BVwG L504 2118001-1

BVwGL504 2118001-110.5.2017

AsylG 2005 §3
BFA-VG §52
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8a
AsylG 2005 §3
BFA-VG §52
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L504.2118001.1.00

 

Spruch:

L504 2118001-1/8E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2015, Zl. 1071414006-150584170, zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Antrag auf Beigabe eines Verfahrenshelfers wird gemäß § 8a VwGVG iVm § 52 BFA-VG zurückgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrenshergang

 

1. Die beschwerdeführende Partei [bP] reiste nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 01.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Es handelt sich dabei um einen Staatsangehörigen des Irak mit sunnitischem Glaubensbekenntnis, der der Volksgruppe der Araber angehört und aus Mosul stammt.

 

Anlässlich der Erstbefragung am nächsten Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die bP an, dass sie das Land wegen den IS Terroristen verlassen habe. Sie habe Damenkleidung verkauft und sei ihr Geschäft von den Terroristen zerstört worden. Aus Angst um ihr Leben habe sie ihre Heimat verlassen.

 

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA] am 22.10.2015 wurde die bP ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt. Dabei erwähnte sie als Fluchtgrund neben der Bedrohung durch den IS auch noch die schwierigen Lebensumstände und die schwierige finanzielle Lage.

 

In weiterer Folge wurde der Antrag der bP auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom 22.10.2015, Zl. 1071414006-150584170, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.).

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der bP der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.10.2016 erteilt (Spruchpunkt III.).

 

Das BFA gelangte darin im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass nicht festgestellt werden habe können, dass die bP eine der Wahrheit entsprechende Geschichte vorgebracht habe. Sämtliche Teilbereiche seien von der bP viel zu vage geschildert worden, um nur ansatzweise einen glaubhaften Kern dahinter vermuten zu können. Schließlich seien die Ungereimtheiten im Vorbringen Bestätigung für diese Beurteilung. Demgegenüber sei der bP aufgrund der allgemeinen instabilen Sicherheitslage im Irak der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen gewesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens, mangelhafter Beweiswürdigung sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. Ausgeführt wird, dass die Behörde ihre Ermittlungspflicht dadurch verletzt habe, dass sie es unterlassen habe, Feststellungen zur Situation der bP als ehemaliger Besitzer und Betreiber eines Damenbekleidungsgeschäftes in Mosul zu treffen bzw. habe sie zu diesen entscheidungserheblichen Punkten keinerlei Ermittlungen angestellt. Dass das vom BFA durchgeführte Ermittlungsverfahren als mangelhaft zu qualifizieren sei, werde bereits durch die offenbar sehr schnell und lückenhaft durchgeführte Einvernahme indiziert. Zudem würden sich die Länderfeststellungen zum Irak nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der bP auseinandersetzen.

 

Weiters wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers beantragt.

 

3. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2017 wurde die bP vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihr die Gelegenheit gegeben, zur übermittelten Länderinformation binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Eine entsprechende Stellungnahme der bP langte am 17.02.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wird im Wesentlichen, unter Zitierung weiterer Berichte zum Irak ausgeführt, dass die bP wegen ihrer Religionszugehörigkeit weder in Bagdad noch im autonomen Kurdengebiet Schutz finden könne.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Das BVwG hat zentral durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde Beweis erhoben.

 

1. Feststellungen (Sachverhalt)

 

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

 

Ihre Identität steht lt. BFA fest.

 

Die bP ist Staatsangehörige des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischen Glaubens.

 

Sie ist ledig, stammt aus Mosul und war bisher in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie verfügt im Herkunftsstaat noch über ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netz.

 

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.

 

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

 

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak ist aktuell gekennzeichnet von den seit Oktober 2016 anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogen. Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mosul der Provinz Ninava. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Insgesamt wurden seit 2014 über drei Millionen Binnenvertriebene sowie über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert.

 

Die Sicherheitslage in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen und sind aus dieser Region aktuell keine wesentlichen sicherheitsrelevanten Vorkommnisse bekannt.

