VfGH G156/2015

VfGHG156/201525.9.2015

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des ASVG betreffend das Wochengeld als zu eng gefasst

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
ASVG §122 Abs3
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
ASVG §122 Abs3

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Die Antragstellerin befindet sich nach den Feststellungen im Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Dezember 2014 seit 2010 in Karenzurlaub und daher in einem aufrechten Dienstverhältnis; sie hat am 11. September 2010 sowie am 10. April 2012 entbunden und jeweils Wochengeld bezogen. Das dritte Kind kam innerhalb des erneut mit dem Dienstgeber vereinbarten zweijährigen Karenzurlaubes am 17. Jänner 2014 zur Welt. Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld (und damit die letzte Pflichtversicherung in der Krankenversicherung) endete am 9. April 2013. Der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls (das ist der Beginn der achten Woche vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin – vgl. §120 Z3 ASVG) war nach den Urteilsfeststellungen hingegen erst der 1. Mai 2013 und lag daher nicht mehr in einem Zeitraum des Bestandes einer Pflichtversicherung.

2. Mit Bescheid vom 17. April 2014 lehnte die im Ausgangsverfahren beklagte Gebietskrankenkasse den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Wochengeld anlässlich der Entbindung vom 17. Jänner 2014 ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Dezember 2014, gestützt auf den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, als unbegründet abgewiesen. Aus Anlass ihrer gegen dieses Urteil erhobenen Berufung stellt die Klägerin des Ausgangsverfahrens den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag.

3. §122 Abs3 ASVG, BGBl 189/1955 idF BGBl I 47/1997 lautet (der angefochtene Teil ist hervorgehoben):

"(3) Über die Bestimmungen des Abs2 hinaus sind die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft auch zu gewähren, wenn der Versicherungsfall nach dem Ende der Pflichtversicherung eintritt und der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalles in den Zeitraum des Bestandes der beendeten Pflichtversicherung, die mindestens 13 Wochen bzw. drei Kalendermonate ununterbrochen gedauert haben muß, fällt; fallen in diesen Zeitraum auch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Zeiten eines Leistungsbezuges aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft, so gelten solche Zeiten bei der Anwendung dieser Bestimmung als Zeiten der Pflichtversicherung. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Pflichtversicherung auf Grund einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses, einer Kündigung durch die Dienstnehmerin, eines unberechtigten vorzeitigen Austrittes oder einer verschuldeten Entlassung der Dienstnehmerin geendet hat oder wenn die Dienstnehmerin aus einem dieser Gründe unmittelbar im Anschluß an einen Zeitraum des Bezuges eines Karenzgeldes nach dem KGG ihre vorherige Beschäftigung nicht wieder aufgenommen hat. Die Voraussetzung von mindestens 13 Wochen bzw. drei Kalendermonaten entfällt, wenn die Versicherte in den letzten 36 Monaten vor dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung mindestens zwölf Monate in der Krankenversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz pflichtversichert war. Tritt in der Zeit zwischen dem Ende der Pflichtversicherung und dem Eintritt des Versicherungsfalles oder danach während der Zeit, für die Anspruch auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft besteht, der Versicherungsfall der Krankheit ein, gebühren die Leistungen aus diesem Versicherungsfall."

4. Die Antragstellerin beantragt, in §122 Abs3 erster Satz ASVG die Wort- und Zeichenfolge "und der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalles in den Zeitraum des Bestandes der beendeten Pflichtversicherung, die mindestens 13 Wochen bzw. drei Kalendermonate ununterbrochen gedauert haben muß," als verfassungswidrig aufzuheben.

5. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtene Wort- und Zeichenfolge nicht verfassungswidrig ist.

6. Der Antrag ist unzulässig:

6.1. Im Falle der Aufhebung des angefochtenen Teiles des ersten Satzes des §122 Abs3 ASVG wären, wenn der Versicherungsfall der Mutterschaft nach dem Ende der Pflichtversicherung eintritt, die Leistungen aus dem Versicherungsfall, unabhängig davon zu gewähren, wann die Pflichtversicherung in der Vergangenheit geendet und wie lange sie gedauert hat.

6.2. Eine derartige Perpetuierung des Anspruchs auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft, insbesondere auf das Wochengeld, würde die Norm aber in einer Weise verändern, die dem Gesetzgeber, der den Anspruch zweifelsfrei an eine zeitlich naheliegende Pflichtversicherung anknüpfen wollte, nicht zusinnbar ist (VfSlg 12.412/1990). Eine solche teilweise Aufhebung des §122 Abs3 ASVG käme einem positiven Akt der Gesetzgebung gleich, der dem Verfassungsgerichtshof nicht zukommt (VfSlg 12.465/1990, 13.140/1992, in sozialversicherungsrechtlichem Zusammenhang VfSlg 13.915/1994, 15.283/1998).

6.3. Wenn die Norm aber im Falle ihrer bloß teilweisen Aufhebung einen Inhalt erhielte, der dem Normgeber nicht mehr zusinnbar ist, müsste sie für den Fall ihrer Verfassungswidrigkeit zur Gänze aufgehoben und daher – wegen der Bindung des Verfassungsgerichtshofes an den gestellten Antrag – auch zur Gänze angefochten werden.

7. Der nach dem Gesagten zu eng gefasste Antrag ist daher schon aus diesen Gründen als unzulässig zurückzuweisen.

8. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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