VfGH G189/2018

VfGHG189/20183.10.2018

Keine Verletzung im Gleichheits- und Eigentumsrecht durch eine Bestimmung des HeimopferrentenG betreffend das Ruhen der Rentenleistung für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einer Haftanstalt; keine Unsachlichkeit der Sistierung der Rentenleistung auf Grund der Versorgung des Anspruchsberechtigten aus öffentlichen Mitteln; keine Gewährung von Verfahrenshilfe nach bereits erfolgter Vornahme sämtlicher notwendiger Verfahrensschritte sowie Entrichtung der Eingabengebühr

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
HeimopferrentenG §5 Abs6
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:G189.2018

 

Spruch:

I. Der Antrag wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge

"§5 Abs6 des Bundesgesetzes betreffend die Rentenleistung für Opfer von Gewalt in Heimen (Heimopferrentengesetz-HOG), BGBl I Nr 69/2017, kundgemacht am 19.06.2017, in eventu

 

die Wortfolge 'Der Anspruch auf Rentenleistungen ruht für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe;' in §5 Abs6 des genannten Gesetzes, in eventu

 

die Wortfolge 'Der Anspruch auf Rentenleistung ruht für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe; dies gilt nicht, wenn die Freiheitsstrafe durch Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest nach dem Fünften Abschnitt des Strafvollzugsgesetzes vollzogen wird.' in §5 Abs6 des genannten Gesetzes, in eventu

 

die Wortfolge 'Der Anspruch auf Rentenleistung ruht für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe; […] Er ruht ferner für die Dauer der Unterbringung des Anspruchsberechtigten auf Kosten des Bundes in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß §21 des Strafgesetzbuches, für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher gemäß §22 StGB oder für gefährliche Rückfallstäter gemäß §23 StGB.' in §5 Abs6 des genannten Gesetzes

 

als verfassungswidrig aufheben".

 

II. Rechtslage

1. §§1, 2 und 5 des Bundesgesetzes betreffend die Rentenleistungen für Opfer von Gewalt in Heimen (Heimopferrentengesetz – HOG), BGBl I 69/2017, lauten (die angefochtene Bestimmung des §5 Abs6 ist hervorgehoben):

"Personenkreis

 

§1. (1) Personen, die eine pauschalierte Entschädigungsleistung wegen nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 erlittener Gewalt im Rahmen einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendheimen des Bundes, der Länder und der Kirchen oder in Pflegefamilien von einem Heim- oder Jugendwohlfahrtsträger oder den von diesen mit der Abwicklung der Entschädigung beauftragten Institutionen erhalten haben, haben ab dem Zeitpunkt und für die Dauer der Zuerkennung einer Eigenpension, spätestens aber mit Beginn des Monats, der auf die Erreichung des Regelpensionsalters (§§253 und 617 Abs11 ASVG) folgt, Anspruch auf eine monatliche Rentenleistung nach diesem Bundesgesetz.

 

(2) Wenn Personen, die eine Eigenpension beziehen oder das Regelpensionsalter erreicht haben, wahrscheinlich machen, dass sie aus besonderen Gründen kein zulässiges und zeitgerechtes Ansuchen beim Heim- oder Jugendwohlfahrtsträger oder den von diesen mit der Abwicklung der Entschädigung beauftragten Institutionen einbringen konnten, oder wenn ihrem zulässigen und zeitgerechten Ansuchen nicht entsprochen wurde, erhalten sie die Rentenleistung unter den sonstigen Voraussetzungen des Abs1, wenn sie wahrscheinlich machen, dass sie nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 in einem der genannten Heime oder in Pflegefamilien Opfer eines vorsätzlichen Gewaltdeliktes im Sinne des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl Nr 60/1974, in der geltenden Fassung, wurden.

 

(3) Personen, die laufende Geldleistungen nach den Mindestsicherungsgesetzen der Länder beziehen und wegen einer auf Dauer festgestellten Arbeitsunfähigkeit vom Einsatz der Arbeitskraft befreit sind, sind Beziehern einer Eigenpension gleichgestellt.

 

Leistung

 

§2. (1) Die monatliche Rentenleistung beträgt 300 €. Auf die Rentenleistung ist ein nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG), BGBl Nr 288/1972, wegen einer Schädigung in einem Heim oder in Pflegefamilien erbrachter Ersatz des Verdienstentganges samt einer einkommensabhängigen Zusatzleistung anzurechnen und die Rentenleistung bei Änderung der Höhe des Ersatzes des Verdienstentganges und der einkommensabhängigen Zusatzleistung neuzubemessen. Übergenüsse und Nachträge sind von der gebührenden Rentenleistung abzuziehen oder mit ihr auszuzahlen. Die Rentenleistung gilt nicht als Einkommen im Sinne der Sozialversicherungs- und Sozialentschädigungsgesetze sowie der sonstigen bundesgesetzlichen Regelungen und ist unpfändbar. Von der Rentenleistung sind keine Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten.

 

(2) Der Leistungsbetrag ist mit Wirkung ab 1. Jänner 2018 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Der vervielfachte Betrag ist auf einen Betrag von vollen 10 Cent zu runden; hiebei ist ein Betrag von unter 5 Cent zu vernachlässigen und ein Betrag von 5 Cent an auf 10 Cent zu ergänzen. Der gerundete Betrag ist die Basis der Anpassung für das jeweilige Folgejahr.

 

(3) (Verfassungsbestimmung) Die Rentenleistung gilt nicht als Einkommen nach den Mindestsicherungsgesetzen der Länder und den sonstigen landesgesetzlichen Regelungen.

 

[…]

 

Antragstellung, Beginn und Ende der Leistung

 

§5. (1) Die Rentenleistung ist beim Entscheidungsträger zu beantragen. Wird sie innerhalb eines Jahres ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beantragt, gebührt sie bei Zutreffen der Voraussetzungen ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes. Bei späterer Antragstellung ist die Rentenleistung mit dem auf die Antragstellung folgenden Monat zu erbringen. Diese Regelung gilt sinngemäß auch, wenn die in §1 normierten Anfallszeitpunkte erst nach dem Inkrafttreten eintreten. Die Anspruchsvoraussetzungen sind vom Antragsteller durch Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen. Die Leistung erlischt mit dem Ende des Monates, in dem das Opfer verstirbt.

 

(2) Wird der Antrag bei einer anderen Behörde, einem anderen Sozialversicherungsträger, einem Gericht oder einem Gemeindeamt eingebracht, so ist der Antrag unverzüglich an den zuständigen Entscheidungsträger weiterzuleiten und gilt als ursprünglich bei diesem eingebracht.

 

(3) Antragsberechtigt gemäß Abs1 sind der Anspruchswerber selbst, sein gesetzlicher Vertreter oder sein Sachwalter (Vorsorgebevollmächtigter, Erwachsenenvertreter), wenn er mit der Besorgung dieser Angelegenheit betraut worden ist. Überdies kann ein Antrag auf Zuerkennung der Leistung nach diesem Bundesgesetz auch durch Familienmitglieder oder Haushaltsangehörige ohne Nachweis der Bevollmächtigung gestellt werden, wenn kein Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis besteht.

 

(4) Die Leistung kann abgelehnt werden, wenn und solange sich der Anspruchsberechtigte oder Anspruchswerber ohne triftigen Grund weigert, die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen.

 

(5) Voraussetzung für eine bescheidmäßige Verfügung nach Abs4 ist jedoch, dass der Anspruchsberechtigte oder Anspruchswerber auf die Folgen seines Verhaltens nachweislich aufmerksam gemacht worden ist. Eine Nachzahlung für die Zeit der Ablehnung der Leistung hat zu unterbleiben.

 

(6) Der Anspruch auf Rentenleistung ruht für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe; dies gilt nicht, wenn die Freiheitsstrafe durch Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest nach dem Fünften Abschnitt des Strafvollzugsgesetzes vollzogen wird. Er ruht ferner für die Dauer der Unterbringung des Anspruchsberechtigten auf Kosten des Bundes in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß §21 des Strafgesetzbuches, für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher gemäß §22 StGB oder für gefährliche Rückfallstäter gemäß §23 StGB."

