BVwG W137 2133840-1

BVwGW137 2133840-114.9.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W137.2133840.1.00

 

Spruch:

W137 2133840-1/12E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2016, Zl. 1021216401-14690945 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.12.2017 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 sowie gemäß §§ 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 und 55 Abs. 1 FPG idgF sowie § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer stellte am 07.06.2014 den gegenständlichen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.06.2014 gab er an, afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens zu sein und der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören. Er stamme aus der Provinz Laghman. Er habe keine Schulbildung, sei Analphabet und habe in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. In seinem Heimatdistrikt lebten seine Eltern, seine beiden Schwestern und sein Bruder. Als Fluchtgrund gab er an, dass sein Cousin für die US-Amerikaner als Dolmetscher gearbeitet habe. Durch diesen habe er ungefähr ein Jahr lang ebenfalls für die US-Amerikaner zwei Mal in der Woche als Reinigungskraft gearbeitet. Ungefähr zehn Tage vor seiner Flucht sei sein Cousin von den Taliban "ermordet (erschossen)" worden. Aus diesem Grunde habe sein Vater ihn zunächst drei Tage versteckt und seine Flucht aus Afghanistan organisiert. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Bei einer Rückkehr hätte er Angst, von den Taliban umgebracht zu werden.

 

2. Am 23.06.2015 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen. Dabei gab er an, dass er mit 13 oder 14 Jahren in der Landwirtschaft seines Vaters zu arbeiten begonnen habe. Als er 14 Jahre alt gewesen sei, sei sein Vater krank geworden und er habe alleine gearbeitet. Durch seinen Cousin habe er ein Jahr lang als Reinigungskraft für die US-Amerikaner gearbeitet. Die Taliban hätten bei Auseinandersetzungen mit den US-Amerikanern beträchtliche Verluste erlitten und die Leute gefragt, wer für diese arbeite. Nachdem sein Cousin getötet worden sei, hätten die Dorfbewohner gesagt, dass die Taliban auch ihn nicht in Ruhe lassen würden. Sein Vater habe ihn dann drei Tage lang versteckt und den Dorfältesten und den Dorfbewohnern gesagt, dass sein Sohn bei den US-Amerikanern nur Reinigungsdienste verrichtet habe und die Familie das Geld brauche. Sein Sohn würde nicht als Spion arbeiten. Die "Dorfleute" seien dann zu den Taliban gegangen und hätten ihnen dies erzählt. All dies habe sich in den drei Tagen ereignet, in denen er versteckt gewesen sei.

 

Die Taliban hätten dann verlangt, dass er für sie als Spion arbeite. Sollte er dies nicht akzeptieren, würde er umgebracht. Sein Vater habe ihm zudem gesagt, dass die Regierung davon erfahren würde, wenn er für die Taliban arbeiten sollte. Daher habe sein Vater ihn nach Kabul geschickt, wo er drei Tage bei einem Onkel mütterlicherseits gewesen sei. Doch der Onkel habe befürchtet, dass die Taliban auch ihm Probleme bereiten würden und sein Vater habe in der Folge einen Schlepper nach Europa organisiert.

 

Nach seiner Ausreise seien die Taliban mehrere Male zu seiner Familie gekommen und hätten alle seine Familienangehörigen geschlagen. Auch die Polizei sei gekommen und habe seinen Vater mitgenommen, weil diese angenommen habe, dass er (der Beschwerdeführer) zu den Taliban übergelaufen sei.

 

Er habe zu seinem Vater ein bis zwei Mal in zwei Monaten telefonischen Kontakt. Dieser lebe noch im Heimatdorf. Seine Tazkira und seine Arbeitsbestätigung habe er im Iran verloren. Ein Koch habe ihm die Arbeit aufgetragen. Mit den US-Amerikanern selbst habe er nichts zu tun gehabt. Sein Cousin sei vor zwei Jahren, zwischen dem Ramadan und dem Opferfest, umgebracht worden.

 

Er habe keine Probleme mit den afghanischen Behörden und es werde nicht nach ihm gefahndet. An bewaffneten Auseinandersetzungen in Afghanistan habe er nicht teilgenommen. Bei einer Rückkehr würde er sich wegen der Taliban in Lebensgefahr befinden. Befragt, ob sein Vater und seine Familie in Afghanistan gefährdet seien, gab er an, dass die Taliban seine Familienangehörigen schlagen würden, wenn sie zu ihnen kämen. Würde sein Vater das Heimatdorf verlassen, würden sich die Taliban in ihrer Annahme bestätigt fühlen, dass sein Sohn noch immer für die US-Amerikaner arbeite. "Die Regierung würde auch meinem Vater Probleme machen, da sie dann annehmen, dass ich für die Taliban arbeite." In Kabul könne er nicht leben, weil sein Onkel dort ihm gesagt habe, dass er ihn nicht schützen könne.

 

Auf den Vorhalt, dass er als Reinigungskraft, somit nicht in einer exponierten Tätigkeit gearbeitet habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass die Dorfbevölkerung dies zwar wisse, die Taliban dies jedoch nicht akzeptierten. Die US-Amerikaner hätten die Taliban, "seit wir dort arbeiteten", erfolgreich bekämpft. Deshalb würden die Taliban annehmen, dass er etwas verraten habe. Sein Cousin sei Dolmetscher gewesen und habe an den Kampfeinsätzen teilgenommen. Sein Cousin und er seien die einzigen aus dem Dorf gewesen, die auf dem Stützpunkt gearbeitet hätten. In seiner Gegend habe es ein bis zwei Mal im Monat Kämpfe gegeben. Dabei seien auf beiden Seiten Menschen ums Leben gekommen.

 

Die Taliban sehe man während des Tages nicht. Sie versteckten sich in den Berghöhlen. Er habe persönlich noch keinen Talib getroffen. Einen Drohbrief der Taliban habe er nicht bekommen. So etwas kenne er nicht. Mit Anfragen bzw. Recherchen in Afghanistan sei er einverstanden.

 

In Österreich habe er keine Verwandten. Er habe hier allerdings viele Bekannte und Freunde.

 

3. Am 12.05.2016 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme wurde ihm die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes vom 07.12.2015 zu einer Anfrage vom 29.10.2015 vorgehalten. Der Beschwerdeführer gab an, er habe sieben oder acht Monate vor seiner Ausreise aufgehört, auf dem Stützpunkt zu arbeiten. Er habe in der Küche gearbeitet und die Bezeichnung der US-Streitkräfte, die dort stationiert gewesen seien, sei ihm unbekannt.

 

Auf den Vorhalt, dass die Taliban nicht den Antrieb oder die Fähigkeit hätten, ,Low-Level-Mitarbeiter' in Kabul oder anderen Gebieten außerhalb ihrer Kontrolle zu verfolgen, erwiderte er, dass diese nicht geglaubt hätten, er würde in der Küche arbeiten, sondern, dass er ein Spion für die Amerikaner sei. Die Dorfältesten hätten seinem Vater nach der Trauerfeier des ermordeten Cousins gesagt, die Taliban glaubten nicht, dass sein Sohn in der Küche arbeiten würde. Danach habe sein Vater ihn für drei Tage versteckt und schließlich seine Flucht organisiert.

