BVwG W124 1434253-1

BVwGW124 1434253-19.12.2015

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W124.1434253.1.00

 

Spruch:

W124 1434253-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Rainer FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, durch gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 BGBL. I Nr. 100 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 BGBL. I Nr. 100 idgF wird das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der (damals minderjährige) Beschwerdeführer reiste nach einem etwa 1 1/2 jährigen Aufenthalt in Griechenland unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Seine niederschriftliche Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter Zuziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari erfolgte am XXXX Im Rahmen dieser Erstbefragung gab der BF im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei Staatsangehöriger von Afghanistan aus einem Dorf in der der Provinz XXXX , sei Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, moslemischen Glaubens und ledig. Er habe vier Jahre die Grundschule besucht und sei zuletzt als Landwirt im Familienbetrieb tätig gewesen; seine Eltern und drei Brüder sowie drei Schwestern lebten noch in Afghanistan. In Österreich habe er keine Familienangehörigen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, von Unbekannten entführt und nach ca. zwei Tagen gegen Lösegeld freigelassen worden zu sein. Danach hätten sein Vater und sein Bruder gesagt, er solle Afghanistan verlassen, denn dies könne sich wiederholen. Er habe Angst um sein Leben.

3. Nach dem Ergebnis eines eingeholten Gutachtens, war der Beschwerdeführer minderjährig und wurde sein Geburtsdatum mit XXXX ermittelt, wovon die Behörde in weiterer Folge ausging.

4. Anlässlich der Einvernahme am XXXX führte der BF zusammengefasst aus, gesund zu sein und nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen. Sein Vater sei von Beruf Landwirt und sein ältester Bruder arbeite schon seit vier bis fünf Jahren für die Amerikaner in XXXX , er habe eine eigene Firma. In seinem Heimatdorf würden außer seiner Familie noch eine Tante und ein Onkel mütterlicherseits und seine verheiratete Schwester mit ihrer Familie leben. Sein Vater besitze ein Haus. Sein Bruder besitze ein Haus, ein Auto und eine Firma in XXXX und handle mit Kleidung und bekomme Bauaufträge der Amerikaner. Dieser sei ein bis zwei Mal wöchentlich nach Hause gekommen. Der Beschwerdeführer sei einmal in Kabul zu Besuch gewesen und dann entführt worden. Der Familie sei es gemessen am landesüblichen Durchschnitt sehr gut gegangen, sein Vater habe als Bauer gearbeitet und sein Bruder sie finanziell unterstützt. Der Bruder sei wohlhabend und verdiene monatlich zwischen 60 und 100.000.- Dollar. Zum Fluchtgrund befragt gab er an, sein ältester Bruder habe ihn im

2. Monat des Jahres 2010 zu sich nach XXXX geholt, damit er einige Tage Urlaub dort verbringe. Der Bruder sei zur Arbeit gegangen und der BF habe zu einem Park gehen wollen, als plötzlich ein Auto neben ihm stehen geblieben und er gefragt worden sei, ob er der Bruder seines Bruders sei. Als er dies bejaht und erzählt habe, dass er zu dem Park wolle, sei ihm angeboten worden, ihn dorthin zu bringen. Er habe sich ins Auto gesetzt und dann sei ihm der Kopf nach unten gedrückt worden. Einer der Täter habe eine Pistole gehabt und ihm gedroht ihn zu erschießen, falls er sich bewege. Nach zwei Stunden Fahrt sei es dunkel geworden und hätten sie angehalten. Sie seien ausgestiegen und in ein Haus gegangen. Sie hätten ihm gesagt, dass sie ihn nicht umbringen würden. In einem Raum habe es einen großen Tisch gegeben und habe er sehr viel gutes Essen bekommen. Sie hätten wiederholt gesagt, dass sie die (Telefon)Nummer seines Bruders brauchen würden. Nachdem er ihnen diese gegeben habe, hätten sie seinen Bruder angerufen und habe er auch mit ihm sprechen können. Sein Bruder habe gesagt, dass er keine Angst zu haben brauche und ihn holen werde. Um Mitternacht sei er hinaus und danach zu seinem Bruder gebracht worden. Er sei nur sechs bis sieben Stunden festgehalten worden. Das Lösegeld habe 60.000.- Dollar betragen. Sein Bruder habe die Entführung der Polizei in XXXX nicht gemeldet.

Danach sei er wieder in seine Heimatprovinz zurückgekehrt. Er sei wieder zur Schule gegangen und eines Tages danach in einen Fluss schwimmen gegangen, als plötzlich ein Auto neben ihm stehen geblieben sei und ihn jemand aufgefordert habe, er solle her kommen. Aus Angst sei er weggelaufen und nach Hause gerannt, wobei ihn der Mann verfolgt habe. Der BF habe aber in einem Haus um Hilfe bitten können und dann sei der Mann davon gelaufen. Dies sei ca. 4 Monate vor seiner Ausreise gewesen. Nach Korrektur seiner Aussage, gab dieser an, dass der Vorfall nur einen Monat bis zur Ausreise gewesen sei. Er glaube, dass die Feinde seines Bruders ihn entführt und im Heimatdorf behelligt hätten. Sein Bruder könne ihm Beweise schicken. Im Fall der Rückkehr könne das Gleiche wieder passieren. Er glaube er sei entführt worden, weil sein Bruder reich sei. Zur Frage nach einer innerstaatlichen Fluchtalternative z.B. in XXXX fragte der BF, wie lange er sich dort hätte verstecken sollen.

5. Zu dem, dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Ergebnis der durchgeführten Recherche nahm dessen gesetzlicher Vertreter mit Schreiben vom XXXX Stellung und brachte Berichte zur Sicherheitslage, insbesondere zu XXXX , zur Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden und zur Situation von Rückkehrern vor.

Mit Schreiben vom XXXX wurden zudem Dokumente betreffend die Existenz der Firma des Bruders des BF vorgelegt. Der Übersetzung dieser Schriftstücke ist zu entnehmen, dass der Bruder des BF sowohl die Entführung desselben am XXXX als auch die Bezahlung von 60.000.- USD Lösegeld bestätigt. Ferner bestätigte er, seinen Bruder aus Angst, dass sich der Vorfall wiederholen könnte, zur Flucht ins Ausland überredet zu haben. Die Entführung habe am XXXX stattgefunden. Der Übersetzung, der von XXXX gültigen Firmenlizenz (für private Investitionen) ist zu entnehmen, dass die genannte Firma bei XXXX registriert und der genannte Bruder des BF deren Präsident ist.

6. Mit dem oben bezeichneten Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde festgestellt, dass dem Genannten der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt wird (Spruchpunkt II). Gleichzeitig wurde der Antragsteller gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Das Bundesasylamt stellte zur Person des BF fest, dass er Staatsangehöriger von Afghanistan aus der Provinz XXXX sei und der Volksgruppe der Tadschiken angehöre. Er sei minderjährig, gesund und arbeitsfähig. Seine Familie, bei welcher der BF bis zur Ausreise Anfang XXXX gelebt habe, sei wohlhabend. Ferner wurde der Inhalt der vorgelegten Schriftstücke übersetzt. In Bezug auf den Fluchtgrund führte das Bundesasylamt aus, dass sein Vorbringen als nicht glaubwürdig erachtet werde. Er verfüge über Anknüpfungspunkte in seiner Heimatprovinz und könne im Fall der Rückkehr dort wieder Aufnahme bzw. eine Existenzgrundlage finden.

Zur Lage in Afghanistan stellte die Behörde ua. fest, "...Personen, welche für das internationale Militär arbeiten, sind im gesamten Land einer Bedrohung ausgesetzt, aber in XXXX ist dieses Risiko geringer...", ferner, dass die Aufständischen immer häufiger Entführungen als Erlösquelle nutzten, Opfer meist wohlhabende Einheimische oder immer häufiger Ausländer seien, sowie dass nach Berichten vom März 2012 in Städten wie in XXXX die Polizei (ANP) Schutz bieten könne.

7. Gegen den Bescheid der Verwaltungsbehörde erhob der Beschwerdeführer durch seinen gesetzlichen Vertreter innerhalb offener Frist Beschwerde und führte in dieser im Wesentlichen aus, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft gewesen sei. So hätte die Behörde nicht ausreichend Nachforschungen angestellt, um die Echtheit der vorgelegten Dokumente zu prüfen (etwa telefonische Nachfrage). Ferner hätte zur fehlenden "Dichte seines Vorbringens" die Einvernahme länger und ausführlicher stattfinden müssen. Es hätten Recherchen vor Ort stattfinden müssen, um festzustellen, dass die Entführung tatsächlich stattgefunden habe. Zum Einwand, dass regelmäßig gefälschte afghanische Dokumente kursierten, hätte die Echtheit der vorgelegten Dokumente überprüft werden müssen. Ferner habe der Beschwerdeführer ganz klar gesagt, dass der Dolmetscher bei der Erstbefragung falsch übersetzt hätte: Der Beschwerdeführer sei nur 6-7 Stunden von den Entführern festgehalten worden und nicht zwei Tage. Wegen der aktuell bedenklichen Sicherheitslage in Afghanistan wäre dem Beschwerdeführer zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen.

8. Anlässlich der am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung, an welcher das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entschuldigter Weise nicht teilnahm, brachte der - nunmehr unvertretene - Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vor:

"[...]

Die Verhandlung ist öffentlich.

Über Antrag des Beschwerdeführers/von Amtswegen wird die Öffentlichkeit gem. § 25 VwGVG von der Verhandlung ausgeschlossen.

[...]

ER: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Dari.

ER an die Dolmetscherin: In welcher Sprache übersetzen Sie für den Beschwerdeführer?

D: Dari.

ER befragt den Beschwerdeführer ob er die Dolmetscherin gut verstehe, dies wird bejaht.

ER befragt den Beschwerdeführer, ob dieser geistig und körperlich in der Lage ist der heutigen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen. Nun wird der Beschwerdeführer befragt, ob er gesund ist oder ob bei ihm (Krankheiten) und /oder Leiden vorliegen. Diese Fragen werden vom Beschwerdeführer dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe oder chronische Krankheiten und Leiden vorliegen. Der Beschwerdeführer ist in der Lage der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.

[...]

ER: Wie lautet Ihr vollständiger Name und wann sind Sie geboren?

BF: XXXX , geb. XXXX

ER: Was bedeutet " XXXX "?

BF: Gemeint ist, " XXXX ."

ER: Wo haben Sie gelebt, bevor Sie Afghanistan verlassen haben, geben Sie bitte die genaue Adresse an!

BF: Ich lebte in XXXX , im Bezirk XXXX .

ER: Welcher Distrikt?

BF: Ich wohnte im Zentrum von XXXX , gleich neben der Moschee im Zentrum.

ER: Wie hat die Moschee geheißen?

BF: Diese Moschee heißt: XXXX .

ER: Haben Sie an der von Ihnen angegebenen Adresse alleine gewohnt?

BF: Nein, mit meiner Familie.

ER: Lebt Ihre Familie noch an der von Ihnen angegebenen Adresse?

BF: Ja.

ER: Stehen Sie mir Ihrer Familie noch in Kontakt?

BF: Ja.

ER: Aus welchen Mitgliedern besteht Ihre Familie?

BF: Meine Eltern, meine Großeltern sowie 3 Schwestern und 4 Brüdern.

ER: Sind Sie der Jüngste von den Söhnen?

BF: Nein, nach mir gibt es noch 2 weitere, die jünger sind.

ER: Wie haben Sie in Afghanistan Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Es ging uns finanziell gut, mein älterer Bruder hatte eine eigene Firma. Mein Vater betrieb Landwirtschaft und ich selbst bekam eine Ausbildung 3, 4 Jahre lang und danach half ich meinem Vater bei der Landwirtschaft.

ER: Über welche Ausbildung verfügen Sie?

BF: Damit meine ich 4 Jahre Schule, Bildung im Sinne von Schulbildung.

ER: Halten Sie die Angaben, die Sie beim BAA bzw. bei der Polizei gemacht haben aufrecht bzw. sind diese vollständig und inhaltlich richtig?

BF: Ja.

ER: Beim BAA haben Sie auf die Frage, wie viele Geschwister Sie haben würden, "3 Brüder und 3 Schwestern", heute sagen Sie, dass Sie "4 Brüder" hätten.

BF: Ich rechne mich dazu, das ist bei uns üblich, damit sind wir 4 Brüder.

ER: Haben Sie auch an einer anderen Adresse, als an der von Ihnen zuvor angegeben, gewohnt?

BF: Nein, das war meine Adresse, ich war nur ein- oder zweimal einfach zu Besuch und zum Vergnügen in XXXX .

ER: Wie oft stehen Sie mit Ihren Familienmitgliedern in Kontakt?

BF: Ich telefoniere mit meiner Familie einmal in einem Monat oder 1 1/2 Monaten.

ER. Wann haben Sie das letzte Mal telefoniert mit Ihren Eltern?

BF: Das letzte Mal habe ich beim vergangenen "Opferfest" (Eyd-e Ghorban bzw. Bayran) telefoniert.

ER: Wann war das?

BF: Das war vor ca. 10 - 15 Tagen, ungefähr 2 Wochen.

ER. Was haben Sie da mit Ihren Eltern besprochen?

BF: Ich habe Ihnen einfach zu diesem Anlass gratuliert, wir führten ein normales Gespräch. Sie wollten wissen, wie es mir geht und ob alles in Ordnung ist.

ER: Wie bestreitet Ihr Vater seinen Lebensunterhalt in Afghanistan?

BF: Mein Vater betreibt nach wie vor Landwirtschaft.

ER: Was machen Ihre 3 Brüder?

BF: Mein älterer Bruder hat eine eigene Firma und die 2 jüngeren besuchen die Schule und helfen nebenbei meinem Vater bei der Landwirtschaft.

ER: In die wievielte Klasse gehen Ihre beiden Brüder?

BF: Einer geht in die 3. und einer in die 5. Klasse.

ER: Hat Ihr älterer Bruder eine besondere Ausbildung?

BF: Mein Bruder hat 12 Jahren die Schule beendet und danach an der Universität ein Studium abgeschlossen. Er ist fertiger Immobilienmakler, d. h. er darf mit Grundstücken, Häusern, Wohnungen handeln bzw. Verträge für andere, abschließen.

ER: Wo hat er studiert, an welcher Universität?

BF: Er hat an einer Universität in XXXX studiert.

ER: Wie heißt diese Universität.

BF: Ich kann mich nicht mehr an den Namen erinnern, es ist schon viele Jahre her, ich weiß nur, dass sie in XXXX war.

ER: Warum haben Sie nur 4 Jahre die Schule besucht?

BF: Ich habe nicht mehr zur Schule gehen können. Besser gesagt, als ich in XXXX von unbekannten Personen entführt worden war, war es danach nicht mehr möglich, für mich zur Schule zu gehen.

ER: Wann haben Sie denn mit dem Schulbeginn begonnen, wie viele Jahre waren Sie da alt?

BF: Ich habe mit 6 Jahren die Schule begonnen.

ER: Mit wie viel Jahren haben Sie Afghanistan verlassen?

BF: Ich war 14.

ER: Wohnen Ihre Schwestern auch noch bei Ihren Eltern?

BF: Nein, 2 Schwestern sind bereits verheiratet und nur 1 wohnt noch bei unseren Eltern. Sie ist verlobt und wird auch bald das Haus verlassen.

ER: Wo wohnen Ihre beiden Schwestern?

BF: Sie haben in der Verwandtschaft geheiratet und wohnen in der Nachbarschaft meiner Eltern.

ER: Heißt das, dass sie im selben Bezirk wie Ihre Eltern wohnen?

BF: Ja.

ER: Wie waren bzw. sind die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse Ihrer Eltern?

BF: Als ich noch ein kleines Kind war, ging es meinen Eltern finanziell nicht so gut. Erst als mein Bruder sein Studium abgeschlossen und seine Firma gegründet hat, verbesserte sich die finanzielle Situation für uns alle.

ER: Haben Ihre Eltern jetzt finanzielle oder wirtschaftliche Probleme?

BF: Nein, jetzt geht es ihnen finanziell ganz gut, sie leben sehr gut.

ER: Und wie ist es Ihnen wirtschaftlich bzw. finanziell in Afghanistan gegangen?

BF: Sehr gut.

ER: Was war der Grund bzw. die Gründe, warum Sie dann Afghanistan verlassen haben?

BF: Ich wurde in XXXX von Unbekannten entführt und machte sehr viel durch. Nachdem ich zurück war, hatte ich mit den Menschen in unserer Ortschaft große Probleme, insbesondere, die Jugendlichen bzw. jungen Menschen, die etwas älter als ich waren, zogen meinen Namen in den Dreck, sie machten mich schlecht. Sie sagten, ich sei "verdorben" und hätte mich selbst verkauft und egal wie oft ich versuchte dem entgegenzuwirken, ich wurde in der Gesellschaft nur mehr als "schlecht" angesehen.

ER: Was waren dann die eigentlichen Gründe, warum Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Ich versuchte wieder zur Schule zu gehen und als ich eines Tages von der Schule herausgekommen war, ging ich baden. Als ich von dort nach Hause gehen wollte, bremste ein Auto vor mir. Es waren wieder diese Leute, die mich damals entführt hatten. Ich begann zu schreien und rannte weg, es gelang mir, ihnen zu entkommen. Danach sagte mir mein Bruder, dass es für mich keinen anderen Ausweg gebe, als das Land zu verlassen, denn sonst würden sie mich immer wieder in Bedrängnis bringen und schließlich mir etwas antun.

ER: Wie ist es Ihnen gelungen, ihnen zu entkommen?

BF: Der Platz, an dem sie mich gefunden hatten, war voller Häuser. Als ich bemerkte, dass es dieselben Männer waren und mir bewusst wurde, dass sie mich wieder entführen oder etwas antun würden, rannte ich in diesen Platz hinein und begann zu schreien, sodass die Leute aus den Häusern kamen bzw. herausschauten und die Männer wieder wegfuhren.

ER: Haben die Männer versucht, eine Verfolgung aufzunehmen?

BF: Einer der Anrainer dort, ließ mich in sein Haus, dort blieb ich

5 - 10 Minuten versteckt, er bot mir ein Glas Wasser an. Als ich

hinausging, waren diese Männer nicht mehr da.

ER: Haben diese die Verfolgung, als Sie weggerannt sind, aufgenommen, oder nicht?

BF: Ich war so in Panik geraten und so nervös, dass ich mich nicht umdrehte, ich rannte nur davon, deshalb weiß ich nicht, ob diese Männer mich tatsächlich verfolgt haben.

ER: Beim BAA haben Sie auf jeden Fall angegeben, dass Ihnen ein Mann nachgelaufen wäre, von dem Sie heute sagen, dass Sie sich nicht erinnern könnten, da Sie derartig nervös bzw. panisch gewesen wären.

BF: Nein, ich habe auch beim BAA nichts anderes erzählt, denn es war so, dass aus dem Auto heraus einer der Männer nach mir greifen wollte und ich losrannte und flüchtete. Ob man mich dann verfolgt hat, habe ich dann nicht mehr mitbekommen.

ER: Wo sind Sie dann hingelaufen?

BF: Ich rannte in diesen Wohnbezirk. Ich stieg über einen Zaun in den Vorgarten eines Hauses, das neben der Schule war und dort fand ich Zuflucht.

ER: Bei wem?

BF: Als ich in den Vorgarten gesprungen war, kam zuerst ein kleines Kind, dann die Frau und dann die Tochter. Schließlich wurde ich von der Familie aufgenommen, ich kannte diese Familie jedoch nicht.

ER: Sind Sie bei dieser Flucht unversehrt geblieben?

BF: Nein, ich habe mich an der linken Hand und am rechten Unterarm geschnitten, als ich bei diesem Stacheldrahtzaun hochgeklettert und in den Vorgarten gesprungen bin.

ER: Was ist dann passiert, nachdem Sie über den Stacheldrahtzaun geklettert sind?

BF: Danach kam die Familie aus dem Haus. Ich hatte selbst noch gar nicht bemerkt, dass ich verletzt bin. Das Kind hat bemerkt, dass ich an der Hand blute und erst dann, sah ich beide Verletzungen. Sie haben mich dort verbunden und nachdem ich nach Hause gegangen war, ging ich zum Arzt und wurde entsprechend verarztet.

ER: Wie hieß der Arzt, zu dem Sie gegangen sind?

BF: Das weiß ich nicht mehr.

ER: Sind Sie zu diesem Arzt alleine gegangen?

BF: Nein, mein Bruder begleitete mich.

ER: Haben Sie diesen Vorfall angezeigt?

BF: Wen hätte ich anzeigen sollen, ich hatte ja keine Daten von diesen Männern. Die gehörten irgendwie alle zusammen, auch diese jungen Leute aus unserem Bezirk, die mich immer wieder dazu anstiften wollten, Prostitution zu betreiben, weil sie der Meinung waren, dass ich bereits "verdorben" war. Hätte ich meinen Bruder von diesen Leute erzählt, wäre es zu einem "Krieg" gekommen.

ER: Zu einem "Krieg" zwischen wem?

BF: Es wäre zu einem "Krieg" zwischen meinem Bruder und diesen Leuten gekommen. Ich wollte keine Auseinandersetzung dieser Art verursachen, deshalb ging z. B. zu unmöglichen Zeiten auf das Feld, damit sie mich dort nicht aufsuchen konnten. Ich versuchte, so gut es ging, ihnen aus dem Weg zu gehen.

ER: Hätten Ihnen Ihr Bruder Schutz gewähren können?

BF: Nein.

ER: Warum nicht, wenn Sie sagen, es wäre zu einem "Krieg" gekommen?

BF: Theoretisch hätte er mich schon beschützen kommen, aber es wäre zu einem "Gefecht" gekommen, er hätte diese Männer mit Sicherheit zur Verantwortung ziehen wollen und hätte sicher ein böses Ende genommen und hätte vermeidet, dass so etwas passiert.

ER: Kannten Sie diese Personen?

BF: Das waren die Burschen aus unserem Viertel.

ER: Wie erwirtschaftet Ihr älterer Bruder damals und jetzt seinen Lebensunterhalt?

BF: Er hat eine Firma, er bekommt viele Verträge, er errichtet Häuser und Wohnungen und/oder verkauft solche. Davon lebt er.

ER: Wie heißt die Firma Ihres Bruders?

BF: Es ist eine Art Immobilienfirma, ich glaube die heißt XXXX . Ich habe mich allerdings nie in seine beruflichen Belange eingemischt, ich habe nicht so genauere Informationen darüber.

ER: Wie heißt Ihr Bruder, der die Firma betreibt?

BF: XXXX .

ER: Und für wen arbeitet Ihr Bruder? Wer sind seine Kunden?

BF: Er hat verschiedene Kunden, er arbeitet auch mit Amerikanern, er erhält auch Aufträge von der Stadtführung. Er errichtet auch die Wasserleitungen und solche Sachen.

ER: Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Ihr Bruder?

BF: Er hat 1 Geschäftspartner und 2 Bodyguards, die Amerikaner sind.

ER: Wie heißt der Geschäftspartner?

BF: Ich bin mir nicht sicher, wie er heißt, ich glaube XXXX , bin aber unschlüssig. Ich habe die Unterlagen betreff seiner Firma da. Wenn Sie genauere Daten brauchen, kann ich die Ihnen vorlegen.

ER: Ich habe Sie am Anfang gefragt, ob Sie Unterlagen vorlegen können, warum sagen Sie erst jetzt, dass Sie Unterlagen von der Firma Ihres Bruders hier hätten?

BF: Das habe ich bereits vorgelegt gehabt, auch in Traiskirchen.

BF wird die beim BAA am 27.02.2013 eingebrachte Unterlage gezeigt, dies wird vom BF als Unterlage von der Firma seines Bruders bestätigt.

ER: Wo ist der genaue Standort von der Firma Ihres Bruders?

BF: Die Firma ist in XXXX , XXXX Bezirk von XXXX ( XXXX ) in der Straße: XXXX .

ER: Ist die Firma im " XXXX "?

BF: Die Firma befindet sich vor diesem XXXX .

ER. Ist Ihr Bruder der Alleineigentümer dieser Firma?

BF: Nein, er hat einen Geschäftspartner, mit dem er die Firma teilt.

ER: Was verdient Ihr Bruder durchschnittlich im Monat?

BF: Das ist absolut verschieden, weil es abhängig von den Aufträgen ist.

ER: Daher war die Frage "durchschnittlich".

BF: Ich schätze, dass er irgendwas zwischen 7.000 - 10.000 US-Dollar im Monat verdient, wobei ich das schwer abschätzen kann. Aufträge brauchen manchmal Monate, bis sie ausgeführt werden und ich weiß nicht genau, wie viel Gewinn er tatsächlich aus den verschiedenen Verdiensten davon trägt, deshalb ist das nur meine persönliche Einschätzung.

ER: Beim BAA haben Sie gesagt, er würde monatlich 60.000 - 70.000 - 100.000 US-Dollar monatlich verdienen.

BF: Nein, das war ja "Wahnsinn", vielleicht hatte ich Jahreseinkommen angegeben oder einem halben Jahr oder bis zu einem Jahr, aber monatlich habe ich keine solche Summe angegeben.

ER: Und warum haben Sie das vor dem BAA so gesagt?

BF: Ich habe auch damals nicht von einem monatlichen Einkommen gesprochen, sondern habe gemeint, dass vielleicht ein normaler Auftrag ihm so viel einbringt, aber so ein Auftrag kann bis zu einem Jahr brauchen und somit ist es kein monatliches Einkommen.

ER: Wie weit ist Ihr Heimatdorf von XXXX entfernt?

BF: Es sind 3, 4 Stunden Wegzeit.

ER: Mit welchem Verkehrsmittel oder Bus?

BF: Mit dem Auto.

ER: Wie oft haben Sie Ihren Bruder in XXXX besucht?

BF: Ich war zweimal dort.

ER: Was haben Sie dort gemacht?

BF: Ich machte nichts Besonderes, ich war einfach zu Besuch dort. Es war ein kleiner Urlaub, bei meinem zweiten Besuch wurde ich dann entführt.

ER: Wann war das?

BF: Das war, glaube ich, 2011.

ER: 2011, wann?

BF: Am 7. oder 8. Monat.

ER: Beim BAA haben Sie gesagt, dass sich das ganze im Februar 2010 zugetragen hätte, heute sagen Sie, dass das im Juli/August 2011 gewesen wäre, was sagen Sie dazu?

BF: Nein, es war auf jeden Fall 2011. Ehrlich gesagt, viele Daten weiß ich nicht mehr genau, weil ich sie durcheinander bringe. Auf jeden Fall bin ich nach der Freilassung ungefähr noch 1 Monat in Afghanistan gewesen und dann habe ich Afghanistan verlassen.

ER: 1 Monat nach der Entführung im Jahr 2010 bzw. 2011?

BF: 1 Monat nach der Freilassung habe ich Afghanistan verlassen.

ER: Was heißt das jetzt genau, vom Zeitpunkt her?

BF: Ich denke, das war tatsächlich 2010, aber gegen Ende 2010, wie gesagt ich bin mit den Daten ziemlich durcheinander, aber es wird schon 2010 stimmen.

[...]

ER: Um welche Entführung hat es sich gehandelt, nachdem Sie nach dieser Entführung, 1 Monat nach diesem Vorfall, Afghanistan verlassen haben?

BF: Es gab nur eine Entführung in XXXX . Danach war ich in XXXX , als sie mich dort wieder entführen wollten und kurz danach habe ich dann Afghanistan verlassen.

ER: Zuerst haben Sie gesagt, dass Sie 1 Monat nach der Entführung in XXXX , Afghanistan verlassen hätten.

BF: Ja.

ER: Wo haben Sie sich aufgehalten, als Sie in XXXX entführt worden sind?

BF: Ich wohnte bei der Tante mütterlicherseits meiner Mutter im selben Viertel, in der sich die Firma meines Bruders befindet. Ich war auf dem Weg in den Park, als ich entführt wurde.

ER: In welchen Park wollten Sie da gehen, wie heißt dieser Park?

BF: Ich kenne mich dort nicht so gut aus, es war nicht weit vom Wohnort meiner Großtante entfernt.

ER: Wo hat die Großtante gelebt, die Adresse?

BF: Auch im XXXX Bezirk im Viertel, in der die Firma meines Bruders gelegen ist.

ER: Straße wissen Sie auch?

BF: Nein.

ER: Können Sie die Entführung genauer beschreiben?

BF: An jenem Tag hatte mein Bruder gesagt, dass ich zu Hause bleiben sollte und er mich abholen würde, um mit mir gemeinsam fortzugehen. Es war bereits 8 Uhr und er war noch nicht gekommen.

ER: Es war bereits 8 Uhr abends oder in der Früh?

BF: 8 Uhr abends und er war noch nicht gekommen, mir war langweilig. Daher beschloss ich, einfach in den Park zu gehen. Auch meine Großtante meinte, ich sollte auf meinem Bruder warten, denn auf den Straßen wäre es zu gefährlich. Ich hörte nicht auf sie und war ungefähr 5 Minuten zu Fuß in Richtung Park unterwegs, als plötzlich ein Auto neben mir stehenblieb, die Männer fragten mich, ob ich in den Park ginge. Ich bejahte die Frage. Dann sagten sie, sie würden meinen Bruder kennen, ich sollte ohne Aufsehen besser einsteigen. Ich stieg ein und sobald ich im Auto war, richtete einer von ihnen eine Waffe auf die rechte Seite des Bauchbereiches. Sie sagten, wenn ich schreie oder versuchen würde zu flüchten, würden sie mich erschießen und einfach aus dem Auto werfen. Deshalb blieb ich schweigend sitzen. Sie fuhren mich als es bereits dunkel war in ein Haus. Ich kannte diese ganzen Wege nicht, die sie fuhren. Dort angekommen sagten sie, dass sie mich nicht brauchen würden. Ich sollte nur meinen Bruder anrufen, wenn ich unversehrt bleiben wollte. Ich fragte sie, wer sie waren. Sie sagten, ich sollte keine Fragen stellen. Als ich meinen Bruder anrief, war er ziemlich aufgebracht, er wollte wissen wo ich war. Dann nahm einer diese Männer das Telefon und sprach mit meinem Bruder über ein Lösegeld usw.

ER: Was heißt das jetzt genau?

BF: Er sagte zu meinem Bruder: "Wenn Du nicht deinen Bruder tot sehen willst, musst Du die Summe, die wir verlangen, bereitstellen und uns bringen." Er drohte ihm, mich zu foltern, wenn er versucht, sie auszutricksen. Ich hörte nur, dass es offensichtlich heftige Diskussionen am Telefon gab. Während mein Bruder mit diesem Mann sprach, bekam ich plötzlich einen heftigen Tritt in meinen Rücken und als ich aufschrie, hatte mein Bruder die Bedingungen akzeptiert. Schließlich gegen 1 oder 2 Uhr morgens, fuhren sie mich an einem Ort, mein Bruder war auch dorthin gekommen. Einer von ihnen fuhr mit seinem Motorrad zu meinem Bruder und holte die vereinbarte Summe. Als er zurück war, warfen sie mich mit einem Stoß aus dem Auto und fuhren davon. Danach holte mich mein Bruder vom Boden und brachte mich nach Hause.

ER: Beim BAA haben Sie gesagt, dass Sie von den Tätern "gut behandelt worden wären" und dass Sie "gutes Essen" bekommen hätten, heute sagen Sie, dass man Sie in den Rücken getreten hätte, was sagen Sie dazu?

BF: Das stimmt auch, prinzipiell wurde ich gut behandelt, sie gaben mir auch etwas zu Essen. Den Tritt verpasste mir einer von ihnen, relativ am Schluss, als es eben zu den Diskussionen mit meinem Bruder gekommen war.

ER: Außer den jetzt von Ihnen beschriebenen Tritt, ist es sonst zu keinen körperlichen Misshandlungen gekommen?

ER: Nein.

ER: Sie haben heute gesagt, dass es etwas 8 Uhr abends gewesen wäre, als Sie entführt worden wäre, beim BAA haben Sie gesagt, dass es nachmittags gewesen wäre.

BF: Nein, es war eben 8 Uhr abends, das ist ja der Nachmittag. (Anmerkung der Dolmetscherin: es wird in Dari umgangssprachlich "der frühe Abend" oftmals mit "nachmittags" bezeichnet und gilt als solches in diesem Kulturbereich).

ER: Wie lange wurden Sie von den Tätern festgehalten?

BF: Es waren vielleicht 6 oder 7 Stunden insgesamt.

ER: Warum wurden Sie dann eigentlich wieder freigelassen?

BF: Er hatte Lösegeld von meinem Bruder verlangt und hatte es auch bekommen. Nach der Freilassung riefen sie immer wieder meinen Bruder an, wollten immer wieder Geld von ihm, mit der Drohung, dass sie mich ausfindig und wieder entführen würden oder mich umbringen würden. Sie haben versucht ihn zu erpressen.

ER: Von den nachfolgenden Drohungen haben Sie in der ersten Instanz nichts erwähnt.

BF: Ich wurde dazu nicht befragt. Sie hatten immer wieder meinem Bruder gedroht, wenn er zur Polizei gehen würde, so würden sie seine ganze Familie "auslöschen".

ER: Welche Familie?

BF. Sie hatten immer mich erwähnt, weil sie mich kannten, aber sie drohten prinzipiell ihm Schaden zuzufügen, in dem sie mich z. B., umbringen.

ER: Wer ist mit "der Familie" gemeint?

BF: Sie meinten mit "Familie" auch weitere Geschwister, meine Schwestern und auch meine Brüder, aber tatsächlich kannten sie nur mich.

ER: Wieso?

BF: Weil ich dort gewesen war und sie mich entführten.

ER: Haben Sie die Täter schon vor der ersten Entführung gekannt?

BF: Das weiß ich nicht, ich kannte sie auf jeden Fall nicht.

ER: Wissen Sie jetzt, wer die Täter sind?

BF: Nein.

ER: Haben Sie sich nach diesem Vorfall an die Polizei gewandt?

BF: Nein.

ER: Was haben Sie dann nach dieser Entführung gemacht?

BF: Nachdem das passiert war, ging ich zurück nach XXXX und dann ereignete sich der nächste Vorfall, von dem ich Ihnen erzählte. Als ich wieder angehalten wurde und davonrannte und danach verließ ich meine Heimat.

ER: Was haben Sie in der Zeit zwischen den beiden Entführungen gemacht?

BF: Ich ging zur Schule.

ER: Wurden irgendwelche Vorkehrungen getroffen hinsichtlich der Drohungen, die dann an Ihrem Bruder gerichtet wurden?

BF: Ich war immer sehr vorsichtig. Auch immer am Schulweg. Ich achtete immer darauf, dass ich nicht verfolgt werde. Ich wurde aber auch von diesen jungen Menschen bei uns immer wieder belästigt und konnte nicht wirklich viel dagegen tun.

ER: Inwiefern wurden Sie von diesen jungen Menschen belästigt?

BF: Sie haben mir immer wieder aufgelauert und hielten mir vor, ich wäre "verdorben" und dass sie etwas Schlechtes mit mir tun müssten. Manchmal wenn ich die Felder gießen musste, kamen sie und wollten mich mit Gewalt von dort wegbringen und drohten mir, mich zu vergewaltigen. Ich flüchtete immer wieder. Dann drohten sie mir meinen Bruder Bescheid zu geben, dass ich mich prostituieren würde und so ging es immer wieder zu.

ER: Welchen Grund hätten die jungen Leute gehabe, dies zu behaupten?

BF: Sie wollten, irgendetwas gegen meinen Bruder in der Hand haben und sie wollten meine Familie in Verruf bringen. Teilweise boten sie mir Geld an, als ich es verweigerte, wollten sie mich dazu zwingen.

ER: Haben Sie Ihrem Bruder davon erzählt?

BF: Nein, wenn ich ihm davon erzählt hätte, wäre er ganz sicher sehr aufgebracht gewesen und hätte diese Jungs verprügeln wollen, es wäre zu einem "Kampf" gekommen und hätte zu Verletzungen und Todesfälle geführt.

ER: Hat es von diesen Jugendlichen jemals körperliche Übergriffe gegeben inklusive sexuelle Übergriffe?

BF: Nein, sie wollten es zwar, aber ich konnte es jedes Mal verhindern.

ER: Haben Sie etwas dagegen, wenn wir Ihre Aussagen gegebenenfalls hinsichtlich ihrer Richtigkeit Ihrer Angaben von einem SV bzw. Länder-SV überprüfen lassen?

BF: Nein, hier bin ich in Sicherheit, dementsprechend kann man dort auch Nachforschungen durchführen.

[...]"

In der am XXXX fortgesetzten Verhandlung brachte der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines landeskundigen Sachverständigen sowie einer Begleitperson im Wesentlichen Folgendes vor:

" [...]

Fortsetzung der Verhandlung.

Die Verhandlung ist öffentlich.

[...]

R: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Dari.

R an die Dolmetscherin: In welcher Sprache übersetzen Sie für den Beschwerdeführer?

D: In Dari.

R befragt die Beschwerdeführer ob er die Dolmetscherin gut verstehe, dies wird bejaht.

R befragt den Beschwerdeführer, ob dieser geistig und körperlich in der Lage ist der heutigen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen. Nun wird der Beschwerdeführer befragt, ob er gesund ist oder ob bei ihm (Krankheiten) und /oder Leiden vorliegen. Diese Fragen werden vom Beschwerdeführer dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe oder chronische Krankheiten und Leiden vorliegen. Die Beschwerdeführer sind in der Lage der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.

BF: Mir geht es gut. Ich kann der heutigen Verhandlung problemlos folgen.

[...]

R: Haben Sie noch neue Beweismittel, die Sie beim BFA oder bzw. bei der Polizei noch nicht vorgelegt haben?

BF: Ich habe bereits alle Unterlagen vorgelegt.

R: Bleiben Sie bei den Angaben, die Sie vor dem BFA, vor der Polizei bzw. beim BVwG gemacht haben, halten Sie diese aufrecht und entsprechen diese der Wahrheit?

BF: Ja.

[...]

R: Seit wann sind Sie in Österreich?

BF: Ich bin seit 2012 in Österreich.

R: Seit welchem Monat im Jahr 2012 sind Sie in Österreich?

BF: Seit Juli 2012.

R: Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich bekomme mein Geld von der Caritas.

R: Wo leben Sie?

BF (antwortet auf Deutsch): In Graz.

R: Haben Sie eine eigene Wohnung?

BF (antwortet auf Deutsch): Ja.

R: Wer bezahlt dort die Miete?

BF: Wir leben zu zweit in dieser Wohnung und jeder bezahlt 165,00 Euro.

R: Mit wem wohnen Sie in der Wohnung?

BF: Mit XXXX .

R: Sprechen Sie Deutsch?

BF (antwortet auf Deutsch): Ja, ein bisschen.

R: Verstehen Sie Deutsch?

BF (antwortet auf Deutsch): Nicht so gut, aber es geht.

R: Haben Sie einen Sprachkurs in Österreich absolviert?

BF (antwortet auf Deutsch): Ich gehe in einen Deutschkurs.

R: Welche Stufe besuchen Sie dort?

BF (antwortet auf Deutsch): A1 habe ich schon fertig gemacht und widerhole derzeit wieder den Kurs A1.

R: Haben Sie in Österreich einen Freundeskreis?

BF: Ja, einen relativ großen sogar. Seit einiger Zeit habe ich mich mit vielen angefreundet.

R: Besteht Ihr Freundeskreis aus Österreichern?

BF: Ja, die meisten sind Österreicher.

R: Wie heißen Ihre besten Freunde mit Vor- und Familiennamen? Wenn Sie mir 2 davon nennen.

BF: Der eine heißt XXXX und der andere heißt XXXX . Die Familiennamen merke ich mir nicht, die sind mir zu schwer.

R: Haben Sie eine Freundin bzw. eine Lebensgefährtin?

BF: Ja.

R: Wie heißt diese Freundin?

BF: XXXX .

R: In welcher Beziehung stehen Sie zu dieser?

BF: Wir haben eine emotionale Beziehung.

R: Was heißt das?

BF: Wir haben sowohl eine emotionale, als auch eine sexuelle Beziehung. Wir leben zurzeit nicht zusammen. Es könnte aber vielleicht in Zukunft dazu kommen.

R: Wie oft treffen Sie Ihre Freundin?

BF: Täglich.

R: Seit wann kennen Sie Ihre Freundin?

BF: Seit April 2014.

R: Sind Sie in Österreich in einem Verein, in einer Organisation oder in der Kirche tätig?

BF: Ich spiele Fußball und mache Fitness, besuche zwei Kurse, einen davon in der Kirche und der andere ist der Deutschkurs in XXXX .

R: Welchen Kurs in der Kirche besuchen Sie?

BF: Es gibt Deutschkurse in der Kirche, die in der Kirche zur Verfügung gestellt werden und einen solchen besuche ich.

R: Was heißt, Sie machen "Fitness"?

BF: Ich besuche einen Fitnessclub seit 5 Monaten.

R: Was kostet der im Monat?

BF: 20,00 Euro im Monat.

R: Sind Sie in Österreich gerichtlich vorbestraft?

BF: Nein, ich wurde nie verurteilt.

R: Was heißt das? Haben Sie eine Verhandlung gehabt?

BF: Ich habe einmal eine Strafe wegen Schwarzfahrens bekommen.

R: Haben Sie einmal eine schwere Verwaltungsübertretung begannen wie z. B. Alkohol am Steuer oder Betreiben eines Gewerbes ohne entsprechende Gewerbeberechtigung?

BF: Ich habe zwar Alkohol getrunken, aber nie etwas verbrochen.

R: Haben Sie, außer der vorläufigen Asylaufenthaltsberechtigung, schon einmal einen anderen Aufenthaltstitel gehabt?

BF: Nein.

R: Leiden Sie an einer schweren Krankheit bzw. waren Sie schon einmal im Krankenhaus?

BF: Nein.

R: Müssen Sie Medikamente nehmen?

BF: Nein.

Die Öffentlichkeit wird auf Wunsch des BF ausgeschlossen.

R: Wo haben Sie denn gelebt, bevor Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Die Provinz heißt XXXX , Distrikt XXXX und Dorf XXXX .

R: Bei der Verhandlung vom XXXX haben Sie gesagt, dass Sie im Bezirk XXXX gelebt hätten.

BF: Da habe ich auch gesagt XXXX .

Anmerkung D: Die Aussprache des Ortsnamens ist sehr schwer phonetisch verständlich, kann auf verschiedene Weisen wahrgenommen werden.

R: Haben Sie an dieser Adresse von Ihrer Geburt an bis zu Ihrer Ausreise dort gelebt?

BF: Ja.

R: Haben Sie an dieser von Ihnen angegebenen Adresse alleine gelebt?

BF: Meine ganze Familie hat dort gelebt.

R: Wie geht es Ihrer Familie?

BF: Es geht Ihnen jetzt gut.

R: Aus welchen Mitgliedern besteht Ihre Familie?

BF: Meine Eltern, drei Brüder und drei Schwestern. Es gab auch einen Großvater, der vor drei Monaten verstorben ist.

R: Nennen Sie mir Ihre drei Brüder mit dem Namen.

BF: Meine Brüder heißen XXXX , XXXX und XXXX .

R: Wie alt sind Ihre Brüder?

BF: Ich weiß es nicht genau, als ich Afghanistan verließ war XXXX um die dreißig Jahre alt, XXXX ca. dreizehn Jahre alt und XXXX acht Jahre alt.

R: Wo lebt Ihr älterer Bruder?

BF: Er lebt sowohl in XXXX , sowie auch in XXXX , wo er seine eigene Firma hat.

R: Ist Ihr Bruder verheiratet?

BF: Ja.

R: Wie heißt seine Frau?

BF: XXXX .

R: Wo lebt seine Frau?

BF: In Panjshir.

R: Hat Ihr Bruder Kinder?

BF: Ja, ein Kind.

R: Wie alt ist jetzt dieses Kind?

BF: 1 Jahr.

R: Ist es ein Sohn oder eine Tochter?

BF: Ein Sohn.

R: Wie geht es Ihrem älteren Bruder?

BF: Gut soweit.

R: Was hat Ihr Bruder für eine Berufs- und Schulausbildung?

BF: Er hat 12 Jahre die Schule besucht, maturiert, und danach dann angefangen, im Handel zu arbeiten.

R: Hat er darüber hinaus noch eine Ausbildung?

BF: Ich weiß, dass er über sehr viele Jahre Berufserfahrung verfügt. Ob er dazu eine bestimmte Ausbildung gemacht hat, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr.

R: Welchen Beruf übt Ihr Bruder jetzt aus?

BF: Einerseits handelt er mit Kleidung und Schuhen. Er verkauft den Amerikanern eine große Stückzahl an Kleidung und Schuhen. Daneben betreibt er auch Dienstleistungen für diverse Gebäude, d.h. er sorgt für die Verwaltung bezüglich des Stroms oder Reparaturarbeiten in Schulen oder wirtschaftlichen Gebäuden.

R: In der Verhandlung vom XXXX haben Sie gesagt, dass Ihr Bruder fertiger Immobilienmakler ist, d.h. dass er mit Grundstücken, Häusern und Wohnungen handelt bzw. Verträge für andere abschließt. Heute schildern Sie einen anderen Tätigkeitsbereich.

BF: Mein Bruder handelt mit jeder Art von Ware, seien es Wohnungen oder Kleidung oder Verträge für Servicedienstleistungen z.B. für Strom. Er macht so ziemlich alles, was sich gerade ergibt.

R: Sie haben in der Verhandlung vom XXXX auch erwähnt, dass Ihr Bruder an der Universität in XXXX ein Studium abgeschlossen hat. Heute haben Sie auf die Frage der Berufs- bzw. Schulausbildung lediglich erwähnt, dass Ihr Bruder 12 Jahre lang die Schule besucht hat, maturiert hat und anschließend im Handel tätig war.

BF: Ich glaube, das letzte Mal auch erwähnt zu haben, dass er zwar eine kurze Zeit die Universität besucht hat, jedoch das Studium frühzeitig abgebrochen hat und zu arbeiten begonnen hat.

R: Wo wohnt Ihr Bruder in XXXX , wenn er sich dort aufhält?

BF: Zum einen hat er sein Büro, wo er übernachten kann, bzw. wohnt er bei unserer Tante mütterlicherseits. Er hat zwar auch eine Wohnung, aber dort ist er normalerweise nicht.

R: Warum nicht?

BF: Er ist dabei, die Wohnung fertigzustellen. Es ist also noch nicht bewohnbar. Manchmal ist er auch bei unserem Onkel mütterlicherseits.

R: Wo wohnt Ihr Onkel mütterlicherseits bzw. Ihre Tante mütterlicherseits in XXXX ?

BF: Sie leben beide im Bezirk XXXX .

R: Wo in XXXX ist das?

BF: Ich habe nicht sehr viel in XXXX gelebt, ich kenne mich nicht sehr gut aus.

R: Wie oft haben Sie sich in XXXX aufgehalten?

BF: Ich war zwei oder drei Mal auf Besuch dort.

R: Von wo aus haben Sie dann Ihre Reise angetreten, wenn Sie dann nach XXXX gefahren sind?

BF: Von XXXX aus.

R: Wie sind Sie dann von XXXX zu Ihrem Bruder nach XXXX gelangt?

BF: In der Regel hat mich mein Bruder mit seinem Auto abgeholt, hingeführt und auch wieder zurückgebracht.

R: Und über welche Orte bzw. Bezirke sind Sie da zu Ihrem Bruder gefahren?

BF: Wir sind von XXXX direkt nach XXXX gefahren. Ich kenne die Orte, an denen wir vorbeigefahren sind, nicht namentlich. Ich kenne mich hauptsächlich nur in XXXX aus.

R: Haben Sie außer Ihrem Bruder und Ihrer Tante mütterlicherseits bzw. Ihrem Onkel mütterlicherseits in XXXX noch andere Verwandte?

BF: Ja, es gibt einige aus der Verwandtschaft, die ursprünglich von XXXX nach XXXX übersiedelt sind, aber mit diesen habe ich keinen Kontakt.

R: Seit wann haben Sie mit diesen keinen Kontakt?

BF: Ich kenne sie nicht einmal wirklich. Ich war ein kleines Kind, als diese Personen bzw. Verwandten nach XXXX gegangen sind.

R: Wie bestreiten Ihr Onkel mütterlicherseits und Ihre Tante mütterlicherseits ihren Lebensunterhalt in XXXX ?

BF: Ich weiß nicht genau, welchen Beruf mein Onkel oder meine Tante ausüben. Ich weiß nur, dass sie über die Runden kommen. Das heißt, sie verdienen genug, um dort leben zu können.

R: Haben diese Kinder?

BF: Ja, sie haben Kinder. Ich weiß aber nicht wie viele und in welchem Alter. Ich bin ja schon seit einigen Jahren nicht mehr in Afghanistan, 4 oder 5 Jahre und da verliert man den Überblick.

R: Wie oft haben Sie denn Ihre Tante mütterlicherseits und Ihren Onkel mütterlicherseits besucht?

BF: Dreimal.

R: Wie geht es Ihrem Vater?

BF: Es geht ihm gut. Er ist sehr viel gealtert, er hat weiße Haare bekommen.

R: Wie bestreitet denn Ihr Vater seinen Lebensunterhalt?

BF: Er betreibt nach wie vor Landwirtschaft und Viehwirtschaft. Zusätzlich bekommt er Unterstützung von meinem Bruder XXXX .

R: Wieviel verdient Ihr Bruder XXXX im Monat?

BF: Das weiß ich nicht genau.

R: Wieviel hat Ihr Bruder durchschnittlich im Monat verdient?

BF: Er hat ein recht hohes Einkommen gehabt. Es war von Monat zu Monat verschieden. Es waren ca. 60.000,00 USD, je nach Aufträgen und Abschlüssen, pro Monat.

R: In der Verhandlung vom XXXX haben Sie gesagt, dass Ihr Bruder ca. zwischen 7.000,00 und 10.000,00 USD im Monat verdienen würde und haben dann auch noch auf Vorhalt, dass Sie beim Bundesasylamt gesagt haben, dass er 60.000,00, 70.000,00 bzw. 100.000,00 USD verdienen würde gesagt, dass das ein Wahnsinn wäre und sie vielleicht ein Jahreseinkommen angegeben hätten oder ein halbes Jahr bis zu einem Jahr. Monatlich hätten sie keine solche Summe angegeben.

BF: Ehrlich gesagt habe ich keinen Einblick in die tatsächlichen Einnahmen meines Bruders gehabt. Dazu kannte ich mich zu wenig aus und habe auch nie nachgefragt. Wenn es einmal zu dieser Frage kam, sagte mein Bruder es sei jedes Mal anders, je nach Auftrag und Vertrag würde er mal 7.000,00 oder 60.000,00 USD verdienen, deshalb kann ich das nicht so genau angeben.

R: Was machen Ihre jüngeren Brüder?

BF: Sie gehen in eine religiöse Schule zu einem Geistlichen und lernen.

R: In welcher Klasse sind Ihre Brüder?

BF: Sie gehen in die 3. 4. oder 5. Klasse, ich weiß es nicht genau.

R: Welcher der Brüder geht jetzt in die 3. 4. oder 5. Klasse?

BF: XXXX .

R: Ist das der jüngste Bruder?

BF: Nein, das ist der zweitjüngster Bruder.

R: Und der Jüngste geht in die wievielte Klasse?

BF: Das weiß ich jetzt nicht genau.

R: Wie geht es Ihren jüngeren Brüdern?

BF: Gut.

R: Können Sie mir kurz schildern, warum Sie Ihre Heimat verlassen haben?

BF: Das war für mich kein Ort mehr, an dem ich leben konnte.

R: Fragenwiederholung.

BF: Es waren Leute hinter mir her. Das letzte Mal habe ich ihnen genauer erzählt, zu welchen Ereignissen es kam. Zuerst einmal und dann ein zweites Mal in XXXX . Schließlich war es soweit, dass ich nicht einmal mehr die tägliche Arbeit erledigen konnte. Ich konnte in der Landwirtschaft nicht einmal mehr die Routinearbeit betreiben.

R: Bitte schildern Sie das genauer.

BF: Als ich einmal auf Besuch bei meinem Bruder in XXXX war, wurde ich auf dem Weg zum Park entführt, wurde in einer Wohnung festgehalten. Die Entführer verlangten von meinem Bruder Geld und dann wurde ich wieder freigelassen. Danach ging ich wieder zurück nach XXXX .

R: Wann war das?

BF: Das war 2010.

R: In welchem Monat war das?

BF: Im 8. oder 9. Monat 2010.

BF: In Panjshir kam es zu einem weiteren Ereignis. Ich ging nach der Schule baden und als ich mich auf den Heimweg machte, hielt ein Auto an. Es waren Leute die mich aufforderten zu ihnen zu gehen und einzusteigen. Ich erkannte sofort die Gefahr. Es waren die gleichen Typen die mich bereits entführt hatten und mir nichts Gutes wollten. Ich machte mich auf die Flucht. Einer verfolgte mich. Es gelang mir über eine Hausmauer zu springen und zu entkommen, in dem ich laut schrie. Dann ging er bzw. flüchtete er und ich ging dann nach Hause.

R: Wann war dieser zweite Vorfall?

BF: 2 oder 3 Monate nach dem ersten Vorfall.

R: Wieviel Geld hat Ihr Bruder bei der ersten Entführung bezahlt?

BF: 60.000,00 USD.

R: Wie hat Ihr älterer Bruder auf die erste Entführung reagiert?

BF: Er sprach zuerst mit mir, dann mit den Entführern. Und als er dann danach mit mir sprach, sagte er, ich sollte mir keine Sorgen machen, er würde mich dort rausholen.

R: Wie hat Ihr Bruder reagiert, nachdem er die 60.000,00 USD gezahlt hat?

BF: Er konnte nichts tun, er kannte diese Leute nicht, also gab es keine besondere Reaktion darauf.

R: Wie hat er reagiert, nachdem man versucht hat, Sie das zweite Mal zu entführen?

BF: Ich erzählte ihm was passiert war und seine Reaktion darauf war, mir zu sagen, dass ich Afghanistan verlassen sollte und dass es für mich kein Ort mehr wäre um dort zu leben.

R: Was war dann der eigentliche Anlass, dass Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Das eigentliche Problem war neben allem, was schon passiert war, jenes, das ich von den jungen Männern unserer Ortschaft sekkiert wurde. Ich musste ja unsere landwirtschaftlichen Grundstücke bewässern und bei dieser Aufgabe wurde ich schließlich von den jungen Männern sexuell missbraucht.

R: Bei der letzten Verhandlung vom 16.10.2014 haben Sie auf die Frage, inwiefern Sie von den jungen Männern belästigt wurden, gesagt: "Sie haben mir immer wieder aufgelauert und hielten mir vor, ich wäre "verdorben" und dass sie etwas Schlechtes mit mir tun müssten. Manchmal, wenn ich die Felder gießen musste, kamen sie und wollten mich mit Gewalt von dort wegbringen und drohten mir, mich zu vergewaltigen. Ich flüchtete immer wieder...". Heute sagen Sie, Sie seien vergewaltigt worden.

BF: Das stimmt, so wie ich es damals gesagt hatte. Sie hatten vor und drohten mir damit, mich zu vergewaltigen. Es ist ihnen jedoch nicht gelungen.

R: Sind diese Personen, die Ihnen da gedroht haben, zu Ihnen in einem gewissen Verwandtschaftsgrad gestanden?

BF: Sie waren aus der Nachbarschaft.

R: Die Frage war, ob sie zu Ihnen in einem Verwandtschaftsgrad standen?

BF: Nein.

R: Haben Sie mit Ihren Verwandten dahingehend Probleme gehabt?

BF: Nein, ich erzählte meinem Bruder nichts davon, denn sonst hätte ein Rachefeldzug begonnen.

R: Wo waren Sie denn, als Sie von diesen Personen bedroht worden sind?

BF: Auf den landwirtschaftlichen Grundstücken.

R: Sie haben heute gesagt, dass diese Personen, die Sie da bedroht hätten, aus der Nachbarschaft gewesen wären und mit Ihnen in keinem Verwandtschaftsverhältnis gestanden wären. In Ihrer eingebrachten Beschwerde geben Sie an, dass es sich bei den auf den Feldern befindlichen Personen in dem von Ihnen geschilderten Vorfall um weite Verwandte gehandelt hätte.

BF: Es ist so, dass diese Leute in meiner Nachbarschaft waren und ein familiärer Kontakt im weitesten Sinne immer vorhanden waren, aber es waren keine Cousins von mir.

R: Warum können Sie sich vorstellen, dass ausgerechnet Sie als Mitglied Ihrer Familie von den Tätern hinsichtlich der Entführung ausgesucht worden sind?

BF: Meine anderen Brüder begaben sich nur von zu Hause in die Moschee und wieder zurück. Ich arbeitete jedoch auf den Grundstücken und war viel mehr unterwegs als die Anderen.

R: War Ihr älterer Bruder auch geschäftlich unterwegs?

BF: Ja, er hatte allerdings auch einen Leibwächter, der ihn immer begleitete.

R: Sie haben heute gesagt, Ihr Vater arbeitet in der Landwirtschaft?

BF: Ja.

R: Arbeitet er nach wie vor in der Landwirtschaft?

BF: Ja.

R: Sie haben heute gesagt, dass es offensichtlich auf dem Feld zu einer Auseinandersetzung gekommen ist. Können Sie das näher beschreiben?

BF: Diese Männer kamen auf die Felder und wollten mir dort etwas Schlechtes antun. Es gelang mir immer zu flüchten. Ich ließ also alles liegen und stehen und rannte los. Zu Hause angekommen schlug mich mein Vater und schimpfte, weil ich die Felder nicht bewässert hätte. Ich erzählte ihm nicht was passiert war, sondern erzählte ihm, dass ich Kopfschmerzen hätte oder krank sei und nicht fähig sei, die Arbeit fortzuführen.

R: Wurde Ihr Bruder auch einmal bedroht?

BF: Diese jungen Männer kannten ja meinen Bruder nicht bzw. sie kannten ihn zwar schon, aber ich sagte ja nichts über meinen Bruder und sie drohten nur mir.

R: Hat Ihr Bruder hinsichtlich Ihrer Entführung die Polizei eingeschaltet?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Die Männer hatten ihm gedroht, sollte er die Polizei oder sonstige Personen darüber informieren, würde er mich nicht lebend wiederbekommen.

R: Nachdem die Täter Sie freigelassen haben, hat sich Ihr älterer Bruder dann an die Polizei gewandt?

BF: Nein, ich glaube nicht, dass er irgendetwas unternommen hat. Ich weiß einfach nicht, ob er im Nachhinein noch irgendetwas getan hat bzw. sich an die Polizei gewandt hat.

R: Haben Sie mit Ihrem Bruder damals über das gesprochen?

BF: Über die Entführung ja.

R: Und über weitere Maßnahmen?

BF: Nein, er hat ja auch nichts mehr getan, es sei nicht mehr relevant.

R: Hat Ihr Bruder, nachdem Sie das erste Mal entführt worden sind, Maßnahmen hinsichtlich Ihrer Sicherheit getroffen?

BF: Nein, er hat nichts Besonderes mehr unternommen. Nachdem er mit den Entführern gesprochen hatte und ihnen das Geld gegeben hatte, war sein einziges Ziel, mich frei zu bekommen, was ihm gelang. Danach setzte er keine weiteren Schritte.

R: Haben Sie die Entführer gekannt?

BF: Nein.

R: Hat Ihr Bruder die Entführer gekannt?

BF: Nein.

R: Hat Ihr Bruder die Entführer gesehen?

BF: Zwei von ihnen saßen im Auto. Den Dritten hat er zwar gesehen, allerdings hatte er sein Gesicht verhüllt.

R: Hatten die Täter Kontakt in Ihr Heimatdorf?

BF: Sie haben lediglich zwei Mal meinen Bruder kontaktiert wegen dem Lösegeld.

R: Haben die Täter Komplizen in Ihrem Heimatdorf gehabt bzw. Verbündete?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Hat es, außer den von Ihnen geschilderten Vorfällen, noch andere Ereignisse gegeben?

BF: Nein, es gab keine weiteren Ereignisse.

R: Haben Sie das Fluchtvorbringen heute ausführlich darbringen können?

BF: Ja.

R: Wollen Sie zu Ihrem Fluchtvorbringen noch etwas sagen?

BF: Nein, ich habe nichts mehr dazu zu sagen.

R: Was würden Sie denn befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich kann auf keinen Fall mehr nach Afghanistan zurückkehren. Ich habe nur schlechte Erinnerungen.

R: Könnten Sie in Ihrem Heimatdorf leben?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: In diesem Viertel, wo ich gelebt habe, wie ich bereits schon vorher geschildert habe, war für mich bereits eine schlechte Umgebung und diese Leute, die mir so zugesetzt haben, würden mich vielleicht umbringen.

R: Könnten Sie in XXXX bei Ihrem Bruder bzw. bei Ihrem Onkel und Ihrer Tante leben?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: In XXXX kam es ja auch schon zu einer Entführung.

R: Was ist denn der Inhalt dieses Schreibens (Beilage./A)? Was wollten Sie damit beweisen?

BF: Die Älteren in unserem Viertel, die Weißbärtigen, wussten über diese Ereignisse Bescheid und in diesem Schreiben wird darüber von ihnen Zeugnis abgelegt.

R: Erklären Sie mir, was da inhaltlich drin steht.

BF: Beim ersten Interview wurde ich gefragt, ob ich Beweismittel vorlegen kann, über meine Entführung.

R: Fragewiederholung.

BF: Hier wird von einigen Leuten bezeugt, dass ich zu dieser und jener Zeit entführt worden bin. Diese Leute haben das unterschrieben und damit bestätigt.

R an D: Können Sie das bitte übersetzen?

D: Ja: Der erste Absatz ist offenbar vom Bruder XXXX des BF geschrieben worden. Es wird darin bestätigt, dass der namentlich angeführte BF von einigen Entführern in XXXX weggeschleppt wurde und er aufgefordert wurde, zwecks Freilassung 60.000,00 USD als Lösegeld zu ermitteln. Aus Angst, es könnte sich so etwas wiederholen, hat er seinem Bruder geraten und ihn eigentlich dazu gezwungen, das Land zu verlassen und in irgendein Land im Ausland zu gehen. Es wird die Entführung mit XXXX datiert. Im zweiten Absatz bestätigen einige Männer, nämlich die Dorfältesten, den obigen Absatz, sie wären voll und ganz im Bilde der obigen Ereignisse und auch der bezahlten Summe gewesen und bezeugen, dass der mit Namen erwähnte Entführte mittlerweile sich in Sicherheit im Ausland befindet. Acht Personen werden mit Namen, Fingerabdrücken und Telefonnummern angeführt. Einige Stempelaufdrücke, u.a. vom Distrikt XXXX .

R: Zu welchem Zweck sollte diese Schriftstücke (Beilage./B+C) vorgelegt werden?

BF: Es ging hier nur um den Nachweis der Firma meines Bruders.

R an SV: Können Sie zur Sicherheitslage bzw. zur Erreichbarkeit der Heimatprovinz bzw. des Heimatortes des BF etwas angeben?

SV: Die Provinz XXXX , ist die Heimat des legendären Kommandanten Massoud und die Heimat des derzeitigen quasi Ministerpräsidenten Dr. Abdullah Abdullah. Die meisten tadschikischen Generäle, in der afghanischen Armee, Polizei und anderen Sicherheitsorganen stammen aus XXXX . Die sind großteils die ehemaligen Mujaheddin-Kommandanten. Das hat dazu geführt, dass die Provinz XXXX bis jetzt von den Taliban verschont geblieben ist, obwohl auch hier einige Selbstmordanschläge von Taliban, bekannt geworden sind. Im Gegensatz zu anderen benachbarten Provinzen in XXXX , können die Taliban derzeit Panjshir, aufgrund der oben genannten Machtkonstellation, nicht einnehmen. Die Erreichbarkeit der Provinz XXXX geht über XXXX . Von XXXX kann man mit privaten PKWs und Linientaxis bzw. Linienbussen erreichen. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die Taliban überall in Afghanistan Bombenanschläge auf die Militärkonvois verüben, wenn sie es können. Es passiert hie-und da, dass auf der Landstraße zwischen XXXX über XXXX XXXX Anschläge auf Militärkonvois verübt werden und dabei auch vorbeifahrende Zivilfahrzeuge bzw. Zivilpersonen zu Schaden kommen bzw. auch die vorbeifahrenden Zivilisten werden in Mitleidenschaft gezogen. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die afghanische Gesellschaft in dem 35-jährigen Krieg zu einer Konfliktgesellschaft geworden ist, dass es auch in XXXX zu Konflikten verschiedener Gesellschaften kommen kann. Allerdings werden diese Konflikte von den oben genannten mächtigen Personen in XXXX sehr bald unter Kontrolle gebracht im Gegensatz zu Stammesgebieten wie XXXX und XXXX . Ich möchte auf folgende Internetquellen hinweisen:

http://staseve.eu/afghanistan-taliban-greifen-us-militaerkonvoi-in-bagram-an , http://www.bbc.com/news/world-asia-27246210 ;

R zu BF: Wollen Sie dazu etwas sagen?

BF: Nein.

R: Dem BF wird eine Zusammenfassung der aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan zur Kenntnis gebracht und diesem die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben.

Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht (Country Report des U.S. Department of State vom 19.04.2013).

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 11 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Die nationale Aussöhnung mit den Aufständischen sowie die Reintegration versöhnungswilliger Mitglieder der Insurgenz bleiben weiterhin eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines friedlichen und stabilen Afghanistans (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013).

Am Nato-Gipfeltreffen im Mai 2012 in Chicago wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 03.09.2012). Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird (Richtlinien des UNHCR vom 06.08.2013).

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013). Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 03.09.2012).

1.1.2 Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt unvorhersehbar, die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts (UNAMA-Midyear Report von Juli 2013). Nachdem die Gewalt im Jahr 2011 das höchste Niveau seit dem Fall des Taliban-Regimes im 2001 - mit zahlreichen Todesopfern bei Koalitionstruppen und Zivilbevölkerung - erreicht hatte (The Guardian vom 14.09.2011), gingen die Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 bei sehr hoch bleibendem Gewaltlevel um 25% zurück, was als taktische Reaktion regierungsfeindlicher Kräfte auf den Rückzug der internationalen Truppen und keineswegs als Verlust an operationeller Fähigkeit interpretiert wurde (ANSO Quarterly Report vom Juni 2012), im Übrigen aber auch ausreichte, die zahlenmässig durch den Rückzug bereits stark reduzierten internationalen Sicherheitskräfte weiterhin herauszufordern (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013). Im Frühjahr 2013 kam es erneut zur Trendwende: Die Anschläge der regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Vergleich zum Vorjahr wieder um 47% angestiegen, wobei das Niveau von 2011 prognostiziert wurde. Zudem nahmen militärische Konfrontationen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und afghanischen Sicherheitskräften, in denen vermehrt Zivilisten ums Leben kamen, in den ersten sechs Monaten 2013 zu (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013). Konstant bleibt jedenfalls eine bewusste Verlagerung der Angriffsziele von internationalen Truppen zu afghanischen Zielen (ANSO Quarterly Report vom April 2013).

Sicherheitslage Kabul :

Ein im Jänner 2015 veröffentlichter Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) zur Sicherheitslage in Afghanistan gibt im Kapitel zur Situation in der Stadt Kabul unter anderem Informationen eines nicht näher beschriebenen westlichen Sicherheitsbeamten wieder, der im Rahmen einer belgischen Fact-Finding-Mission nach Kabul im Oktober 2014 kontaktiert wurde. Diesem Sicherheitsbeamten zufolge wurden im Zeitraum von Jänner bis zum 31. Oktober 2014 im Distrikt Kabul insgesamt 246 sicherheitsrelevante Vorfälle gemeldet.

Unter Bezugnahme auf afghanische Medienquellen schreibt das EASO, dass ein Anstieg der Angriffe im Sommer 2014 eine gewisse Besorgnis hervorgerufen und letztlich zu Kontroversen über den Posten des Kabuler Polizeichefs geführt hat.

Wie das EASO erwähnt, ist die exakte Zahl der zivilen Opfer in der Stadt Kabul unbekannt. Die einzigen öffentlich zugänglichen Daten sind die vom Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UNOCHA) bereitgestellten, wobei sich diese nur auf die gesamte Provinz Kabul beziehen, so das EASO weiter. Diesen Daten zufolge wurden von September 2013 bis August 2014 insgesamt 108 ZivilistInnen in der Provinz getötet und 275 weitere verletzt. Durch Minen und nicht detonierte Kampfmittel wurden weitere fünf ZivilistInnen getötet und neun verletzt. Laut einer UNOCHA-Karte, die für den oben genannten Zeitraum den Level ziviler Opfer nach Distrikten zeigt, gehört die Stadt Kabul zu den Distrikten mit dem höchsten Level (151 bis 234 zivile Opfer).

Wie das EASO weiter anführt, ist laut UNOCHA das Risiko für eine(n) Zivilisten/Zivilistin in der Provinz Kabul relativ gering, obwohl der Distrikt Kabul im Vergleich zu den meisten Distrikten in der Provinz und dem Land als Ganzes eine hohe Opferzahl aufweist. Dies liegt in der sehr hohen Bevölkerungszahl begründet. UNOCHA schätzt, dass die Provinz Kabul über rund vier Millionen EinwohnerInnen verfügt. (EASO, Jänner 2015, S. 35-37)

Mitte Dezember 2014 erwähnt AFP, dass die Taliban im Vorfeld des Abzugs des Großteils der ausländischen Truppen ihre Angriffe in und um die afghanische Hauptstadt intensiviert haben (RFE/RL, 13. Dezember 2014).

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in seinem Bericht vom Februar 2015, dass in Kabul im Jahr 2014 insgesamt 31 Selbstmordanschläge verzeichnet wurden. Im Jahr 2013 waren es noch 18 (UNGA, 27. Februar 2015, S. 4). Derselbe Bericht führt an, dass nach einem Anstieg der aufständischen Aktivitäten in Kabul während der Monate Oktober und November 2014 Operationen der afghanischen Sicherheitskräfte, mit Unterstützung durch die internationalen Truppen, zu einer Reduzierung der Zahl öffentlichkeitswirksamer Operationen der Aufständischen in der Hauptstadt geführt haben. So wurde die Zahl der Selbstmordanschläge von zehn im Zeitraum Oktober/November 2014 auf fünf während des Zeitraums Dezember 2014/Jänner 2015 verringert. Ein Rückgang wurde auch bei der Zahl der Angriffe mit unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen verzeichnet (von 18 im Zeitraum Oktober/November 2014 auf fünf im Dezember 2014 und zwei im Jänner 2015) (UNGA, 27. Februar 2015, S. 5).

Sicherheitsrelevante Ereignisse in Kabul seit Jänner 2014

APRIL 2015

Am 10. April wurden laut Polizeiangaben bei einem Selbstmordanschlag auf einen NATO-Konvoi in der Hauptstadt Kabul drei umstehende Personen verletzt. Die Taliban bekannten sich zu dem Anschlag. (RFE/RL, 10. April 2015)

MÄRZ 2015

Am 29. März wurden bei einem Selbstmordanschlag auf einen Parlamentsabgeordneten aus der Provinz Paktia drei Personen getötet. Laut Angaben des Innenministeriums wurden der Parlamentsabgeordnete selbst sowie sieben weitere Personen bei dem Anschlag verletzt. Nach dem Vorfall bekannte sich zunächst niemand zu der Tat. (RFE/RL, 29. März 2015)

Am 25. März berichtet RFE/RL, dass laut offiziellen Angaben mindestens sieben Personen bei einem Selbstmordanschlag im Distrikt Muradkhani, in dem sich der Präsidentenpalast, das Verteidigungsministerium und das Finanzministerium befinden, getötet wurden. Mindestens 22 weitere Personen wurden dem Chef der Kabuler Krankenhäuser zufolge bei dem Anschlag verletzt. (RFE/RL, 25. März 2015)

Am 18. März wurde laut offiziellen Angaben der Polizeichef der Provinz Uruzgan in Kabul durch einen Selbstmordattentäter, der mit einer Burka bekleidet war, getötet. Die Taliban bekannten sich zu dem Anschlag. (RFE/RL, 19. März 2015)

Am 7. März drangen vier bis fünf bewaffnete Angreifer in eine Moschee der Sufi-Minderheit ein und eröffneten das Feuer. Dabei wurden elf Personen getötet. (BBC News, 10. März 2015)

FEBRUAR 2015

Am 26. Februar wurden unweit der iranischen Botschaft bei einem Selbstmordanschlag auf ein türkisches Diplomatenfahrzeug, das zur NATO-Mission gehörte, zwei Personen getötet. Laut Polizeiangaben handelte es sich bei den Getöteten um einen türkischen Staatsbürger und einen afghanischen Passanten. Die Taliban bekannten sich zu dem Anschlag. (AFP, 26. Februar 2015)

Am 17. Februar wurde bei der Explosion einer an einem Fahrzeug befestigten Bombe ein(e) ZivilistIn getötet (RFE/RL, 17. Februar 2015).

JÄNNER 2015

Am 29. Jänner hat ein afghanischer Soldat Berichten zufolge drei US-amerikanische Unternehmer am Militärflughafen von Kabul getötet und eine weitere Person verletzt. Laut Angaben eines Beamten der afghanischen Luftwaffe ist das Motiv für die Tat unklar. (RFE/RL, 29. Jänner 2015)

Am 25. Jänner explodierte am Stadtrand von Kabul ein Lastwagen, der zuvor von der Polizei an der Einfahrt in die Stadt gehindert worden war. Laut Angaben des stellvertretenden Innenministers wurden bei der Explosion, die in der Nähe des Militärflughafens stattfand, zwei Personen verletzt. (RFE/RL, 25. Jänner 2015)

Am 13. Jänner wurden laut Polizeiangaben bei der Explosion einer am Straßenrand platzierten Bombe eine Person getötet und drei weitere verletzt. Einem Polizeisprecher zufolge handelte es sich bei allen Opfern um ZivilistInnen. Die Taliban haben sich zu dem Anschlag bekannt. (RFE/RL, 13. Jänner 2015)

Am 10. Jänner wurde der Trainer der afghanischen Fußball-Nationalmannschaft, Mohammad Yousef Kargar, von Unbekannten mit einem Messer angegriffen und verletzt. Zu dem Vorfall, bei dem es sich um das Resultat eines persönlichen Konflikts handeln könnte, wurde eine Untersuchung eingeleitet. (RFE/RL, 11. Jänner 2015)

Am 5. Jänner ereignete sich offiziellen Angaben zufolge ein Selbstmordanschlag auf ein Fahrzeug der EU-Polizeimission in Kabul, bei dem ein Passant getötet wurde. Der Anschlag war der erste größere Angriff seit Beginn des neuen Jahres, so AFP. (AFP, 5. Jänner 2015)

1.1.3 Menschenrechte:

Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden, können willkürlichen Festnahmen (inklusive Inhaftierung ohne Anklage) sowie Misshandlungen durch internationale Truppen oder durch afghanische Behörden ausgesetzt sein (Richtlinien des UNHCR vom 06.08.2013).

Was Repressionen Dritter anbelangt, geht die größte Bedrohung der Menschenrechte von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handelt sich hierbei meist um Anführer von Milizen, die nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet sind. Die Zentralregierung hat auf viele dieser Urheber von Menschenrechtsverletzungen praktisch keinen Einfluss und kann sie weder kontrollieren noch ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des desolaten Zustands des Verwaltungs- und Rechtswesens bleiben Menschenrechtsverletzungen daher häufig ohne Sanktionen. Immer wieder kommt es zu Entführungen, die entweder politisch oder finanziell motiviert sind (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013).

Regierungsfeindliche Kräfte greifen systematisch und gezielt Zivilisten an, die tatsächlich oder vermeintlich die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft in Afghanistan, einschließlich der internationalen Streitkräfte und internationalen humanitären Hilfs- und Entwicklungsakteure unterstützen bzw. mit diesen verbunden sind. Zu den primären Zielen solcher Anschläge zählen u.a. politische Führungskräfte, Lehrer und andere Staatsbedienstete, ehemalige Polizisten und Zivilisten, die der Spionage für regierungstreue Kräfte bezichtigt werden. Auch afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Fahrer, Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiten, werden von Taliban bedroht und angegriffen. In Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, nutzen regierungsfeindliche Kräfte Berichten zufolge verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Rekrutierungsmaßnahmen auf der Grundlage von Zwang. Personen, die sich einer Rekrutierung widersetzen, sind gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt und getötet oder bestraft zu werden (Richtlinien des UNHCR vom 06.08.2013).

1.1.4 Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Nach offiziellen Schätzungen sind 84% der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15% schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, Hindus und Sikhs, werden weiterhin durch das geltende Recht diskriminiert (Richtlinien des UNHCR vom 06.08.2013). Hindus und Sikhs werden auch im Alltag diskriminiert und bei der Ausübung ihrer religiösen Zeremonien bedroht oder angegriffen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013). Christen und Angehörige der Baha'i vermeiden es aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung oder Tötung, sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln. Die afghanische Regierung schützt religiöse Minderheiten vor Übergriffen nicht (Richtlinien des UNHCR vom 06.08.2013). Die Situation der größten religiösen Minderheit des Landes, der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert, ist jedoch noch immer mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert, wobei die Beziehungen zur sunnitischen Mehrheit sich verschlechtert hat (International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20.05.2013).

1.1.5 Ethnische Minderheiten:

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat, über den es aufgrund der seit Jahrzehnten schwierigen Sicherheitslage kaum gesicherte statistische Daten gibt (ÖIF-Länderinfo vom Februar 2010). Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird auf ca. 38% Paschtunen, ca. 25%, Tadschiken, ca. 19% Hazara, ca. 6% Usbeken sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u. a.) geschätzt. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten (mehrheitlich schiitischen) Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013). In diesem Sinne sind Angehörige der Hazara weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und Berichten zufolge Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban sowie andere regierungsfeindliche Kräfte (Richtlinien des UNHCR vom 06.08.2013). Andererseits verbessert sich die Minderheit der Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung: viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie oder Medizin ein (Länderinformation der Staatendokumentation vom September 2013).

1.1.6 Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013).

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus (Richtlinien des UNHCR vom 06.08.2013).

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013).

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch (Richtlinien des UNHCR vom 06.08.2013). Die Afghanische Nationale Polizei (ANP) gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35% der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013).

1.1.7 Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für Rückkehrer gilt dies naturgemäß verstärkt. Eine hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es an vielen Orten an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser.

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Dies führt dazu, dass Afghanistan weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate der Welt gehört (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013).

1.1.8 Rückkehrfragen:

Die Fähigkeit Afghanistans, Rückkehrer aufzunehmen, bleibt gering (Country Report des U.S. Department of State vom 19.04.2013). Gemäß UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013).

Bei der Rückkehr von Frauen, Kindern, alten Menschen oder Alleinerziehenden stellt die Reintegration in ein religiöses und sozial traditionelles Umfeld oft eine Herausforderung dar (Bericht von IOM vom Oktober 2012). Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013).

UNHCR spricht sich gegen eine Rückkehr von Personen an einen Ort aus, der weder dem Herkunftsort noch früheren Wohnorten entspricht, wo keine tatsächlichen Familien- oder Stammesstrukturen und entsprechende Unterstützung bestehen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011).

R: Wollen Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

BF: Ich stimme diesen Länderfeststellungen zu.

R fragt den BF, ob er die Dolmetscherin gut verstanden habe; dies wird bejaht.

[...]"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1. Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist sunnitisch-moslemischen Glaubens und stammt aus einem Dorf in der Provinz XXXX . Er ist gesund, arbeitsfähig und in der Lage, im Herkunftsstaat seinen notwendigen Unterhalt zu sichern, zumal seine Eltern und Geschwister noch in XXXX bzw. ein vermögender Bruder sowie ein Onkel und eine Tante mütterlicherseits noch in XXXX leben. Er verfügt über eine mehrjährige Schulbildung, spricht Dari als Muttersprache und hat bis zu seiner Ausreise in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit XXXX im Bundesgebiet, spricht mittlerweile etwas Deutsch. Er geht keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach, sondern befindet sich in Bundesbetreuung. Er lebt in einer Wohngemeinschaft, wofür die Miete 165.- € beträgt. Er hat bereits einen Freundeskreis in Österreich, welcher überwiegend aus Österreichern besteht. Außerdem hat er seit April 2014 eine Beziehung zur einer namentlich genannten österreichischen Staatsbürgerin, mit welcher er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. In seiner Freizeit spielt er Fußball und besucht seit 5 Monaten einen Fitnessclub für 20.- € monatlich, besucht zwei Deutschkurse, einen in der Kirche und einen anderen. Er ist im Bundesgebiet unbescholten und wurde bisher auch nicht wegen einer schweren Verwaltungsübertretung bestraft. Er hat bisher nie einen anderen Aufenthaltstitel als die vorläufige Aufenthaltsberechtigung besessen.

1.2. Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer XXXX in Afghanistan von unbekannten Personen entführt worden ist und im Anschluss gegen die Zahlung von Lösegeld in der Höhe von 60.000.- USD von seinem in XXXX berufstätigen Bruder freigelassen wurde. Es ist auch nicht glaubhaft, dass es danach auch in seinem Heimatdorf einen Entführungsversuch von Unbekannten gegeben hat und der Beschwerdeführer dort von jugendlichen Nachbarn sexuell belästigt wurde.

Es wird des weiteres nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan in seinem Recht auf Leben gefährdet ist, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen ist oder von der Todesstrafe bedroht ist oder willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt ist.

1.3. Zur Lage in Afghanistan wird aufgrund der in der Verhandlung herangezogenen Quellen und des Gutachtens des länderkundlichen Sachverständigen zur Sicherheitslage der Heimatprovinz bzw. deren Erreichbarkeit, welche dem Beschwerdeführer auch zur Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht wurden, die dort daraus getroffenen vorläufigen entscheidungsrelevanten Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

2.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesasylamtes und des Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG).

2.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

2.2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zur Herkunft und zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat und in Österreich stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem Bundesasylamt und vor dem BVwG sowie auf die Verwendung der Sprache Dari.

Dass dem Freundeskreis des Beschwerdeführers überwiegend Österreicher angehören erscheint trotz seines Unvermögens, außer Vornamen auch Familienamen anzugeben, wegen der von ihm dafür abgegebenen Begründung, er könne sich diese Namen nicht merken, glaubhaft. Auch seine Angaben über die Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin erscheinen nachvollziehbar, zumal diese bei der Verhandlung am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht bis zum Ausschluss der Öffentlichkeit in der Verhandlung auch persönlich anwesend war. Seine Angaben über seine Wohnverhältnisse und Freizeitaktivitäten sind nachvollziehbar und werden der Entscheidung ebenfalls zu Grunde gelegt. Selbiges gilt für den Gesundheitszustand und die Schulbildung des Beschwerdeführers.

2.2.2. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers und der persönlichen Situation im Bundesgebiet stützen sich auf den in den Verhandlungen vom erkennenden Richter gewonnen persönlichen Eindruck und den entsprechenden Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem BVwG bzw. einem aktuellen Auszug der Grundversorgung.

2.2.3. Die Feststellung über die Unbescholtenheit stützt sich auf die Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich und auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

2.2.4. Die Länderfeststellungen basieren auf Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen sowie auf dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht am XXXX zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers erstatten landeskundlichen Sachverständigengutachten. Sie enthalten unter anderen umfassende Ausführungen zu den Themenblöcken Sicherheitslage, insbesondere in XXXX und der Provinz XXXX , Menschenrechte, Justiz und Sicherheitsverwaltung, Versorgungslage sowie Rückkehrfragen. Angesichts des bereits Ausgeführten stellt dies im konkreten Fall eine hinreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers dar.

3.1. Das erkennende BVwG geht auf Grund des in den mündlichen Verhandlungen vom XXXX und XXXX gewonnenen Eindrucks in einer Gesamtschau des Akteninhaltes nicht davon aus, dass der vom Beschwerdeführer behauptete Fluchtgrund den Tatsachen entspricht und der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist; dies aus folgenden näheren Erwägungen:

Die Aussage des Asylwerbers stellt im Asylverfahren zweifellos das Kernstück dar. Hierbei ist es nach Ansicht des VwGH Sache des Asylwerbers, entsprechende, seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen.

3.2. Die Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgrund wiesen zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten auf. Auch wenn das BVwG dem Beschwerdeführer einräumt, dass sich das von ihm behauptete Fluchtgeschehen vor etwa fünf Jahren ereignet haben soll, so haben sich nach Durchführung der mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG selbst im Kernvorbringen des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers eklatante Widersprüche ergeben.

Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängen, dass sie nur der Asylerlangung dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubwürdig könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnissabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

3.2.1. So hat der Beschwerdeführer am XXXX beim BVwG angegeben, dass sein Bruder zusammen mit einem Geschäftspartner in XXXX eine Firma betreibe, Geschäfte mit der (Stadt)Regierung bzw. den Amerikanern mache und sein Bruder über zwei Leibwächter verfüge, welche Amerikaner seien. Vor diesem Hintergrund ist es allerdings nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer von seinem Bruder überhaupt nach XXXX auf Besuch eingeladen worden sein soll, als dieser dort einer entsprechenden Gefahr ausgesetzt gewesen wäre; vielmehr wäre unter den vom Beschwerdeführer geschilderten Verhältnissen zumindest davon auszugehen gewesen, dass der ältere Bruder des Beschwerdeführers dann dort für diesen ebenfalls für entsprechenden Schutz dessen gesorgt hätte, von dem der Beschwerdeführer allerdings weder vor dem Bundesasylamt noch in den Verhandlungen vor dem BVwG entsprechendes erwähnt hat. Des weiteres ist davon auszugehen, dass auch die übrigen in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers lebenden Familienmitglieder als enge Angehörige eines vermögenden Firmeninhabers gefährdet gewesen wären, als sich dieser auch immer wieder bei seiner eigenen Familie bzw. seiner Ehefrau in der Provinz XXXX aufhielt. Allerdings leben sowohl der ältere Bruder als auch die übrigen Familienangehörigen des Beschwerdeführers nach wie vor unbehelligt in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, als dieser eigenen Angaben nach in der Verhandlung vom XXXX ausführte, dass es sowohl seinem älteren Bruder als auch seiner Familie gut geht.

Das Argument, dass gerade der Beschwerdeführer gefährdet gewesen sei, weil die Entführer ihn kennen würden, ist nicht schlüssig nachvollziehbar, zumal er nicht darlegen konnte, wie die Entführer den Beschwerdeführer in der Großstadt XXXX hätten erkennen sollen. Schon aus diesen Gründen ist das Vorbringen des Beschwerdeführers über seine Entführung nicht glaubhaft. Dazu kommt, dass der vermögende Bruder des Beschwerdeführers ebenfalls nach wie vor in Afghanistan lebt und dort, wie oben dargelegt, keine Probleme hat.

Auch ist sein Vorbringen vom XXXX in der Verhandlung vor dem BVwG auf die Frage, warum ausgerechnet der Beschwerdeführer als Mitglied seiner Familie als Entführungsopfer ausgesucht worden sei, er im Gegensatz zu seinen anderen Brüdern, welche nur von zu Hause in die Moschee und wieder zurückgegangen seien, er aber auf den Grundstücken gearbeitet habe und viel mehr unterwegs gewesen sei, nicht schlüssig nachvollziehbar, als er sodann auf weitere Fragen angab, dass sein Vater nach wie vor die Land-, und Viehwirtschaft betreibe und es seiner Familie gut gehen würde. Zwar wird in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten handschriftlich verfassten Schreiben seines Bruders sowohl eine Entführung vom XXXX bestätigt als auch die Angst vor einer erneuten Entführung des Beschwerdeführers befürchtet, doch kann dieses Schreiben lediglich als Gefälligkeitsbestätigung gewertet werden, als unter den vom Beschwerdeführer geschilderten Umständen vielmehr davon auszugehen ist, dass für den Fall, dass es jemand tatsächlich auf das Geld des älteren Bruder des Beschwerdeführers abgesehen hätte, in der Zeit seiner Abwesenheit ebenso ein anderes Familienmitglied entführt werden hätte können, zumal seine Familie in seinem Heimatdorf bekannt ist bzw. dort ausfindig gemacht werden hätte können. Außerdem ist es unter diesen Umständen nahe liegend, dass der Beschwerdeführer unmittelbar nach seiner Freilassung entweder sein Heimatland verlassen oder zumindest entsprechende Vorkehrungen getroffen hätte, wenn von Seiten des älteren Bruders, wie in der Übersetzung der Beilage C, AS 205, ausgeführt, tatsächlich von diesem nach der Freilassung eine entsprechende Furcht vor einer erneuten Entführung des Beschwerdeführers bestanden hätte und dieser ihn gleichzeitig zur Flucht ins Ausland geraten hätte.

In der Verhandlung vor dem BVwG am XXXX war der Beschwerdeführer allerdings in diesem Zusammenhang anfänglich nicht einmal in der Lage eine genaue Auskunft darüber zu geben, ob sich sein älterer Bruder nach der Freilassung in seiner Angelegenheit überhaupt an die Polizei gewandt hat und verneinte vielmehr in der Folge, dass dieser nach seiner Befreiung weitere Maßnahmen getroffen hätte, als dies nicht mehr von Relevanz gewesen wäre. Insofern sind diese Ausführungen nicht mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben des Bruders in Einklang zu bringen.

Weitere Unstimmigkeiten ergaben sich zum Vorbringen des Beschwerdeführers vom XXXX , indem er angab, man habe nach seiner Freilassung von seinem Bruder immer wieder Geld haben wollen, wohingegen er derartiges am XXXX überhaupt nicht mehr erwähnte, sondern ausführte, dass es außer den geschilderten Vorfällen keine weiteren Ereignisse gegeben habe. Somit steigerte der Beschwerdeführer mit den behaupteten nachfolgenden Drohungen in der Verhandlung vor dem BVwG am XXXX überdies auch sein Vorbringen gegenüber seinen Äußerungen vor dem Bundesasylamt und brachte auf den entsprechenden Vorhalt in der XXXX lediglich vor beim Bundesasylamt dazu nicht befragt worden zu sein; vielmehr hätten sie seinem Bruder immer wieder gedroht, sie würden seine Familie auslöschen, wenn er zu Polizei gehen würde.

Außerdem verwickelte sich der Beschwerdeführer in Widersprüche, indem er am XXXX zunächst vorbrachte, die hätten alle ("die Männer im Auto und die jugendlichen Nachbarn") irgendwie zusammengehört, jedoch im weiteren Verlauf angab, die Täter auf jeden Fall nicht gekannt zu haben und am XXXX auf die Frage, ob die Täter Komplizen oder Verbündete in seinem Heimatdorf gehabt hätten, angab, dies nicht zu wissen.

Des weiteres brachte er am XXXX zum gescheiterten Entführungsversuch vor, dass er einen "Krieg" zwischen seinem Bruder und diesen Leuten, zu denen u.a. auch Burschen aus ihrem Viertel angehört hätten, habe vermeiden wollen und deswegen seinem Bruder davon nichts erzählt habe. Hingegen führte er am XXXX in Widerspruch zur ersten Verhandlung aus, dem Bruder den zweiten Entführungsversuch erzählt zu haben, worauf ihm sein Bruder zur Ausreise geraten habe. Dies lässt sich allerdings wiederum mit dem handschriftlichen Schreiben des Bruders nicht in Einklang bringen, als dieser dem Bruder bereits nach der ersten Entführung aus Angst vor einer entsprechenden Wiederholung der Entführung geraten bzw. gezwungen haben will das Land zu verlassen. Insofern ist es unter derartigen Umständen auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nach seiner Freilassung wiederum ohne jegliche Vorkehrungen zu treffen in sein Heimatdorf zurückgekehrt und dort weiterhin die Schule besucht haben will.

Der Vollständigkeit halber wird in diesem Zusammenhang noch erwähnt, dass der Beschwerdeführer nicht einmal in der Lage war den Zeitraum seiner Entführung einzugrenzen, als er in der Verhandlung vor dem BVwG am XXXX zunächst ausführte, dass dies im Juli oder August XXXX gewesen wäre; auf Vorhalt der Aussage vor dem Bundesasylamt gesagt zu haben, dass dies bereits im Februar XXXX gewesen wäre, zunächst versicherte, dass dies im Jahr XXXX gewesen wäre, während er im unmittelbaren Anschluss daran in diesem Zusammenhang ausführte, die Daten durch einander zu bringen. In der Folge gab dieser dann wiederum in Widerspruch dazu an etwa ein Monat nach seiner Freilassung Afghanistan verlassen zu haben. Obwohl er mit den Daten durcheinander sei, würde das Jahr XXXX als Zeitpunkt seines Verlassens von Afghanistan aber stimmen. Dies steht allerdings wiederum mit dem vorgelegten Schreiben des Bruders in Widerspruch, als dieser darin bestätigt, dass die Entführung erst am XXXX stattgefunden habe. Im Hinblick der völlig unterschiedlichen Zeitangaben ist es für das BVwG nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keine widerspruchsfreien Angaben zum Zeitpunkt seiner Entführung machen konnte, als es sich dabei im gegenständlichen Fall um ein wesentliches Element des fluchtauslösenden Ereignisses gehandelt hat.

Darüber hinaus wurde aber auch der Zeitraum des Verbleibs des Beschwerdeführers in Afghanistan nach der Freilassung in Afghanistan unterschiedlich beschrieben, indem er in Verhandlung vor dem BVwG am XXXX behauptete, bereits ein Monat nach der Freilassung sein Heimatland verlassen zu haben, während entsprechend den Aussagen in der Verhandlung vom XXXX davon auszugehen ist, dass dieser noch zwei bis drei Monate nach der Entführung in Afghanistan verblieben sein musste, als es danach zu einem zweiten Entführungsversuch gekommen wäre.

Unstimmigkeiten ergaben sich aber auch hinsichtlich der Ausbildung bzw. eigentlichen Tätigkeit des älteren Bruders, als dieser am XXXX beim BVwG in der Verhandlung noch vorgebracht hat, dieser hätte ein Studium abgeschlossen und sei "fertiger" Immobilienmakler. Hingegen führte er am XXXX in der Verhandlung beim BVwG aus, sein Bruder habe (bloß) Matura und sei im Handel tätig. Darüber hinaus brachte er am XXXX vor, sein Bruder handle mit den Amerikanern mit Kleidung und Schuhen und würde daneben auch Dienstleistungen für verschiedene Gebäude (Verwaltung bezüglich Strom oder Reparaturen für Schulen oder wirtschaftliche Gebäude) betreiben. Zum Vorhalt seiner anderslautenden Angaben vom XXXX brachte der Beschwerdeführer ohne den eigentlichen Widerspruch aufzuklären sodann vor, sein Bruder handle mit jeder Art von Ware, seien es Wohnungen oder Kleidung oder Verträge für Servicedienstleistungen (wie z.B. für Strom). Dieser mache so ziemlich alles, was sich gerade ergebe. Zum weiteren Vorhalt über seine Angaben zur Berufsausbildung seines Bruders gab er ohne auch diesen Widerspruch aufzuklären an, er glaube, das letzte Mal erwähnt zu haben, dass dieser zwar eine kurze Zeit die Universität besucht habe, jedoch das Studium frühzeitig abgebrochen und zu arbeiten begonnen habe.

Auch machte er zur Höhe des Einkommens seines Bruders widersprüchliche Angaben, indem er beim Bundesasylamt am XXXX von einem monatlichen Einkommen seines Bruders in der Höhe zwischen 60.000.- und 100.000.- Dollar sprach, hingegen beim BVwG am XXXX von einem durchschnittlichen Monatsgehalt seines Bruders von 7.000.- bis 10.000.- Dollar ausging und gleichzeitig anmerkte, dies schlecht abschätzen zu können. Auf den Vorhalt seiner Angaben beim Bundesasylamt brachte dieser allerdings vor dies nie gesagt zu haben, als dies Wahnsinn gewesen wäre und er vielleicht das Jahres- oder Halbjahreseinkommen angegeben zu habe. Eine monatliche Summe dieser Höhe angegeben zu haben, wurde von diesem allerdings bestritten. Demgegenüber bezifferte der Beschwerdeführer das monatliche Durchschnittseinkommen seines Bruders am XXXX beim BVwG allerdings neuerlich mit ca. 60.000.- Dollar, je nach Aufträgen und Abschlüssen. Zum Vorhalt seiner früheren Angaben zu den Einkünften seines Bruders gab er schließlich als Schutzbehauptung an, keinen Einblick in die tatsächlichen Einnahmen seines Bruders gehabt zu haben und auch nie nachgefragt zu haben. Sein Bruder habe dazu nur angegeben, dass es jedes Mal anders sei; je nach Auftrag und Vertrag würde er mal 7.000.- oder 60.000.- USD verdienen, deshalb könne er das nicht so genau angeben.

Abgesehen davon gab der Beschwerdeführer am XXXX als Grund für seine Ausreise aus Afghanistan u.a. auch an, dass er nach der Entführung von jugendlichen Nachbarn als verdorben bezeichnet und gesellschaftlich nur mehr als "schlecht" angesehen worden sei. Am XXXX gab er auf die Frage nach dem eigentlichen Anlass für seine Ausreise an, dass er von den jungen Männern im Dorf "sekkiert" worden sei; beim Bewässern der Grundstücke sei er von den jungen Männern sexuell missbraucht worden. Auf Vorhalt seiner Angaben vom XXXX , wonach er von den jungen Männern immer wieder belästigt worden sei und man ihm lediglich gedroht habe ihn zu vergewaltigen, dies ihnen aber nicht gelungen sei, räumte dieser, ohne den eigentlichen Widerspruch seiner Aussage aufzuklären, ein, dass seine ursprüngliche Aussage in der Verhandlung vom XXXX vor dem BVwG gestimmt habe. Ferner gab er am XXXX in der Verhandlung vor dem BVwG entgegen seinem Beschwerdevorbringen, dass die Täter weitschichtige Verwandte gewesen seien, an, mit den Tätern nicht verwandt gewesen zu sein.

Auf Grund der zahlreichen Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten kann das BVwG dem Beschwerdevorbringen, dass weitere Recherchen vor Ort hätten stattfinden müssen, um festzustellen, dass die Entführung tatsächlich stattgefunden habe, jedenfalls nicht gefolgt werden. Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass bereits das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Schon dieses hat -nach der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes- eine Einvernahme des Beschwerdeführers vorgenommen und ihn konkret und ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.

Im Übrigen wurde dem Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem BVwG am XXXX und am XXXX noch einmal ausführlich die Möglichkeit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen darzulegen. So wie bereits vor dem Bundesasylamt wurde auch in der Verhandlung vor dem BVwG im Hinblick auf die fehlende Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers nichts Substantiiertes vorgebracht, das Anlass zu weiteren Ermittlungen des BVwG notwendig erscheinen hätten lassen. Dem Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Notwendigkeit von Recherchen vor Ort, ob die Entführung stattgefunden habe, kann, wie bereits oben ausgeführt, nicht gefolgt werden, als es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, sein Vorbringen, wie oben ausführlich dargelegt, seine Entführung glaubhaft zu machen.

Nach Ansicht des BVwG ist vielmehr davon auszugehen, dass weder das Vorbringen über eine stattgefundene Entführung des Beschwerdeführers in XXXX glaubhaft ist, noch dass danach in seinem Heimatdorf noch einmal der Versuch unternommen worden wäre ihn zu entführen bzw. er von den jugendlichen Nachbarn vergewaltigt wurde bzw. werden sollte.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

4.1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG zufolge erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 7 BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht ua. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 3 Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G) BGBl. I Nr. 87/2012 idgF obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl.I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl.I Nr.100 (Z 4).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten.

4.1.2. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 idgF) in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz unter Beachtung der Bestimmungen der §§ 73 und 75 AsylG 2005 idgF anzuwenden.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 idF 144/2013 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

§ 75 Abs. 20 AsylG lautet:

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 leg.cit. in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

4.2. Zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF):

4.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 idgF kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 als der die Asylgewährung regelnden Bestimmung wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Weiters muss sie sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hiefür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn den Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG) offen steht (Z.1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat (Z. 2).

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/-20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.07.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).

4.2.2. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Auch unbestrittenen Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457).

4.2.3. Es kann nicht angenommen werden, dass es dem Beschwerdeführer gelungen wäre, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen.

Zunächst kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der der Volksgruppe der Tadschiken angehört, sunnitischer Muslim ist, im Herkunftsland auf Grund generalisierender Merkmale einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer aktuelle individuelle Verfolgungshandlungen durch neuerliche Entführungen bzw. körperliche Übergriffe fürchte, hat sich (wie oben dargelegt) als unglaubwürdig erwiesen.

Aus diesem Grund war die Beschwerde gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

4.3. Zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF):

4.3.1. Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997) iVm § 57 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (FrG) ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und -fähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;

VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0586;

VwGH 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH 21.06.2001, Zl. 99/20/0460;

VwGH 16.04.2002, Zl. 2000/20/0131). Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 angeführten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; VwGH 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zl. 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; VwGH 31.05.2005, 2005/20/0095).

"Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der dem Beschwerdeführer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013, U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012)." (VfgH vom 13.09.2013, Zl. U370/2012)

4.3.2. Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde.

Solche Anhaltspunkte finden sich in den in der Verhandlung vom XXXX dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Feststellungen zur Situation in Afghanistan. Daraus geht hervor, dass Teile der Zivilbevölkerung je nach der Sicherheitssituation in der jeweiligen Provinz teilweise erheblicher Gefahr ausgesetzt sind, bei Anschlägen umzukommen, verschleppt zu werden, bei tatsächlichen oder vermeintlichen Vergehen kein ordentliches Gerichtsverfahren zu erhalten oder ihren Lebensunterhalt nicht menschenwürdig bestreiten können.

In der XXXX ist die Sicherheitslage jedoch besser als in anderen Teilen des Landes. Hierbei wird nicht übersehen, dass es auch in der Stadt XXXX immer wieder zu Anschlägen kommt. Aus den Länderfeststellungen geht jedoch hervor, dass sich diese Anschläge nicht gegen die Allgemeinheit, sondern überwiegend gegen konkret ausgewählte Ziele bzw. Zielpersonen richten, so etwa gegen nationale oder internationale Militär- oder Sicherheitskräfte, Mitglieder der Regierung, Personengruppen im Umfeld von staatlichen Einrichtungen oder internationaler Organisationen, Frauen in gehobenen Positionen sowie ausländischen Staatsangehörigen. Zivilpersonen, die nicht diesen genannten Gruppen angehören, sind in der Regel nicht Ziele dieser Angriffe. Trotz dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle ist die Stadt XXXX - im Unterschied zu anderen Teilen des Landes- zudem relativ gut gesichert und gehört zu den Orten, in denen die Gewährleistung von Sicherheit einigermaßen funktioniert. Dies wird auch durch die Frage nach dem Wohlbefinden des in XXXX eine Firma betreibenden älteren Bruders des Beschwerdeführers insofern indirekt von diesem bestätigt, als er selbst angegeben hat, dass es seinem zum Teil in XXXX und zum Teil in der Provinz XXXX lebenden Bruder gut geht. In Zusammenhang mit XXXX wurde von diesem noch erwähnt, dass dieser in seinem Büro oder bei seiner Tante und seinem Onkel mütterlicherseits im Bezirk XXXX übernachten würde.

Bezüglich der Sicherheitslage der Heimatprovinz XXXX kann vor dem Hintergrund des länderkundlichen Sachverständigengutachtens vom XXXX über die dortige Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers nicht davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Zwar ist es in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers in der Vergangenheit auch zu Selbstmordanschlägen von Seiten der Taliban gekommen. Auf Grund der Machtkonstellation in XXXX ist es den Taliban aber verwehrt geblieben diese Provinz einzunehmen. Auch wenn es zu gesellschaftlichen Konflikten kommen kann, so werden diese dort sehr bald unter Kontrolle gebracht. Im Übrigen wird auch dieser Umstand vom Beschwerdeführer bestätigt, als dieser das Wohlbefinden seiner nach wie vor in der Provinz XXXX lebenden Familie als gut beschreibt und von keinen entsprechenden Übergriffen berichtet hat. Außerdem lässt sich aus dem länderkundlichen Sachverständigengutachten ableiten, dass die Heimatprovinz des Beschwerdeführers von XXXX aus über die Provinz XXXX relativ sicher erreichbar ist. Zwar lässt sich dem Gutachten entnehmen, dass es auf dieser Strecke auch hie und da zu Anschlägen von Seiten der Taliban kommt, wobei aber Ziel dieser Anschläge in der Regel keine Zivilisten sind, sondern vielmehr vor allem Anschläge auf vorbeifahrende Militärkonvois verübt werden. Es kann zwar nicht zur Gänze ausgeschlossen werden, dass im Zuge dessen auch zufällig vorbeifahrende Zivilisten verletzt werden oder ums Leben kommen, doch ist unter diesen Umständen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von Kabul aus sein in der Provinz XXXX gelegenes Heimatdorf sicher erreichen kann.

Allein die Sicherheitslage bewirkt allerdings nicht, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers, der auch keiner der oben genannten Risikogruppen angehört, in sein Heimatdorf bzw. nach XXXX gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde.

Bei der insgesamt schwierigen Versorgungslage in ganz Afghanistan könnte das Fehlen eines verwandtschaftlichen Netzes für den Beschwerdeführer - nach den Länderfeststellungen und nach der Bewertung dieses Faktors nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes - dazu führen, dass der Rückkehrer dort nicht Fuß fassen und seinen Lebensunterhalt in menschenwürdiger Weise bestreiten könnte. Dies ist aber nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen beim Beschwerdeführer gerade nicht der Fall.

Beim 20-jährigen Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen, gesunden, arbeitsfähigen Mann. Er verfügt nach seinen eigenen Angaben über eine 4-jährige Schulbildung, über Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft und beherrscht mit seiner Muttersprache Dari eine Landessprache Afghanistans. Er hat sowohl in der Hauptstadt XXXX , als auch in seinem Heimatdorf XXXX , in der Provinz XXXX , ein stabiles soziales Netz an Familiengehörigen. So hält sich sowohl sein in XXXX eine Firma betreibender älterer Bruder zumindest zeitweise dort auf. Außerdem verfügt der Beschwerdeführer über einen Onkel und eine Tante mütterlicherseits in XXXX , bei denen u.a. auch der ältere Bruder des Beschwerdeführers zeitweise wohnt. Die Eltern des Beschwerdeführers als auch seine Geschwister leben nach wie vor in ihrem Heimatdorf in der Provinz XXXX und bestreitet dessen Vater, wie vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan, seinen Lebensunterhalt aus der Land-, und Viehwirtschaft. Somit ist auch keine Gefahr ersichtlich, wonach der bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, als er entweder in XXXX von seinem relativ gut situierten Bruder oder den Verwandten mütterlicherseits Unterkunft und Nahrung gewährt bekommen könnte oder zu seiner Familie in seinen Heimatdistrikt zurückzukehren könnte, um seinen Lebensunterhalt wie bisher vor seiner Ausreise aus Afghanistan zu sichern. In diesem Zusammenhang wird noch einmal darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem BVwG vom XXXX selbst ausführte, dass es sowohl seinen älteren Bruder als auch seinen Eltern und zwei jüngeren Brüdern gut gehen würde. Der Vollständigkeit halber wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, Zl. 2001/01/0021).

4.3.3. Das Vorbringen des Beschwerdeführers vermag sohin keine Gefahren i.S.d. § 8 Abs. 1 AsylG darzutun.

4.4. Zur Entscheidung über die dauerhafte Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung (§ 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF)

4.4.1. Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht bei einem mit Ablauf des 31.12.2013 noch beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes, so hat es aufgrund der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 idF 144/2013, darüber zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG BGBl I. Nr. 87/2012 idgF zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 9 Abs. 4 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn 1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder 2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

Gemäß § 9 Abs. 5 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

Gemäß § 9 Abs. 6 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl Nr 60/1974 gilt.

4.4.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).

Hierbei ist neben diesen (beispielhaft angeführten) Kriterien, aber auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH vom 12.06.2007, B 2126/06; VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH vom 24.04.2007, 2007/18/0173; VwGH vom 15.05.2007, 2006/18/0107, und 2007/18/0226).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen neben den zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienleben bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Als Kriterien hierfür kommen in einer Gesamtbetrachtung etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Intensität und die Dauer des Zusammenlebens bzw. die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Sich bei der Prüfung allein auf das Kriterium der Abhängigkeit zu beschränken, greift jedenfalls zu kurz (vgl. VwGH vom 26.1.2006, Zl. 2002/20/0423).

4.4.2. Solche Gründe sind im gesamten Asylverfahren nicht hervorgekommen. Der ledige und kinderlose Beschwerdeführer ist zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass ihm ein nicht auf asylrechtliche Bestimmungen gestütztes Aufenthaltsrecht zukäme, sind gleichfalls nicht ersichtlich. Darüber hinaus liegen keine Hinweise für eine ausreichend intensive Beziehung zu allfälligen in Österreich aufhältigen Familienangehörigen oder ihm sonst besonders nahestehenden Personen vor. Was die "Freundin" des Beschwerdeführers betrifft, so lag kein Hinweis für ein Zusammenleben bzw. einen gemeinsamen Haushalt vor. Weder wurde dies vom Beschwerdeführer behauptet, als dieser angab sich seine Wohnung mit Herrn XXXX XXXX zu teilen, noch sind in der Zwischenzeit (auch nach aktuellen Anfragedaten beim Zentralen Melderegister vom XXXX ) Anhaltspunkte dafür aufgetreten. Aber selbst wenn inzwischen ein gemeinsamer Haushalt begründet worden wäre, würde dieser Umstand allein schon auf Grund der kurzen Dauer kaum weiter ins Gewicht fallen. Was das Privatleben des Beschwerdeführers betrifft, ist festzustellen, dass dieser zwar über Deutschkenntnisse verfügt und zur Zeit Deutschkurse besucht, jedoch keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht und im Wesentlichen seinen Lebensunterhalt aus der Grundversorgung bezieht, worunter er unter anderem seine Miete in der Höhe von 165 Euro monatlich bestreitet. Auch wenn der Beschwerdeführer mit den von ihm angegebenen Namen im aktuellen Strafregister mit keiner Vormerkung aufscheint, sind keine Gründe erkennbar, die den Ausspruch einer dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung nahelegen würden. Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält (seit XXXX ), kann selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale - wie etwa Unbescholtenheit und ein Freundes-, bzw. Bekanntenkreis im Bundesgebiet - eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vgl. auch VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörige geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, Zl. 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, Zkl. 2008/21/0533; VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 22.01.2013, Zl. 2011/18/0036; VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100; VwGH 22.03.2011, Zl. 2007/18/0628; VwGH 26.11.2009, Zl. 2007/18/0305), zu geben ist.

Da sohin auch keine Gründe erkennbar sind, die den Ausspruch einer dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung nahelagen würden, war das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG an das Bundesamt zurückzuverweisen.

Zu Spruchteil B):

4.5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung bereits wiedergegebenen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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