VfGH G11/2016 ua

VfGHG11/2016 ua1.12.2016

Zurückweisung von Parteianträgen auf Aufhebung von Bestimmungen betreffend fachkundige Laienrichter in Arbeits- und Sozialrechtssachen wegen zu eng gefassten Aufhebungsumfanges; beantragte Ausweitung des Prüfungsgegenstandes infolge Bindung an das (ursprüngliche) Antragsbegehren nicht zulässig

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
ASGG §12 Abs1, Abs4, §12 Abs5, §26 Abs4
VfGG §62 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
ASGG §12 Abs1, Abs4, §12 Abs5, §26 Abs4
VfGG §62 Abs1

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Anträge

Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Anträgen begehrt der Antragsteller, die Bestimmungen des §12 Abs1, Abs4 und Abs5 ASGG als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. §12 des Bundesgesetzes vom 7. März 1985 über die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit (Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz – ASGG), BGBl 104/1985 idF BGBl I 111/2010, lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Grundsätze der Senatsbildung

§12. (1) Die für die jeweilige Rechtsstreitigkeit zuzuziehenden fachkundigen Laienrichter werden durch ihre Ladung vom Vorsitzenden bestimmt; vorbehaltlich des Abs3 zweiter Halbsatz haben sie je zur Hälfte dem Kreis der Arbeitgeber und dem der Arbeitnehmer anzugehören.

(2) In Arbeitsrechtssachen sollen die fachkundigen Laienrichter den Berufsgruppen der an der Rechtsstreitigkeit beteiligten Parteien angehören.

(3) In Sozialrechtssachen sollen die fachkundigen Laienrichter den Berufsgruppen der Versicherten und ihrer Arbeitgeber angehören, wenn im Einzelfall besondere Kenntnisse bezüglich der Berufsausübung der Versicherten von Bedeutung sein können; in Streitsachen nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, BGBl Nr 560/1978, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz, BGBl Nr 559/1978, dem Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger, BGBl Nr 624/1978, dem Bundesgesetz über die Gewährung der Leistung der Betriebshilfe (des Wochengeldes) an Mütter, die in der gewerblichen Wirtschaft oder in der Land- und Forstwirtschaft selbständig erwerbstätig sind, BGBl Nr 359/1982, und – wenn der Kläger ein Notar ist – nach dem Notarversicherungsgesetz 1972, BGBl Nr 66, haben alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber anzugehören.

(4) Aus den für den Kreis der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer beziehungsweise für eine Berufsgruppe gewählten (entsandten) fachkundigen Laienrichtern sollen diese vom Vorsitzenden für die verschiedenen Rechtsstreitigkeiten in abwechselnder Folge bestimmt werden, wobei auf die Einfachheit, Raschheit und Zweckmäßigkeit des einzelnen Verfahrens sowie – besonders in den Fällen des §35 Abs7 und 9 – auf den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Beschäftigungsort der fachkundigen Laienrichter und auf ihre Heranziehung in möglichst gleichem Ausmaß Bedacht zu nehmen ist.

(5) Sind für eine Berufsgruppe keine fachkundigen Laienrichter gewählt (entsandt) oder stehen sie nicht ohne Schwierigkeiten zur Verfügung, so sollen die fachkundigen Laienrichter artverwandten Berufsgruppen angehören.

(6) Bei der Bestimmung der fachkundigen Laienrichter sollen Änderungen der Senatszusammensetzung (§412 ZPO) tunlichst vermieden werden."

2. §26 ASGG idF BGBl 624/1994 lautet auszugsweise:

"Anzahl und Zuordnung der fachkundigen Laienrichter

§26. […]

(4) Jedem Vorsitzenden eines mit Arbeits- und Sozialrechtssachen betrauten Senates ist durch Beschluß des Personalsenats eine entsprechende Anzahl bestimmter, je Berufsgruppe gewählter (entsandter) fachkundiger Laienrichter zuzuordnen; wenn ihm dies tunlich erscheint, so kann der Vorsitzende auch einen fachkundigen Laienrichter laden (§12 Abs1), der einem anderen Vorsitzenden zugeordnet ist."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit seinem zu G11/2016 protokollierten Antrag vom 13. Jänner 2016 begehrt der Antragsteller, §12 Abs1, Abs4 und Abs5 ASGG als verfassungswidrig aufzuheben.

1.1. Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller war Kläger einer Schadenersatzklage auf Schmerzengeld wegen Gesundheitsschädigungen durch Mobbing und auf Haftung für Folgen aus der Verletzung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht gegen seinen Arbeitgeber, das Land Oberösterreich. Diese Klage wurde vom Landesgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht mit Urteil vom 3. November 2015, Z19 Cga 68/14v-21, abgewiesen.

1.2. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller am 13. Jänner 2016 Berufung an das Oberlandesgericht Linz. Gleichzeitig stellte der Antragsteller den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten (Partei-)Antrag auf Aufhebung der Bestimmungen des §12 Abs1, Abs4 und Abs5 ASGG.

2. Mit seinem zu G43/2016 protokollierten Antrag vom 17. Februar 2016 begehrt der Antragsteller, die Bestimmungen des §12 Abs1, Abs4 und Abs5 ASGG idF BGBl 104/1985, zuletzt geändert durch BGBl I 111/2010, als verfassungswidrig aufzuheben.

2.1. Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller war Kläger einer Klage auf Feststellung, dass die von der beklagten Partei – das Land Oberösterreich – ausgesprochene Entlassung unwirksam sei und dass das zwischen den Streitteilen bestehende Arbeitsverhältnis aufrecht bestehe. Diese Klage wurde vom Landesgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht mit Urteil vom 25. November 2015, Z19 Cga 79/14m-26, mit der Begründung abgewiesen, dass der die Vertrauensunwürdigkeit des Klägers rechtfertigende Entlassungsgrund vom Kläger tatsächlich gesetzt worden sei.

2.2. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller am 17. Februar 2016 Berufung an das Oberlandesgericht Linz. Gleichzeitig stellte der Antragsteller den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten (Partei-)Antrag auf Aufhebung der Bestimmungen des §12 Abs1, Abs4 und Abs5 ASGG.

3. Begründend wird in den Anträgen (weitgehend ident) vorgebracht, die angefochtenen Bestimmungen seien verfassungswidrig, da sie wegen der mangelnden Vorhersehbarkeit der zugezogenen Laienrichter nicht dem Gebot des gesetzlichen Richters entsprechen würden; überdies liege ein Verstoß gegen das Gebot der festen Geschäftsverteilung in Art87 Abs3 B‑VG vor: Obwohl Arbeits- und Sozialgerichte als ordentliche Gerichte anzusehen seien (Verweis auf VfSlg 2519/1953) und gemäß §16 Abs1 ASGG ausdrücklich festgelegt sei, dass die fachkundigen Laienrichter in Ausübung ihres Amtes unabhängig seien und ihnen die mit dem Richteramt verbundenen Befugnisse in vollem Umfang zukämen, fehle eine feste Geschäftsverteilung für die Beiziehung der Laienrichter (Verweis auf OGH 29.4.2015, 9 ObA 28/15f). Stattdessen werde nach §12 Abs1 und Abs4 ASGG vorgegangen, wonach der Vorsitzende (aus Namenslisten) nach den Kriterien des §12 Abs4 ASGG für das jeweilige Verfahren die Beisitzer auswähle und im Rahmen einer Ladung in den zu bildenden Senat berufe. Es bestehe kein Grund, in Bezug auf die Verfassungsgarantien zwischen Berufsrichtern und fachkundigen Laienrichtern zu unterscheiden.

4. Die Bundesregierung erstattete in dem zu G43/2016 protokollierten Verfahren eine Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu die Behandlung des Antrags abzulehnen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. In ihrer Äußerung in dem zu G11/2016 protokollierten Verfahren verwies die Bundesregierung auf diese im Verfahren zu G43/2016 erstattete Äußerung.

4.1. Zu den Prozessvoraussetzungen bringt die Bundesregierung vor, dass der Antrag zu eng gefasst sei. Entgegen der Auffassung des Antragstellers führe die Aufhebung der angefochtenen Regelungen nicht dazu, dass für Laienrichter nach "allgemeinen Vorschriften" eine Geschäftsverteilung aufzustellen sei. Die "allgemeinen Vorschriften" über die Geschäftsverteilung für Richter – konkret §17 Geo sowie §§32 bis 36 GOG, aber auch §14 ASGG betreffend die Geschäftsverteilung in arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren – könnten nämlich nach Auffassung der Bundesregierung entweder im Hinblick auf ihren Wortlaut bzw. die darin normierten Vorgaben nicht auf Laienrichter angewendet werden (so hinsichtlich §14 ASGG und §§32, 32a, 33, 34 Abs2, 35, 36 GOG und §17 Geo) oder böten allein (wie §34 Abs1 GOG) keine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine Geschäftsverteilung für Laienrichter. Somit hätte der Antragsteller auch die Bestimmungen über die Geschäftsverteilung für Berufsrichter (zumindest soweit sie auf Laienrichter nicht anwendbar sind) mitanfechten müssen, um die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit zu beseitigen.

Daneben sei der Antrag auch insoweit zu eng gefasst, als die Anordnungen des §12 Abs6 ASGG, wonach bei der Bestimmung der Laienrichter Änderungen der Senatszusammensetzung tunlichst vermieden werden sollen, und des §26 Abs4 ASGG, wonach der Vorsitzende zur Ladung eines Laienrichters, der durch den Personalsenat einem anderen Vorsitzenden zugeordnet wurde, ermächtigt sei, nicht angefochten wurden. Selbst wenn die Regelungen über die Geschäftsverteilung für Berufsrichter auf Laienrichter anwendbar wären, bestünden weiterhin Regelungen, die dem Vorsitzenden Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die Senatszusammensetzung und die Bestimmung der konkret beizuziehenden Laienrichter einräumen würden. Im Hinblick auf die Ermächtigung des Vorsitzenden gemäß §26 Abs4 ASGG würde insofern die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit (die vor allem in dem Vorbringen bestehe, dass für Laienrichter der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung durch die Entscheidungsbefugnisse des Vorsitzenden zur Ladung der fachkundigen Laienrichter nicht verwirklicht sei) nicht beseitigt werden, läge es danach doch (weiterhin) im Ermessen des Vorsitzenden, die Zusammensetzung des Senates zu ändern, wenn dies aus berücksichtigungswürdigen Gründen – wie beispielsweise zur Verhinderung von Verfahrensverzögerungen – tunlich wäre. Die Anordnung des §12 Abs6 ASGG würde dagegen im Falle der Aufhebung des §12 Abs1 ASGG unverständlich und unanwendbar werden, da unklar sei, wem die Ermächtigung zur "Bestimmung" der fachkundigen Laienrichter entsprechend dieser Regelung zukommen sollte.

Der Antrag sei daher nach Ansicht der Bundesregierung zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

4.2. In der Sache tritt die Bundesregierung den verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers hinsichtlich des Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung und des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter entgegen.

5. Der Antragsteller stellte jeweils zu G11/2016 und G43/2016 in einer, nach Ende der Vorverfahrensfrist eingelangten Replik auf die Stellungnahme der Bundesregierung einen auf §35 Abs1 VfGG iVm §235 Abs3 ZPO gestützten Antrag auf Änderung seines Aufhebungsantrags, in dem er begehrte, der "Verfassungsgerichtshof möge auch oder in eventu die Bestimmungen von §12 Abs6 und §26 Abs4 zweiter Halbsatz, §12 Abs6 idF BGBL I Nr 111/2010, §26 Abs4 zweiter Halbsatz idF BGBl Nr 624/1994 als verfassungswidrig aufheben."

IV. Zulässigkeit

1. Die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge sind unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist sohin – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", also eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz. Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden.

3. Mit der Berufung, aus deren Anlass der Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG zu G11/2016 erhoben wurde, wendete sich der Antragsteller gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. November 2015, mit dem sein Begehren auf Schmerzengeld wegen Gesundheitsschädigungen durch Mobbing und auf Haftung für Folgen aus der Verletzung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht gegen den Arbeitgeber abgewiesen wurde.

Mit der Berufung, aus deren Anlass der Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG zu G43/2016 erhoben wurde, wendete sich der Antragsteller gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. November 2015, mit dem sein Begehren auf Feststellung, dass die von der beklagten Partei ausgesprochene Entlassung unwirksam sei, abgewiesen wurde.

3.1. Diese Urteile des Landesgerichtes Wels stellen eine in erster Instanz entschiedene Rechtssache iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG dar.

3.2. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat der Antragsteller jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass er die vorliegenden Parteianträge und die Berufungen gegen die Urteile des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht am selben Tag und innerhalb der Rechtsmittelfrist erhoben und eingebracht hat (vgl. VfGH 3.7.2015, G46/2015; 8.10.2015, G264/2015; 26.11.2015, G197/2015).

3.3. Der Verfassungsgerichtshof geht auf Grund der Mitteilungen des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Februar 2016 sowie vom 14. März 2016 davon aus, dass die Berufungen des Antragstellers gegen die zuvor genannten Urteile rechtzeitig und zulässig sind.

4. Gemäß §62 Abs1 VfGG muss der Antrag begehren, "dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen."

4.1. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, mithin dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. im Allgemeinen zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.851/1994, 14.802/1997, 17.651/2005; spezifisch zum Parteiantrag auf Normenkontrolle VfGH 2.7.2015, G16/2015; 2.7.2015, G145/2015).

4.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

4.3. Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Dagegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen, soweit die Präjudizialität für den gesamten Antrag gegeben ist, nicht zur Gänze unzulässig, sondern führt, ist der Antrag in der Sache begründet, im Falle der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 16.989/2003 mwN, 19.684/2012 und 19.746/2013).

5. Die Bundesregierung zieht in ihrer Äußerung die Zulässigkeit der Anträge gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG insbesondere im Hinblick darauf in Zweifel, dass §26 Abs4 ASGG nicht angefochten wurde. Die Anträge seien insofern zu eng gefasst, als durch die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit – die vor allem darin gesehen werde, dass für Laienrichter der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung nicht verwirklicht werde – nicht beseitigt wäre. Mit dem nicht angefochtenen §26 Abs4 ASGG, wonach der Vorsitzende auch einen fachkundigen Laienrichter laden könne, der einem anderen Vorsitzenden zugeordnet ist, bestünden weiterhin Regelungen, die dem Vorsitzenden Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die Senatszusammensetzung und die Bestimmung der konkret beizuziehenden Laienrichter einräumen würden. Die Anordnung des §12 Abs6 ASGG würde im Falle der Aufhebung des §12 Abs1 ASGG unverständlich und unanwendbar werden, da unklar sei, wem die Ermächtigung zur "Bestimmung" der fachkundigen Laienrichter entsprechend dieser Regelung zukommen sollte.

6. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Rechtsprechung, der zufolge der Anfechtungsumfang notwendig so zu ziehen ist, dass die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden, erweisen sich die vorliegenden Anträge als zu eng gefasst:

6.1. Soweit der Antragsteller seine Anträge auf §12 Abs1, Abs4 und Abs5 ASGG beschränkt, übersieht er, dass die angefochtenen Bestimmungen und dabei insbesondere §12 Abs1 ASGG – vor dem Hintergrund der geltend gemachten Bedenken – in untrennbarem Zusammenhang mit §26 Abs4 2. Halbsatz ASGG stehen. Ein untrennbarer Zusammenhang ist in jenen Fällen anzunehmen, in denen der nach der beantragten Aufhebung verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (vgl. etwa VfSlg 12.859/1991, 16.279/2001; VfGH 7.10.2015, G444/2015).

6.2. §26 Abs4 2. Halbsatz ASGG ist mit den angefochtenen Bestimmungen in §12 ASGG sowohl in systematischer Hinsicht als auch sprachlich untrennbar verbunden. Schon aus der sprachlichen Anknüpfung an §12 Abs1 ASGG durch den direkten Verweis auf diese Bestimmung ergibt sich ein untrennbarer Zusammenhang zu §26 Abs4 2. Halbsatz ASGG. Des Weiteren verbliebe im Falle der Aufhebung von §12 Abs1, Abs4 und Abs5 ASGG mit §26 Abs4 2. Halbsatz ASGG ein Torso, der für sich genommen seines ursprünglichen Bedeutungsgehaltes entkleidet und unanwendbar wäre, da es im Falle der beantragten Aufhebung nicht mehr Aufgabe des Vorsitzenden wäre, die beizuziehenden Laienrichter mittels Ladung zu bestimmen.

6.3. Die vorliegenden Anträge erweisen sich daher als zu eng gefasst. Daran vermag auch der nach Ablauf der Antragsfrist vom Antragsteller eingebrachte Antrag auf Änderung seines Aufhebungsantrags nichts zu ändern: Der Antragsteller ist gemäß §62 Abs1 VfGG an sein (ursprüngliches) Antragsbegehren gebunden. Für eine durch einen später eingebrachten Schriftsatz beantragte Ausweitung des Prüfungsgegenstandes besteht keinerlei gesetzliche Handhabe, weil der Prüfungsgegenstand durch das (ursprüngliche) Antragsbegehren im Sinne des §62 Abs1 VfGG ("bestimmte Stellen des Gesetzes") festgelegt wird (vgl. VfSlg 13.794/1994, 15.021/1997, 18.295/2007 zu §57 Abs1 VfGG in Bezug auf die Verordnungsprüfung).

7. Die Anträge sind daher unzulässig.

V. Ergebnis

1. Die Anträge werden als unzulässig zurückgewiesen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Ver-handlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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