 

Der Beschwerdeführer gab an, dass die Polizei nach seiner Ausreise seinen Vater gefragt habe, ob er zu den Taliban übergelaufen sei. Sein Vater habe dies verneint. Die Polizei sei fünf oder sechs Mal gekommen. Die Taliban würden öfters kommen und nach ihm fragen. Seine Eltern hätten nach wie vor Schwierigkeiten. Über Befragung durch seine damalige gesetzliche Vertreterin gab der Beschwerdeführer zudem an, dass die Taliban einige Male seinen Vater geschlagen hätten. Einmal hätten sie ihn mitgenommen und als er vier bis fünf Tage später zurückgekommen sei, hätten "wir" ihn ins Krankenhaus bringen müssen. Dies sei ca. acht bis zehn Monate nach seiner Ausreise gewesen. Die Taliban hätten dabei nach ihm gefragt. Befragt, ob es unter den Dorfbewohnern Taliban gebe, gab der Beschwerdeführer an, dass diese in der Nacht vermummt kämen. Es könne der Nachbar sein, es könne jeder sein.

 

Er könnte nicht in einer der großen Städte Afghanistans leben, weil er dort niemanden kenne und viele Bewohner seines Dorfes in Kabul und anderen Städten arbeiten würden. Er hätte Angst, dass ihn jemand verraten würde. Bei seinem Onkel in Kabul könne er nicht wohnen, weil dieser Angst hätte, selbst in Gefahr zu geraten. Seine Familie in Afghanistan habe eine Kuh, ein Kalb und Grundstücke, auf denen Gemüse angebaut werde.

 

In Österreich besuche er Deutschkurse. Dazu legte er mehrere Bestätigungen vor. Zudem warte er auf das Ergebnis einer Deutschprüfung auf A2-Niveau. Er habe hier einige Freunde und lebe mit niemandem in einer Lebensgemeinschaft. Ausbildungen habe er in Österreich nicht absolviert.

 

4. Am 24.05.2016 langte beim Bundesamt eine Stellungnahme der damaligen gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers ein. In dieser wurde zunächst das Fluchtvorbringen wiederholt und vorgebracht, dass dieses unter die Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumieren sei, weil dem Beschwerdeführer, durch die Annahme er habe als Spion für die US-Amerikaner gearbeitet, von den Taliban eine ihnen feindliche politische Gesinnung unterstellt werde. Dass er die genaue Bezeichnung der vor Ort stationierten Einheit nicht kenne, sei nicht unplausibel. Er habe lediglich als Reinigungskraft gearbeitet und seine Anweisungen von anderen Afghanen erhalten. Er sei Analphabet gewesen und habe nicht Englisch gekonnt. Auch sei zu berücksichtigen, dass er damals erst 14 Jahre alt gewesen sei.

 

Zum Vorhalt, dass unbedeutende Mitarbeiter, wie es der Beschwerdeführer gewesen sei, in Kabul oder anderen Gebieten außerhalb der Kontrolle der Taliban von diesen nicht verfolgt würden, wurde erwidert, dass in BVwG W203 1420977-1 Asyl zuerkannt worden sei, obwohl der dortige Beschwerdeführer lediglich der Bruder eines für die US-Amerikaner arbeitenden Dolmetschers sei. Es wurde auf einen in dieser Entscheidung zitierten Bericht des Danish Immigration Service vom 29.05.2012 verwiesen, wonach es aufgrund der Stammesgesellschaften mit nahen Familiennetzen kein Problem sei jemanden zu finden, wenn man es wolle. Auch sei es den Behörden möglich, Personen in Kabul zu finden obwohl es kein Meldewesen gebe. Daher bestehe für den Beschwerdeführer keine Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative. Er habe durch sein widerspruchsfreies und konsistentes Vorbringen die Verfolgung durch die Taliban glaubhaft gemacht.

 

In eventu sei ihm wegen der schlechten Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz subsidiärer Schutz zu gewähren. Auch bei seinem Onkel in Kabul könne er nicht unterkommen, weil dieser aus Angst vor den Taliban ihm die Hilfe versagt habe. Weitere Verwandte habe er in Afghanistan nicht. Daher würde der Beschwerdeführer in Afghanistan in eine aussichtlose Lage geraten. In Österreich sei er bestens integriert und strafrechtlich unbescholten.

 

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2016, Zl. 1021216401-14690945, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Zudem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise auf zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

 

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wurde als nicht glaubhaft angesehen. Der Beschwerdeführer habe noch keinen Talib persönlich getroffen und keinen Drohbrief erhalten. Er habe nicht näher begründet, wieso die Taliban die Vermutung hätten, dass er etwas mit den Angriffen der US-Amerikaner auf sie zu tun haben könnte.

 

Der Beschwerdeführer sei ein erwachsener und arbeitsfähiger Mann, der mit seinem Onkel in Kabul eine Bezugsperson habe. Eine erhöhte persönliche Gefährdung in Kabul habe er auch in der Stellungnahme nicht darlegen können. In Kabul herrsche nicht ein solch hohes Niveau an Gewalt, dass eine Abschiebung dorthin eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde. Die Familie des Beschwerdeführers habe Grundstücke, die landwirtschaftlich betrieben würden.

 

Die Rückkehrentscheidung wurde mit der kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und dem Fehlen eines Familienlebens oder einer außergewöhnlichen Integration in Österreich begründet.

 

6. Gegen diesen Bescheid erhob er Beschwerde. In dieser wurde vorgebracht, dass das Bundesamt willkürlich und ohne medizinische Grundlage sein Geburtsdatum mit 01.01.1998 festgelegt habe. Stattdessen sei das durch das Pflegschaftsgericht festgelegte Geburtsdatum des 31.12.1998 beizubehalten. Diese falsche und willkürliche Annahme führe auch zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung im Hinblick auf die Zuerkennung von internationalem Schutz, weil die Vulnerabilität von Minderjährigen höher sei als von erwachsenen Personen und somit eine erhöhte Schutzbedürftigkeit vorliege. Daher hätte dem Beschwerdeführer "internationaler Schutz" zuerkannt werden müssen.

 

Es sei nicht unplausibel, dass die Taliban an einem "low-level" Mitarbeiter Interesse hätten und ihn verfolgten, wenn ihm aufgrund vorgeworfener Spionagetätigkeit eine (feindliche) politische Gesinnung unterstellt werde. Dazu wurde auf einen Bericht des Danish Immigration Service (DIS) aus dem Jahr 2015, im Rahmen einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 30.11.2015, verwiesen, wonach Angestellte der US-Armee außerhalb Kabuls einem hohen Risiko ausgesetzt seien. Dies unabhängig von der Art der Arbeit. Personen, die für die internationalen Streitkräfte arbeiteten, seien in ländlichen Gegenden ein Angriffsziel. Dieser Bericht decke sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der angebe, dass sein Cousin aufgrund der Tätigkeit als Dolmetscher ermordet worden sei. Dieser Umstand begründe seine Angst vor Verfolgung. Auch sei seine Familie wegen dieser Tätigkeit wiederholt von den Taliban aufgesucht und geschlagen worden. Das Bundesamt erwähne das Ergebnis der genannten Anfragebeantwortung hinsichtlich der Gefahr für Angestellte der ISAF, auch auf niedriger Ebene, nicht und lege sie somit auch nicht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für den Beschwerdeführer nicht. Dazu wurde auf die am 24.05.2016 beim Bundesamt eingelangte Stellungnahme verwiesen.

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan und insbesondere in Kabul sei dermaßen schlecht, dass der Beschwerdeführer einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, Opfer von Gewalt zu werden. Auch verkenne das Bundesamt die Sachlage, indem es, entgegen dem Vorbringen, davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer von seinem Onkel in Kabul unterstützt werden würde. Es sei dem Beschwerdeführer auch nicht möglich, in sein Heimatdorf zurückzukehren ohne sich und seine Familie in Gefahr zu bringen. Daher könne er auch nicht dort arbeiten und seinen Lebensunterhalt bestreiten. Er habe kein ausreichendes soziales Netz in Afghanistan. Bei einer Rückkehr würde er somit in eine existenzbedrohende und aussichtslose Lage geraten.