 

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen sowie im Großraum Bagdad ist im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die Ereignisse in und um Mosul. Es sind jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des – als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richtet um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

 

Die allgemeine wirtschaftliche Lage im Irak ist trotz des Ölreichtums des Landes aufgrund der jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzungen und der teilweisen Besetzung durch den IS angespannt und weite Teile der Bevölkerung sind für ihr Fortkommen auch auf staatliche Lebensmittelzuteilungen angewiesen. Insgesamt stellt sich die Lage jedoch nicht dergestalt dar, dass jeder Iraker im Falle einer Rückkehr in die Heimat schon aufgrund seiner bloßen Anwesenheit der Gefahr fehlender Existenzmöglichkeiten ausgesetzt wäre.

 

2. Beweiswürdigung

 

2.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei

 

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt einheitlichen, im Wesentlichen widerspruchsfreien Angaben sowie ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und wurde die Identität aufgrund der im Verfahren vorgelegten nationalen Dokumente vom BFA festgestellt. Dem BVwG liegen keine dem widersprechenden, konkreten Anhaltspunkt vor.

 

2.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates

 

Vorweg ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP iSd § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Gerade im Asylverfahren kommt der persönlichen Aussage des Antragstellers besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch im Wesentlichen behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse über die berichtet wird, die sich vielfach, insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen, weitgehend einer Überprüfbarkeit entziehen.

 

Der bP ist der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges aus nachfolgenden Gründen nicht gelungen:

 

Soweit die bP in der Einvernahme beim BFA behauptet, dass der IS ihr Geschäft beschlagnahmt bzw. geschlossen habe und nach Vorhalt durch das BFA, wonach sie in der Erstbefragung diesbezüglich angegeben habe, dass das Geschäft zerstört worden sei, ausführt, dass sie das nicht gesagt habe, so ist dem entgegenzuhalten, dass die bP zu Beginn der Einvernahme vor dem BFA bejaht habe, dass ihre Angaben bis dato, also jene der Erstbefragung, korrekt protokolliert und rückübersetzt worden seien und sie die Wahrheit gesagt habe. Etwas anderes geht auch aus dem entsprechenden Protokoll der Erstbefragung nicht hervor, insbesondere nicht, dass trotz Möglichkeit dort eine falsche Protokollierung beanstandet worden wäre. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die nunmehr indirekt behauptete nicht korrekte Protokollierung, ebenso wie die nunmehrige Behauptung in der Beschwerde, wonach es sich um einen Übersetzungsfehler handle bzw. die Niederschrift nicht rückübersetzt worden sei, eine reine Schutzbehauptung darstellt um widersprüchlich getätigte Angaben erklären zu können, auch wenn es auf Kosten der Wahrheit geht.

 

Das Bundesverwaltungsgericht sieht daher keinen vernünftigen Grund nicht vom vollen Beweis beider Niederschriften iSd § 15 AVG auszugehen, zumal der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges nicht gelungen ist.

 

Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung dar, dass es der bP nicht gelungen sei, eine konkrete Bedrohung bzw. andere Fluchtgründe glaubhaft geltend zu machen, die eine Asylgewährung rechtfertigen würden.

 

Wie bereits das BFA geht auch das Bundesverwaltungsgericht von der mangelnden Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens der bP aus und wird diesbezüglich auf die nachstehend auszugsweise dargestellte Beweiswürdigung des BFA verwiesen:

 

"Entgegen der Tatsache, dass wahre Erlebnisse regelmäßig bei deren Schilderung von Details, wie Zeit- und Ortsangaben oder Wahrnehmungen und Emotionen, begleitet werden, fehlte all dies in Ihrer eigenen Darstellung. Im Gegenteil, all Ihre Ausführungen beziehen sich auf Allgemeinplätze, die jedwede Realitätsnähe vermissen lassen.

 

Sie tätigten bezüglich möglicherweise stattgefundener Bedrohungsszenarien nicht nachvollziehbare Aussagen und konnte nicht den Eindruck erwecken, dass das Geschilderte persönlich Erlebtes darstellt.

 

[...]

 

So gaben [Sie] während ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.10.2015 zunächst an, dass sie weder in Haft, noch sonst inhaftiert gewesen wären. Im Laufe der Einvernahme [...] gaben sie dazu widersprüchlich an, dass Sie von IS Angehörigen siebzehn Tage angehalten und geschlagen worden wären. Auf Vorhalt dieses massiven Widerspruches gaben Sie an, dass Sie nicht inhaftiert gewesen wären. Diese Erwiderung konnte Ihren Widerspruch weder aufklären noch abschwächen. An dieser Stelle war bereits deutlich erkennbar, dass Sie sich in Ihrem Verfahren eine frei erfundenen Fluchtgeschichte bedient haben, der jede Glaubwürdigkeit zu versagen war.