 

 

2. Mit BGBl I 49/2018 wurden §1 Abs1, 2, 3 und 4 sowie §2 Abs1 zweiter Satz Heimopferrentengesetz, BGBl I 69/2017, rückwirkend mit 1. Juli 2017 novelliert; die angefochtene Bestimmung des §5 Abs6 HOG ist unverändert geblieben. §§1 und 2 Heimopferrentengesetz, BGBl I 69/2017, idF BGBl I 49/2018 lauten:

"Personenkreis

 

§1 (1) Personen, die eine pauschalierte Entschädigungsleistung wegen nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 erlittener Gewalt im Rahmen einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendheimen, als Kinder oder Jugendliche in Kranken-, Psychiatrie- und Heilanstalten beziehungsweise in vergleichbaren Einrichtungen der Gebietskörperschaften oder Gemeindeverbände, in entsprechenden privaten Einrichtungen, sofern diese funktional für einen Jugendwohlfahrtsträger tätig wurden, in entsprechenden Einrichtungen der Kirchen oder in Pflegefamilien von einem Heim-, Jugendwohlfahrts-, Krankenhausträger oder Träger der vergleichbaren Einrichtung beziehungsweise den von diesen mit der Abwicklung der Entschädigung beauftragten Institutionen erhalten haben, haben ab dem Zeitpunkt und für die Dauer der Zuerkennung einer Eigenpension, spätestens aber mit Beginn des Monats, der auf die Erreichung des Regelpensionsalters (§§253 und 617 Abs11 ASVG) folgt, Anspruch auf eine monatliche Rentenleistung nach diesem Bundesgesetz.

 

(2) Personen, die eine Eigenpension beziehen oder das Regelpensionsalter erreicht haben, aber kein Ansuchen auf eine Entschädigung beim Heim- oder Jugendwohlfahrtsträger oder bei den von diesen mit der Abwicklung der Entschädigung beauftragten Institutionen gestellt haben, oder deren Ansuchen nicht entsprochen wurde, erhalten die Rentenleistung unter den sonstigen Voraussetzungen des Abs1, wenn sie wahrscheinlich machen, dass sie nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 in einem der genannten Heime oder in Pflegefamilien Opfer eines vorsätzlichen Gewaltdeliktes im Sinne des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl Nr 60/1974, in der geltenden Fassung, wurden.

 

(3) Personen, die laufende Geldleistungen nach den Mindestsicherungsgesetzen der Länder beziehen und wegen einer auf Dauer festgestellten Arbeitsunfähigkeit vom Einsatz der Arbeitskraft befreit sind, sind Beziehern einer Eigenpension ebenso gleichgestellt wie Bezieher eines Rehabilitationsgeldes, einer Waisenpension oder eines Waisenversorgungsgenusses wegen Erwerbsunfähigkeit nach sozialversicherungsrechtlichen Regelungen für die Dauer des Leistungsbezuges sowie Personen während der Dauer der in §123 Abs4 Z2 lita ASVG oder nach entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Regelungen normierten Angehörigeneigenschaft.

 

(4) Ebenso gleichgestellt sind Personen, die wahrscheinlich machen, dass sie als Kinder oder Jugendliche nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 bei Unterbringung in Kranken-, Psychiatrie- und Heilanstalten beziehungsweise in diesen vergleichbaren Einrichtungen der Gebietskörperschaften, Gemeindeverbände, Kirchen oder in privaten Einrichtungen, sofern diese funktional für einen Jugendwohlfahrtsträger tätig wurden, Opfer eines vorsätzlichen Gewaltdeliktes im Sinne des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl Nr 60/1974, in der geltenden Fassung, wurden.

 

Leistung

 

§2. (1) Die monatliche Rentenleistung beträgt 300 €. Auf die Rentenleistung ist ein nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG), BGBl Nr 288/1972, wegen einer Schädigung in einem Heim, in Pflegefamilien oder in einer Krankenanstalt oder vergleichbaren Einrichtung erbrachter Ersatz des Verdienstentganges samt einer einkommensabhängigen Zusatzleistung anzurechnen und die Rentenleistung bei Änderung der Höhe des Ersatzes des Verdienstentganges und der einkommensabhängigen Zusatzleistung neuzubemessen. Übergenüsse und Nachträge sind von der gebührenden Rentenleistung abzuziehen oder mit ihr auszuzahlen. Die Rentenleistung gilt nicht als Einkommen im Sinne der Sozialversicherungs- und Sozialentschädigungsgesetze sowie der sonstigen bundesgesetzlichen Regelungen und ist unpfändbar. Von der Rentenleistung sind keine Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten.

 

(2) Der Leistungsbetrag ist mit Wirkung ab 1. Jänner 2018 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Der vervielfachte Betrag ist auf einen Betrag von vollen 10 Cent zu runden; hiebei ist ein Betrag von unter 5 Cent zu vernachlässigen und ein Betrag von 5 Cent an auf 10 Cent zu ergänzen. Der gerundete Betrag ist die Basis der Anpassung für das jeweilige Folgejahr.

 

(3) (Verfassungsbestimmung) Die Rentenleistung gilt nicht als Einkommen nach den Mindestsicherungsgesetzen der Länder und den sonstigen landesgesetzlichen Regelungen."

 

3. §§1 und 2 des Bundesgesetzes vom 9. Juli 1972 über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen (Verbrechensopfergesetz – VOG), BGBl 288/1972, idF BGBl I 57/2015 lauten wie folgt:

"Kreis der Anspruchsberechtigten

 

§1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder

3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl Nr 20/1949, bestehen,

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs6 Z1) begangen wurde.

 

(2) Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn

1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,

2. die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder

3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.

 

(3) Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn

1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder

2. durch die Handlung nach Abs1 eine schwere Körperverletzung (§84 Abs1 StGB, BGBl Nr 60/1974) bewirkt wird.

 

(4) Hatte die Handlung im Sinne des Abs1 den Tod eines Menschen zur Folge, dann ist den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, Hilfe zu leisten, wenn sie österreichische Staatsbürger sind und ihnen durch den Tod der Unterhalt entgangen ist. Die Kostenübernahme gemäß §4 Abs5 erfolgt unabhängig vom Vorliegen eines tatsächlichen Unterhaltsentganges.

 

(5) Kindern ist Hilfe gemäß Abs4 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu leisten. Darüber hinaus ist ihnen auch dann Hilfe zu leisten, wenn sie

1. wegen wissenschaftlicher oder sonstiger regelmäßiger Schul- oder Berufsausbildung sich noch nicht selbst erhalten können, bis zur ordnungsmäßigen Beendigung der Ausbildung, längstens jedoch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Kindern, die eine im §3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr 305, genannte Einrichtung besuchen, gebührt die Hilfe nur dann, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des §2 Abs1 litb des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl Nr 376, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 311/1992, betreiben;

2. infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sofern das Gebrechen vor Vollendung des 18. Lebensjahres oder während des in Z1 bezeichneten Zeitraumes eingetreten ist und solange dieser Zustand dauert.

 

(6) Hilfe ist Unionsbürgern sowie Staatsbürgern von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in gleicher Weise wie österreichischen Staatsbürgern zu leisten, wenn die Handlung nach Abs1

1. im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde oder

2. im Ausland begangen wurde, die betroffenen Personen ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben und die Handlung nach dessen Begründung begangen wurde.

 

(7) Hilfe ist ferner den nicht in den Abs1 und 6 genannten Personen zu leisten, wenn die Handlung nach Abs1 nach dem 30. Juni 2005 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und sie sich zum Zeitpunkt der Handlung dort rechtmäßig aufgehalten haben. Wurde ein unrechtmäßiger Aufenthalt zum Tatzeitpunkt durch einen erlittenen Menschenhandel bewirkt, ist Personen Hilfe solange zu leisten, als sie dafür über ein Aufenthaltsrecht für besonderen Schutz verfügen oder im Anschluss daran weiterhin aufenthaltsberechtigt sind und sie sich gewöhnlich im Inland aufhalten.

 

(8) Einer Körperverletzung und einer Gesundheitsschädigung im Sinne des Abs1 stehen die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, insbesondere einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich, wenn die zur Beschädigung führende Handlung nach Abs1 nach dem 30. Juni 2005 begangen wurde. Der Ersatz und die Reparatur richten sich nach §5 Abs2.

 

Hilfeleistungen

 

§2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;

2. Heilfürsorge

a) ärztliche Hilfe,

b) Heilmittel,

c) Heilbehelfe,

d) Anstaltspflege,

e)Zahnbehandlung,

f) Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl Nr 189/1955);

2a. Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten;

3.orthopädische Versorgung

a) Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung,

b) Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die Installation behinderungsgerechter Sanitärausstattung,

c) Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,

d) Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,

e) notwendige Reise- und Transportkosten;

4. medizinische Rehabilitation

a) Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen,

b) ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe, wenn diese Leistungen unmittelbar im Anschluß oder im Zusammenhang mit der unter lita angeführten Maßnahme erforderlich sind,

c) notwendige Reise- und Transportkosten;

5. berufliche Rehabilitation

a) berufliche Ausbildung zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit,

b) Ausbildung für einen neuen Beruf,

c) Zuschüsse oder Darlehen (§198 Abs3 ASVG 1955);

6. soziale Rehabilitation

a) Zuschuß zu den Kosten für die Erlangung der Lenkerberechtigung, wenn auf Grund der Behinderung die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar ist,

b) Übergangsgeld (§306 ASVG 1955);

7. Pflegezulagen, Blindenzulagen;

8. Ersatz der Bestattungskosten;

9. einkommensabhängige Zusatzleistung;

10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld."

 

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Einschreiter beantragte am 18. Juli 2017 bei der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt die Gewährung einer Heimopferrente gemäß §1 Abs1 Heimopferrentengesetz (HOG). Mit Bescheid vom 29. August 2017 sprach die zuständige Pensionsversicherungsanstalt aus, dass die Heimopferrente ab 1. Juli 2017 für die weitere Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe des Antragstellers ruhe.

1.2. Die dagegen vom Antragsteller erhobene Klage wies das Landesgericht Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht mit Urteil vom 16. Jänner 2018 ab. Der Antragsteller erfülle zwar wegen seines Anspruchs auf Invaliditätspension sowie der erhaltenen Entschädigungsleistung durch die Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche die Voraussetzungen für den Bezug einer monatlichen Rentenleistung nach dem Heimopferrentengesetz, der Antragsteller verbüße allerdings eine Freiheitsstrafe und befinde sich seit Inkrafttreten des Heimopferrentengesetzes am 1. Juli 2017 durchgehend in Strafhaft. Gemäß §5 Abs6 HOG ruhe der Anspruch des Antragstellers auf Heimopferrente für die Dauer der Verbüßung der Freiheitsstrafe in der Justizanstalt.

2. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller Berufung und stellte am 20. Juni 2018 den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag.

Der Antragsteller legt die verfassungsrechtlichen Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bewogen haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):

"5. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §5 Abs6 HOG im Sinne des Art7 B‑VG:

 

1. Gemäß Art7 B‑VG sind alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Der Gleichheitssatz normiert zwar nach seinem Wortlaut nur die Gleichheit 'vor dem Gesetz', nach heute einhelliger Auffassung richtet er sich aber auch an den Gesetzgeber. Für diesen bedeutet der Gleichheitssatz in allererster Linie, nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen, welche nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen erfolgen. Der Gesetzgeber ist demnach verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Ein Abweichen davon kann nur mit wesentlichen Unterschieden im Tatsachenbereich gerechtfertigt werden (vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer Bundesverfassungsrecht10 (2007 [RZ 1356 ff]).

 

Eine Norm ist gleichheitswidrig, wenn

 

- sie tatsächlich Gleiches aus unsachlichen Gründen rechtlich ungleich behandelt,

- oder tatsächlich Ungleiches aus unsachlichen Gründen rechtlich gleich behandelt,

- oder eine unsachliche Regelung vornimmt,

- oder den Vertrauensschutz missachtet.

 

2. Der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 16.05.2017 (1645 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP) und der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 30.05.2017 (9799 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Bundesrates) halten fest, dass Opfer, die in Heimen des Bundes, der Länder oder der Kirchen oder in Pflegefamilien Gewalt erlitten haben und die aus diesem Grund eine pauschalierte Entschädigungsleistung erhalten haben, eine Rentenleistung in der Höhe von monatlich EUR 300,00 beziehen sollen. Ein allfälliger Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz sollte im Hinblick auf die neu geschaffene Rente künftig entfallen bzw wäre ein Ersatz des Verdienstentganges nach dem VOG auf die Heimopferrente anzurechnen.

 

Festgehalten wurde, dass die pauschalierte Entschädigungsleistung (und somit ohne Zweifel auch die Heimopferrente) als Entschädigung für erlittene Gewalt anzusehen ist, wobei vom Gewaltbegriff[…] des StGB ausgegangen wurde. Somit besteht ein eindeutiger Konnex zwischen der Heimopferrente und der Tatsache, dass diese gebühren soll, weil die Bezugsberechtigten Opfer von strafbaren Handlungen geworden sind.

 

3. Die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu Ruhensbestimmungen bei Haft betrifft Sozialversicherungsleistung mit Einkommens(ersatz)-Charakter (RS 0085422). So hat der OGH mehrfach festgehalten, dass das Ziel der meisten Ruhensbestimmungen darin besteht, Leistungen dann nicht zu gewähren, wenn ein Sicherungsbedürfnis vorübergehend weggefallen ist. Der Wegfall des Sicherungsbedürfnisses kann etwa im Bezug einer anderen, funktionsgleichen Leistung liegen (10 ObS 207/00i). Im Falle einer Strafhaft ist die Versorgung des Anspruchsberechtigten aus öffentlichen Mitteln in einer anderen Weise sichergestellt (10 ObS 54/07z) und ist es somit gerechtfertigt, dass etwa eine Invaliditätspension für die Zeit der Strafhaft ruht. Die Grundbedürfnisse eines Pensionsberechtigten werden für die Dauer der Strafhaft auf Grundlage der §§31, 38 ff StVG, von der öffentlichen Hand in anderer Weise sichergestellt (vgl 10 ObS 11/13k). Ziel ist es, gesamtwirtschaftlich nicht sinnvolle Mehrfachversorgungen zu verhindern (10 ObS 207/00i). Daher sehen Ruhensbestimmungen in der Regel auch eine Ausnahme vom Ruhen der Leistungsansprüche im Falle der Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest vor, da diesfalls die Versorgung auf 'eine andere Weise' nicht mehr sichergestellt ist (10 ObS 142/16d).

 

Gemäß §31 Abs1 StVG haben die Strafvollzugsanstalten für den Unterhalt des Strafgefangenen zu sorgen. Dementsprechend bestimmen §§38, 39 und 40 StVG, dass der Strafgefangene ausreichend mit (einfacher) Anstaltskost zu verpflegen ist sowie die Beistellung von Anstaltskleidung und Bettzeug durch die Anstalt und darüber hinaus die Unterbringung des Strafgefangenen in angemessenen Räumlichkeiten. Derartige Sachleistungen hätte der Strafgefangene extra muros gegebenenfalls von solchen öffentlich-rechtlichen Bezügen (Alterspension, Invaliditätspension, etc.) zu bestreiten, welche primär Einkommenscharakter haben und für welche gegebenenfalls (höchstgerichtlich für unbedenklich erklärte) Ruhensbestimmungen bestehen.

 

Demgegenüber handelt es sich sowohl bei den in §1 Abs1 HOG angesprochenen pauschalierten Entschädigungsleistungen wie auch bei der Rente selber unzweifelhaft um Leistungen mit Entschädigungscharakter für die erlittene Gewalt im Rahmen einer Heimunterbringung.

 

Gemäß §2 Abs1 Heimopferrentengesetz gilt die Rentenleistung nicht als Einkommen, insbesondere im Sinne der Sozialversicherungsgesetze, und ist unpfändbar. Darüber hinaus sind auch keine Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten. Gemäß der Verfassungsbestimmung des §2 Abs3 HOG gilt die Rentenleistung auch nicht als Einkommen nach den Mindestsicherungsgesetzen. Somit ist eindeutig klargestellt, dass die Rente über keinen Einkommenscharakter verfügt, wie dies etwa bei den individuell zu errechnenden Pensionsansprüchen der Fall ist. Vielmehr handelt es sich um eine pauschalierte Entschädigungsleistung im Zusammenhang mit Gewalterfahrungen, ohne dass dieser Leistung etwa Beitragszahlungen vorausgegangen wären und ohne dass es (weder verbal-interpretative noch teleologische) Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Gesetzgeber die materielle Absicherung der betroffenen Normunterworfenen für Krankheit oder Alter verfolgt hätte.

 

4. Dafür spricht ferner, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das Heimopferrentengesetz als spezielle Norm dem Verbrechensopfergesetz vorgehen soll bzw eine Anrechnung zu erfolgen hat, wenn es um den Ersatz eines Verdienstentganges in Folge einer strafbaren Handlung geht.

 

§1 Abs1 VOG sieht vor, dass österreichische Staatsbürger, welche [als] Opfer einer zum Entscheidungszeitpunkt mit mehr als 6monatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine[…] Körperverletzung oder eine[…] Gesundheitsschädigung erlitten haben oder in diesem Zusammenhang eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert erlitten haben, Anspruch auf Hilfe haben, wenn ihnen durch die Tat Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert wurde. Als Hilfeleistung im Sinne des §2 VOG ist insbesondere der Ersatz eines Verdienst- oder Unterhaltsentganges vorgesehen (Zif 1) sowie eine pauschale Entschädigung für Schmerzengeld (Zif 10).

 

Die Hilfeleistungen im Sinne des §2 VOG stellen zweifellos Leistungen mit Schadenersatzcharakter aufgrund einer Körperverletzung dar. Leistungen wie Schmerzengeld (Zif 10), Verdienst- oder Unterhaltsentgang (Zif 1, Zif 5), Heilungskosten (Zif 2, Zif 2a, Zif 3, Zif 4, Zif 6) sind dem Schadenersatzanspruch des ABGB nachgebildet. Dementsprechend wird etwa auch der Ersatz der Bestattungskosten (Zif 8) angesprochen.

 

Aus alldem ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber die Rente gemäß HOG dogmatisch einer überaus ähnlichen Einordnung unterzogen hat, wie die Hilfeleistungen nach dem VOG. Da es sich bei der 'Hilfe' nach dem VOG dem Charakter nach um Leistungen wie im Rahmen des Schadenersatzes handelt, nur dass sie unter Umständen vom Staat zu leisten sind, kennt das VOG auch keine dem §5 Abs6 HOG vergleichbare Ruhensbestimmung.

 

Sowohl einem Anspruch nach dem VOG als auch nach dem HOG geht voraus, dass der Anspruchswerber Opfer von Gewalt i.S.d. StGB geworden ist und ihm dadurch ein Schaden (im weiten Sinne des ABGB) entstanden ist. Es ist kein Unterschied im Tatsächlichen denkbar, der eine Ungleichbehandlung (Ruhensbestimmung) rechtfertigen könnte. Nicht nur, dass der Gesetzgeber diese Ungleichbehandlung weder expressis verbis noch in den Materialien näher erläutert, sie [ist] umso unverständlicher, als der Gesetzgeber mit dem HOG eine lex specialis zum VOG schaffen wollte, die aufgrund der wesentlich allgemeiner gehaltenen Anspruchsvoraussetzungen (vgl §1 Abs1 HOG) diesen zweifellos eine günstigere Anspruchsgrundlage verschaffen wollte, als nach de[m] recht eng gefasste[n] §1 VOG.

 

Die Rente nach dem HOG soll daher nicht die Versorgung des Bezugsberechtigten etwa mit Nahrung, Unterkunft etc. sicherstellen, sondern handelt es sich um eine Leistung mit Entschädigungscharakter, wie dies bei der Hilfe nach dem VOG der Fall ist.

 

5. §5 Abs6 HOG ist gleichheitswidrig, da die Norm zur Folge hat, dass tatsächlich Gleiches aus unsachlichen Gründen rechtlich ungleich behandelt wird. Es liegen gemäß obigen Ausführungen keine wesentlichen Unterschiede im Tatsächlichen vor, welche begründen könnten, wieso für eine Entschädigung nach dem VOG keine Ruhensbestimmung vorgesehen ist, für eine Rente nach dem HOG jedoch sehr wohl. Die Zielrichtung beider Gesetze ist identisch und wollte der Gesetzgeber mit dem Heimopferrentengesetz einen Spezialtatbestand schaffen. In beiden Fällen handelt es sich jedenfalls nicht um Einkommens(-ersatz)leistungen, sondern um Leistungen mit Entschädigungs- und Schadenersatzcharakter.

 

6. Da es sich bei der Heimopferrente um eine Entschädigungsleistung handelt, bestehen auch keine wesentlichen Unterschiede im Tatsächlichen, die eine Ungleichbehandlung von inhaftierten und nicht inhaftierten Heimopfern rechtfertigen könnten. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang überaus treffend vorgebracht, dass aus der Tatsache seiner Inhaftierung wohl kaum gefolgert werden kann, dass er deswegen nicht mehr unter seinen traumatischen Heimerfahrungen zu leiden hätte. Vielmehr erachtet […] der Beschwerdeführer das Ruhen der gegenständlichen Entschädigungsleistung zu Recht als erneute Bestrafung und Demütigung.

 

[…]"

 

3. Der Antragsteller brachte am 20. August 2018 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (im vollen Umfang) beim Verfassungsgerichtshof ein.

4. Die Bundesregierung erstattete zu den im (Partei-)Antrag erhobenen Bedenken folgende Äußerung:

"[…]

 

II.

 

Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

 

1. Der Antragsteller verbüßt eine Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt. Er hat seit 1. August 2000 Anspruch auf eine Invaliditätspension. Von der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche hat er eine pauschale Entschädigung für in einem Heim erlittene Gewalt erhalten. Er beantragte am 18. Juli 2017 bei der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) die Gewährung einer Heimopferrente gemäß §1 Abs1 HOG. Mit Bescheid von 29. August 2017 wies die PVA diesen Antrag mit der Begründung ab, dass der Anspruch gemäß §5 Abs6 HOG für die Dauer der Freiheitsstrafe des Antragsstellers ruhe. Das dagegen angerufene Landesgericht Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht wies die Klage des Antragstellers gestützt auf §5 Abs6 HOG ab. Zugleich stellte es fest, dass die Heimopferrente ab dem 1. Juli 2017 für die weitere Dauer der Freiheitsstrafe ruhe.

 

Der Antragsteller hat gegen dieses Urteil Berufung erhoben. Der vorliegende Parteiantrag auf Normenkontrolle wurde anlässlich dieser Berufung gestellt.

 

2.1. Ein Parteiantrag auf Normenkontrolle kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das angefochtene Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der Antragsteller wäre. Der Antrag hat darzulegen, inwiefern das Gericht das Gesetz anzuwenden und welche Auswirkungen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf die beim Gericht anhängige Rechtssache hätte. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG setzt daher voraus, dass die angefochtenen Gesetzesbestimmungen in der vor dem ordentlichen Gericht entschiedenen Rechtssache präjudiziell sind (vgl VfSlg 20.010/2015; 19.11.2015, G498/2015 ua; 13.10.2016, G33/2016 ua; 30.11.2016, G286/2016; 14.6.2017, G26/2017).

 

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die Grenzen der Aufhebung außerdem so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden. Daraus folgt für den Verfassungsgerichtshof auch für Parteianträge auf Normenkontrolle, dass der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 20.010/2015; VfGH 18.2.2016, G434/2015; jeweils mwN).

 

Ein Antrag ist u.a. dann zu eng gefasst, wenn im Fall der Aufhebung im begehrten Umfang der verbleibende Teil der Bestimmungen einen völlig veränderten, der Gesetzgebung nicht mehr zusinnbaren Inhalt ergeben würde und die Aufhebung im begehrten Umfang daher einen Akt der positiven Gesetzgebung darstellen würde, der dem Verfassungsgerichtshof verwehrt ist (vgl VfSlg 16.911/2003; VfGH 25.9.2015, G156/2015; 18.2.2016, G434/2015 jeweils mwN). Wenn die Norm im Fall ihrer bloß teilweisen Aufhebung einen Inhalt erhielte, der der Gesetzgebung nicht mehr zusinnbar ist, müsste sie – im Fall ihrer Verfassungswidrigkeit – zur Gänze aufgehoben und daher auch zur Gänze angefochten werden (vgl VfGH 18.2.2015, G434/2015 mwN).

 

2.3. Der im Hauptantrag gewählte Anfechtungsumfang ist zu weit gefasst. Der Antragsteller befindet sich derzeit in Strafhaft, sodass der zweite Satz des §5 Abs6 HOG, – der ausschließlich das Ruhen von Rentenleistungen für Personen im Maßnahmenvollzug gemäß §§21 bis 23 StGB regelt – nicht auf ihn anzuwenden ist. Nach Auffassung der Bundesregierung stehen der erste Satz des §5 Abs6 HOG (betreffend die Strafhaft) und der zweite Satz des §5 Abs6 HOG (betreffend den Maßnahmenvollzug) in keinem untrennbaren Zusammenhang. Zur Behebung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit würde es vielmehr ausreichen, in §5 Abs6 HOG die Wortfolge 'für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe; dies gilt nicht, wenn die Freiheitsstrafe durch Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest nach dem Fünften Abschnitt des Strafvollzugsgesetzes vollzogen wird. Er ruht ferner' aufzuheben.

 

2.4. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes macht ein zu enger Aufhebungsumfang einen Gesetzesprüfungsantrag unzulässig, wenn der (nach der angestrebten Aufhebung) verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre, er also mit den aufzuhebenden Normenteilen untrennbar verbunden ist (vgl etwa VfGH 7.10.2015, G444/2015 mwN; sowie jüngst VfGH 22.9.2016, G224/2016; 1.12.2016, G11/2016 und G43/2016).

 

2.5. Das ist nach Auffassung der Bundesregierung bei dem ersten Eventualantrag auf Aufhebung der Wortfolge 'Der Anspruch auf Rentenleistung ruht für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe', also des ersten Teilsatzes des ersten Satzes, der Fall. Das Verbleiben des zweiten Teilsatzes ohne den ersten Teilsatz sowie des zweiten Satzes würde die Bestimmung als sprachlich unverständlichen, inhaltsleeren und unanwendbaren Torso zurücklassen.

 

2.6. Der dritte Eventualantrag schließlich, der die Aufhebung der Wortfolge 'Der Anspruch auf Rentenleistung ruht für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe; [...] Er ruht ferner für die Dauer der Unterbringung des Anspruchsberechtigten auf Kosten des Bundes in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß §21 des Strafgesetzbuches, für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher gemäß §22 StGB oder für gefährliche Rückfallstäter gemäß §23 StGB.' in §5 Abs6 HOG […] lässt den konkret begehrten Aufhebungsumfang offen.

 

III.

 

In der Sache:

 

1. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz:

 

1.1. Der Antragsteller bringt auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass es sich bei den Leistungen nach dem HOG um pauschalierte Entschädigungsleistungen für im Rahmen der Heimunterbringung erlittene Gewalt handle, die Schadenersatzcharakter haben. Es sei daher unsachlich, zwischen inhaftierten und nicht inhaftierten Heimopfern zu unterscheiden. Das Ruhen der Rentenleistung sei eine erneute Bestrafung und Demütigung. Es spreche nichts dagegen, die monatlichen Renten für die Zeit der Haft auf das Rücklagenkonto des Antragstellers zu überweisen, um so zu seiner Resozialisierung nach Haftentlassung beizutragen. Das HOG sei eine spezielle Norm gegenüber dem Verbrechensopfergesetz. Dieses sehe jedoch kein Ruhen der Leistungen vor. Die vom Obersten Gerichtshof für unbedenklich erachteten Ruhensbestimmungen für Rentenleistungen während eines Haftaufenthaltes würden ausschließlich Versorgungsleistungen betreffen, mit denen der Betroffene während der Strafhaft ohnehin versorgt werde; sie seien daher mit der Rentenleistung nach dem HOG nicht vergleichbar.

 

1.2. Der Gleichheitssatz bindet auch die Gesetzgebung (vgl VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihr insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem (vgl VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005) sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es der Gesetzgebung jedoch von Verfassung wegen nicht verwehrt, ihre (sozial-)politischen Zielvorstellungen auf die ihr geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl VfSlg 13.576/1993, 13.743/1994, 15.737/2000, 16.167/2001, 16.504/2002). Sie kann im Rahmen ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen und darf bei der Normsetzung generalisierend von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl VfSlg 13.497/1993, 15.850/2000, 16.048/2000, 17.315/2004 und 17.816/2006, 19.722/2012, jeweils mwN) sowie auch Härtefälle in Kauf nehmen (vgl VfSlg 16.771/2002 mwN).

 

1.3. Die den Bedenken des Antragstellers zugrundeliegende Annahme, dass die Rentenleistungen des HOG Schadenersatzcharakter haben, trifft nicht zu. Bei den Rentenleistungen gemäß §1 HOG handelt es sich nämlich aus folgenden Gründen um Versorgungsleistungen:

 

1.3.1. Das Heimopferrentengesetz stützt sich auf den Kompetenztatbestand 'Sozialentschädigungsrecht' gemäß Art10 Abs1 Z11 B‑VG (vgl IA 2155/A BIgNR XXV. GP, 7). Dieser Kompetenztatbestand wurde durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 59/2013 eingeführt und sollte die bis dahin bestehende Zersplitterung der verfassungsrechtlichen Kompetenzgrundlagen des Sozialentschädigungsrechts beenden und in einem neuen Kompetenztatbestand im B‑VG zusammenfassen. Der Begriff der 'Sozialentschädigung' wurde dabei bewusst eng gewählt und sollte keine über das geltende Verfassungsrecht hinausgehende Regelungskompetenz des Bundes vorsehen (vgl RV 2162 BIgNR XX. GP, 2 und 4). Umfasst sind davon unterschiedlichste Versorgungsfälle, wie die Impfschadenentschädigung, die Verbrechensopferentschädigung, die Kriegsopferversorgung, Heeresversorgung, die Kriegsgefangenenentschädigung oder die Opferfürsorge. Seither wurden auch das Bundesgesetz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte eingeführt wird, BGBl I Nr 57/2015, und das Heimopferrentengesetz auf Grundlage des Art10 Abs1 Z11 B‑VG erlassen.

 

Sozialentschädigungsleistungen ist es grundsätzlich gemein, dass es sich um Rentenleistungen handelt, die an einem Schaden anknüpfen, jedoch nicht eine monetäre Abgeltung konkreter, zivilrechtlicher Einzelansprüche darstellen. Wurde bereits eine individuell durch Gericht oder Vergleich festgesetzte Entschädigung durch den Heimträger […] an das Opfer geleistet, steht dies einer Rente nach dem HOG entgegen (vgl IA 2155/A BIgNR XXV. GP, 7 zu §1 HOG).

 

1.3.2. Überdies ist die gesetzliche Rentenleistung nach dem HOG pauschal bemessen und stellt somit bewusst nicht auf die individuell erfahrene Schädigung ab, wie etwa [auf] besondere Formen von Gewalt oder qualifizierte gesundheitliche Folgen, sondern gebührt grundsätzlich für alle Betroffenen in gleicher Höhe. Es fehlt daher an der für Schadenersatzansprüche typischen Korrelation der Höhe der Entschädigungsleistung und des Grades und der Eigenart des im Einzelfall erlittenen Schadens.

 

1.3.3. Auch die Anspruchsvoraussetzung des Bezugs einer Eigen- oder Alterspension deutet auf den Versorgungscharakter der Rentenleistung hin. Anders als Schadenersatzansprüche, die auch bei dauerhaften Schädigungen bereits ab der Feststellung von Schaden und Schädiger (und allenfalls dessen Verschulden) zustehen, wird hier auf das Ende der Erwerbstätigkeit bzw der Erwerbsfähigkeit der Betroffenen abgestellt. [D]ie Rentenleistung soll in diesen Fällen pauschal eine zusätzliche Sicherung darstellen. Diese Zusatzrente stellt somit eine staatliche Transferleistung mit Sicherungscharakter dar, die wesentlich zum Lebensunterhalt des Heimopfers beiträgt.

 

Das wird auch dadurch untermauert, dass für die Bemessung der Rente mit 300 Euro maßgeblich war, dass es sich im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses herausgestellt hat, dass viele Heimopfer lediglich eine Pension samt Ausgleichszulage beziehen. Es wurde daher mit der Schaffung der Heimopferrente das Ziel verfolgt, den Betroffenen eine Zusatzrente zu gewähren, die ihnen ungefähr eine Geldleistung in Höhe einer durchschnittlichen Alterspension sichert (vgl Parlamentskorrespondenz Nr 414 vom 6. April 2017 über das abgehaltene ExpertInnenhearing, letzter Satz).

 

Die Annahme, die Heimopferrente habe schadenersatzrechtlichen Charakter, verwehrt sich auch deshalb, weil sie nicht vom Schädiger, sondern von staatlicher Seite getragen wird.

 

1.4. Hinzu tritt, dass das Ruhen von Rentenleistungen mit Versorgungscharakter für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe (oder in den Fällen der §§21 Abs2, 22 und 23 des Strafgesetzbuches) nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verfassungsrechtlich unbedenklich ist:

 

Bereits in seinem Urteil vom 17. Oktober 1995, 10 ObS 190/95[,] erachtete er die Ruhensbestimmung des §58 Abs1 Z1 GSVG als verfassungsrechtlich unbedenklich, da die Finanzierung der Pensionsleistungen nicht ausschließlich über Beiträge erfolgt, sondern zu einem maßgeblichen Teil aus öffentlichen Steuermitteln. Der Gesetzgeber überschreite den ihm eingeräumten Gestaltungs[spiel]raum nicht, wenn er für eine Zeit, für die die Versorgung des Pensionisten während seiner Unterbringung in Strafhaft aus öffentlichen Mitteln in anderer Weise […]gesorgt werde, die Pensionsleistung sistiere. In seinem Urteil vom 5. Juni 2007, 10 ObS 54/07z, ergänzte es seine Begründung dahingehend, dass auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 15.129/1998 iZm einer sozialversicherungsrechtlichen Leistung ausgeführt habe, dass es der Gesetzgebung durch Art14 EMRK keineswegs verwehrt sei, Voraussetzungen für den Erwerb oder den Umfang der Leistungsansprüche zu normieren und dabei nach sachlichen Kriterien zu differenzieren. Eine unterschiedliche Behandlung werde nach übereinstimmender Ansicht des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nur dann als diskriminierend im Sinn des Art14 EMRK erachtet, wenn für sie 'keine objektive und vernünftige Rechtfertigung erkennbar ist', dh, wenn sie kein 'berechtigtes Ziel' verfolge oder wenn keine 'vernünftige Verhältnismäßigkeitsbeziehung zwischen den eingesetzten Mitteln und dem verfolgten Ziel' bestehe. Außerdem verfügten die Vertragsstaaten über einen bestimmten Ermessensspielraum bei der Beurteilung, ob und in welchem Ausmaß Unterscheidungen in sonst ähnlichen Situationen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Wenn ein Sicherungsbedürfnis vorübergehend weggefallen sei, etwa durch Bezug einer anderen funktionsgleichen Leistung, könnte es zu einer gesamtwirtschaftlich nicht sinnvollen Mehrfachversorgung kommen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände überschreite der Gesetzgeber den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht (vgl zur vergleichbaren Ruhensbestimmung des §89 Abs1 Z1 ASVG jüngst etwa OGH vom 21.2.2017, 10 ObS 142/16d mwH; 23.7.2013, 10 ObS 96/13k; 26.3.2017, 10 ObS 11/13k, 10 ObS 17/13t).

 

Diese höchstgerichtliche Judikatur zu Ruhensbestimmungen für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe ist nach Auffassung der Bundesregierung auch für die Zusatzrente gemäß §5 Abs1 HOG von Relevanz. Wenn bereits das Ruhen einer Alterspension als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen wird, so hat dies umso mehr für das Ruhen einer pauschalierten Zusatzrente wie die des HOG zu gelten, die eine reine Transferleistung ohne Eigenbetrag darstellt.

 

1.5. Das Ruhen von Sozialentschädigungsansprüchen während der Verbüßung einer Haftstrafe oder der Unterbringung im Maßnahmenvollzug ist grundsätzlich auch nichts Ungewöhnliches, sondern geradezu typisch. §5 Abs6 HOG ist verschiedenen anderen sozialrechtlichen Ruhensbestimmungen nachgebildet. So ordnen §61 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 – KOVG 1957, BGBl Nr 152/1957, idF BGBl Nr 314/1994; §2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl Nr 183/1947, idF BGBl I Nr 71/2013, iVm §61 KOVG 1957; §3 des Impfschadengesetzes, BGBl Nr 371/1973, idF BGBl I Nr 32/2018, iVm §66 des Heeresversorgungsgesetzes – HVG, BGBl Nr 27/1964; §5 des Conterganhilfeleistungsgesetzes, BGBl I Nr 57/2015, iVm §61 KOVG 1957; und §15 des Heeresentschädigungsgesetzes, BGBl I Nr 162/2015, iVm §89 ASVG, BGBl Nr 189/1955, idF BGBl I Nr 2/2015, für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder des Maßnahmenvollzugs das Ruhen von Leistungsansprüchen u.a. aus der Pensionsversicherung an. Im Verbrechensopfergesetz ist eine entsprechende Bestimmung für den Verdienstentgang nicht notwendig, da sich schon aus seinem Begriff ergibt, dass während einer Strafhaft mangels Verdienst auch kein Entgang eines solchen existieren kann.

 

Bereits §34 des Invalidenentschädigungsgesetzes, StGBI. Nr 245/1919, der das Vorbild für die Ruhensbestimmungen der nachfolgenden Sozialentschädigungsgesetze bildete (vgl die Erläuternden Bemerkungen zu §61 des Kriegsopferversorgungsgesetzes, BGBl Nr 197/1949 [RV 903 BlgNR V. GP , 27]), sah für 'die Dauer der Verbüßung einer mehr als einmonatigen Freiheitsstrafe' das Ruhen des Rentenanspruchs vor. Aus den Materialien zum Invalidenentschädigungsgesetz (KNV 114) [geht] deutlich hervor, dass Sozialentschädigungsansprüche in Form von Rentenleistungen dann vermindert werden oder entfallen sollten, wenn die Versorgung des Betreffenden anderweitig sichergestellt war.

 

1.6. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, dass der rechtspolitische Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung bei staatlichen Beihilfen, selbst wenn sie hoheitlich gewährt werden (zur Familienbeihilfe vgl VfSlg 8605/1979 und 14.694/1996; zur Studienbeihilfe vgl VfSlg 6859/1972, 12.641/1991 und 19.105/2010; jüngst VfGH vom 28.9.2017, G81/2017, zur Wohnunterstützung), sowie bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und der daran anknüpfenden, hoheitlich gewährten Maßnahmen (vgl VfSlg 18.885/2009 zur unterschiedlichen Anhebung von Pensionsbezügen nach Pensionshöhe bei gleichzeitiger Anhebung des Ausgleichs-zulagenrichtsatzes, der nicht allen Pensionsbeziehern zusteht) generell ein weiter ist (zum Studienabschluss-Stipendium, auf das kein Rechtsanspruch besteht, vgl VfSlg 18.638/2008).

 

Die Bundesregierung vertritt die Ansicht, dass eine Ruhensbestimmung in Bezug auf Sozialentschädigungsleistungen, denen Versorgungscharakter zukommt, während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einer Haftanstalt bzw während der Unterbringung im Maßnahmenvollzug den Spielraum der sozialrechtlichen Gesetzgebung nicht überschreitet.

 

[…]"

 

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

1.1. Der vorliegende Antrag wurde gleichzeitig mit der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Jänner 2018 eingebracht. Das Erstgericht teilte dem Verfassungsgerichtshof die Rechtzeitigkeit der Berufung mit, eine Mitteilung über eine etwaige Unzulässigkeit des erhobenen Rechtsmittels liegt nicht vor.

1.2. §5 Abs6 erster Satz HOG wurde vom Landesgericht Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht in der anhängigen Rechtssache des Antragstellers unmittelbar angewendet und die Bestimmung ist daher jedenfalls präjudiziell iSd §62 Abs2 VfGG.

1.3. Bei Aufhebung bloß des ersten Satzes in §5 Abs6 HOG wäre der verbleibende Teil des §5 Abs6 HOG als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar (vgl VfGH 7.10.2015, G444/2015; 18.2.2016, G434/2015; 1.12.2016, G11/2016; 19.6.2018, G8/2018). Bei diesem Ergebnis muss nicht auf die Eventualanträge eingegangen werden.

1.4. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003, 20.001/2015).

2.1. Der Antragsteller erblickt die Verfassungswidrigkeit des §5 Abs6 HOG im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz – auf das Wesentliche zusammengefasst –in zweierlei Hinsicht: Die Heimopferrente stelle eine Leistung mit Entschädigungscharakter für erlittene Gewalt dar und es sei daher zum einen unsachlich, die Rente während einer Haft ruhend zu stellen. Zum anderen komme es durch die Ruhensbestimmung in §5 Abs6 HOG zu einer unsachlichen Ungleichbehandlung mit vergleichbaren Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz, welches eine dem §5 Abs6 HOG entsprechende Ruhensbestimmung während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe nicht vorsehe.

2.2. Die Bundesregierung hält dem zusammengefasst entgegen, dass die Heimopferrente keinen Schadenersatzcharakter habe, sondern es sich dabei um eine Versorgungsleistung handle. Wie auch andere Leistungen des Sozialentschädigungsrechtes, beruhend auf dem Kompetenztatbestand gemäß Art10 Abs1 Z11 B‑VG, knüpfe die Heimopferrente zwar an einen Schaden, stelle aber keine monetäre Abgeltung konkreter, zivilrechtlicher Einzelansprüche dar. Dies werde auch an der pauschalierten Höhe der Rentenleistung deutlich. Mit der Ruhendstellung der Heimopferrente als Sozialentschädigungsleistung während der Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einer Haftanstalt oder im Maßnahmenvollzug habe der Gesetzgeber seinen sozialrechtlichen Gesetzgebungsspielraum nicht überschritten.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt die vom Antragsteller vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nicht:

Dem Gesetzgeber sind durch den Gleichheitsgrundsatz insofern inhaltliche Schranken gesetzt, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001) sowie sachlich nicht begründbare Differenzierungen vorzunehmen (vgl VfSlg 8169/1977, 15.590/1999, 18.269/2007). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).

2.3.1. Für die Beurteilung der angefochtenen Bestimmung aus dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes kommt es ausgehend von der Rechtsauffassung des Antragstellers zunächst darauf an, ob das Rechtsinstitut der Heimopferrente nach dem Heimopferrentengesetz auf die Entschädigung erlittener materieller und immaterieller Schäden oder auf die Fürsorge zur Sicherung bestimmter Lebensbedürfnisse der Anspruchsberechtigten gerichtet ist.

Ausweislich der Materialien wollte der Gesetzgeber mit dem Heimopferrentengesetz die Versorgung von Personen, die im Zeitraum nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 Opfer von Gewalt in Kinder- oder Jungendheimen des Bundes, der Länder und der Kirchen oder in Pflegefamilien geworden sind, für die Dauer ihrer fehlenden oder eingeschränkten Erwerbsfähigkeit im Regelpensionsalter oder zuvor wegen sonstiger Pensionsgründe sichern (vgl IA 2155/A 25. GP , 7; AB 1645 BlgNR 25. GP , 1). Mit der Novellierung BGBl I 49/2018 wurde der Kreis der anspruchsberechtigten Personen auf Missbrauchsopfer in Kinderheimen, die von privaten Trägern, Städten oder Gemeindeverbänden geführt wurden, und auf Opfer systematischer Misshandlungen in Kranken- und Heilanstalten rückwirkend ergänzt (AB 229 BlgNR 26. GP , 1). Diesen Personen gebührt, sofern sie eine pauschalierte Entschädigung für die erlittene Gewalt erhalten haben oder, ohne Erhalt einer Entschädigung, wahrscheinlich machen, dass ihnen vorsätzlich Gewalt im Rahmen der Unterbringung zugefügt wurde, nach dem Heimopferrentengesetz eine – neben allfälligen sonstigen Pensionsansprüchen bestehende – monatliche Rente in der Höhe von € 300,– (vgl IA 2155/A 25. GP , 7; AB 1645 BlgNR 25. GP , 1).

Dieser Fürsorgecharakter der Heimopferrente spiegelt sich auch in der gesetzlichen Ausgestaltung des Anspruchs auf Heimopferrente wider: Gemäß §1 Abs1 HOG gebührt die monatliche Rente mit Erreichen des Regelpensionsalters oder früher ab dem Zeitpunkt und für die Dauer des Bezuges einer Eigenpension. Anspruchsberechtigt nach dem Heimopferrentengesetz sind demnach auch Personen, die Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension beziehen, im Rahmen der Mindestsicherung wegen auf Dauer festgestellter Arbeitsunfähigkeit vom Ersatz der Arbeitskraft befreit sind (vgl IA 2155/A 25. GP , 7) oder Rehabilitationsgeld, eine Waisenpension oder einen Waisenversorgungsgenuss wegen Erwerbsunfähigkeit beziehen (AB 229 BlgNR 26. GP , 1).

Die Heimopferrente bemisst sich nicht anhand tatsächlich erlittener Schäden, sondern ist für jeden Betroffenen in gleicher Höhe bestimmt (§2 Abs1 HOG). Dem Pauschalbetrag in Höhe von € 300,– monatlich liegt die Berechnung zugrunde, dass damit der Personengruppe der Heimopfer iSd §1 HOG im Pensionsalter (oder zuvor in der Eigenpension) eine finanzielle Versorgung gesichert sein sollte, wie sie der Durchschnittspension in Österreich entspricht (vgl Parlamentskorrespondenz Nr 414 vom 6. April 2017). Demgemäß ist in §2 Abs1 zweiter Satz HOG vorgesehen, dass gewährte Zahlungen aus Verdienstentgang nach dem Verbrechensopfergesetz auf die Heimopferrente anzurechnen sind und diese entsprechend mindern. Auch daran zeigt sich, dass die Heimopferrente auf den Ausgleich einer allfälligen Schlechterstellung von Heimopfern in der Pension gerichtet ist.

Wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung zutreffend ausführt, handelt es sich bei der Heimopferrente sohin um eine dem Lebensunterhalt dienende Transferleistung ab Ende der Erwerbstätigkeit bzw für die Dauer eingeschränkter Erwerbsfähigkeit von Gewaltopfern in Heimen, Pflegefamilien oder Krankenanstalten. Die Heimopferrente zielt – anders als dies der Antragsteller meint – nicht auf den Ersatz von erlittenen (im-)materiellen Schäden ab, sondern ist eine pauschale, zusätzliche Rente für eine vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig erachtete Personengruppe im Regelpensionsalter oder in der Eigenpension.

2.3.2. Vor diesem Hintergrund fügt sich die Ruhensbestimmung des §5 Abs6 HOG in die Systematik der übrigen Ruhensbestimmungen betreffend Leistungsansprüche aus der Sozialversicherung von Inhaftierten ein:

Gemäß §5 Abs6 HOG ruht die Rentenleistung für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitstrafe. Dies gilt allerdings nur, wenn die Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt oder in einer Anstalt gemäß §21, §22 oder §23 StGB – sohin auf Kosten der öffentlichen Hand – verbüßt wird. Sofern die Haftstrafe im Wege des überwachten Hausarrests vollzogen wird, erfolgt die Auszahlung der Heimopferrente ungeachtet der strafrechtlichen Verurteilung auch während der Verbüßung der Freiheitsstrafe (§5 Abs6 zweiter Halbsatz HOG).

Das Ziel der angefochtenen Bestimmung ist – wie auch bei ähnlichen Regelungen im Sozialversicherungsrecht (vgl zB §89 Abs1 Z1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, §58 Abs1 Z1 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz, §54 Abs1 Z1 Bauern- und Sozialversicherungsgesetz, §12 Abs1 Z3 Bundespflegegeldgesetz, §9 Abs1 Z3 Karenzgeldgesetz) – die Heimopferrente dann nicht zu gewähren, wenn das ihr zugrunde liegende Sicherungsbedürfnis (vorübergehend) wegfällt. Der Anspruch auf die ruhende Leistung selbst bleibt gewahrt, lediglich die Leistungspflicht wird sistiert, solange die Unterbringung in einer Haftanstalt andauert. Diese Rechtsfolge ist damit begründet, dass für die Dauer der Strafhaft in einer Justizanstalt oder in einer Anstalt iSd §21, §22 oder §23 StGB die Versorgung des Anspruchsberechtigten aus öffentlichen Mitteln in anderer Weise sichergestellt ist (vgl auch OGH 17.10.1995, 10 ObS 190/95; 5.6.2007, 10 ObS 54/07z; 23.7.2013, 10 ObS 83/13y; RS0083756).

Das Ruhen des Anspruchs auf Heimopferrente während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt oder einer Anstalt für Rechtsbrecher ist insofern wegen der gesicherten Versorgung der Anspruchsberechtigten für die Dauer der Inhaftierung sachlich gerechtfertigt.

2.4. Der Behauptung des Antragstellers, es liege eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalt vor, weil das Verbrechensopfergesetz den Ruhensgrund der Verbüßung einer Freiheitsstrafe anders als das Heimopferrentengesetz nicht vorsehe, ist ebenso nicht zu folgen. Dies aus folgenden Gründen:

Vorweg sei darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber bei der in Rede stehenden Gewährung einer Heimopferrente, der keine Gegenleistung des Anspruchsberechtigten gegenübersteht oder sonstige Verpflichtung des Staates zugrunde liegt, ein entsprechend weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zusteht (vgl im Hinblick auf staatliche Beihilfen zB VfSlg 8605/1979, 18.638/2008, 19.105/2010; VfGH 28.9.2017, G31/2017; betreffend Leistungen aus der Pensionsversicherung VfSlg 18.885/2009; vgl zu Ausschlussgründen der Opferfürsorge VfSlg 4880/1964).

Gemäß §1 Abs1 Z1 und Z2 Verbrechensopfergesetz (VOG) besteht ein Anspruch auf Hilfeleistungen (§2 VOG) für Personen, von denen mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung oder eine psychische Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben. Maßgeblich für einen Anspruch nach §1 Abs1 Z1 VOG ist nach diesem Gesetzesbegriff unter anderem, dass sich die Gesundheitsstörung als eine – vom Tätervorsatz umfasste – Folge des Verstoßes gegen eine bestimmte Verbotsnorm darstellt (vgl VwSlg 18.093 A/2011; VwGH 26.2.2015, 2012/11/0209).

Die nach dem Verbrechensopfergesetz in Frage kommenden, in §2 VOG aufgelisteten Hilfeleistungen sind vielfältig und unterscheiden sich von einander in Art und Umfang. Die Beurteilung, ob und in welcher Höhe eine Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz gebührt, folgt schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (vgl zB VwGH 5.9.2008, 2005/12/0097; siehe auch OGH 8.2.1995, 7 Ob 605/94; Ernst, 20 Jahre Verbrechensopfergesetz – VOG, ÖJZ1992, 488 [490]). Das auf BGBl 288/1972 zurückgehende Verbrechensopfergesetz hat zum Ziel, jenen Opfern von Verbrechen, denen es unmöglich sei, ihre Schadenersatzansprüche gegen den Schädiger durchzusetzen, staatliche Hilfeleistung zu gewähren (Erläut zur RV 40 BlgNR 13. GP , 7). Ein Anspruch nach dem Verbrechensopfergesetz besteht nur insoweit, als eine Schadensgutmachung durch den Täter nicht erfolgt (vgl §12 VOG).

Vor diesem Hintergrund ist der vom Antragsteller angestellte Vergleich nicht geeignet, eine Gleichheitswidrigkeit des §5 Abs6 HOG aufzuzeigen. Die Gegenüberstellung des Verbrechensopfergesetzes einerseits und des Heimopferrentengesetzes andererseits lässt zunächst außer Acht, dass diese jeweils Ansprüche regeln, für die unterschiedliche Voraussetzungen bestehen und die Unterschiedliches bezwecken.

Während die Zuerkennung der in §2 VOG genannten Leistungen nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen erfolgt und die Wiedergutmachung tatsächlich entstandener Schäden von Verbrechensopfern bezweckt, ist die Heimopferrente – wie unter Punkt IV.2.3.1 dargelegt – auf die Sicherung des Lebensunterhalts ab Erreichen des Regelpensionsalters (oder zuvor aus Gründen der Eigenpension) gerichtet. Anders als Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz wird die Heimopferrente den gemäß §1 Abs1 HOG anspruchsberechtigten Personen unabhängig von der Beurteilung der tatsächlichen Höhe des entstandenen Schadens ab Pensionsalter bzw -bezug gewährt. In der Systematik des Heimopferrentengesetzes ist das Ruhen der Heimopferrente in Anbetracht des Vorliegens einer Fürsorgeleistung ohne Entschädigungscharakter während der Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe sachlich begründet.

2.5. Zur behaupteten Verletzung des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK:

2.5.1. Nach Auffassung des Antragstellers stelle die Ruhensbestimmung des §5 Abs6 HOG – aus den bereits im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz vorgebrachten Gründen – einen ungerechtfertigten Eingriff in das erworbene vermögenswerte Recht des Antragstellers auf Rentenbezug dar. Im Übrigen erschöpft sich das Vorbringen des Antragstellers in der pauschalen Behauptung einer Enteignung, die eines konkreten Bedarfs und eines öffentlichen Interesses entbehre.

2.5.2. Die im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG sowie Art1 1. ZPEMRK gebotene Prüfung, ob die angefochtene Bestimmung des §5 Abs6 HOG im öffentlichen Interesse liegt (vgl VfSlg 11.402/1987 und 12.227/1989) und nicht unverhältnismäßig ist (VfSlg 13.587/1993, 13.659/1993 und 13.964/1994), führt auf Grund der oben zum Gleichheitssatz dargelegten Erwägungen zur Schlussfolgerung der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Regelung. Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob der in Rede stehende Anspruch auf Heimopferrente ein vermögenswertes Recht im Schutzbereich des Art5 StGG sowie Art1 1. ZPEMRK darstellt. Der Verfassungsgerichtshof hegt auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung.

3. Zum Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe

Gemäß §64 Abs3 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG treten, soweit die Verfahrenshilfe bewilligt wird, die Befreiungen nach §64 Abs1 ZPO mit jenem Tag ein, an dem sie beantragt worden sind; ein weiteres Zurückwirken der Befreiungswirkung ist nicht vorgesehen. Eine Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr (respektive eine Erstattung derselben) kann nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht mehr nachträglich, also nach Entstehen der Gebührenschuld, beantragt werden (vgl §17a Z3 VfGG sowie zB VfGH 17.4.2002, B1147/01; 28.2.2012, B825/11; VfSlg 20.082/2016). Gleiches gilt für die mit der Einbringung verbundenen Kosten für die (frei gewählte) anwaltliche Vertretung, die vor der Beantragung der Bewilligung der Verfahrenshilfe entstanden sind (VfSlg 20.082/2016).

3.1. Der vorliegende Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof wurde vom Einschreiter am 20. August 2018 und sohin zu einem Zeitpunkt eingebracht, in dem sämtliche für die Einleitung des vorliegenden Verfahrens notwendigen Verfahrensschritte, die von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden müssen (vgl §17 Abs2 iVm §62a VfGG), bereits gesetzt waren und auch die Eingabengebühr gemäß §17a VfGG entrichtet war. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Gewährung von Verfahrenshilfe als weder erforderlich noch zweckmäßig (vgl VfSlg 18.749/2009).

3.2. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist daher abzuweisen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist abzuweisen.

2. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG sowie §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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