 

Beantragt wurde, dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. In eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen bzw. die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens an das Bundesamt zurückzuverweisen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

 

Mit der Beschwerde wurde zahlreiches Berichtsmaterial des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zur Sicherheitslage in Afghanistan sowie Medienberichte zu einem Anschlag und einem Angriff in Kabul, jeweils aus dem Jahr 2016, vorgelegt.

 

7. Am 18.12.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer statt. Er gab zunächst an, gesund zu sein und der Verhandlung folgen zu können.

 

Die Landwirtschaft sei weiterhin im Besitz seiner Familie und werde von allen betrieben, obwohl sein Vater krank sei. Seine Schwester und sein Bruder lebten bei den Eltern. Seine ältere Schwester sei schon verheiratet. Zudem habe er noch eine Tante väterlicherseits und einen Onkel mütterlicherseits. Er habe weiterhin Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern.

 

Zum Fluchtgrund wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen aus den Einvernahmen vor dem Bundesamt und gab darüber hinaus an, dass nach der Ermordung seines Cousins, am zweiten Tag nachdem er auf dem Stützpunkt nicht mehr zur Arbeit erschienen sei, die Polizei zu ihnen gekommen sei und gefragt habe, warum er unangekündigt der Arbeit ferngeblieben sei. Die Polizei habe den Verdacht bekommen, dass er aufgrund der Ermordung seines Cousins Angst bekommen habe und zu den Taliban übergelaufen sei. Daher hätten er und seine Familie noch größere Angst bekommen und er sei zu seinem Onkel nach Kabul geflohen. Dort hätten die Nachbarn des Onkels nach zwei Tagen erfahren, dass er wegen eines Problems in Laghman geflohen sei und diesen gewarnt, dass sein Haus deshalb angegriffen werden könnte und alle die dort lebten in Gefahr geraten würden. Nachdem sein Onkel auch Angst bekommen habe, habe sein Vater einen Schlepper nach Europa organisiert. Der Beschwerdeführer habe bei ihm unbekannten Menschen Angst gehabt, dass es die Polizei sei, die ihn verhaften werde oder die Taliban, die ihn umbringen würden.

 

Sein Cousin sei zu Hause mit einem Messer getötet worden. Der Vater seines ermordeten Cousins sei vor acht oder neun Monaten auf natürliche Weise verstorben. Dessen Mutter lebe jetzt bei seiner Familie und sei auch in der Landwirtschaft tätig.

 

Zu den Einheiten, die auf dem Stützpunkt gewesen seien, befragt, gab der Beschwerdeführer an: "Sie hatte so eine gelbliche Uniform mit Flecken, manchmal haben sie Kappen aufgesetzt." Auf Nachfrage erklärte die Dolmetscherin, dass sie ausdrücklich auch nach Kompaniewappen, Symbolen und ähnlichem gefragt habe.

 

Er sei dort eingestellt worden, weil sein Cousin mit einem Kommandanten der afghanischen Nationalarmee gesprochen habe. Befragt, ob es im Vorfeld eine Prüfung oder ein Gespräch gegeben habe, gab er an, dass sein Cousin ihn mitgenommen und dort als seinen Cousin bekannt gemacht habe. Sein Cousin habe für ihn gebürgt, dann sei er aufgenommen worden. Am nächsten Tag habe er dann (als Reinigungskraft und Gehilfe des Kochs) begonnen.

 

Befragt, ob er jemals Zutritt oder Kontakt zu irgendwelchen Kommandoeinrichtungen, die militärische Geräte beinhalten, nicht bloß Aufenthaltsräume, Sanitärräume und ähnlichem, gehabt habe, gab er an: "Nein, ich habe gelegentlich einem afghanischen Kommandanten Tee vorbeigebracht, mehr nicht. Ich bin nicht zu den Räumen gegangen, wo wichtige Sachen waren."

 

Er sei in seiner Muttersprache Analphabet, Deutsch Lesen und Schreiben habe er erst hier gelernt. In Afghanistan habe er nur den Koran ein bisschen lesen können. Mehr nicht.

 

Befragt, was er angesichts der fehlenden Bildung in seiner Funktion spionieren hätte sollen, gab er an, dass er dies auch nicht sagen könne. Er sei den Taliban nicht direkt begegnet, um sie zu fragen, warum sie das glaubten. Er könne es nur so erklären, dass die Taliban bei jeder bewaffneten Auseinandersetzung hohe Verluste erlitten hätten und da er und sein Cousin aus weit entfernten Gegenden gekommen seien, seien die Taliban davon ausgegangen, dass sie den US-Amerikanern Informationen über die Taliban zukommen lassen würden. Der Koch habe unmittelbar in der Nähe des Stützpunktes gelebt, dort wo sich die Taliban nicht aufgehalten hätten.

 

Man wisse nicht genau, wo sich die Taliban versteckt hielten, aber die Leute aus seinem Heimatdorf berichteten, dass sie Taliban in der Nähe des Dorfes gesehen hätten. Dort gebe es Hügel und Plätze, wo man sich verstecken könne.

 

Bei einer Rückkehr hätte er Angst von den Taliban getötet zu werden. Es bestehe auch die Gefahr, dass er von er Polizei festgenommen und verhaftet werde, weil er unerlaubt von seiner Arbeit ferngeblieben sei. Er sei nur ein einfacher Mitarbeiter gewesen und habe keine Ausbildung an der Waffe erhalten. Auf den Vorhalt, dass er damit kein Soldat gewesen sei und daher auch nicht desertiert sein könne somit eine staatliche Verfolgung aufgrund der Tatsache, dass er nicht zur Arbeit erschienen sei, auszuschließen sei, antwortete er, dass er eine Strafe bekommen würde, weil er verdächtigt werde, zu den Taliban übergelaufen zu sein.

 

Auf den anschließenden Vorhalt, dass er allein auf Fürsprache seines Cousins ohne ernsthafte Sicherheitskontrolle eingestellt worden sei und in seiner Tätigkeit in dem Camp keinerlei Kontakt zu sicherheitsrelevanten Einrichtungen gehabt habe und es keinen Grund gebe, weshalb man ihm unterstellen sollte, auf die Seite der Taliban gewechselt zu sein, dies umso mehr, als er im Falle einer Rückkehr beweisen könnte, sich im Ausland aufgehalten zu haben, gab der Beschwerdeführer an, er habe von seiner Familie gehört, dass nach seiner Ausreise aus Afghanistan die Polizei aufgesucht sei und nach ihm gefragt habe. Obwohl sein Vater gesagt habe, dass er nicht mehr im Land sei, habe die Polizei immer wieder nach ihm gefragt. Dies sei jedoch nicht seine größte Sorge. Es treffe zu, dass er nachweisen könne, im Ausland und nicht bei den Taliban gewesen zu sein. Mit einem Anwalt werde sich das klären. Es könne sein, dass er dann mit der Polizei keine Probleme habe. Wobei man in Afghanistan, wenn man nicht genug Geld habe und sich keinen Anwalt besorgen könne, oft schon vor den Ermittlungen ins Gefängnis gesteckt werde.

 

Er besuche momentan einen Deutschkurs und habe eine Aufnahmeprüfung für eine Lehrstelle gemacht. Bislang habe er noch keine Antwort bekommen. Auch habe er bei drei Unternehmen, einer Tankstelle, einem Kebab-Geschäft und einem Restaurant direkt nach einer Arbeit gesucht, jedoch sei die Arbeitssuche aufgrund der fehlenden "Aufenthaltsgenehmigung" erfolglos geblieben. Mit seinen Freunden mache er Ausflüge oder sie spielten Volleyball. Diese Freunde seien gemischt, es seien Afghanen, Österreicher und Menschen aus anderen Ländern.

 

Abschließend wurden dem Beschwerdeführer die vorläufigen Sachverhaltsannahmen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation in Afghanistan übergeben und ihm eine Frist von drei Wochen zur Stellungnahme gewährt.

 

Der Beschwerdeführer legte bei der Verhandlung im Wesentlichen ein Deutsch-Sprachdiplom auf Niveau A2 vom September 2016 vor.

 

8. Am 04.01.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. In dieser wurde zusammengefasst, unter Zitierung verschiedener Berichte und Artikel, vorgebracht, aus dem vom Beschwerdeführer geschilderten Sachverhalt, unter Berücksichtigung der aktuellen Situation in Afghanistan, ergebe sich, dass diesem mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch die Taliban drohe, weil diese ihm aufgrund seiner Tätigkeiten auf einem US-amerikanischen Militärstützpunkt eine oppositionelle "politische bzw. religiöse" Gesinnung unterstellten. Der Beschwerdeführer falle daher unter zumindest eine der von UNHCR definierten Risikogruppen in Afghanistan.

 

Die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers sei wegen ihrer Nähe zu Nangarhar äußerst unsicher. Kabul sei als die gefährlichste Stadt Afghanistans einzustufen und momentan gebe es in keiner Region Afghanistans eine sichere und zumutbare Schutzalternative. Abgesehen von der Verfolgung sei im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers von einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens bzw. seiner Unversehrtheit als Zivilperson auszugehen.

 

Der Beschwerdeführer habe sich in Afghanistan nie außerhalb seiner Heimatregion aufgehalten und habe, abgesehen von seiner Familie, kein familiäres oder soziales Netzwerk, das ihn unterstützen könnte. Eine Niederlassung in Kabul könne ihm nicht zugemutet werden, weil ein wirtschaftliches Überleben unter menschenwürdigen Bedingungen dort für ihn ausgeschlossen werden könne. Neben der prekären Sicherheitslage komme erschwerend die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Wohnraum hinzu. Die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt wirke sich dermaßen aus, dass die Arbeitssuche für den Beschwerdeführer, der keine Schul- oder Berufsausbildung habe, als aussichtslos bezeichnet werden könne. Daher würde er nach einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten. Eine finanzielle Unterstützung seiner in Laghman lebenden Familie sei nicht zu erwarten. Dem Beschwerdeführer könne nicht zugemutet werden, nach Afghanistan zurückzukehren.

 

Der Stellungnahme wurden zudem mehrere (unkommentierte) Schriftstücke (Kommentare, Aufsätze) ohne unmittelbaren/direkten Bezug zur Person des Beschwerdeführers beigegeben.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen und dem sunnitischen Glauben an und stammt aus der Provinz Laghman. Er hat keine Schulbildung und ist in seiner Muttersprache Analphabet.

 

Seine Eltern und zwei seiner Geschwister leben nach wie vor im Heimatdorf und betreiben die familieneigene Landwirtschaft, in der auch er vor seiner Ausreise gearbeitet hat. Dem Beschwerdeführer steht im Herkunftsort jedenfalls eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung; auch die Möglichkeit zur Sicherung seiner Existenz im Rahmen der familieneigenen Landwirtschaft ist gegeben. In Kabul lebt ein Onkel des Beschwerdeführers, der ihm vor seiner Ausreise Unterkunft und Unterstützung gewährt hat. Diese Unterstützungsmöglichkeit ist unverändert aufrecht. Eine mangelnde Bereitschaft des Onkels dazu konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

 

Der Beschwerdeführer stellte am 07.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag begründete er im Wesentlichen mit einer Verfolgungsgefahr durch Taliban, die ihm wegen seiner Tätigkeit auf einem US-amerikanischen Stützpunkt eine Spionagetätigkeit für das US-Militär unterstellt hätten. Zudem brachte er vor, Angst vor einer Verhaftung durch die afghanische Polizei zu haben, weil er nach der Ermordung seines Cousins, der auf dem Stützpunkt als Dolmetscher gearbeitet habe, nicht mehr zur Arbeit erschienen sei. Daher würde er seitens der Polizei verdächtigt, zu den Taliban übergelaufen zu sein.

 

Dieses Vorbringen erweist sich sowohl hinsichtlich der Verfolgungsgefahr seitens der Taliban als auch seitens der afghanischen Sicherheitskräfte als zur Gänze nicht glaubhaft. Einzig glaubhaft ist eine Beschäftigung des Beschwerdeführers als zivile Hilfskraft (im Wesentlichen Küchengehilfe und Servierkraft) ohne Zugang zu militärisch relevanten Bereichen oder Informationen auf einem Militärstützpunkt. Eine biometrische Erfassung als Soldat ist auszuschließen.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan in seinem Recht auf das Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Dem Beschwerdeführer steht im Herkunftsort eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung - seine Existenz ist durch eine Tätigkeit in der familieneigenen Landwirtschaft (wie schon vor seiner Ausreise) gesichert. Darüber hinaus verfügt er über zumindest einen familiären Anknüpfungspunkt samt gesicherter Unterkunft in Kabul-Stadt. Auch dort ist seine Existenz - in gleicher Form wie bereits vor seiner Ausreise - als gesichert anzusehen. Eine (nunmehr gegebene) mangelnde Bereitschaft des Onkels zur Unterstützung konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Dem Beschwerdeführer ist sowohl die Rückkehr in den Herkunftsort als auch (alternativ) ein längerfristiger Aufenthalt in Kabul-Stadt zumutbar.

 

1.2. Zur Situation in Afghanistan werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

 

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

 

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle

 

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

 

Zivilist/innen

 

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

 

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

 

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

 

High-profile Angriffe:

 

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichneten in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profile Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

 

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

 

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.- 5. August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In

 

Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

 

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

 

"Green Zone" in Kabul

 

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

 

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

 

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

 

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

 

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

 

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

 

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Taliban

 

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh.

 

Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL- KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

 

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP- Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

 

Politische Entwicklungen

 

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

 

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

 

1.12.2015 - 15.2.2016 16.2.2016 - 19.5.2016 20.5.2016 - 15.8.2016 16.8.2016 - 17.11.2016 1.12.2015 - 17.11.2016

 

Sicherheits-relevante Vorfälle 4.014 6.122 5.996 6.261 22.393

 

Bewaffnete Zusammenstöße 2.248 3.918 3.753 4.069 13.988

 

Vorfälle mit IED¿s 770 1.065 1.037 1.126 3.998

 

gezielte Tötungen 154 163 268 183 768

 

Selbstmord-attentate 20 15 17 19 71

 

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC 7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA).

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Siehe Kapitel - Politische Lage - Friedens- und Versöhnungsprozesse

 

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

 

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

 

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

Distrikt Kabul

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Provinz Kabul

 

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

Laghman

 

Die Provinz Laghman liegt inmitten der Hindu Kush Berge. Sie ist in sechs administrative Einheiten, inklusive der Provinzhauptstadt Mehtar Lam, eingeteilt: Alishing, Alingar, Dawlat Shah, Qargayi und Bad Pukh (Pajhwok o.D.f). Laghman grenzt an die Provinzen Nangarhar, Kunar, Nuristan und Kapisa (Pajhwok 14.8.2016). Etwa 58% der Bevölkerung sind Pashtunen, 21% Tadschiken, und 21% sind Stämme der Pashai (Pajhwok o.d.f). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

452.922 geschätzt (CSO 2016).