 

Weiters wurden Sie eingangs Ihrer Einvernahme zu Ihren Wohnverhältnissen befragt. Dazu gaben Sie an, dass Sie von Geburt an bis zu Ihrer Ausreise in ihrem Elternhaus wohnhaft gewesen wären. Weitere Wohn- oder Aufenthaltsorte haben Sie dezidiert ausgeschlossen. Widersprüchlich dazu gaben Sie jedoch während der Schilderung Ihres Fluchtgrundes an, dass Sie die letzten zwanzig Tage im Hause ihres Onkels aufhältig gewesen wären. Auf Vorhalt dieses Widerspruches erwiderten Sie, dass Sie nicht immer zu Hause gewesen wären. [...]

 

Ferner gaben Sie während Ihrer Einvernahme vor dem BFA an, dass Ihr Geschäft, Sie hätten Damenbekleidung verkauft, von den IS Angehörigen geschlossen worden wäre. Bei dieser Äußerung bleiben Sie auch auf Nachfrage. Widersprüchlich dazu gaben Sie während Ihrer Erstbefragung an, dass Ihr Geschäft von den Angehörigen der IS zerstört worden wäre. Auf Vorhalt des Widerspruches gaben Sie an, dass Sie dies nicht gesagt hätten. Diese Erwiderung konnte Ihren Widerspruch nicht ansatzweise aufklären, weshalb auch an dieser Stelle eine konstruierte Fluchtgeschichte erkennbar war.

 

[...]

 

Sämtliche Teilbereiche wurden von Ihrer Seite viel zu vage geschildert, um nur ansatzweise einen glaubhaften Kern dahinter vermuten zu können, und waren schließlich die zum Vorbringen bestehenden Ungereimtheiten Bestätigung für die Beurteilung Ihres behaupteten Fluchtgrundes".

 

Die belangte Behörde argumentierte, dass es der bP nicht gelungen sei, die als ausreiskausal bezeichneten Vorfälle als Realereignisse glaubhaft zu machen, da sie von ihre sehr oberflächlich und wenig detailreich geschildert wurden und damit nicht den Anforderungen an die Wiedergabe von tatsächlich erlebten Sachverhalten entsprach.

 

Betrachtet man die im Asylverfahren aufgenommenen Niederschriften, welche vollen Beweis iSd §15 AVG darstellen, so gelangt auch das Bundesverwaltungsgericht zu dieser Ansicht. Realerlebnis-begründete Aussagen zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass in der freien Erzählung idR viele und detaillierte Aussagen in etwas sprunghafter und ungeordneter Reihenfolge vom Zeugen hervorgebracht werden. Dieses wichtige Merkmal und Realkennzeichen fehlt in aller Regel in Aussagen, die durch fremde Einflüsse und nicht wirklich erlebnisbegründet fundiert sind. Wirkliche Erlebnisse können also im Prinzip detailreich berichtet werden (vgl. zB. Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Aussagepsychologie, http://www.sgipt.org/forpsy/aussage0.htm#Was %20sind%20Aussagen).

 

Es kamen im Verfahren auch keine Hemmungsfaktoren hervor, wodurch die bP etwa nicht in der Lage gewesen wäre ihre vorgeblichen persönlichen Erlebnisse in den Einvernahmen dergestalt darzulegen.

 

Die vom BFA vorgenommene Beweiswürdigung ist im Wesentlichen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anzunehmen braucht, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, ( )".

 

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem BFA nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im Ergebnis als nicht glaubhaft qualifiziert. Die zitierte Beweiswürdigung des BFA ist alleine schon, ohne die Anmerkung des BVwG, hinreichend tragfähig um dieses Ergebnis zu stützten und schließt sich das Bundesverwaltungsgericht dieser an.

 

Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, wie nachfolgende Ausführungen zeigen, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war, das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

 

Die bP ist in der Beschwerde diesen zentralen beweiswürdigenden Argumenten, die für die Nichtlaubhaftmachung der von ihr erzählten Verfolgungsgefahr alleine schon hinreichend tragfähig ist, nicht entgegen getreten, sondern hat lediglich versucht, die Widersprüche etwa mit Übersetzungsfehlern bzw. damit zu erklären, dass die Niederschrift nicht rückübersetzt worden sei. Sofern in diesem Zusammenhang in der Beschwerde weiters angeführt wird, dass der bei der Einvernahme vor dem BFA anwesende Dolmetscher die bP mehrfach ermahnt habe, sich kurz und bündig zu halten, geht dies zum einen aus dem entsprechenden Protokoll nicht hervor, sondern wurde der bP vielmehr ermöglicht, ihre Fluchtgründe in freier Erzählung zu schildern. Zum anderen ist dieses späte Vorbringen ebenfalls nicht geeignet, die aufgetretenen Widersprüche in ihren eigenen Angaben zu entkräften.

 

Das BFA hat zurecht insbesondere hervorgehoben, dass das fluchtauslösende Vorbingen der bP aufgrund der widersprüchlichen Schilderungen als nicht glaubhaft erachtet werden kann. Bei diesen, voranstehend zitierten widersprüchlichen Angaben handelt es sich dabei noch dazu um solche, die durchwegs zentrale Punkte des Fluchtvorbringens betreffen und somit keinesfalls um vernachlässigbare Abweichungen in Randbereichen des Geschehens. Es ist davon auszugehen, dass die bP bei tatsächlich stattgefundenen Bedrohungsszenarien durchaus in der Lage wäre, ein gleichbleibendes und zumindest in den Eckdaten übereinstimmendes Vorbringen zu erstatten, sodass auf Basis der Schilderungen auch von real stattgefundenen Ereignissen auszugehen wäre. Ebenso kamen gegenständlich keine Anhaltspunkte dafür hervor, dass die Angaben der bP etwa aufgrund eines schlechten gesundheitlichen Zustandes nicht als glaubwürdig gewertet werden könnten, weswegen in Überstimmung mit dem BFA davon auszugehen ist, dass es sich bei dem Vorbringen der bP im Wesentlichen um ein auf die Erlangung von Asyl ausgerichtetes Konstrukt handelt.

 

Dazu kommt, dass auch in der Beschwerde Vorbringen erstattet wurde, das wiederum nicht mit dem in der Einvernahme vor dem BFA geschilderten Sachverhalt in Einklang gebracht werden kann. So führte die bP vor dem BFA aus, dass die Leute vom IS nach dem Vorfall noch zweimal im Haus ihres Onkels gewesen seien und nach ihr gefragt hätten. In der Beschwerde wiederum ist widersprüchlich dazu die Rede davon, dass der IS einen Tag nach dem behaupteten Übergriff beim Elternhaus der bP gewesen sei.

 

Weiters wird in der Beschwerde wie folgt argumentiert (AS 127f):

"Wie aus der [...] Niederschrift vom 22.10.2015 hervorgeht, wurde mir am Anfang der Einvernahme die allgemeine Frage gestellt, wo ich in meinem Heimatland "regelmäßig aufhältig" war. [...] Ich gab daher sinngemäß an, dass ich bis zu meiner Ausreise mein ganzes Leben zusammen mit meiner Familie gelebt habe. Als ich später zur genauen Chronologie meiner Flucht befragt wurde, gab ich detailliert und nachvollziehbar an, dass ich mich lediglich die letzten 20 Tage vor meiner Ausreise aus dem Irak im Haus meines Onkels versteckte. Auch mein diesbezügliches Vorbringen liefert somit keinen Anhaltspunkt, um auf meine mangelhafte Glaubwürdigkeit oder gar ein konstruiertes Vorbringen zu schließen". Dazu ist auszuführen, dass die bP zwar tatsächlich (nur) nach ihrem regelmäßigen Aufenthalt gefragt wurde, jedoch gab sie auch an, dass sie immer nur dort (Anm. im Elternhaus) wohnhaft und nie woanders aufhältig gewesen sei, womit diese Angaben in Zusammenschau mit den späteren Ausführungen zum 20-tägigen Aufenthalt beim Onkel sehr wohl für die Nichtglaubhaftmachung der bP sprechen.

 

Es ist aus der Aktenlage nachvollziehbar, dass die bP Präferenzen hat, aus asylfremden Motiven in Österreich zu leben. Ein Indiz dafür ist etwa, dass sie auf ihrer Reise nach Österreich schon mehrere als sicher geltende Länder durchreiste, ohne dort aber trotz Möglichkeit einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Zur Erreichung dieses Zieles scheut die bP offensichtlich nicht davor zurück im Asylverfahren – trotz ergangener Belehrung und Aufforderung die Wahrheit zu sagen und Hinweis auf nachteilige Folgen im Falle wahrheitswidriger Angaben – über persönliche und für das Verfahren maßgebliche Umstände zu täuschen. Die generelle persönliche Glaubwürdigkeit der bP ist daher im Verfahren zu verneinen. Zusammenfassend lässt sich hier erkennen, dass die bP dazu tendiert, ihre bisherigen persönlichen Erfahrungen im Herkunftsstaat aus verfahrenstaktischen Gründen nicht den Tatsachen entsprechend bzw. verfälscht oder übersteigert negativ darzustellen, um dadurch einen Aufenthaltstitel über das Asylverfahren zu erlangen.

 

Die Betrachtung ihrer im Zuge des Verfahrens gemachten niederschriftlichen Angaben lässt erkennen, dass sie im Zuge des Verfahrens bzw. im Laufe der Einvernahmen oder Äußerungen ihre, va. auf vorgeblich eigene Erfahrungen im Herkunftsstaat beruhenden, persönlichen Bedenken gegen eine Rückkehr steigerte, was letztlich mit der Beschwerdeschrift ihren Höhepunkt erreichte.

 

Da nach Ansicht des Bundesverwaltungsgericht der maßgebliche Sacherhalt vom BFA hinreichend festgestellt wurde und die bP im Rahmen des Parteiengehörs auch nicht konkret und substantiiert aufgezeigt hat, dass die amtswegigen Ermittlungen unvollständig oder nicht richtig seien, waren keine weiteren Ermittlungsschritte erforderlich. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt dazu nämlich folgende Ansicht:

 

Ist die Partei der Meinung, dass die Ermittlungen unvollständig oder nicht richtig sind, muss sie – im Rahmen des ihr zu gewährenden Parteiengehörs - konkrete Vorbringen erstatten, was gegen die Ermittlungsergebnisse der Behörde spricht und allenfalls Gegenbeweise vorlegen (zB VwGH 14.12.1995, 95/19/1046). Unterlässt sie die erforderliche Mitwirkung, kann der Behörde aus der Unterlassung weiterer Ermittlungen kein Vorwurf gemacht werden (zB VwGH 20.9.1999, 98/21/0138). So kann die Untätigkeit der Partei im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung –idR zu Lasten der Partei – berücksichtigt werden (zB VwGH 26.2.2002, 2001/11/0220; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 172; Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, mwN auf die Judikatur des VwGH).

 

Dass die bP etwa, wie nunmehr in der Beschwerde behauptet, nicht ausführlich befragt worden sei, kann anhand der entsprechenden Protokolle nicht nachvollzogen werden. Darüber hinaus wurden auch in der Beschwerde keine konkreten Umstände dargetan, welche die nunmehrige Behauptung stützen würden.

 

Im Ergebnis ist es der bP mit der Beschwerde weder gelungen, eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist sie dieser im Rahmen der Anfechtungsbegründung in substantiierter Form entgegengetreten. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, dass die bP entweder in begründeter Form eine maßgebliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dargetan oder Argumente vorgebracht hätte, die einerseits zu einer andere Gewichtung oder Bewertung der verfahrensgegenständlichen Beweismittel führen würden oder aus denen andererseits im Rahmen der allgemeinen Denklogik eine Prävalenz des von ihr dargestellten Geschehnisablaufes gegenüber jenem von der Erstbehörde angenommenen hervorleuchtet, was im Ergebnis zu einer anders gelagerten Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des der weiteren rechtlichen Würdigung zugrunde zu legenden historisch-empirischen Sachverhaltes führen würde.

 

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Irak ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen. Diese Berichte wurden der bP übermittelt und ihr Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen, wovon sie zwar Gebrauch machte, den Berichten jedoch nicht susbtantiiert entgegengetreten ist. Aus dieser Berichtslage des Bundesverwaltungsgerichtes lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die bP im Falle einer Rückkehr mit einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung zu rechnen hätte.

 

Wenn in der Stellungnahme argumentiert wird, dass der bP keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe, ist dem entgegenzusetzen, dass das Fluchtvorbringen der bP als nicht glaubwürdig erachtet wurde, weswegen sich mangels asylrelevanter Verfolgung eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden Länderfeststellungen bzw. damit, ob es der bP möglich wäre, an einem anderen Ort ihres Herkunftsstaates zu leben, erübrigt.

 

Zu den Ausführungen der bP, die auf eine allgemeine Gefährdungslage im Irak oder eine mögliche Unfähigkeit des irakischen Staates, seine Bürger vor Angriffen Dritter effektiv zu schützen, hindeuten, ist festzuhalten, dass das BFA der bP den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hat.

 

3. Rechtliche Beurteilung

 

Zu A):

 

1. Zu Spruchpunkt I.

 

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben sind.

 

Wie sich aus den Erwägungen ergibt, ist es der bP nicht gelungen, eine solche aus ihrer dargelegten Fluchtgeschichte glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen und als fluchtkausal bezeichneten Angaben bzw. die daraus resultierenden Rückkehrbefürchtungen gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung somit gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Auch die allgemeine Lage ist im gesamten Herkunftsstaat, konkret auch in der Herkunftsregion der bP, nicht dergestalt, dass sich für die bP eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

 

Sofern die bP für ihre Asylantragstellung auch wirtschaftliche Gründe ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass hierin keine asylrelevante Verfolgung erkannt werden kann. Wirtschaftliche Gründe können zum einen nur relevant sein, wenn die erlittene oder befürchtete wirtschaftliche Benachteiligung ein das Überleben bedrohendes Ausmaß erreicht. Zum anderen ist die Anknüpfung an einen Konventionsgrund erforderlich. So kann beispielsweise der Verlust des Arbeitsplatzes nach ständiger Rechtsprechung des VwGH nur dann zur Asylgewährung führen, wenn - neben einer Anknüpfung an einen Konventionsgrund - dadurch die Lebensgrundlage der schutzsuchenden Person massiv bedroht würde (vgl. Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht, Rz 55 mwN).

 

Im gegenständlichen Fall gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Kriterien erfüllt wären.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Zu Spruchpunkt II.

 

In der Beschwerde wurde von der bP ein Antrag auf Beigabe eines Verfahrenshelfers gestellt.

 

In den Erläuterungen zur og. Novelle des VwGVG, in Kraft getreten mit 17.01.2017, heißt es:

 

"Mit dem Erkenntnis vom 25.06.2015, G 7/2015, hat der Verfassungsgerichtshof § 40 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2016 in Kraft.

 

§ 40 VwGVG sieht vor, dass einem Beschuldigten - unter weiteren Voraussetzungen - im Verwaltungsstrafverfahren ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben wird, wenn der Beschuldigte außerstande ist, die Kosten der Verteidigung zu tragen. § 40 (Abs. 1) VwGVG entspricht im Wesentlichen dem Art. 6 Abs. 3 lit. c der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK), BGBl. Nr. 210/1958. Diese Bestimmung sieht vor, dass jeder Angeklagte - unter weiteren Voraussetzungen - das Recht hat, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten.

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beschränkt sich die EMRK jedoch nicht darauf, das Recht auf einen Pflichtverteidiger in Strafverfahren zu gewährleisten, sondern verpflichtet auch in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche - unter weiteren Voraussetzungen - zur Verfahrenshilfe. Unter Berufung auf diese Rechtsprechung wurde § 40 VwGVG vom Verfassungsgerichtshof mit der Begründung aufgehoben, die Bestimmung schließe in unzulässiger Weise Verfahrenshilfe in Verfahren, die keine Verwaltungsstrafverfahren sind, aus.

 

Die Aufhebung des § 40 VwGVG durch den Verfassungsgerichtshof soll zum Anlass genommen werden, das Institut der Verfahrenshilfe im Verfahren der Verwaltungsgerichte neu zu regeln und einen Rechtszustand herzustellen, der der diesbezüglichen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Rechnung trägt.

 

Aus diesem Grund soll im 2. Hauptstück 1. Abschnitt VwGVG ein § 8a aufgenommen werden, der die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelt. Diese Verfahrenshilfe soll der Verfahrenshilfe im zivilgerichtlichen Verfahren entsprechen. Im Verwaltungsstrafverfahren soll - wie bisher - ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben werden können. Es bedarf daher auch einer entsprechenden Anordnung im 3. Hauptstück 2. Abschnitt VwGVG (an Stelle des bisherigen § 40 VwGVG)".

 

Die vorgeschlagenen Abs. 1 und 2 des § 8a VwGVG sehen die Voraussetzungen vor, unter denen ein Anspruch auf Verfahrenshilfe besteht. Gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 1 ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032). Darüber hinaus regelt der vorgeschlagene § 8a die Einbringung des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe näher.

 

§ 8a Abs. 1 sieht vor, dass die Bewilligung der Verfahrenshilfe nach dieser Bestimmung zu erfolgen hat, "soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist". Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Regelung der Verfahrenshilfe im VwGVG um eine sogenannte "subsidiäre Bestimmung" handelt: Sie soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, also dann, wenn das sogenannte "Materiengesetz" keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht.

 

So sieht etwa § 52 des BFA-Verfahrensgesetzes - BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 vor, dass einem Fremden oder Asylwerber in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren in bestimmten Angelegenheiten ein Rechtsberater beigegeben wird; diese Bestimmung entspricht den Vorgaben des Art. 47 GRC. Im Anwendungsbereich des BFA-VG gelangt der vorgeschlagene § 8a daher (überhaupt) nicht zur Anwendung. Die Subsidiarität des vorgeschlagenen § 8a hat auch zur Folge, dass gesetzliche Bestimmungen, die einen entsprechenden Inhalt aufweisen, mit dem Inkrafttreten des vorgeschlagenen Bundesgesetzes nicht außer Kraft treten.

 

Der bP wurde mit Verfahrensanordnung des BFA vom 30.10.2015 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe für das Beschwerdeverfahren beigegeben. Dieser unterstützte - wie sich dem gg. Verfahrensakt entnehmen lässt - die bP bei der Abfassung ihrer Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid und Einbringung derselben beim BFA und erteilte die bP diesem mittlerweile auch eine vollumfängliche Vertretungsvollmacht.

 

Im Lichte der oben stehenden Erläuterungen zum § 8a VWGVG idgF sowie der Subsidiarität desselben gegenüber dem § 52 Abs. 1 BFA-VG waren sohin die Verfahrensgarantien der bP iSd Art. 47 GRC im gg. Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gewährleistet und der Antrag der bP auf kostenlose Beigabe eines Verfahrenshelfers für das Verfahren vor dem BVwG sohin als unzulässig zurückzuweisen.

 

3. Zur Anregung, die Aufhebung von § 16 BFA-VG beim VfGH zu beantragen

 

Diesbezüglich ist auszuführen, dass die Bestimmung zur Beschwerdefrist des § 16 Abs. 1 BFA-VG, soweit sie Verfahren in Zusammenhang mit der Zuerkennung und Aberkennung von internationalen Schutz betrifft, mit Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 23.02.2016, G 589/2015-6 als verfassungswidrig aufgehoben wurde (BGBl. I Nr. 17/2016 vom 31.03.2016). Hinsichtlich Asylverfahren, welche mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verbunden sind, gilt aber weiterhin eine Beschwerdefrist von zwei Wochen. Im gegenständlichen Fall wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verhängt und ist dem Gesetzgeber dahingehend zuzustimmen, dass es in derartigen Fällen unerlässlich erscheint, eine Beschleunigung dieser Verfahren anzustreben.

 

Die in der gegenständlichen Beschwerde hinsichtlich § 16 BFA-VG geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken werden sohin vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt.

 

Darüber hinaus wurde der bP im Bescheid des BFA eine zweiwöchige Beschwerdefrist eingeräumt und wurde die Beschwerde auch tatsächlich innerhalb dieser Frist eingebracht, sodass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die bP in ihren verfassungsrechtlich geschützten Rechten verletzt wäre.

 

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

 

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

 

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte die einer nochmaligen Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte. Das Bundesamt hat die, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und hat das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung geteilt.

 

In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

 

Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt erachtet werden und eine Verhandlung entfallen konnte.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte