09.04.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern. Zu den bereits mit der Ladung übermittelten Länderberichten wurde am 10.04.2019 eine Stellungnahme eingebracht.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte mit seinen Eltern und Geschwistern in XXXX in der Provinz Babil. Die Familie besitzt einen Bauernhof und Grundstücke in diesem Ort. In diesem Familienhaus leben noch die Mutter des Beschwerdeführers, sein älterer Bruder mit seiner Frau und seinen Kindern, sein jüngerer Bruder, zwei Schwestern und die zweite Ehefrau des Vaters des Beschwerdeführers. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits 2007 verstorben. Der Beschwerdeführer hat zwei weitere verheiratete Schwestern, die in XXXX , Provinz Babil, und in Bagdad leben. Zwei Onkel und fünf Tanten leben in XXXX . Zwei Onkel und drei Tanten leben in XXXX .

 

Die Familie betreibt weiterhin den Bauernhof. Der ältere Bruder des Beschwerdeführers arbeitet als Taxifahrer in XXXX . Die Familie erhält Geld vom Staat und die Mutter des Beschwerdeführers erhält die Rente des verstorbenen Vaters des Beschwerdeführers.

 

Der Beschwerdeführer besuchte insgesamt ca. zwölf Jahre die Schule. Er hat auf dem Bauernhof seiner Eltern gearbeitet, war gelegentlich als Elektriker tätig und war ab dem Jahr 2010 Soldat beim Militär. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer auch im Jahr 2014 noch dem Militär angehört hat. Seine Freizeit im Irak verbrachte der Beschwerdeführer mit seinen Freunden, mit denen er beispielsweise etwas trinken gegangen ist.

 

Der Beschwerdeführer verließ ca. im Oktober 2014 legal den Irak und reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 08.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er von schiitischen Milizen bedroht worden sei, weil er Sunnit sei, wird der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt.

 

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer besuchte einen Werte- und Orientierungskurs. Er hat das ÖSD-Zertifikat A1 am 10.07.2017 "bestanden" und das ÖSD-Zertifikat A2 am 22.12.2017 "bestanden". Für den Beschwerdeführer wurde eine Beschäftigungsbewilligung als Abräumer in der Zeit vom 22.11.2017 bis 15.05.2018 erteilt. Der Beschwerdeführer nahm diese Tätigkeit am 04.12.2017 auf. Für den Beschwerdeführer wurde erneut eine Beschäftigungsbewilligung als Abräumer in der Zeit vom 15.12.2018 bis 15.05.2019 erteilt. Der Beschwerdeführer nahm diese Tätigkeit im Dezember 2018 auf und legte diesbezüglich auch ein Arbeitszeugnis vor. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage als Bauhilfsarbeiter (auf Probe) vom 14.09.2017. Er ist seit 02.05.2017 bei Bedarf in einer Gemeinde im Rahmen der Gemeinnützigen Beschäftigung für Asylwerber tätig. Der Beschwerdeführer hat österreichische Freunde, mit denen er seine Freizeit verbringt. Der Beschwerdeführer verfügt auch über Empfehlungsschreiben.

 

Der Beschwerdeführer bezog bis Dezember 2018 Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

 

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

 

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Dora, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

 

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig, und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

 

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsversorgung, es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

 

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Kinder, die sich derzeit in der Schule befinden, werden ca. 10,1 Jahre Schulunterricht erhalten. Die durchschnittliche Schulzeit der derzeit über 25-Jährigen lag bei 6,6 Jahren. Mädchen hatten mit 9,7 Jahren eine niedrigere erwartete Schulzeit, verglichen mit Knaben mit 11,5 Jahren. Rund 80 Prozent der Iraker im Alter von über 15 Jahren sind gebildet. Gemeinschaften bauen Schulen wieder auf. Das US-Außenministerium berichtet, dass Tausende von Schulen in ehemals von IS betroffenen Gebieten wiedereröffnet wurden, aber Kindern von Binnenvertriebenen, insbesondere außerhalb von Lagern, weiterhin die Schulbildung verweigert wird. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund

1.300 USD pro Monat.

 

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber, und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

 

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status. Die Verfassung sieht eine Hohe Kommission für Menschenrechte vor.

 

Am 15. Januar 2018 griff der IS einen Markt im Zentrum von Bagdad an, wobei mindestens 38 Menschen getötet und 105 verletzt wurden. In der irakischen Region Kirkuk wurden 25 Menschen im Vorfeld der nationalen Wahlen vom IS getötet. Der IS behauptet, seit Dezember 2017 58 Angriffe in der Region durchgeführt zu haben. In der Region Kurdistan tötete der IS im Juni 2018 12 Mitglieder einer Familie. Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

 

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Sie garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabean-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

 

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Sunniten, einschließlich IDPs, berichten weiterhin, dass sie von PMF-Gruppen belästigt und beschuldigt werden, den IS zu unterstützen sowie körperlich verletzt werden. Sunniten berichten ein ähnliches Verhalten, wenn auch in geringerem Maße von der ISF in manchen Gebieten. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die von IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem moderaten Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt sind. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

 

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer-Dokument in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez-passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affais and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

 

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober schwankten die Zahlen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres 2018 gab es die wenigsten Vorfälle, die seit dem Rückzug des sog. IS jemals im Land verzeichnet wurden.

 

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

 

Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden.

 

In Babil gab es im Jänner 2018 den Höchststand der Vorfälle, nämlich

10. Im restlichen Jahr bewegte sich die Anzahl er Vorfälle zwischen 1 und 5, nur im Juni gab es 8. Fast alle Angriffe erfolgten im Nordosten, entlang der Grenze zu Anbar. Es gab durchschnittlich 4 Angriffe in der Provinz Babil. Verglichen mit den anderen Provinzen ist dies der geringste Wert. Beispielsweise gab es in Diyala rund 38 Angriffe. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

 

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

 

Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Im Dezember 2018 ordnete der neue Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi an, die mit Betonmauern geschützte Hochsicherheitszone im Zentrum der Stadt für einige Stunden am Tag zu öffnen. Seit 2003 war das Gebiet, in dem Ministerien und die US-Botschaft liegen, für normale Iraker praktisch unzugänglich. Die Mauern, die dort über viele Jahre hochgezogen wurden, werden langsam abgebaut. Deutschland hatte den Kampf gegen den IS im Irak vor allem mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Im Camp Tadschi nahe Bagdad bildet die deutsche Bundeswehr irakische Soldaten aus. Die deutsche Bundesregierung setzt jetzt verstärkt auf zivile Hilfe. Deutschland ist nach den USA das Land, das den Irak in den vergangenen vier Jahren am stärksten mit Hilfsgeldern für Entwicklung, Stabilisierung und Wiederaufbau unterstützt hat. Mehr als 1,5 Milliarden Euro wurden dafür bereitgestellt. Die Bundesregierung hofft darauf, dass ein stabiler Irak die Nahost-Region insgesamt beruhigen kann. (Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018)

 

Im Zeitraum Oktober 2018 bis Jänner 2019 wird von drei sicherheitsrelevanten Vorfällen mit Sunniten als Opfern berichtet. Ein Vorfall ereignete sich in Anbar, bei dem es sich um einen Anschlag auf den Anführer und neun Mitglieder einer sunnitischen Stammesmiliz in Anbar handelt. Bei einem weiteren Vorfall soll es sich angeblich um Mitglieder einer schiitischen Miliz handeln, die gegen das Opfer anti-sunnitische Beschimpfungen richteten. Es gab auch eine Explosion vor einer sunnitischen Moschee in einem südlichen Vorort von Basra, bei der keine Todesopfer gemeldet wurden. Die Explosion ereignete sich in der Stadt Zubayr, mit überwiegend sunnitisch-muslimischer Bevölkerung. (AB - Chronologische Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer, 31.01.2019)

 

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich und beträgt im Oktober 2018 nun 1.802.832 Personen (300.472 Familien). Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an und betrug im Dezember 2018

4.165.320 Personen (694.220 Familien). Die Gesamtzahl der 2018 registrierten Rückkehrer betrug 944.958 und jene der IDPs lag bei

150.222. Zum 15. Dezember 2018 kamen IDPs aus 51 Distrikten in acht Gouvernements: Anbar (8 Distrikte), Babylon (4 Distrikte), Bagdad (10 Distrikte), Erbil (1 Distrikt), Diyala (6 Distrikte), Kirkuk (4 Distrikte), Ninewa (9 Distrikte) and Salah al-Din (9 Distrikte). Nahezu alle Familien (95%, 3.960.636 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (71.910) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (132.774) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben 85 Prozent in drei Gouvernements: 43 Prozent sind in Ninewa (57.054), 23 Prozent sind in Salah al-Din (30.108) und 19 Prozent sind in Diyala (25.878). Die meisten Rückkehrer wurden in den Gouvernements Ninewa (1,6 Millionen), Anbar (1,3 Millionen), Salah ad-Din (590.000), Kirkuk (319.000), Diyala (223.000) und Bagdad (85.000) verzeichnet. (Displacement Tracking Matrix, Round 107, December 2018)

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und zu seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, den Verwaltungsakten. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellung zur Freizeitgestaltung im Irak ergibt sich ebenso aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellung, wie der Unterhalt der Familie im Irak bestritten wird, ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach die Familie den Bauernhof weiter betreibt, der Bruder arbeitet, die Familie Geld vom Staat erhält und die Mutter die Rente des verstorbenen Vaters bekommt.

 

Die Feststellungen betreffend die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs und die Ablegung von Deutschprüfungen ergeben sich aus den diesbezüglichen Bestätigungen. Die Feststellungen über die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für den Beschwerdeführer und die Aufnahme dieser Tätigkeiten ergeben sich aus den vorgelegten Bescheiden des AMS und Bestätigungen der Arbeitgeber. Die Feststellung über die Einstellungszusage und die Empfehlungsschreiben ergeben sich aus ebendiesen. Die Feststellung über die gemeinnützige Tätigkeit für eine Gemeinde ergibt sich aus einer Bestätigung vom 13.09.2017. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seine Freizeit mit österreichischen Freunden verbringt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

 

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung bis Dezember 2018 ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 12.04.2019.

 

Der Beschwerdeführer konnte im gesamten Verfahren schon keine übereinstimmenden Angaben zu seinem konkreten Schulbesuch machen, so dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers entstanden sind. In der Erstbefragung erklärte der Beschwerdeführer, dass er im Jahr 2004 die Schule abgeschlossen habe (Seite 1 des Protokolls der Erstbefragung). Demnach hätte der Beschwerdeführer zwölf Jahre die Schule besucht. In der Einvernahme vor dem BFA behauptete der Beschwerdeführer jedoch, er habe 15 Jahre die Schule besucht und zwar die Grundschule und das Gymnasium (Seite 5 des Protokolls). Schon diese Angaben hinsichtlich der Dauer des Schulbesuchs widersprechen einander, was nicht nachvollzogen werden kann. Auch die in der mündlichen Verhandlung getätigten Angaben des Beschwerdeführers zum Schulbesucht waren widersprüchlich und unplausibel. Hier behauptete er, zwölf Jahre die Schule besucht zu haben und den Schulbesuch im Jahr 2007 beendet zu haben. In diesem Jahr ist der Beschwerdeführer jedoch bereits 21 Jahre alt gewesen, so dass die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe die Schule erst in diesem Jahr beendet, nicht plausibel ist. Der Beschwerdeführer behauptete auch, dass er erst im Alter von 18 Jahren mit der Mittelschule begonnen habe, was nicht nachvollzogen werden kann (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). In diesem Zusammenhang ist auf die Länderfeststellungen zu verweisen, aus denen sich ergibt, dass Iraker die jetzt älter als 25 Jahre sind, durchschnittlich 6,6 Jahre Schulbildung aufweisen. Kinder, die derzeit die Schule besuchen erhalten ca. 10,1 Jahre Schulbildung. Männliche Iraker besuchen ca. 11,5 Jahre die Schule. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung des Beschwerdeführers vor dem BFA, er habe 15 Jahre die Schule besucht bzw. sei bis zum Alter von 21 Jahren in die Schule gegangen, nicht plausibel. Es erfolgte daher die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zwölf Jahre die Schule besucht hat, zumal er dies in der Erstbefragung und vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, mit den Länderfeststellungen in Einklang gebracht werden kann und der Beschwerdeführer nur vor dem BFA von 15 Jahren Schulbesuch sprach. Wann konkret der Beschwerdeführer die Schule besuchte, konnte jedoch wegen der widersprüchlichen Angaben nicht festgestellt werden.

 

Der Beschwerdeführer brachte vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass er von Mitgliedern einer schiitischen Miliz bedroht worden sei. Die näheren Angaben des Beschwerdeführers dazu waren jedoch teils widersprüchlich, teils unkonkret und allgemein gehalten, so dass ihm eine Glaubhaftmachung nicht gelungen ist:

 

So fällt im gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers auf, dass er hinsichtlich der von ihm genannten Vorfälle keinerlei konkrete Daten angeben konnte. Der Beschwerdeführer sprach vor dem BFA nur davon, dass seine Einheit im Jahr 2014 nach Falludscha verlegt worden sei. Wann dort die schiitische Miliz zu seiner Einheit gekommen sei, konnte er jedoch nicht angeben. Er sprach nur davon, dass es "an einem späten Nachmittag" gewesen sei (Seite 6 des Protokolls). Ebenso unkonkret äußerte sich der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch hier konnte er nicht einmal annähernd angeben, wann seine Einheit von Bagdad nach Falludscha verlegt worden sei, wie der folgende Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll (Seite 13) zeigt:

 

"R: Wann wurde ihre Einheit nach Falludscha verlegt?

 

BF: Als der IS kam waren wir zuerst im Bagdad, dann mussten wir nach Falludscha.

 

R: Wann genau war das?

 

BF: Das weiß ich nicht mehr genau."

 

Auch an welchem Tag sich der Vorfall mit der Miliz in Falludscha ereignet habe, konnte der Beschwerdeführer auf Nachfrage nicht angeben. Er erklärte: "Das genaue Datum weiß ich nicht, es war einen Monat bevor ich das Land verlassen habe." (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer konnte auch nicht angeben, wann die Miliz im Textilgeschäft gewesen sei und wann die Miliz zu seinem Elternhaus gekommen sei. Dem Beschwerdeführer war es in seinem gesamten Vorbringen nur möglich, zwei konkrete Daten anzugeben. Einerseits nannte er den Tag seiner Ausreise aus dem Irak, den 10.10.2014, und andererseits jenen Tag, an dem er beim Militär zu arbeiten begonnen habe, den 01.09.2010. Dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war anzugeben, wann sich jener Vorfall ereignet habe, der ihn schließlich zur Ausreise aus dem Irak veranlasst habe, kann nicht im Geringsten nachvollzogen werden, zumal es sich offenbar um ein derart gravierendes Ereignis gehandelt haben muss, aufgrund dessen er sich nicht mehr vorstellen konnte, im Irak zu leben. Dieses Unvermögen des Beschwerdeführers, das ausreisekausale Geschehen zu datieren, spricht dafür, dass der behauptete Vorfall gar nicht stattgefunden hat, weshalb er auch kein konkretes Datum nennen konnte. Wenn der Beschwerdeführer dagegen jenen Tag, an dem er den Irak tatsächlich verlassen hat, konkret datieren kann, spricht dies eher dafür, dass an diesem Tag ein im Leben des Beschwerdeführers einschneidendes Erlebnis passiert ist, nämlich die Ausreise, es davor aber zu keinen gravierenden Vorfällen, insbesondere nicht zu dem vom Beschwerdeführer behaupteten Vorfall gekommen ist. Für diese Ansicht spricht auch, dass der Beschwerdeführer, um den Vorfall mit der Miliz zeitlich eingrenzen zu können, von seiner Ausreise aus dem Irak rückrechnen muss: "einen Monat bevor ich das Land verlassen habe". Wäre das behauptete Geschehen mit der Miliz tatsächlich passiert, müsste der Beschwerdeführer dies konkret angeben können. Es ist daher schon aus diesem Grund nicht glaubhaft, dass dieser Vorfall stattgefunden hat.

 

Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer genannten Tages, an dem er beim Militär zu arbeiten begonnen habe, ist darauf hinzuweisen, dass das vom Beschwerdeführer genannte Datum mit dem von ihm vorgelegten Militärausweis nicht in Einklang gebracht werden kann. Der Beschwerdeführer behauptet, dass er am 01.09.2010 als Soldat begonnen habe (Seite 5 des Protokolls der Einvernahme vor dem BFA und Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Der von ihm vorgelegte Militärausweis trägt jedoch das Ausstellungsdatum 09.12.2010 (AS 45). Damit konfrontiert meinte der Beschwerdeführer, dass an dem Tag, an dem man zu arbeiten beginne, die Ausweise nicht ausgestellt würden, weil man noch eine Probezeit habe. Die Offiziere würden entscheiden, wann die Ausweise ausgestellt würden (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Dass das Militär ihren Angehörigen, auch wenn diese sich in einer Probezeit befinden, keine Ausweise ausstellt, erscheint jedoch nicht plausibel.

 

Dem Beschwerdeführer war es auch nicht möglich, korrekte und vollständige Angaben dahingehend zu machen, welche Informationen sich auf einem Militärausweis befinden. So gab er an, dass der Name, die Soldatennummer, der Rang, das Ausstellungsdatum und das Ablaufdatum bis zum nächsten Rang darauf vermerkt seien (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auf dem Militärausweis ist jedoch auch die Blutgruppe des Soldaten angeführt, was der Beschwerdeführer nicht angab (AS 47). Dem Beschwerdeführer war es zudem nicht möglich, seine Soldatennummer zu nennen. Er erklärte, dass er sich nicht erinnern könne. Als der Beschwerdeführer nach seiner Blutgruppe gefragt wurde, wurde im offenbar bewusst, dass auch diese Information auf dem Militärausweis angeführt ist, da er nun behauptete, die Blutgruppe sei zwar eingetragen worden, diese sei zuvor aber nicht getestet worden (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Insgesamt erscheint es, auf Grund der Unkenntnis des Beschwerdeführers zum Militärausweis, zweifelhaft, ob der Beschwerdeführer tatsächlich beim Militär war.

 

Zudem ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte, er habe zu den Leuten der Miliz gesagt, er sei schon seit drei Jahren bei dieser Einheit des Militärs (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Da sich der Vorfall etwa einen Monat vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Irak im Oktober 2014 ereignet habe und der Beschwerdeführer immer in derselben Einheit gewesen wäre, ergebe dies somit, dass der Beschwerdeführer erst seit ca. September 2011 beim Militär sei. Dies ist wiederum mit dem Militärausweis und den zuvor gemachten Angaben, dass er seit 01.09.2010 beim Militär sei, nicht vereinbar.

 

Auf Grund dieser aufgezeigten Umstände sind erhebliche Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit seiner behaupteten Zugehörigkeit zum Militär entstanden. Der Beschwerdeführer behauptete auch, sein letzter Arbeitstag im Irak sei beim Militär in Falludscha gewesen. Er konnte jedoch nicht angeben, wann konkret sein letzter Arbeitstag gewesen sei. Er meinte dazu nur völlig vage, dass dies einen Monat vor der Ausreise aus dem Irak gewesen sei (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer konnte auch nicht angeben, wie lange seine Einheit in Falludscha gewesen sei. Er meinte dazu Folgendes: "Sicher bin ich mir nicht, aber ca. 7 Monate. Vom Einmarsch des IS bis zu diesem Vorfall." (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls). Dies müsste somit ca. Februar 2014 gewesen sein. Es mag zwar zutreffen, dass der Beschwerdeführer im Dezember 2010 dem Militär beigetreten ist, da er aber nicht angeben konnte, wann er nach Falludscha verlegt worden sei und wie lange seine Einheit dort gewesen sei, sowie seinen letzten Arbeitstag beim Militär nicht konkretisieren konnte, ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer zu jenem Zeitpunkt, als die Einheit nach Falludscha worden sei, noch dem Militär angehört habe. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Einheit des Beschwerdeführers ca. im Februar 2014 nach Falludscha verlegt worden sei, konnte somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2014 dem Militär angehört hat.

 

Am Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund fällt auf, dass seine Angaben im Rahmen der freien Schilderung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Vergleich zu seinen Angaben im Rahmen der freien Schilderung vor dem BFA wesentlich ausführlicher und detaillierter waren. Dies kann insofern nicht nachvollzogen werden, als der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht Ereignisse schilderte, die sich vor ca. viereinhalb bis fünf Jahren ereignet haben, wohingegen diese Ereignisse zur Zeit der Einvernahme vor dem BFA im Juli 2015 noch nicht einmal ein Jahr her gewesen wären. Es hätten daher seine Angaben vor dem BFA wesentlich ausführlicher sein müssen als jene vor dem Bundesverwaltungsgericht, zumal es der Lebenserfahrung entspricht, dass die Erinnerung an Ereignisse im Laufe der Zeit verblasst. Da jedoch in den Schilderungen des Beschwerdeführers gerade das Gegenteil der Fall ist und die Schilderungen im Verlauf des Verfahrens ausführlicher und detaillierter werden, ist es nicht glaubhaft, dass das vom Beschwerdeführer Geschilderte tatsächlich passiert ist.

 

Beispielsweise gab der Beschwerdeführer vor dem BFA an, dass an einem späten Nachmittag die Milizen zu seiner Einheit gekommen seien. Ein Kollege habe ihn mit seinem Familiennamen gerufen und so haben die Milizen erfahren, dass ein Sunnit sei (Seite 6 des Protokolls). Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er konkret an, wie viele Personen der Miliz zu seiner Einheit gekommen seien, nämlich drei, und er habe an ihrer Uniform und dem Vollbart erkannt, dass sie einer Miliz angehören würden. Außerdem hätten sie im Dialekt mit ihm gesprochen und ihn mit "du" angesprochen. (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). All diese zuletzt genannten Details brachte der Beschwerdeführer von sich aus vor. Damit ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich detailliertere Angaben machte als noch vor dem BFA. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer diese Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht erst auf Nachfrage tätigte, sondern von sich aus dies schon derart konkret schilderte, was der Beschwerdeführer vor dem BFA jedoch nicht tat. Dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht mehr Details schildern kann als vor dem BFA ist auf Grund der inzwischen verstrichenen Zeit - wie oben ausgeführt - nicht nachvollziehbar.

 

Vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete der Beschwerdeführer auch, dass diese Miliz, die Asaib Ahl al-Haqq, auch in der Kaserne und zwar in einem Nebengebäude übernachtet habe (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Auch dieses Detail behauptete der Beschwerdeführer vor dem BFA noch nicht. Selbst in der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer dies noch nicht vor, sondern sprach dort vielmehr nur davon, dass die Miliz mit der Einheit "in Kontakt" gewesen sei (AS 182). Indem die Miliz mit seiner Einheit in Kontakt gewesen sei, habe sie erfahren, dass er als Sunnit in einer schiitisch dominierten Armee im Einsatz gewesen sei, wird in der Beschwerde weiter ausgeführt. In der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer aber konkret an, die Miliz habe erfahren, dass er ein Sunnit sei, weil ihn ein Kollege bei seinem Familiennamen gerufen habe. Von dem in der Beschwerde erstatteten Vorbringen war hier keine Rede. Die Ausführungen in der Beschwerde widersprechen somit den Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht, was das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen lässt.

 

In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer auch vor, dass die Männer der Miliz vor dem von ihm geschilderten Vorfall mit dem Oberstleutnant bzw. Offizier auch beisammengesessen seien (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Auch das behauptete der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA noch nicht. Diese Steigerung des Vorbringens des Beschwerdeführers spricht gegen eine Glaubwürdigkeit seiner Angaben. Zudem gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass die Männer der Miliz versucht hätten, ihn mitzunehmen, was er verweigert habe (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Zwar sprach der Beschwerdeführer auch vor dem BFA davon, dass sie ihn hätten mitnehmen wollen, doch gab er dort noch nicht an, dass er dies verweigert habe. Diese unterschiedliche Darstellung der Ereignisse spricht ebenso gegen einen Wahrheitsgehalt des Behaupteten.

 

Zu dem Vorfall mit der Miliz gab der Beschwerdeführer vor dem BFA an, dass die Leute der Miliz ihm vorgeworfen hätten, ein Betrüger zu sein (Seite 6 des Protokolls). Dies gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr an. Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer auch an, dass es mit den Leuten der Miliz zu einer Auseinandersetzung gekommen sei und diese Auseinandersetzung vom Offizier bzw. Oberstleutnant unterbrochen worden sei (Seiten 6 und 7 des Protokolls). Dass es sich hierbei um eine körperliche Auseinandersetzung gehandelt habe, geht aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem BFA nicht hervor. In der mündlichen Verhandlung behauptete der Beschwerdeführer aber, dass es zu Handgreiflichkeiten mit den Männern der Miliz gekommen sei (Seiten 12 und 14 des Verhandlungsprotokolls). Diese Unterschiede im Vorbringen lassen dasselbe nicht glaubhaft erscheinen.

 

Auffällig im Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch, dass er die drei Männer der Miliz über entsprechende Aufforderung nicht näher beschreiben konnte. Seine Ausführungen waren sehr allgemein gehalten und unkonkret. Er gab Folgendes an: "Sie trugen dunkelgrüne Uniform. Sie hatten eine dunkelbraune Hautfarbe. Vollbart in schwarz. Sie hatten einen beigen Hut auf." (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer nannte keinerlei besonderes Details zu den Männern oder besondere Auffälligkeiten, sondern machte nur sehr allgemeine Angaben. Es ist daher nicht glaubhaft, dass sich dieser Vorfall mit den Männern ereignet hat. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer angab, dass die Personen der Miliz auch zu seinem Bruder in das Textilgeschäft gekommen seien. Der Beschwerdeführer habe seinen Bruder auch aufgefordert, ihm diese Personen zu beschreiben. Auf Grund der Beschreibung seines Bruders habe er diese Personen aber nicht gekannt (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Auf Nachfrage, wie sein Bruder die Männer beschrieben habe, gab der Beschwerdeführer folgende Antwort: "Sie haben einen Vollbart. Sie trugen normales Gewand, keine Uniform. Ich fragte meinen Bruder, ob er diese Personen schon einmal gesehen hat, er sagte nein. Ich vermute, dass sie vom Südirak waren, wegen ihrer Hautfarbe." (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Ein Vergleich der beiden Beschreibungen zeigt, dass diese ähnlich nichtssagend sind. Wie der Beschwerdeführer anhand dieser äußerst allgemein gehaltenen und detaillosen Beschreibungen zu dem Schluss gekommen sein will, dass er die Personen nicht kennen würde, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht.

 

Der Beschwerdeführer behauptete vor dem Bundesverwaltungsgericht auch, dass er in dem Monat, in dem er zu Hause gewesen sei, mit seinem Oberstleutnant in Kontakt gestanden sei. Auf die Nachfrage, wie oft er in diesem Monat beim Oberstleutnant nachgefragt habe, ob er noch zu Hause bleiben solle, konnte er jedoch keine konkreten Angaben machen. Er gab folgende Antwort: "Ca. Jeden dritten Tag, aber nicht immer. Manchmal auch jeden vierten Tag oder auch schon nach dem zweiten Tag." (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer konnte auch nicht genau angeben, wie oft die Miliz nach ihm bei der Einheit gesucht habe. Auch hier war seine Antwort wiederum sehr unkonkret, er meinte, die Miliz sei "immer wieder" zur Einheit gekommen und habe nach ihm gesucht (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese vagen Angaben sprechen nicht dafür, dass sich das vom Beschwerdeführer Behauptete tatsächlich geeignet hat.

 

Im Rahmen der freien Schilderung seines Fluchtgrundes brachte der Beschwerdeführer auch vor, dass die Miliz in das Textilgeschäft gekommen sei. Sie hätten bei seinem Bruder nach ihm gefragt. Dieser habe ihnen gesagt, dass der Beschwerdeführer nicht da sei und er auch nicht wüsste, wo er sich befinde (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Diese Schilderungen legen den Schluss nahe, dass die Miliz einmal im Textilgeschäft gewesen sei. Auf die Nachfrage, ob die Leute der Miliz einmal oder öfter im Geschäft gewesen seien, konnte der Beschwerdeführer erneut keine konkreten Angaben machen, sondern meinte wiederum nur, er "glaube", dass es zweimal gewesen sei (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Auf die Nachfrage, wann das zweite Mal gewesen sei, brachte der Beschwerdeführer vor, "ein paar Tage" nachdem er mit dem Oberstleutnant gesprochen habe, seien sie in das Geschäft gekommen und dann in derselben Woche noch einmal (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Diesbezüglich ist auf zweierlei hinzuweisen. Einerseits gab der Beschwerdeführer an, dass die Leute der Miliz zweimal in derselben Woche in das Textilgeschäft gekommen seien. Er hätte somit auf die Frage, ob die Leute "einmal oder öfter" im Geschäft gewesen seien, nicht bloß eine Vermutung anstellen ("ich glaube"), sondern mit Sicherheit angeben können müssen, dass sie zweimal dort gewesen wären. Andererseits zeigt sich auch hier erneut, dass der Beschwerdeführer nicht konkret angeben konnte, wann die Leute im Textilgeschäft gewesen wären. Er sprach nämlich nur davon, dass es "ein paar Tage" nach seinem Telefonat mit dem Oberstleutnant gewesen sei. Auch dies spricht nicht dafür, dass sich dieser Vorfall tatsächlich ereignet hat.

 

Ähnlich verhält es sich mit den Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Vorkommnissen bei seinem Elternhaus, weshalb auch diesbezüglich dem Beschwerdeführer eine Glaubhaftmachung nicht gelungen ist. Auch hier konnte er wieder nicht konkret angeben, wann die Miliz im Elternhaus gewesen sei. Auf die dementsprechende Frage gab der Beschwerdeführer folgende Antwort: "Genau weiß ich es nicht. Nach dem letzten Besuch im Geschäft, ca. 2 bis 3 Tage danach waren sie im Familienhaus." (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls). Er konnte auch vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht nicht übereinstimmend angeben, wann die Miliz zum Elternhaus gekommen sei. Vor dem BFA gab er nämlich an, dass sie zweimal in der Nacht gekommen seien (Seite 7 des Protokolls). Zwar gab er auch vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass sie zweimal gekommen seien, doch behauptete er hier, einmal sei es zu Mittag gewesen und das andere Mal bei Sonnenaufgang (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls). Schon diese widersprüchlichen und unkonkreten Angaben sprechen nicht dafür, dass diese Vorfälle tatsächlich passiert sind.

 

Darüber hinaus machte der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht widersprüchliche Angaben. Zunächst behauptete der Beschwerdeführer nämlich, dass die Leute der Miliz in derselben Woche, als sie im Geschäft waren, auch zu ihm nach Hause gekommen seien und nach ihm gefragt hätten (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Dem widersprechen seine nachfolgenden Ausführungen. Er behauptete nämlich später, dass sie in derselben Woche zwei Mal im Geschäft gewesen seien, ob sie aber in derselben Woche auch bei ihm zu Hause gewesen wären, wisse er nicht mehr (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Damit war es dem Beschwerdeführer nicht möglich, in der mündlichen Verhandlung selbst widerspruchsfreie Angaben zu machen, weshalb auch aus diesem Grund nicht glaubhaft ist, dass sich die behaupteten Vorfälle tatsächlich ereignet haben.

 

Darüber hinaus waren die Angaben zu diesen Vorfällen vor dem Bundesverwaltungsgericht wiederum ausführlicher und konkreter als noch vor dem BFA, was ebenso gegen eine Glaubhaftmachung spricht, zumal es sich genau andersherum verhalten müsste, wie bereits weiter oben ausgeführt. Vor dem BFA gab er nur an, dass die Leute in vier Autos gekommen seien, sie bewaffnet gewesen seien, einen Milizenanzug getragen hätten und keine Ausweise vorgezeigt hätten (Seite 7 des Protokolls). Vor dem Bundesverwaltungsgericht waren die Angaben des Beschwerdeführers hierzu wesentlich ausführlicher. Er gab konkret an, dass es sich um Autos der Marke Pick-up gehandelt habe, ein Teil der Personen Auto geblieben sei, ein Teil sei ausgestiegen. Ein paar Leute hätten rund um das Haus geschaut und ein paar seien in das Haus gegangen. Wiederum andere seien bei der Straße stehen geblieben und hätten die Wege abgesperrt. Seine Mutter habe ihm im Nachhinein erzählt, dass sie nach ihm gefragt und behauptet hätten, sie wären von Polizei und würden den Beschwerdeführer suchen. Sie hätten der Mutter keine Auskunft gegeben und keinen Ausweis vorgezeigt. Sie hätten das Haus innen und außen durchsucht und auch auf der Dachterrasse des Hauses gesucht (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers, nämlich das Vorbringen auszuschmücken, spricht nicht dafür, dass sich das alles auch tatsächlich ereignet hat.

 

Der Beschwerdeführer gab vor dem BFA an, dass er sich nach dem Vorfall in seiner Einheit einen Monat zu Hause versteckt habe. Er habe auf dem Bauernhof seiner Eltern geschlafen (Seite 7 des Protokolls). In der Beschwerde wird vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer im Bauernhaus seiner Eltern aufgehalten habe (AS 182). In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde auf die Frage, ob der Beschwerdeführer bei der Polizei und beim BFA richtige Angaben gemacht habe, angegeben, dass es im Protokoll des BFA einen Fehler gebe. Es stehe geschrieben, dass er am Bauernhof der Eltern geschlafen habe, tatsächlich hätte er aber am Feld geschlafen und nicht im Haus (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer nach der Einvernahme vor dem BFA das Protokoll rückübersetzt wurde und er angab, dass alles richtig protokolliert worden sei (Seite 12 des Protokolls). Wäre es daher tatsächlich zu dem erst in der mündlichen Verhandlung behaupteten Fehler gekommen, so hätte der Beschwerdeführer bereits bei der Einvernahme vor dem BFA darauf hinweisen müssen, was er aber nicht getan hat. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bereits seit Erhebung der Beschwerde von derselben Rechtsvertreterin vertreten wird. Er hätte somit auch bereits in seiner Beschwerde auf den behaupteten Fehler hinweisen können, hat dies dort jedoch nicht getan, sondern vielmehr behauptet er habe sich im Bauernhaus seiner Eltern aufgehalten. Dass der Beschwerdeführer einige Zeit auf dem Feld verbracht habe, wird in der Beschwerde mit keinem Wort erwähnt. Die Ausführungen in der Beschwerde widersprechen daher eklatant den Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht. Mit der Behauptung, es gebe einen Fehler im Protokoll, wird offensichtlich versucht, die unplausiblen Angaben des Beschwerdeführers, nämlich, dass ihn die Miliz im Elternhaus gesucht habe, ihn dort aber nicht gefunden habe, obwohl er sich dort aufgehalten habe, auszuräumen. Dieser Erklärungsversuch überzeugt jedoch nicht im Geringsten.

 

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er im Wald geschlafen habe, ist noch darauf hinzuweisen, dass er auch diesbezüglich keine konkreten Angaben machen konnte. Sogar auf die Frage, wie lange er im Freien geschlafen habe, gab er an, dass er das nicht genau wisse. Seit dem ersten Besuch im Textilgeschäft hätte er "gewusst", dass sie auch zum Familienhaus kommen würden. Da hätte er sich dann im Wald versteckt. Dennoch konnte der Beschwerdeführer auf die Nachfrage nicht angeben, wie lange er im Wald gewesen sei. Schließlich konnte der Beschwerdeführer auch nicht plausibel angeben, was er den ganzen Tag im Wald gemacht habe. Er meinte hierzu nur, er hätte "gar nichts" gemacht. Er sei nur im Wald gewesen. Er habe nicht ins Haus gehen können, dass Essen sei ihm von zu Hause gebraucht worden und gewaschen habe er sich im Teich. Es bleibt trotz dieser Ausführungen völlig im Unklaren, was der Beschwerdeführer tatsächlich den ganzen Tag gemacht hat (Seite 19 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Unvermögen des Beschwerdeführers, plausibel darzulegen, wie er die Zeit im Wald verbracht hat, lässt es nicht glaubhaft erscheinen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich einige Zeit im Wald verbracht hat.

 

Der Beschwerdeführer behauptet, dass die Miliz erfahren habe, dass er ein Sunnit sei und sie in deswegen suchen würde. Auf die konkrete Frage in der mündlichen Verhandlung, weshalb in die Miliz suche, gab der Beschwerdeführer aber eine Antwort, die nichts mit seiner Religionszugehörigkeit zu tun hat (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls):

 

"R: Warum hat die Miliz Sie gesucht? Was wollte sie von Ihnen?

 

BF: Weil sie die Sache persönlich genommen haben. Sie haben meine Mutter beleidigt. Ich war handgreiflich, ich habe einen geschlagen vor dem Oberstleutnant. Sie respektieren das nicht. Sie sehen das Militär als ihr Eigentum. Ich finde aber, dass die Miliz genauso schlecht ist wie der IS."

 

Diese Antwort erweckte nicht den Eindruck, dass die Miliz den Beschwerdeführer wegen seiner Religionszugehörigkeit suchen würde. Damit wurde der Beschwerdeführer auch konfrontiert (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls):

 

"R: Dass Sie von der Miliz gesucht wurden, hat gar nichts mehr damit zu tun, dass Sie Sunnite sind, sondern, weil sie sich geschlagen haben?

 

BF: Sie haben angefangen, mich zu beleidigen. Ich wurde dann auch handgreiflich, weil sie mich provozierten. Sie suchten mich auch, weil ich Sunnite bin, das ist der erste Grund. Viele Sunniten, die in diesem Militär waren, wurden von den Milizen getötet."

 

Anhand dieses Auszugs aus dem Verhandlungsprotokoll zeigt sich, dass der Beschwerdeführer in erster Linie vorbringt, dass die Miliz in deswegen suche, weil er sich mit ihnen geschlagen habe und sie die Sache persönlich nehmen würden. Auch auf die zweite an ihn gestellte Frage, ob dies alles nichts mit seiner Religion zu tun habe, brachte er zunächst die Handgreiflichkeiten vor. Der Beschwerdeführer konnte den gewonnenen Eindruck, dass die Suche nach ihm nichts mit seiner Religion zu tun hat, auch mit der Antwort auf die zweite Frage nicht ausräumen.

 

Aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers ergab sich nicht, welche konkreten Befürchtungen er vor der Miliz hatte, und zwar weder vor dem BFA noch vor dem Bundesverwaltungsgericht. Insbesondere brachte er nicht vor, er hätte Angst, von ihnen getötet zu werden. Der Beschwerdeführer musste dazu erst konkret befragt werden (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls):

 

"R: Hatten Sie Angst getötet zu werden?

 

BF: Ich war mir sicher, dass ich getötet werde. Wenn diese Personen jemanden wollen, dann werden sie es so lange machen, bis sie die Person haben.

 

R: Warum hatten Sie Angst getötet zu werden, wenn Sie bisher noch nicht geschildert haben, dass Sie mit dem Umbringen bedroht werden?

 

BF: Wenn sie mich erwischt hätten, dann würde ich ab diesem Tag ein Vermisster sein. Bei normalen Bürgern gehen sie einfach ins Haus, nehmen den Vater oder Bruder mit. Wenn sie jemanden suchen, dann werden sie ihn finden. Ein Sunnite wird es nicht überleben."

 

Anhand seiner Antworten zeigt sich, dass der Beschwerdeführer bloß vermutet, er könnte getötet werden. Daher ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer mit dem Umbringen bedroht wäre.

 

Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer auch nicht plausibel darlegen, weshalb er eine Bedrohung zu befürchten habe, zumal auch seine sämtlichen Familienangehörigen Sunniten sind. Die Ausführungen des Beschwerdeführers hierzu gestalteten sich in der mündlichen Verhandlung wie folgt (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls):

 

"R: Ist Ihre Familie bedroht worden?

 

BF: Nein. Sie waren aber unfreundlich und respektlos, als sie ins Elternhaus kamen.

 

R: Ihre Familie sind auch Sunniten. Warum wurden diese dann nicht bedroht?

 

BF: Mein Familienhaus ist in einem sunnitischen Dorf.

 

R: Warum wurde Ihre Familie nicht bedroht, obwohl sie auch Sunniten sind und Sie als Sunnite schon?

 

BF: Weil die Miliz den Vorfall persönlich genommen haben."

 

Anhand der Antwort des Beschwerdeführers auf die letzte Frage wird nun offenkundig, dass ihn die Miliz nicht wegen seiner Religionszugehörigkeit sucht. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Religionszugehörigkeit bedroht oder gesucht werden soll.

 

Auch hinsichtlich der Beschaffung eines Reisepasses für die Ausreise äußerte sich der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht anders als noch vor dem BFA. Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer an, dass ihm sein Cousin einen Reisepass organisiert habe (Seite 7 des Protokolls). Vor dem Bundesverwaltungsgericht sprach er zwar davon, dass er mithilfe seines Cousins sich einen Reisepass habe ausstellen lassen, doch gab er dann an, dass er mit seinem Cousin nach XXXX zur Staatsbürgerschaftsdirektion gefahren sei und dort selbst einen Reisepass beantragt habe. Der Beschwerdeführer habe dann auch mit seinem Cousin den Reisepass abgeholt (Seite 17 des Protokolls). Es kann daher keine Rede davon sein, dass der Cousin den Reisepass organisiert habe. Auch diese unterschiedlichen Angaben sprechen gegen einen Wahrheitsgehalt des von ihm Behaupteten.

 

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht plausibel erklären, weshalb er in der Zeit, in der er auf die Ausstellung des Reisepasses gewartet habe, nicht etwa bei seiner Schwester in XXXX geblieben sei, sondern zum Bauernhof der Eltern zurückgekehrt sei und dort im Wald gewartet habe, obwohl dort die Miliz bereits zwei Mal nach ihm gesucht habe. Er meinte dazu nur, für ihn sei der Wald der sicherste Ort gewesen (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls). Dies ist insofern nicht nachvollziehbar, als die Miliz bereits zweimal beim Elternhaus gesucht habe, der Beschwerdeführer aber keinen Vorfall geschildert hat, bei dem etwa bei seiner Schwester in XXXX gesucht worden wäre.

 

Auf Grund der insgesamt aufgezeigten Widersprüche zu seinem zentralen Fluchtvorbringen und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers und seines Aussageverhaltens, geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

 

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

 

* Fact Sheet Irak Nr. 70

 

* UK Home Office, Iraq: Internal relocation, Oktober 2018

 

* DTM Round 107, Dezember 2018

 

* ACCORD: Irak, 3. Quartal 2018, Kurzübersicht ACLED; 20.12.2018

 

* Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 9.10.2018

 

* Der Standard: Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018

 

* Musings on Iraq, 15.01.2019

 

* UN Casualty Figures for Irak for the Month of December 2018, 03.01.2019

 

* Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, 17.12.2018

 

* AB - Chronologische Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer, 31.01.2019

 

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. In der Stellungnahme wird zur Anfragebeantwortung vom 31.01.2019 vorgebracht, dass es weiterhin Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten gebe. Das Vorbringen in der Stellungnahme, Sunniten stünden quasi unter Generalverdacht, mit dem IS in Verbindung zu stehen, kann der Anfragebeantwortung allerdings nicht entnommen werden. Im Übrigen wird in der Stellungnahme auszugsweise aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zitiert. Mit diesen Ausführungen wird den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen jedoch nicht substantiiert entgegengetreten, da es diesen an der notwendigen Aktualität fehlt. Die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Berichte sind aktueller, weshalb diese der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt wurden.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

 

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0047 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

 

Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 unter Hinweis auf VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohl begründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 24.03.2011, 2008/23/1101 unter Hinweis auf VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; mwN).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119 unter Hinweis auf VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN).

 

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe, wonach er von schiitischen Milizen bedroht worden sei, weil er Sunnit sei, nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

 

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

 

Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).

 

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

 

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht. Dass im Irak eine generelle und systematische Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak nicht abgeleitet werden.

 

Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069). Die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zitierten Auszüge aus verschiedenen Berichten zum Irak genügen vor dem Hintergrund der mangelnden Glaubhaftmachung des individuellen Vorbringens daher nicht, um eine maßgeblich wahrscheinliche Verfolgung des Beschwerdeführers annehmen zu können.

 

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme einzelne Passagen aus verschiedenen Berichten zitiert, wonach Sunniten unter Generalverdacht stünden, mit dem IS in Verbindung zu stehen, ist festzuhalten, dass es nicht genügt, Verfolgungssituationen aufzuzeigen, die in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069). Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen sein individuelles Vorbringen glaubhaft zu machen. Das Zitieren von Berichten vermag die fehlende Glaubhaftmachung des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht zu ersetzen.

 

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0798, 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529, 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu verneinen wäre.

 

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

2. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Mit dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP , 5) ausdrücklich angeführt wird - die Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004), insbesondere mit dem neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" deren gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP , 30f) umsetzen (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

 

Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen ist, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK" bedeuten würde, ist dagegen (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.

 

Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.

 

Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden (vgl. etwa VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, mwN).

 

Es ist dem nationalen Gesetzgeber - auch unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen.

 

Der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, bedeutet nicht, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.

 

Es widerspricht der Statusrichtlinie und es ist unionsrechtlich unzulässig, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind.

 

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK (vgl. dazu ausführlich VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

 

Als ernsthafter Schaden gilt nach Art. 15 der Statusrichtlinie:

 

a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

 

b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

 

c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

 

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

 

Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.

 

Der Beschwerdeführer ist nicht durch die Todesstrafe bedroht.

 

Dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

 

Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen und er gehört auch keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

 

Der Beschwerdeführer stammt aus Babil. Betreffend die Sicherheitslage im Irak ist mit Blick auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers zunächst auf die Länderfeststellungen in gegenständlichem Erkenntnis zu verweisen, denen zufolge im Irak die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurückging. In Babil gab es im Jänner 2018 den Höchststand der Vorfälle, nämlich 10. Im restlichen Jahr bewegte sich die Anzahl er Vorfälle zwischen 1 und 5, nur im Juni gab es 8. Fast alle Angriffe erfolgten im Nordosten, entlang der Grenze zu Anbar. Es gab durchschnittlich 4 Angriffe in der Provinz Babil. Verglichen mit den anderen Provinzen ist dies der geringste Wert. Beispielsweise gab es in Diyala rund 38 Angriffe. Ein bewaffneter Konflikt iSd Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie besteht in dieser Region nicht.

 

Es erscheint daher eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers insgesamt auch zumutbar. Für die hier zu erstellende Gefahrenprognose ist zunächst zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise aus dem Irak möglich war, offenbar ohne größere Probleme in Babil zu leben, dort zu arbeiten und Freizeitaktivitäten nachzugehen. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei welchem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer verfügt darüber hinaus über zwölf Jahre Schulbildung und lebte mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in einem eigenen Haus.

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden.

 

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

3. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheids):

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Es liegen keine Umstände vor, dass dem Beschwerdeführer allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich auch nichts dargetan.

 

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak und somit kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher war gegenständlich gemäß § 52 Abs. 2 FPG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung vorgesehen.

 

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Unter der Schwelle des § 50 FPG kommt den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 unter Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

Bei der Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101) auch ein Vorbringen zu berücksichtigen, es werde eine durch die Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Fremden, insbesondere die deutliche Verschlimmerung psychischer Probleme, eintreten (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0132; 28.03.2006, 2004/21/0191; zur gebotenen Bedachtnahme auf die durch eine Trennung von Familienangehörigen bewirkten gesundheitlichen Folgen VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093). Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG 2014 (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).

 

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und führt keine Lebensgemeinschaft in Österreich. Ein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet im oben dargestellten Sinn liegt daher nicht vor. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls noch in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 unter Hinweis auf VwGH 21.01.2016, Ra 2015/22/0119; 10.05.2016, Ra 2015/22/0158; 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).

 

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Eine besonders fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers während seines nur auf das Asylgesetz gestützten Aufenthaltes im Bundesgebiet kann nicht erkannt werden: Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit 08.06.2015, somit weniger als vier Jahren, beruht auf einem Antrag auf internationalen Schutz, der sich als nicht berechtigt erwiesen hat und ist auch noch zu kurz, um seinem Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet ein relevantes Gewicht zu verleihen. Es sind zudem keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden integrativen Schritte erkennbar. Der Beschwerdeführer besuchte einen Werte- und Orientierungskurs. Er hat das ÖSD-Zertifikat A1 am 10.07.2017 "bestanden" und das ÖSD-Zertifikat A2 am 22.12.2017 "bestanden". Für den Beschwerdeführer wurde eine Beschäftigungsbewilligung als Abräumer in der Zeit vom 22.11.2017 bis 15.05.2018 erteilt. Der Beschwerdeführer nahm diese Tätigkeit am 04.12.2017 auf. Für den Beschwerdeführer wurde erneut eine Beschäftigungsbewilligung als Abräumer in der Zeit vom 15.12.2018 bis 15.05.2019 erteilt. Der Beschwerdeführer nahm diese Tätigkeit im Dezember 2018 auf und legte diesbezüglich auch ein Arbeitszeugnis vor. Er ist seit 02.05.2017 bei Bedarf in einer Gemeinde im Rahmen der Gemeinnützigen Beschäftigung für Asylwerber tätig. Der Beschwerdeführer hat österreichische Freunde, mit denen er seine Freizeit verbringt. Der Beschwerdeführer verfügt auch über Empfehlungsschreiben. Der Beschwerdeführer ist derzeit in keinem Verein tätig und ist nicht erwerbstätig. Anderweitige, über normale soziale Kontakte hinausgehende Integrationsaspekte waren nicht festzustellen.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage als Bauhilfsarbeiter (auf Probe) vom 14.09.2017. Eine künftige Selbsterhaltungsfähigkeit vermag auch durch die vorgelegte Einstellungszusage nicht dargetan werden, da der Beschwerdeführer nicht darzulegen vermag, dass er über die für die Erteilung der dazu benötigten Beschäftigungsbewilligung erforderlichen Voraussetzungen verfügt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mwN). Darüber hinaus muss festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer während seines bisherigen Aufenthalts in Österreich keine Bereitschaft zeigte, sich um legale Arbeit zu bemühen und sich erst nach Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht um die vorgelegte Einstellungszusage bemühte. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK muss nicht akzeptiert werden, dass der Fremde mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2018/01/0003 mwN).

 

Insbesondere vor dem Hintergrund der erst relativ kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Rahmen der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes unterstützt wird, kann von einer verfestigten und gelungenen Eingliederung des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft nicht ausgegangen werden. Hingegen hat der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Lebens im Irak verbracht, ist dort aufgewachsen, hat dort seine Ausbildung absolviert und hat dort seine Sozialisation erfahren. Er spricht Arabisch. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zum Irak auszugehen.

 

Es ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage im Falle einer Rückkehr hat. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um eine arbeitsfähigen jungen Mann, der über eine zwölfjährige Schulbildung und über Berufserfahrung verfügt. Es kann daher die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer als gesunder und arbeitsfähiger Mann bei einer Rückkehr in den Irak nicht in der Lage sein sollte, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, ist nicht ersichtlich, zumal er auch über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für den Irak verfügt und bereits vor seiner Ausreise aus dem Irak dort berufstätig war. Vor diesem Hintergrund kann daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein wird, auch in seinem Heimatland, wo er zudem über entsprechende Sprachkenntnisse verfügt, sich eine Existenzgrundlage aufzubauen. Zudem lebt die Familie weiterhin im Herkunftsort des Beschwerdeführers, besitzt dort einen Bauernhof und Grundstücke. Im Familienhaus leben noch die Mutter des Beschwerdeführers, sein älterer Bruder mit seiner Frau und seinen Kindern, sein jüngerer Bruder, zwei Schwestern und die zweite Ehefrau des Vaters des Beschwerdeführers. Weiters leben mehrere Onkel und Tanten im Herkunftsort des Beschwerdeführers. Er kann daher bei einer Rückkehr zunächst von seinen Familienangehörigen unterstützt werden.

 

Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420).

 

Der Beschwerdeführer vermochte zum Entscheidungszeitpunkt daher keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat führen könnten.

 

Aufgrund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

 

Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (vgl. VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

 

§ 50 FPG lautet:

 

"Verbot der Abschiebung

 

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht."

 

Es ist daher zu prüfen, ob die Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak zu einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK führen würde oder die Rückkehr für sie als Zivilperson mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Der Beschwerdeführer ist nicht durch die Todesstrafe und auch nicht durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts bedroht.

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden ist (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137). Unter Darstellung der maßgebenden persönlichen Verhältnisse des Fremden (insbesondere zu seinen finanziellen Möglichkeiten und zum familiären und sonstigen sozialen Umfeld) ist allenfalls weiter zu prüfen, ob ihm der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich angesichts deren konkreter Kosten und der Erreichbarkeit ärztlicher Hilfsorganisationen möglich wäre (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137 unter Hinweis auf VwGH 17.12.2003, 2000/20/0208).

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände", welche eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak unzulässig machen könnten.

 

Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK bilden.

 

Der Beschwerdeführer ist aktuell nicht lebensbedrohlich erkrankt. Vor diesem Hintergrund ergeben sich somit keine Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Irak.

 

Die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak ist daher gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig.

 

Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen und es wurde diesbezüglich auch in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet.

 

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes.

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