 

Ein Teil der wirtschaftlich wichtigen Autobahn geht durch die Provinz Laghman, denn sie liegt strategisch günstig auf dem Weg nach Kabul (Pajhwok 14.8.2016). Ein Dutzend Aufbauprojekte wurden in der Provinz eingeleitet. Ihre Fertigstellung wird elementare Probleme lösen. Wohlfahrtsprojekte im Wert von 100 Millionen Afghanis wurden in den letzten Monaten initiiert - die meisten dieser Projekte sind bereits abgeschlossen; nebenbei laufen noch weitere 145 Projekte in der Provinzhauptstadt und anderen Distrikten (Pajhwok 12.9.2016).

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Laghman 852 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Sicherheitsoperationen in der Provinz Nangarhar sind eine Ursache für Unsicherheit in Laghman. Aus Nangarhar von den Sicherheitskräften vertriebene Aufständische sickern von Nangarhar nach Laghman ein, und stellen dort einen Unsicherheitsfaktor dar (Pajhwok 14.8.2016). Taliban und andere Aufständische operieren in einer Anzahl von abgelegenen Distrikten in der Provinz und führen dort Angriffe aus (Pajhwok 2.8.2016; vgl. auch: Khaama Press 22.2.2016; Khaama Press 17.10.2016).

 

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Kabul Tribune 7.12.2016; Pajhwok 14.8.2016). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (Pajhwok 21.11.2016; Pajhwok 16.8.2016; Khaama Press 7.8.2016); manchmal wurden hochrangige Talibanführer dabei getötet (Khaama Press 22.11.2016). Luftangriffe werden durchgeführt (Khaama Press 22.11.2016; Khaama Press 21.11.2016).

 

Im Rahmen des Programms "Abrüstung von illegalen bewaffneten Gruppierungen" [Disarmament of Illegal Armed Groups (DIAG)] wurde eine Anzahl an Waffen den Beamten übergeben (Pajhwok 16.11.2016).

 

In Laghman befindet sich eine internationale Militärbase (Forward Operating Base Gamberi) (Reuters 10.2.2017; vgl. auch: Reuters 15.4.2016).

 

Ereichbarkeit

 

Im Jahr 2001 existierten in Afghanistan weniger als 80 km (50 Meilen) asphaltierter Straßen (TCSM 2.2.2015). Trotz Herausforderungen und Problemen wurden inzwischen mehr als 24.000 km Straße im Land asphaltiert. Zu den asphaltierten Straßen zählen

3.600 km regionaler Autobahnen, die "Ring Road", Provinzstraßen und nationale Autobahnen (Pajhwok 4.3.2016). Schätzungen zufolge, wurden im Ballungsraum Kabul alleine 925 km Straßen asphaltiert, mit der Aussicht auf zusätzliche Erweiterungen (TCSM 2.2.2015).

 

Unprofessionelles Fahrverhalten und beschädigte Straßen werden als die Hauptursache für Unfälle in Afghanistan gesehen, welche Dutzende Menschenleben jährlich fordern (Khaama Press 23.1.2016; vgl. auch:

Kabul Times 17.2.2017); ebenso sind schlecht asphaltierte Straßen Grund für Unfälle (Kabul Times 17.2.2017).

 

Ring Road

 

Straßen wie der "Highway 1" auch bekannt als "Ring Road", die den Kern des Landes umkreist, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (Huffington Post 9.10.2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. auch: The Guardian 22.10.2014). Sie verbindet aber auch 16 der 34 Provinzen Afghanistans miteinander. Die Gesamtlänge des Highway One ist 3.360 km (PRI 18.10.2013). Rund 14 Millionen Menschen leben um diesen Highway One (The Guardian 22.10.2014).

 

Sicherheitsbehörden

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

 

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

 

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

 

Resolute Support Mission

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9 .2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9 .2016).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

 

Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet - (AI 24.2.2016).

 

Meldewesen

 

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012; vgl. auch: DW 9.10.2004).

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Rückkehr

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

Risikogruppen

 

In seinen "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016" schreibt UNHCR (zusammenfassende Darstellung des UNHCR vom 04.05.2016):

 

Laut UNHCR können folgende Asylsuchende aus Afghanistan, abhängig von den im Einzelfall besonderen Umständen, internationalen Schutz benötigen. Diese Risikoprofile sind weder zwangsläufig erschöpfend, noch werden sie der Rangfolge nach angeführt:

 

(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;

 

(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;

 

(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Zusammenhang mit der Einberufung von Minderjährigen und der Zwangsrekrutierung;

 

(4) Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden;

 

(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;

 

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;

 

(7) Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

 

(8) Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;

 

(9) Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Beeinträchtigungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden;

 

(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

 

(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind;

 

(12) Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität;

 

(13) Angehörige gewisser Volksgruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten;

 

(14) An Blutfehden beteiligte Personen, und

 

(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie deren Familienangehörige).

 

Ausweichmöglichkeiten

 

Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragstellerinnen und Antragsteller müssen folgende Aspekte erwogen werden:

 

(i) der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan in Hinblick auf die Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind; und

 

(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit ausgedehnten Einsatz improvisierter Sprengkörper und Landminen, Angriffen und Straßenkämpfen und von regierungsfeindlichen Kräften erzwungene Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.

 

UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten nicht gegeben ist. Außerdem ist nach Ansicht von UNHCR keine interne Schutzalternative in jenen Teilen des Landes gegeben, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte befinden; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller ehemals Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet hergestellt hatten.

 

Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von Afghaninnen und Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben sind, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn die Person Zugang zu (i) einer Unterkunft, (ii) zu wesentlichen Grundleistungen wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung hat, und zudem (iii) Erwerbsmöglichkeiten geboten werden. Darüber hinaus ist laut UNHCR nur dann eine interne Schutzalternative in Erwägung zu ziehen, wenn die (erweiterte) Familie oder die ethnisch zugehörige Gemeinschaft der Person willens und in der Lage ist, diese in der Praxis tatsächlich zu unterstützen.

 

Die einzige Ausnahme von dieser Anforderung der externen Unterstützung sind alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilitäten. Solche Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbaner und semiurbaner Umgebung leben, welche die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bietet und unter wirksamer staatlicher Kontrolle steht. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig.

 

(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom April 2016, zusammenfassende Darstellung des UNHCR vom 04.05.2016)

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner afghanischen Staatsangehörigkeit, zu seiner Abstammung aus Laghman, zu seiner familiären Situation in Afghanistan sowie zu seiner fehlenden Schulbildung in Afghanistan ergeben sich aus dessen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verlauf des Verfahrens. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, beruht auf seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Die Feststellung zur Landwirtschaft der Familie des Beschwerdeführers in seiner Heimatprovinz beruht auf dessen gleichbleibenden Angaben während des gesamten Verfahrens. Die Feststellungen betreffend die Unterstützung des Beschwerdeführers durch seinen in Kabul lebenden Onkel im Zuge der Ausreise aus Afghanistan ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verlauf des Verfahrens. In der Beschwerdeverhandlung gab er an, Kabul (wo er bei seinem Onkel gelebt hatte) nur verlassen zu haben, weil er diesen aufgrund seiner Verfolgung seitens der Taliban gefährdet habe - so sei jedenfalls die Einschätzung der Nachbarn des Onkels gewesen. Eine fehlende Unterstützungsmöglichkeit oder Unterstützungswilligkeit dabei nicht behauptet.

 

2.2. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Reinigungskraft und Hilfskraft eines Koches auf einer Militärbasis in Laghman wird der Entscheidung zugrunde gelegt, weil der Beschwerdeführer diesbezüglich konsistente Angaben machen konnte. Gleichzeitig hat er glaubhaft dargelegt, in keiner Form eine militärische Ausbildung erhalten zu haben, nie an militärischen Operationen beteiligt gewesen zu sein, keinerlei Zugang zu militärisch oder sicherheitstechnisch relevanten Bereichen des Camps gehabt und faktisch auch keinen Kontakt mit den dort untergebrachten Militärs (insbesondere den nicht-afghanischen) gehabt zu haben. Da der Beschwerdeführer lediglich zivile Hilfskraft war, ist eine (biometrische) Registrierung als Soldat auszuschließen. Eine solche wurde auch nie behauptet - der Beschwerdeführer verfügte über einen Ausweis und wurde beim Zutritt zur Basis lediglich "abgetastet".

 

Der Beschwerdeführer gab einerseits an, niemals Taliban begegnet zu sein, und auch nicht zu wissen, wo die Taliban sich genau versteckt hielten, es aber bei seinem Dorf Hügel und Plätze gebe, wo man sich (theoretisch) verstecken könne. Vor dem Bundesamt gab er zudem an, dass die Taliban in der Nacht vermummt in sein Dorf kämen. Auch könne jeder Nachbar ein Talib sein, genauso jeder andere im Dorf. Die Taliban sehe man während des Tages nicht. Sie versteckten sich in den Berghöhlen. Er habe persönlich (bewusst) noch keinen Talib getroffen. Einen Drohbrief der Taliban habe er ebenfalls nicht bekommen.

 

2.3. Der Beschwerdeführer hat zusammengefasst glaubhaft dargelegt, dass die Taliban mit ihm nie in Kontakt getreten sind und es einen solchen bisher auch nicht zufällig gegeben habe. Gleichzeitig geht er davon aus, dass nicht nur die Herkunftsregion, sondern auch sein Heimatdorf, von den Taliban vollständig unterwandert ist und diese damit über detaillierte Kenntnisse vom Lebenswandel der Dorfbewohner verfügen. Selbst die eigenen Nachbarn nimmt er von diesem Verdacht nicht aus. Die ihm angeblich unterstellte Spionage ist vor diesem Hintergrund jedoch nicht nachvollziehbar. Je näher die Taliban dem Beschwerdeführer als Privatperson allenfalls waren, umso mehr müsste ihnen bewusst sein, dass eine Spionagetätigkeit seinerseits auszuschließen ist. Dies auch, weil sein Vater den Dorfältesten angeblich mitgeteilt hat, dass der Beschwerdeführer lediglich einfache Hilfstätigkeiten als Reinigungskraft und Kochgehilfe auf der Militärbasis verrichtet hatte. Diese hätten die Information dann auch den Taliban weitergegeben. Tatsächlich wäre es - bei Unterstellung des Spionageverdachts und der geschilderten Taliban-Unterwanderung - für die Taliban völlig problemlos möglich gewesen, den Beschwerdeführer schon während seiner Tätigkeit auf dem Stützpunkt ohne nennenswerte Anstrengung umzubringen. Es gibt zudem auch keinerlei Berichte, dass die Taliban Personen allein aufgrund einer völlig vagen Verdachtslage einfach ermorden. Ganz besonders trifft dies auf Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen zu, da die Taliban sich in überwiegender Mehrheit eben aus dieser Volksgruppe rekrutieren und ein derartiges irrationales Terrorregime ohne jedes Maß sowie der damit verbundene Verlust der Unterstützung oder Akzeptanz aus der paschtunischen Volksgruppe mittelfristig eine weit größere Existenzbedrohung für die Taliban darstellen würde, als es untergeordnete Zusammenarbeit einzelner Personen (wie etwa des Beschwerdeführers) mit den internationalen Streitkräften jemals könnte.

 

Die Annahme, die Taliban würden dem Beschwerdeführer ernsthaft Spionagetätigkeiten unterstellen wäre hingegen allenfalls nachvollziehbar, wenn diese eben keine Spione oder Informationszuträger im Umfeld des Herkunftsortes des Beschwerdeführers hätten (was der Beschwerdeführer aber ausdrücklich verneint). Bei einer solch dürftigen Informationslage betreffend den Beschwerdeführer wäre freilich nicht nachvollziehbar, wie eine landesweite Verfolgung des Beschwerdeführers begründbar sein und auch nur ansatzweise effektiv erfolgen sollte.

 

2.4. Unabhängig davon sind auch die Angaben des Beschwerdeführers zur zeitlichen Abfolge der Ereignisse widersprüchlich. So gab er bei seiner (zweiten) Einvernahme am 12.05.2016 an, er habe sieben oder acht Monate vor seiner Ausreise aufgehört, auf dem Stützpunkt zu arbeiten. In der gleichen Einvernahme gab er jedoch wenig später an, dass sein Vater ihn nach der Trauerfeier wegen seines getöteten Cousins drei Tage zuhause versteckt habe, in dieser Zeit den Dorfältesten (und damit indirekt den Taliban) erzählt habe, dass sein Sohn nur in der Küche arbeite und, weil diese ihm nicht geglaubt hätten, in der Folge seine Flucht nach Kabul, organisiert habe (Verwaltungsakt Seite 255). Somit hätte die Flucht des Beschwerdeführers aus dem Heimatdorf drei Tage nach der Trauerfeier des getöteten Cousins stattgefunden, daher maximal ein bis zwei Wochen nach dessen Tod. Bei der Erstbefragung (08.06.2014) gab der Beschwerdeführer an, dass ungefähr zehn Tage vor seiner Flucht sein Cousin von den Taliban "ermordet (erschossen)" worden sei. Aus diesem Grunde habe sein Vater ihn zunächst drei Tage versteckt und seine Flucht aus Afghanistan organisiert.

 

Legt man diese zeitlichen Angaben der Beweiswürdigung zugrunde, ist es nicht plausibel, dass sich die Bedrohungslage für den Beschwerdeführer erst Monate nachdem er nicht mehr auf der Basis gearbeitet habe, ergeben habe und ihm auch Monate nach Beendigung seiner Tätigkeit dort, was im Dorf nicht unbemerkt geblieben sein konnte, eine Spionagetätigkeit vorgeworfen wurde. Gänzlich widersprüchlich wird der zeitliche Ablauf der Ereignisse, die das Fluchtvorbringen begründen, wenn man die Angabe des Beschwerdeführers aus seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.06.2015 in den zeitlichen Ablauf einordnet, wonach die Angriffe der US-Amerikaner auf die Taliban (die "seit wir dort arbeiteten erfolgreich bekämpft" worden seien) ungefähr zwei Wochen vor dem Tod seines Cousins stattgefunden hätten. (Verwaltungsakt Seite 233). Denn zum Zeitpunkt dieser Kampfhandlungen war der Beschwerdeführer seiner Angabe in der zweiten Einvernahme zufolge schon monatelang nicht mehr im Dienst. Diese Abweichung lässt sich auch nicht mit dem Bildungsniveau des Beschwerdeführers begründen, weil es nicht um zeitliche Details geht, sondern um beträchtliche Zeitspannen von mehreren Wochen bis Monaten. Eine derartige Differenzierungsfähigkeit muss betreffend den Beschwerdeführer schon angesichts seiner glaubhaften Berufstätigkeit in einem Militärcamp vorausgesetzt werden können.

 

Es ist zudem nicht plausibel, dass die Taliban nach dem Tod des Cousins auf einer Zusammenarbeit des Beschwerdeführers mit ihnen bestanden haben sollten (Verwaltungsakt Seite 229), obwohl dieser zum damaligen Zeitpunkt bereits seit mehreren Monaten nicht mehr auf diesem Stützpunkt beschäftigt war. Ein Faktum, das den Taliban - falls sie in der Region tatsächlich in der behaupteten Form aktiv waren - nicht hätte verborgen bleiben können.

 

Bei der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht setzte der Beschwerdeführer die Beendigung seiner Tätigkeit auf der Militärbasis zeitlich sogar erst nach dem Tod seines Cousins an, wobei er ausführte: "Nachdem ich zwei Tage in der Arbeit nicht erschienen war, kam am zweiten Tag die Polizei zu uns nach Hause und fragte, warum ich unangemeldet, ohne Bescheid zu geben, von der Arbeit ferngeblieben bin. Die Polizei hatte den Verdacht, dass aufgrund der Ermordung meines Cousins ich Angst bekommen hätte und aus diesem Grund zu den Taliban übergelaufen wäre. Nach dem Besuch der Polizei haben meine Mutter, mein Vater und ich noch größere Angst bekommen und dann ging ich am dritten Tag nach Kabul."

 

Damit hat der Beschwerdeführer auch hinsichtlich des Zeitpunktes, wann er seine Arbeit als Reinigungskraft auf dem Stützpunkt beendet hat, massiv widersprüchliche Angaben bei einem zentralen Element seines Fluchtvorbringens gemacht.

 

2.5. Der Beschwerdeführer gab bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.06.2015 ausdrücklich an, dass er keine Probleme mit den afghanischen Behörden habe und nicht nach ihm gefahndet werde. Zudem könnte er problemlos nachweisen, dass er sich in den letzten Jahren außerhalb Afghanistans aufgehalten hat und somit nicht zu den Taliban übergelaufen ist. Im Widerspruch dazu behauptete er in der Beschwerdeverhandlung zusätzlich ein Verfolgungsrisiko seitens der Polizei, weil er unerlaubt der Arbeit ferngeblieben sei. Deshalb könnte ihm unterstellt werden, zu den Taliban übergelaufen zu sein. Angesichts des dargelegten Widerspruchs in seinen Angaben sowie der Möglichkeit, Ausreise und Asylverfahren in Österreich zu belegen, und der absolut untergeordneten beruflichen Funktion des Beschwerdeführers - als zivile Hilfskraft ohne jegliche militärische Relevanz - ist ein Verfolgungsrisiko seitens staatlicher Organe insbesondere mangels Plausibilität nicht glaubhaft. Insbesondere ist eine Einstufung als Deserteur angesichts der glaubhaften Angaben zu seiner Tätigkeit ausgeschlossen.

 

2.6. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungsgefahr, der er wegen seiner Tätigkeit auf einem (amerikanischen) Stützpunkt in seiner Heimatprovinz, seitens der Taliban (und allenfalls wegen unerlaubter Beendigung seines Dienstes seitens der afghanischen Behörden) ausgesetzt sei, erweist sich damit als zur Gänze nicht glaubhaft.

 

2.7. Die Feststellungen zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat sind dem zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 18.12.2017 aktuellen Länderinformationsblatt des Bundesamtes, das im Zuge dieser mündlichen Verhandlung in den für die gegenständliche Entscheidung relevanten Teilen in das Verfahren eingeführt worden ist.

 

Im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme übermittelte der Beschwerdeführer am 03.01.2018 dazu folgende (unkommentierte) Schriftstücke:

 

 

 

 

In einer Stellungnahme wurde zudem auf die allgemeine volatile Sicherheitslage und die grundlegende Problematik von Rückkehrern - insbesondere jenen ohne soziale Anknüpfungspunkte in Kabul und nach jahrzehntelangem Leben im Ausland. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei aufgrund der landesweiten Verfolgung durch die Taliban ausgeschlossen. Überdies sei sie der Beschwerdeführer in Kabul existenziell gefährdet und ihm eine Rückkehr sowie die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative dort daher auch nicht zumutbar. Die übrigen Ausführungen beschränken sich auf eine umfassende Kritik des "Mahringer-Gutachtens".

 

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass das "Mahringer-Gutachten" zwar in das Verfahren eingebracht, der gegenständlichen Entscheidung mangels Relevanz nicht zu Grunde gelegt worden ist, weshalb auch auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Stellungnahme vom 03.01.2018 (inklusive den "Ruttig-Kommentar") nicht weiter eingegangen werden muss.

 

Die übrigen Ausführungen betreffend Rückkehrer nach Afghanistan stehen - hinsichtlich der hier allein relevanten Ausführungen zur Situation in Afghanistan (also ohne daraus gezogene Schlüsse, insbesondere in den Stahlmann-Aufsätzen) - nicht in erkennbarem Widerspruch zu den einschlägigen Feststellungen im Länderinformationsblatt. Derartige Widersprüche werden auch in der Stellungnahme vom 03.01.2018 weder dargelegt noch konkret behauptet.

 

Ergänzend ist festzuhalten, dass jüngeren Berichten (EASO vom Juni 2018, UNHCR-Guidelines vom August 2018) eine weitere allgemeine Verschärfung der Sicherheitslage in Kabul sowie insgesamt eine deutliche Verschärfung der Situation von Rückkehrern ohne familiäre/soziale Anknüpfungspunkte - insbesondere unter dem Aspekt der Unterkunftsmöglichkeit und der Existenzsicherung - in Kabul zu entnehmen ist. Diese sind dementsprechend amtswegig in die Entscheidung - insbesondere im Rahmen der folgenden rechtlichen Beurteilung - einzubeziehen. Ein grundlegender Widerspruch zu den entsprechenden Informationen im oben bezeichneten Länderinformationsblatt ist gleichwohl nicht ersichtlich, weil auch in diesem die genannte Problematik aufgezeigt wird und die eine (unstrittige) "volatile Sicherheitslage" zwangsläufig eine wellenförmig abweichende allgemeine Gefährdungsintensität bedeutet. Insbesondere nicht zu entnehmen ist den Berichten allerdings eine schwerwiegende Veränderung der Versorgungssituation von Personen mit Anknüpfungspunkten aus dem engsten Familienkreis in Kabul.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 38/2011) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

 

Zu A)

 

3.2. Zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

3.3. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Auch unbestrittenen Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des BFs in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457).

 

Die amtswegigen Ermittlungspflichten im Asylverfahren sind im § 18 Abs. 1 AsylG 2005 geregelt, der inhaltlich nahezu wortgleich der Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997 entspricht. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. AsylG 1997 folgend stellt diese Gesetzesstelle eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht (vgl. VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, Zl. 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, Zl. 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).

 

3.4. Dem Beschwerdeführer ist es - wie oben dargelegt - nicht gelungen, für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen.

 

Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere die behauptete drohende Verfolgung seitens der Taliban, hat sich - wie oben dargelegt - als zur Gänze nicht glaubhaft erwiesen.

 

Die Beschwerde ist daher hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigen abzuweisen.

 

4. Zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF):

 

4.1. Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

 

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

 

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997) iVm § 57 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (FrG) ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und -fähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;

VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0586;

VwGH 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH 21.06.2001, Zl. 99/20/0460;

VwGH 16.04.2002, Zl. 2000/20/0131). Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 angeführten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG 1997, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG 1997 hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; VwGH 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zl. 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582; VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

"Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des BFs bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des BFs als Zielort wegen der dem BF dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013, Zl. U1674/12; 12.06.2013, Zl. U2087/2012)." (VfgH vom 13.09.2013, Zl. U370/2012).

 

4.2. Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde.

 

Zunächst kann vor dem Hintergrund der Feststellungen nicht gesagt werden, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Es liegen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer mit der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, in Afghanistan Übergriffen von im gegebenen Zusammenhang interessierender Intensität ausgesetzt zu sein.

 

Die Eltern und zwei Geschwister sowie eine Tante des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Heimatdorf. Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht, dass diese durch allfällige Kampfhandlungen in ihrer Heimatgegend gefährdet wären. Dennoch besteht vor dem Hintergrund der Feststellungen zu der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, Laghman, die reale Gefahr für diesen, dort aufgrund des innerstaatlichen Konfliktes einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Denn den Feststellungen zufolge sind Sicherheitsoperationen in der Provinz Nangarhar eine Ursache für Unsicherheit in Laghman. Aus Nangarhar von den Sicherheitskräften vertriebene Aufständische sickern von Nangarhar nach Laghman ein und stellen dort einen Unsicherheitsfaktor dar.

 

Der Beschwerdeführer, der in Afghanistan aufgewachsen ist und fließend Paschtu spricht, hat im Verfahren allerdings nicht aufgezeigt, dass ihm ein Aufenthalt in Kabul nicht zugemutet werden kann. In Kabul sind die Sicherheitsbehörden, anders als in Teilen der Provinz Laghman, in der Lage, der Zivilbevölkerung ein hinreichendes Maß an Sicherheit zu bieten. Zudem verfügt er in Kabul über familiäre Bezugspunkte in Gestalt zumindest eines Onkels, bei dem er auch schon vor seiner Ausreise gewohnt hat. Da er Kabul ausschließlich aufgrund der (nicht glaubhaften) Verfolgung seitens der Taliban verlassen haben will, gibt es keinen Hinweis, dass ihn der Onkel nicht erneut aufnehmen und zumindest vorübergehend versorgen könnte. Auch der Beschwerdeführer hat solches nie behauptet. Es kann nicht angenommen werden, dass der 19-jährige, gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in Kabul, wo ihn der dort ansässige Onkel umfassend unterstützen kann, in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es -abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde -grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos darzulegen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. das Urteil des EGMR vom 5. Juli 2016, A.M. gegen Niederlande, Nr. 29094/09, sowie den VwGH Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I gegen Schweden, Nr. 61204/09). Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem in dem zitierten Beschluss auf die Rechtsprechung des EGMR in zuletzt ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. das VwGH Erkenntnis vom 19. Juni 2017, Ra 2017/19/0095, sowie zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan das oben zitierte Urteil des EGMR vom 5. Juli 2016).

 

Solch gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde, hat er nicht dargelegt.

 

Der Beschwerdeführer hat einen Onkel in Kabul. Da sich sein Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft erwiesen hat, ist es auch nicht glaubhaft, dass sein Onkel aus Angst vor Problemen mit den Taliban ihn nicht unterstützen würde. Damit würde der junge und gesunde Beschwerdeführer nicht in Gefahr einer solchen Verletzung des Art. 3 EMRK geraten, die das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 19. Juni 2017, Ra 2017/19/0095, Rz. 18). Von den Problemen in den Lagern/Ansiedlungen von Menschen ohne Anknüpfungspunkte in Kabul ist er jedenfalls nicht betroffen.

 

Auch die - zwischenzeitlich verschlechterte - Sicherheitslage in Kabul hat noch nicht ein Ausmaß erreicht, dass von einer allgemein unzumutbaren Sicherheitssituation für jegliche Person allein aufgrund ihrer Anwesenheit ausgegangen werden kann. Soweit man geneigt ist, den jüngsten UNHCR-Guidelines eine solche Situation zu entnehmen, ist festzuhalten, dass EASO aus dem gleichen Sachverhalt andere Schlüsse zieht und im Übrigen beide Einschätzungen nicht bindende Wertungen darstellen. Insbesondere ist er als sunnitischer Paschtune mit nur minimalen Verbindungen zur afghanischen Armee jedenfalls nicht Zielobjekt von Anschlägen seitens IS/DAESH. Der Beschwerdeführer konnte auch (sonst) keinerlei Umstände glaubhaft machen, die ihn individuell als besonders vulnerabel erscheinen lassen würden.

 

Im gegenständlichen Fall ist daher unter Berücksichtigung der genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der den Beschwerdeführer betreffenden individuellen Umstände davon auszugehen, dass im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in Kabul die reale Gefahr der Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK nicht bestehen würde.

 

4.3. Das Vorbringen des Beschwerdeführers vermag sohin insgesamt auch keine Gefahren i.S.d. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darzutun.

 

5. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§§ 57 und 55 AsylG 2005 sowie § 52 FPG 2005):

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

5.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

 

"§ 52 (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

 

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

 

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

 

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde. Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

 

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

 

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

 

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

 

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, so ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

 

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

 

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

 

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

 

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

 

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

 

Gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 hat das BFA über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

 

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

 

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

 

5.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).

 

Der Beschwerdeführer hat einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz gestellt, aufgrund dessen er sich gegenwärtig in Österreich aufhält. Er fällt somit nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

 

Im Hinblick auf einen allfälligen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ist zu berücksichtigen, dass er sich erst seit der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 07.06.2014, somit zum Entscheidungszeitpunkt weniger als vier Jahre, rechtmäßig in Österreich befindet. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Privatleben des Beschwerdeführers in einem Zeitpunkt entstand, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste (vgl. EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Sein Aufenthalt in Österreich war nur aufgrund der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht unrechtmäßig. Der Beschwerdeführer musste sich auch bewusst sein, dass sein Aufenthalt lediglich an die Dauer des Asylverfahrens geknüpft und ein weiterer Verbleib im Bundesgebiet vom Erfolg seines Antrages abhängig sein würde. Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts wird das Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht maßgeblich relativiert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hat, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen (vgl. z.B. VwGH 8.7.2009, 2008/21/0533).

 

Der Beschwerdeführer hält sich, wie ausgeführt, seit Juni 2014 in Österreich auf. Er hat ein Deutsch-Sprachdiplom auf Niveau A2 erlangt und einen Freundeskreis, in dem sich auch Österreicher befinden. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Zudem hat er versucht, sich beruflich in Österreich zu integrieren, indem er sich um eine Lehrstelle und mehrere Arbeitsstellen beworben hat. Familienangehörige oder Verwandte hat er in Österreich nicht.

 

Dem ist gegenüber zu stellen, dass er den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht hat, wo er sozialisiert worden ist und seine Eltern sowie seine Geschwister und weitere Verwandte leben.

 

Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich von rund vier Jahren ist damit noch zu kurz, um ein gewichtiges privates Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet zu begründen. (Vgl. VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörige geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, Zl. 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, Zkl. 2008/21/0533; VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354).

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegt - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der Aufenthalt bisher allein auf einen (letztlich) unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat - das öffentliche Interesse an der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers dessen privates Interesse am Verbleib im Bundesgebiet. Daher liegt durch die Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor.

 

5.3. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist, wie bereits oben ausgeführt, gegeben.

 

5.4. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

 

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Insbesondere ist festzuhalten, dass es nach ständiger Judikatur grundsätzlich Aufgabe des Beschwerdeführers ist, allfällige (subjektive) Gefährdungen und Rückkehrhindernisse darzulegen. Veränderungen der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat wurden darüber hinaus ohnehin amtswegig berücksichtigt, wobei die diesbezüglichen Grundlagen (Berichte) dem als Rechtsberater tätigen Vertreter des Beschwerdeführers aufgrund seiner Funktion ohnehin bekannt sind.

 

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte