Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil einschließlich des bestätigten abweisenden Teils insgesamt lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 16.151,61 EUR samt 4 % Zinsen seit 28. 4. 2010 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft EZ 87, KG *****, bestehend aus dem Grundstück Nr 741/3 (Baufläche, Gebäude und begrünt) und Nr 741/4 (Baufläche begrünt) sowie Nr 94 (Baufläche Gebäude) binnen 14 Tagen zu zahlen.
Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 473,39 EUR samt 4 % Zinsen seit 2. 2. 2010 und weiterer Zinsen aus 16.151,61 EUR im Zeitraum 2. 2. 2010 bis 27. 4. 2010 sowie auf Zahlung von 16.151,61 EUR bei sonstiger Exekution ohne Beschränkung auf die Liegenschaft EZ 87, KG *****, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 13.138,10 EUR (darin 1.903,10 EUR USt und 1.719,50 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 2.783,44 EUR (darin 291,24 EUR USt und 1.036 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.345,04 EUR (darin 174,84 EUR USt und 1.296 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
J***** M***** sen, der Vater der Streitteile und der weiteren Söhne F***** M***** und G***** M*****, verstarb am 3. 6. 2009. Mit Übergabsvertrag vom 29. 12. 1983 hatte er der Beklagten die in seinem Alleineigentum stehende Liegenschaft EZ 87, KG *****, bestehend aus dem Grundstück Nr 741/3 (Baufläche, Gebäude und begrünt) und Nr 741/4 (Baufläche begrünt) sowie Nr 94 (Baufläche Gebäude) im Ausmaß von 1.615 m2 übergeben. Die Beklagte hatte ihrem Vater am Übergabsobjekt auf dessen Lebensdauer das unentgeltliche Fruchtgenussrecht im Sinn der Bestimmungen des ABGB eingeräumt und sich verpflichtet, das Übergabsobjekt ohne Zustimmung des Übergebers weder zu veräußern noch zu belasten. Der Übergeber hatte sich verpflichtet, bis zur Großjährigkeit der Übernehmerin sämtliche für die Übergabsliegenschaft anfallenden öffentlichen Abgaben und Betriebskosten zu bezahlen.
Am 16. 2. 1990 errichtete J***** M***** sen folgendes
TESTAMENT:
Ich, Endesgefertigter, J***** M*****, … errichte frei von Irrtum, Betrug und Zwang folgende letztwillige Anordnungen:
Erstens: Alle von mir früher errichteten letztwilligen Anordnungen hebe ich hiemit vollinhaltlich auf.
Zweitens: Zur Alleinerbin meines gesamten dereinstigen Nachlassvermögens setzte ich hiemit meine Tochter G***** M*****, … [Beklagte] ein.
Drittens: Sämtliche bei meinem Ableben vorhandenen Noterben beschränke ich auf den gesetzlichen Pflichtteil.
Viertens: Meine beiden Söhne F***** M*****, ... und G***** M*****, ... haben ihren Pflichtteil bereits erhalten und mit Notariatsakt vom 16. 2. 1990 einen Pflichtteilsverzichtsvertrag unterfertigt.
Fünftens: Mein Sohn J***** M*****, … [Kläger] hat mit Kaufvertrag vom 26. 2. 1970 von Frau F***** H*****, das Grundstück Nr 746/2 im Ausmaß von 903 m2 um den Betrag von ATS 20.000 gekauft. Dieses Grundstück hätte zum damaligen Zeitpunkt einen Wert von ATS 30.000 gehabt und hat mir Frau F***** H***** dafür, dass ich mich um ihre Mutter E***** H***** gekümmert habe und dieser stets Arbeiten verrichtete, ein Drittel dieses Kaufpreises nachgelassen. Diesen Nachlass in Höhe von ATS 10.000 habe ich anlässlich dieses Kaufvertrages an meinen Sohn J***** M***** weitergegeben, wodurch dieser einer Zuwendung in Höhe von ATS 10.000 durch mich erhielt. Den Kaufpreis von ATS 20.000 habe ich zunächst zur Gänze bezahlt und von meinem Sohn J***** M***** lediglich ATS 10.000 zurückverlangt, sodass ich ihm eine weitere Zuwendung in Höhe von ATS 10.000 auf den Kaufpreis für das Grundstück machte. Weiters habe ich meinem Sohn J***** M***** zum Bau seines Hauses Baumaterialien von ATS 10.000 finanziert. Insgesamt hat daher mein Sohn J***** M***** von mir bereits Zuwendungen in Höhe von ATS 30.000 in den Jahren 1970 bis 1975 erhalten. Diese Zuwendungen hat sich mein Sohn J***** M***** auf den Pflichtteil mit jenem Wert anrechnen zu lassen, der sich aus der zwischenzeitlich eingetretenen Wertsicherung zum Zeitpunkt meines Todes ergibt. (...)
Mit Notariatsakt vom 19. 2. 1990 verzichteten F***** M***** und G***** M***** für sich und ihre gesetzlich erbberechtigten Nachkommen unwiderruflich auf das ihnen bzw diesen gegenüber dem der einstigen Nachlass ihres Vaters zustehende Pflichtteilsrecht einschließlich sämtlicher Schenkungseinrechnungsansprüche gemäß § 785 ABGB.
Im Verlassenschaftsverfahren nach dem Vater ergab sich eine Nachlassüberschuldung von 2.201,21 EUR. Die Beklagte stellte am 3. 11. 2009 einen Antrag auf Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt. Das Verlassenschaftsgericht sprach mit Beschluss vom 27. 11. 2009 aus, dass gemäß § 153 Abs 1 AußStrG mangels eines 4.000 EUR übersteigenden Nachlassvermögens eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattfindet. Der Beklagten wurde in teilweiser Abgeltung der von ihr zur Zahlung übernommenen Begräbniskosten in Höhe von 7.497,66 EUR gemäß § 153 Abs 2 AußStrG das freie Verfügungsrecht über ein Kontoguthaben in Höhe von 670,05 EUR eingeräumt.
Der Kläger begehrte mit der am 21. 4. 2010 eingebrachten Klage ‑ ausgehend von einer Pflichtteilsquote von einem Achtel und einem Wert der unentgeltlich übertragenen Liegenschaft mit Haus im Todeszeitpunkt des Vaters von 133.000 EUR ‑ (zuletzt) die Zahlung eines Schenkungspflichtteils von 16.625 EUR samt 4 % Zinsen seit 2. 2. 2010. Die Parteien des Übergabsvertrags hätten keine über den Tod des Übergebers hinaus wirkende geldwerte Gegenleistung vereinbart. Die Schenkungsabsicht sei damit indiziert. Das dem Übergeber eingeräumte Fruchtgenussrecht habe bei der Berechnung des Schenkungspflichtteils außer Betracht zu bleiben. Die Liegenschaftsübergabe sei erfolgt, um den Zugriff der Ehegattin des Übergebers auf die Liegenschaft nach der Scheidung zu verhindern. Es sei nie im Vordergrund gestanden, dass die Beklagte dem Übergeber den Haushalt führe. Nicht die Beklagte, sondern andere Personen hätten dem Übergeber den Haushalt geführt. Der Kläger bestritt, die im Testament angeführten Zuwendungen erhalten zu haben.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Übergabsvertrag habe keine unentgeltliche Zuwendung enthalten. Die Liegenschaftsübergabe an die ‑ damals erst 14jährige ‑ Beklagte sei im Hinblick auf die bevorstehende Ehescheidung ihrer Eltern erfolgt. Der Übergeber habe sich auf Lebenszeit das unentgeltliche Fruchtgenussrecht ob der gesamten Liegenschaft sowie ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot vorbehalten. Unter Berücksichtigung des Fruchtgenussrechts habe der Verkehrswert des Übergabsobjekts „annähernd null“ betragen. Der als LKW‑Fahrer tätige Vater habe mit der Beklagten vereinbart, dass sie im Hinblick auf die Übertragung der Liegenschaft für ihn die gesamten Haushaltsarbeiten (Kochen, Waschen, Hausreinigung) unentgeltlich erbringe. Sie habe diese Vereinbarung von 1983 bis Herbst 2009 auch eingehalten. Eine Schenkungsabsicht sei nicht vorgelegen. Ab dem Einzug ihres Ehemanns im Jahr 1990 habe die Beklagte auch die öffentlichen Abgaben und die Betriebskosten der Liegenschaft getragen. Die Beklagte und ihr Ehemann hätten das Haus auf eigene Kosten generalsaniert. Hilfsweise wandte die Beklagte ein, die Liegenschaftsübertragung sei im Hinblick auf die von ihr erbrachten Leistungen aus einer sittlichen Pflicht erfolgt (§ 785 Abs 3 Satz 1 ABGB). Insgesamt habe sich der Kläger Folgendes auf einen allfälligen Schenkungspflichtteil anrechnen zu lassen: Nachlassüberschuldung (2.201,21 EUR); Kosten des Verlassenschaftsverfahrens (1.009,37 EUR); Gerichtskommissionskosten (95,52 EUR); für den Erblasser geleistete Betriebskosten und öffentliche Abgaben, nämlich 1.333,33 EUR im Jahr 1993 und 1.000 EUR pro Jahr von 1994 bis 2009 (insgesamt 16.333,33 EUR); valorisierte „Vorempfangs‑Finanzierung“ einer Liegenschaft von 5.771 EUR und 2.885,50 EUR (insgesamt 8.656,50 EUR).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte noch Folgendes fest:
Zur Rolle der Beklagten als „Beschenkte“:
Die (im Juli 1969 geborene) Beklagte hatte im Zeitpunkt der Liegenschaftsübergabe (Dezember 1983) keine Kenntnis darüber, warum der Vater ihr das Haus übergab. Er erklärte ihr die Übergabe später damit, dass die Ehe nicht mehr so gut gelaufen sei; er habe das Haus „geliebt“ und nicht im Zuge der Scheidung verlieren wollen. Der Übergeber vereinbarte im Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrags mit der Beklagten „nichts zu Gegenleistungen“ für die Übergabe der Liegenschaft. Die Beklagte besuchte zum Zeitpunkt der Ehescheidung ihrer Eltern (Ostern 1984) die Haushaltsschule in E*****. „Nicht festgestellt werden kann, dass der Übergeber der Beklagten das Haus in Schenkungsabsicht oder teilweise in Schenkungsabsicht übergab.“ Nach Absolvierung der Haushaltsschule kümmerte sich die Beklagte um den Vater und dessen Haushalt; der Umfang der von der Beklagten erbrachten Hilfsleistungen ist nicht mehr feststellbar.
Zu den Vorempfängen des Klägers:
Mit Kaufvertrag vom 26. 2. 1970 erwarb der Kläger von der Landwirtin F***** H***** das Grundstück 746/2 im Ausmaß von 903 m² um 20.000 ATS. Das Grundstück hatte nach Auffassung der Verkäuferin und des Erblassers zum damaligen Zeitpunkt einen Wert von 30.000 ATS, die Verkäuferin ließ vom Kaufpreis jedoch 10.000 ATS nach, weil sich der Verstorbene um ihre Mutter gekümmert und stets Arbeiten verrichtet hatte. Diesen Nachlass von 10.000 ATS gab der Verstorbene anlässlich des Kaufvertrags an den Kläger weiter. Außerdem beglich der Verstorbene den Kaufpreis von 20.000 ATS für die insoweit preisreduzierte Liegenschaft zunächst zur Gänze selbst und verlangte vom Kläger dafür lediglich 10.000 ATS zurück. Weiters unterstützte der Verstorbene den Kläger beim Hausbau, indem er ihm Baumaterialien für 10.000 ATS finanzierte.
Zu den Zahlungen der Beklagten:
Die Beklagte bezahlte an den Beklagtenvertreter für die Vertretung im Verlassenschaftsverfahren nach ihrem Vater im Jänner 2010 auf die Honorarnote Nr 10/25 1.009,37 EUR und trug auch die Nachlassüberschuldung. Sie zahlte an Gemeindeabgaben für die Übergabsliegenschaft bis 2009 5.696,70 EUR, an Stromkosten 11.219,17 EUR und an Heizölkosten 18.367,14 EUR. Die fiktiven Betriebskosten für dieses Objekt betragen jährlich 3.990 EUR. Nachdem die Beklagte im Jahr 1993 mit ihrem nunmehrigen Ehemann zusammengezogen war, trug sie diese Kosten zur Gänze. Im Jahr 1993 wohnten die Beklagte, ihr Ehemann und der Verstorbene in diesem Haus; von 1994 bis zum Tod des Erblassers bewohnte neben den genannten Personen auch noch das Kind der Beklagten (also insgesamt vier Personen) das Haus.
Zum Wert der Liegenschaft EZ 87 KG *****:
Ihr Verkehrswert betrug im Jahr 1983 lastenfrei 91.190 EUR. Die Betriebskostenübernahme bis 1990 beläuft sich auf einen Barwert von 11.626 EUR. Das Fruchtgenussrecht hatte einen Wert von 101.129 EUR. Damit betrug der Verkehrswert der Liegenschaft im Jahr 1983 belastet 1.687 EUR. „Wirtschaftlich betrachtet schenkte der Übergeber im Jahr 1983 nichts her; im mit dem Fruchtgenussrecht belasteten Zustand war der Verkehrswert annähernd gleich null.“ Der Verkehrswert der Liegenschaft per 3. 6. 2009 im Zustand 28. 12. 1983 betrug lastenfrei 132.519 EUR.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, Schenkungen seien grundsätzlich nicht zu vermuten. Derjenige, der das Vorliegen einer (gemischten) Schenkung als anspruchsbegründende Tatsache behaupte ‑ also auch der Pflichtteilsberechtigte bei der Schenkungspflichtteilsklage - sei dafür beweispflichtig. Mangels Schenkungsabsicht könne eine gemischte Schenkung nicht vorliegen. Eine solche sei ohnehin nicht etwa schon anzunehmen, wenn die Leistung der einen Seite objektiv wertvoller sei als die der anderen. Die Klage sei schon im Hinblick darauf abzuweisen, dass der Kläger keine Schenkungsabsicht nachgewiesen habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte zur Frage der Schenkungsabsicht aus:
Da die Beurteilung des Vorliegens einer Schenkungsabsicht in das Gebiet der Tatsachenfeststellung falle, sei die Negativfeststellung mit der Beweisrüge bekämpfbar. Unklarheiten bei einer Negativfeststellung belasteten den Kläger. Nach herrschender Rechtsprechung indiziere in Fällen, in denen schutzwürdige Interessen, die etwa bei Übergabsverträgen und Vorhandensein anderer Pflichtteilsberechtigter berührt würden, ein krasses Missverhältnis zwischen der Leistung des späteren Erblassers und der Gegenleistung im Schenkungszeitpunkt das Vorliegen einer Schenkungsabsicht. Für die Beurteilung, ob ein entgeltliches Geschäft oder eine (gemischte) Schenkung vorliege, sei der Wert der belasteten Liegenschaft zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich. Der Kläger vertrete in seiner Beweis‑ wie auch in der Rechtsrüge die unrichtige Auffassung, bei der Ermittlung des Werts des Übergabsobjekts im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei der Wert eines dem Übergeber eingeräumten Fruchtgenussrechts nicht in Abzug zu bringen. Es treffe zwar zu, dass nach ständiger Rechtsprechung der Wert eines dem Übergeber (= Erblasser) bei der Übergabe vorbehaltenen lebenslangen Fruchtgenusses bei der Ermittlung der Pflichtteilsbemessungsgrundlage außer Ansatz zu lassen sei, weil bereits im Übergabszeitpunkt mit Sicherheit feststehe, dass in dem für die Beurteilung der Pflichtteilswidrigkeit maßgebenden Zeitpunkt des Erbanfalls die Belastung weggefallen sein werde; diese Judikatur habe jedoch die Ermittlung der Pflichtteilsbemessungsgrundlage und nicht die Beurteilung des Vorliegens einer (gegebenenfalls gemischten) Schenkung zum Gegenstand. Ein derartiges Fruchtgenussrecht sei [hingegen] als Minderung der Zuwendung für die Frage des Vorliegens einer (gegebenenfalls gemischten) Schenkung sehr wohl zu berücksichtigen. In welchem Ausmaß eine Liegenschaftsübergabe als entgeltlich oder als unentgeltlich zu werten sei, müsse insbesondere nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt werden. Bei der Bewertung der Übergabsliegenschaft seien alle Belastungen als wertmindernd zu berücksichtigen, die der Übernehmer zu übernehmen gehabt habe. Bei der Gegenüberstellung des Werts der beiderseitigen Leistungen sei auf den Schenkungszeitpunkt, der für das Vorliegen der erklärten Schenkungsabsicht maßgeblich sei, abzustellen. Von den erstgerichtlichen Feststellungen ausgehend sei somit im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses dem Liegenschaftswert von 91.190 EUR zuzüglich des mit 11.626 EUR festgestellten Werts der Verpflichtung des Übergebers zur Betriebskostenübernahme der Wert des Fruchtgenussrechts von 101.129 EUR gegenübergestanden, sodass der Verkehrswert des Übergabsobjekts wirtschaftlich gesehen annähernd „gleich null“ gewesen sei. Diese als unbekämpft bezeichneten Feststellungen ergäben sich nachvollziehbar aus dem Gutachten des Sachverständigen. Somit liege kein krasses Missverhältnis zwischen der Leistung der Vertragspartner, dem eine Indizwirkung für das Vorliegen einer Schenkungsabsicht zuerkannt werden könnte, vor. Im Gegenteil spreche es, im Sinne der zu teilenden Auffassung des Erstgerichts, gegen das Vorliegen einer Schenkungsabsicht, dass der um das Fruchtgenussrecht geminderte Wert des Übergabsobjekts annähernd „gleich null“ gewesen sei. Auch die unbekämpft festgestellte Erklärung des Übergebers, er habe durch die Übergabe den Verlust des Hauses im Zuge der Ehescheidung verhindern wollen, spreche im Zusammenhalt mit der Einräumung des Fruchtgenussrechts dafür, dass die Absicht des Übergebers darauf gerichtet gewesen sei, seine Wohnversorgung auf dem gesamten Übergabsobjekt sicherzustellen. Der Kläger zeige in der Beweisrüge keine Umstände auf, die die Negativfeststellung zum Vorliegen einer (teilweisen) Schenkungsabsicht in Frage stellen könnten. Dagegen, dass die Vorkehrungen im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren ein bloßes, die Schenkungsabsicht nicht in Frage stellendes Motiv gewesen wären, spreche die vom Erstgericht zutreffend hervorgehobene Minderung des Werts des Übergabsobjekts durch den Wert des Fruchtgenussrechts auf annähernd „gleich null“. Die vom Erstgericht zum Vorliegen einer Schenkungsabsicht getroffene Negativfeststellung sei daher auch unter Berücksichtigung der in der Berufung vorgetragenen Argumente unbedenklich.
Eine Negativfeststellung belaste denjenigen, der das Vorliegen einer Schenkung als anspruchsbegründende Tatsache behaupte. Ausgehend von den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts sei eine Schenkungsabsicht des Übergebers nicht feststellbar. Damit fehle es schon aus diesem Grund an den Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Voraussetzung für die Annahme einer Schenkung im Rahmen eines Übergabsvertrags sei das Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung, das ausdrücklich oder schlüssig erklärt werden könne. Es müssten daher beide Teile erkennbar damit einverstanden gewesen sein, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgte. Der Kläger könne mit seiner Rechtsauffassung, die Einräumung des Fruchtgenussrechts an den Übergeber habe bei der Beurteilung des Vorliegens einer Schenkung außer Betracht zu bleiben, auf die Ausführungen zur Beweisrüge verwiesen werden. Die Frage der Berücksichtigung des Werts des dem Übergeber eingeräumten Fruchtgenussrechts bei der Ermittlung der Pflichtteilsbemessungsgrundlage sei mangels Vorliegens einer Schenkung nicht entscheidend.
Das Berufungsgericht änderte den ursprünglichen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision mit Beschluss gemäß § 508 Abs 3 ZPO dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.
Ausgehend vom Rechtssatz RIS‑Justiz RS0012946 sei der Wert eines der Erblasserin bei der Übergabe vorbehaltenen lebenslangen Fruchtgenusses, wiewohl diese Belastung auf den Zeitpunkt des Empfangs bezogen den Liegenschaftswert erheblich vermindert habe, bei der Bemessung der Pflichtteilsgrundlage außer Acht zu lassen. Die der Meinung des Berufungsgerichts [ebenfalls] entsprechende Auffassung von Rabl (Die Auswirkungen eines Fruchtgenussvorbehalts auf die Schenkungsanrechnung, NZ 1999, 291 [299 f]), es mache für die Anrechnung durchaus einen Unterschied, ob die Liegenschaft mit oder ohne Fruchtgenussvorhalt übergeben worden sei, bedürfe einer Stellungnahme durch den Obersten Gerichtshof.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag an das Berufungsgericht gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Revisionswerber ‑ aktenwidrig ‑ als Verfahrensmangel geltend macht, das Berufungsgericht habe sich mit der Beweisrüge überhaupt nicht befasst und keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt, ist darauf nicht weiter einzugehen.
Was die Grundsätze ständiger Rechtsprechung zur Ermittlung der Pflichtteilbemessungsgrundlage betrifft, ist zunächst Folgendes klarzustellen:
Bei der Schenkungsanrechnung nach § 785 ABGB ist für die Bewertung auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen (RIS‑Justiz RS0012952). Lehre und Rechtsprechung haben die Bestimmung des § 794 ABGB einer „berichtigenden Auslegung“ dahin unterzogen, dass der dem Pflichtteilsrecht zugrunde liegende Ausgleichsgedanke entgegen dem Wortlaut des § 794 ABGB auch bei unbeweglichen Sachen eine Berücksichtigung der seit dem Empfang eingetretenen Wertveränderungen rechtfertige (6 Ob 232/09z). Der übergangene Noterbe sei so zu stellen, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre (RIS‑Justiz RS0012936; RS0012984; 6 Ob 54/11a).
Nach herrschender Auffassung werden daher bewegliche und unbewegliche Sachen gleich bewertet, und zwar zum Zeitpunkt des Erbanfalls, aber nach dem Zustand der Sache zum Zeitpunkt des Empfangs (Apathy in KBB³ § 794 ABGB Rz 3). Dabei ist von der fiktiven Annahme auszugehen, dass die Schenkung unterblieben und die Liegenschaft in die Verlassenschaft gefallen wäre. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Schenkungspflichtteils ist insofern der Zeitpunkt des Erbfalls. Es ist nicht der Wert des Geschenks zum Zeitpunkt des Empfangs in Geld zu bewerten und der ermittelte Geldwert aufzuwerten, sondern der Wert des Geschenks im Zeitpunkt des Erbanfalls zu bestimmen, dabei aber der Zustand der Sache im Zeitpunkt des Empfangs zugrunde zu legen (6 Ob 805/82, SZ 57/7; RIS‑Justiz RS0012973; 6 Ob 54/11a); hier also der festgestellte Verkehrswert der Liegenschaft per 3. 6. 2009 im Zustand 28. 12. 1983, aber lastenfrei.
Nach den Grundsätzen ständiger Rechtsprechung (die das Berufungsgericht zutreffend wiedergibt) hat somit der Wert eines ‑ wie hier ‑ dem Erblasser bei der Übergabe vorbehaltenen lebenslangen Fruchtgenussrechts im Rahmen der Ermittlung der Pflichtteilbemessungsgrundlage außer Betracht zu bleiben, weil bereits im Übergabszeitpunkt mit völliger Sicherheit feststand, dass die Belastung wegfallen werde (RIS‑Justiz RS0012946; aA Rabl, Die Auswirkungen eines Fruchtgenussvorbehalts auf die Schenkungsanrechnung, NZ 1999, 291 [299 f]).
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob seinerzeit (hier im Jahr 1983) überhaupt eine Schenkung erfolgte; in welchem Ausmaß eine Liegenschaftsübergabe als entgeltlich oder unentgeltlich zu werten ist, ist nämlich nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0012978). Dabei sind alle Übernahmebelastungen einschließlich persönlicher Dienstbarkeiten wie Wohnrechte etc als wertmindernd zu berücksichtigen, jedoch nicht als Gegenleistung zu veranschlagen. Auch ein Fruchtgenussrecht ist als Minderung der Zuwendung für die Frage des Vorliegens einer (gegebenenfalls gemischten) Schenkung sehr wohl zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0012946 [T2]; RS0012978 [T8]). Darin liegt ‑ wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt hat ‑ kein Widerspruch zur angeführten [‑ für die Pflichtteilsbemessung maßgebenden ‑] Judikatur, weil für unterschiedliche Beurteilungszwecke jeweils auf unterschiedliche Zeitpunkte abzustellen ist (6 Ob 232/09z).
Wie in der eben zitierten Entscheidung ist die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage somit anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu beantworten, wobei auch zum vorbehaltenen Wohnungsgebrauchsrecht bereits ausdrücklich festgehalten wurde, dass ein solches für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit der Eigentumsübertragung an einer Liegenschaft nach ständiger Rechtsprechung nicht als Gegenleistung sondern als Wertminderung der übergebenen Sache zu veranschlagen ist (5 Ob 191/10i; RIS‑Justiz RS0012978 [T9]).
Der Kläger macht hier einen Anspruch auf den Schenkungspflichtteil nach seinem am 3. 6. 2009 verstorbenen Vater gegen die beklagte Schwester geltend, wobei der Vermögenstransfer, den der Kläger berücksichtigt haben möchte, Gegenstand eines Übergabsvertrags vom 29. 12. 1983 war. Nach den bindenden Feststellungen hatte die Beklagte im betreffenden Übergabsvertrag ihrem Vater auf Lebensdauer das unentgeltliche Fruchtgenussrecht am Übergabsobjekt eingeräumt und sich verpflichtet, es ohne Zustimmung des Übergebers weder zu veräußern noch zu belasten. Der Wert der Liegenschaft hatte sich damit auf „annähernd gleich null“ reduziert. Die Absicht des Übergebers war darauf gerichtet, seine Wohnversorgung auf dem Übergabsobjekt ‑ im Hinblick auf den drohenden Verlust des Hauses im Zuge seiner Ehescheidung ‑ zu sichern.
Demgemäß geht auch der Kläger in seiner Revision nunmehr davon aus, dass sich der Wert der Liegenschaft zwar erheblich vermindert habe, aber ein geringer Wert (1.687 EUR) übrig geblieben sei, der zwar „sehr gering“ erscheine, dem jedoch keine Gegenleistung gegenüberstehe. Er zieht auch nicht in Zweifel, dass der spätere Erblasser die Übergabe der Liegenschaft „lediglich vornahm, um den Verlust des Hauses im Zuge der Ehescheidung zu verhindern“ sodass die Absicht des Übergebers darauf gerichtet war, seine Wohnversorgung auf dem gesamten Übergabsobjekt sicherzustellen. Der Revisionswerber vertritt jedoch den Standpunkt, das Vorliegen des erforderlichen „Freigiebigkeitsmotivs“ sei dennoch zu bejahen, weil kein Zwang und keine Pflicht bestand, die Übereignung durchzuführen.
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.
Die Geltendmachung des Schenkungspflichtteils setzt voraus, dass es sich bei dem Rechtsgeschäft, das nunmehr berücksichtigt werden soll, um eine (echte oder zumindest eine gemischte) Schenkung gehandelt hat. Eine Schenkung ist im Rahmen eines Übergabsvertrags nur anzunehmen, wenn Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung besteht (8 Ob 103/11x mwN).
Die Frage, ob die subjektive Voraussetzung des Schenkungstatbestands im Einzelfall vorliegt, gehört in das Gebiet der Tatsachenfeststellungen (7 Ob 590/77, SZ 50/101 [jüngst: 6 Ob 7/11i; 3 Ob 167/11x mwN]). Beweispflichtig ist jener, der das Vorliegen einer (gemischten) Schenkung als anspruchsbegründende Tatsache behauptet; also bei der Schenkungspflichtteilsklage der pflichtteilsberechtigte Kläger (RIS‑Justiz RS0018794; RS0019370 [T3]; jüngst: 6 Ob 7/11i).
Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts, dem Übergeber (der im eigenwirtschaftlichen Interesse seine Wohnversorgung auf dem Übergabsobjekt sicherzustellen beabsichtigte) könne keine Schenkungsabsicht unterstellt werden, kommt es auf die angeblich fehlende ausdrückliche Feststellung eines Schenkungswillens bei der hier vorliegenden „reinen“ Schenkung (wenn nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien die Liegenschaft ohne Gegenleistung ins Eigentum übertragen wird) aber gar nicht an.
Schenkungsabsicht, die ‑ wie dargelegt ‑ in der Absicht einer unentgeltlichen, das heißt auf keine Gegenleistung bezogenen und freiwilligen (freigiebigen) und damit auch nicht durch sittliche Pflicht verlangten Leistung (RIS‑Justiz RS0018833) besteht, ist für die Schenkung begriffswesentlich. Die Unentgeltlichkeit iSd § 938 ABGB bedeutet, dass der Schenker dem Beschenkten die Sache ohne Gegenleistung und auch nicht als Erfüllung einer Verbindlichkeit überlässt; dabei entscheidet über die Frage der Unentgeltlichkeit grundsätzlich der übereinstimmende Parteiwille (RIS‑Justiz RS0018843). Voraussetzung für die Annahme einer Schenkung im Rahmen des Übergabsvertrags ist das Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung, das ausdrücklich oder schlüssig erklärt werden kann. Es müssen beide Teile erkennbar damit einverstanden gewesen sein, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt, dass ihr also keine oder keine wirtschaftlich beachtliche Gegenleistung gegenüberstehen soll (RIS‑Justiz RS0019217). Ein Schenkungsvertrag kommt nur durch übereinstimmende Willensäußerung des Schenkers und des Beschenkten zustande; die Willenseinigung muss darauf gerichtet sein, dass der Schenker dem Beschenkten die Sache unentgeltlich überlässt und dieser sie so annimmt (RIS‑Justiz RS0018818). Der Vorbehalt des Fruchtgenussrechts des Übergebers schließt das Vorliegen einer Schenkung nicht aus (RIS‑Justiz RS0011837).
Der „wenig geglückte“ Begriff der gemischten Schenkung meint demgegenüber Zuwendungen, für die eine geringwertigere Gegenleistung vereinbart ist, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass hinsichtlich der Differenz (zum Schenkungszeitpunkt) Unentgeltlichkeit vorliegt (Löcker in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.00 § 938 Rz 18 mwN).
Im hier zu beurteilenden Übergabsvertrag vom 29. 12. 1983 räumte die Beklagte ihrem Vater auf dessen Lebensdauer das unentgeltliche Fruchtgenussrecht ein und „vereinbarte nichts zu Gegenleistungen“ (übernahm also keine solchen) für die Übergabe der Liegenschaft. Beim Fruchtgenussrecht handelt es sich mangels Abgeltung der Sachsubstanz um keine Gegenleistung, sondern ‑ wie bereits ausgeführt ‑ um eine Minderung des Geschenkwerts (so auch Löcker aaO § 938 Rz 14 mwN).
Dass der Vater das Haus nicht im Zuge der Scheidung verlieren wollte, ist sein Motiv für die Schenkung. Daraus leitet sich keine Gegenleistung der Beklagten ab. Nach den Feststellungen hatte die (damals 14‑jährige) Beklagte keine Kenntnis darüber, warum ihr der Vater das Haus übergab. Wenn sich die Parteien ‑ wie hier ‑ einig sind, dass die Sache ohne Gegenleistung und nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit überlassen wird, handeln sie in Schenkungsabsicht (RIS‑Justiz RS0018852). Daran, dass von einer Schenkung auszugehen ist, kann somit auch die von den Vorinstanzen ins Treffen geführte Negativfeststellung zur Schenkungsabsicht des Verstorbenen nichts ändern; kommt es doch bei der „bloßen“ Schenkung (im Gegensatz zur gemischten Schenkung) auf die Handlungen und nicht auf die entgegenstehende Absicht an. Maßgebend ist somit der Inhalt, das heißt die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen (vgl RIS‑Justiz RS0014509), hier also die (schlüssige) Einigung darüber, dass der Schenker dem Beschenkten die Sache unentgeltlich überlässt und dieser sie annimmt.
Da das Eigentum an der Liegenschaft ohne Gegenleistung übertragen wurde, liegt also auch dann eine Schenkung vor (vgl RIS‑Justiz RS0011837 [T1]; RS0012971 [T13]), wenn diese (seinerzeit) in ihrem wirtschaftlichen Wert durch das Fruchtgenussrecht stark geschmälert war. Dies änderte ‑ wie die Revision zutreffend ausführt ‑ nichts an der Unentgeltlichkeit der Eigentumsübertragung. Auch die Entscheidung 6 Ob 232/09z, die sich auf eine gemischte Schenkung bezieht, steht dem nicht entgegen, weil dort ‑ anders als hier ‑ zu beurteilen war, ob überhaupt etwas geschenkt wurde.
§ 951 Abs 1 ABGB sieht vor, dass dann, wenn bei der Bestimmung des Pflichtteils Schenkungen in Anschlag gebracht werden (§ 785 ABGB), der Nachlass aber zu dessen Deckung nicht ausreicht, der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zur Deckung des Fehlbetrags verlangen kann; der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrags abwenden. Die §§ 785, 951 ABGB bezwecken, den übergangenen Noterben so zu stellen, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre; „In Anschlag Bringen“ einer Schenkung bedeutet die rechnerische Annahme, es wären noch alle Schenkungen im Nachlass (6 Ob 54/11a; RIS‑Justiz RS0012936).
Der Anspruch nach § 785 Abs 1 ABGB richtet sich gegen den Nachlass oder den Erben, jener nach § 951 Abs 1 ABGB aber gegen den Beschenkten und greift erst ein, wenn mit § 785 ABGB nicht auszukommen ist. Wenn sich bei einem Schenkungspflichtteil ergibt, dass dieser nicht aus dem Nachlass abgedeckt werden kann, ist der Beschenkte also passiv klagslegitimiert (7 Ob 220/08s; 6 Ob 54/11a).
Bei der Pflichtteilsberechnung sind alle Lasten als Passiva der Verlassenschaft zu berücksichtigen, die der Noterbe bei gesetzlicher Erbfolge hätte tragen müssen (7 Ob 56/10a mwN). Auch die Kosten des Rechtsvertreters der mit der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses betrauten Erben (RIS‑Justiz RS0012217), der Inventarerrichtung (RIS‑Justiz RS0105013) und die Gebühren des Gerichtskommissärs (RIS‑Justiz RS0007645) zählen dazu und sind daher bei der Ermittlung des Reinnachlasses als Passiva zu berücksichtigen (7 Ob 56/10a; 7 Ob 220/08s).
Im vorliegenden Fall bezahlte die Beklagte im Verlassenschaftsverfahren nach ihrem Vater: 1.009,37 EUR für die Vertretung, 2.201,21 EUR Nachlassüberschuldung und 95,52 EUR ‑ unstrittige ‑ Gerichtskommissionskosten. Als pflichtteilsberechtigter Sohn hat der Kläger Anspruch auf Berücksichtigung von Schenkungen nach §§ 785, 951 ABGB.
Bei der Berechnung seines Schenkungspflichtteils ist die - unstrittige - Pflichtteilsquote von einem Achtel zugrunde zu legen, weil die Streitteile noch zwei weitere Geschwister haben (vgl dazu RIS‑Justiz RS0106573). Von einem Wert der unentgeltlich übertragenen Liegenschaft von 133.000 EUR ausgehend begehrt der Kläger 16.625 EUR samt 4 % Zinsen seit 2. 2. 2010. Tatsächlich wurde der ‑ allein maßgebende ‑ Verkehrswert der Liegenschaft im Zeitpunkt des Erbfalls (3. 6. 2009) unter Zugrundelegung ihres Zustands im Zeitpunkt des Empfangs (28. 12. 1983) jedoch mit 132.519 EUR festgestellt.
Dass ein ‑ wie hier ‑ überschuldeter Nachlass ein Anwendungsfall des § 951 ABGB sein kann, entspricht der Rechtsprechung (6 Ob 54/11a; vgl RIS‑Justiz RS0012960). Vom Wert der Schenkung ist bei Berechnung des durch Schenkungen erhöhten Pflichtteils eine allenfalls zum Todeszeitpunkt bestandene Überschuldung des Nachlasses in Abzug zu bringen (RIS‑Justiz RS0012960; Binder in Schwimann³ § 951 ABGB Rz 3; Bollenberger in KBB³ § 951 ABGB Rz 2); dies ist Folge der Annahme, es wären noch alle Schenkungen im (hier allerdings überschuldeten) Nachlass (7 Ob 220/08s mwN). Vom maßgebenden Wert der Schenkung (132.519 EUR) sind also entsprechend dem herrschenden und von der Rechtsprechung angewendeten Berechnungsmodell die Überschuldung des Nachlasses (2.201,21 EUR) sowie die Vertretungskosten und Gerichtskommissionskosten im Velassenschaftsverfahren (1.009,37 EUR und 95,52 EUR) abzuziehen. Der Schenkungsbetrag errechnet sich daher mit 129.212,90 EUR, woraus sich ein Schenkungspflichtteil von 16.151,61 EUR (ein Achtel) ergibt.
Hinsichtlich der weiteren Beträge, die sich der Kläger nach dem Standpunkt der Beklagten auf seinen Schenkungspflichtteil anrechnen lassen müsste, kommt ein Abzug hingegen nicht in Betracht:
Die Anrechnung geleisteter Betriebskosten und öffentlicher Abgaben für den Erblasser scheitert daran, dass sie nur im Rahmen der Nachlassüberschuldung Berücksichtigung finden konnten. Was die Anrechnung von Vorempfängen des Klägers betrifft, ist auf die Entscheidung 2 Ob 186/10g (EF‑Z 2012/50 [Fischer‑Czermak]) zu verweisen, die zu dieser Frage ausführlich Stellung nimmt und zum Ergebnis gelangt, dass ein ‑ wie hier ‑ den Nachlasspflichtteil übersteigender Vorempfang nur auf den Nachlasspflichtteil, nicht aber auf den Schenkungspflichtteil anzurechnen ist.
Da keine weiteren Reduktionen vorzunehmen sind, ist der Revision des Klägers teilweise Folge zu geben und die Beklagte ‑ in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen ‑ im dargelegten Umfang zur Zahlung an den Kläger zu verpflichten.
Dem Klagebegehren ist jedoch nur bei sonstiger Exekution in die geschenkte Sache stattzugeben, weil der Beschenkte dem verkürzten Noterben grundsätzlich mit der geschenkten Sache haftet (6 Ob 232/09z; RIS‑Justiz RS0079874, RS0012943, RS0019068, RS0019039) und das Begehren daher auf Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil bei Exekution in die geschenkte Sache zu lauten hat (Schubert in Rummel³ § 951 ABGB Rz 3). In der Beschränkung des Exekutionsgegenstands liegt eine ‑ nach § 405 ZPO zulässige - Zuerkennung eines Minus (6 Ob 232/09z; RIS‑Justiz RS0019068). Außerdem ist für den Eintritt der Verzugsfolgen beim Schenkungspflichtteil auf das Begehren des Berechtigten auf Durchführung der Anrechnung abzustellen (2 Ob 186/10g mwN; RIS-Justiz RS0117847; Schauer, Verzugszinsen und Pflichtteilsanrechnung, NZ 1987, 114 [119]), sodass dem Kläger Zinsen ab dem Tag der Klagsbehändigung (28. 4. 2010) gebühren.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf §§ 43 Abs 2, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger ist nur mit 2,85 %, also mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seiner Forderung unterlegen, dessen Geltendmachung besondere Kosten nicht veranlasst hat. Es steht ihm der Ersatz seiner gesamten Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf Basis des Streitwerts der durchgesetzten Ansprüche zu (RIS‑Justiz RS0116722). Insoweit gebühren dem Kläger die richtig verzeichneten Kosten, weil zwischen dem zugesprochenen Betrag von 16.151,61 EUR und der Forderung von 16.625 EUR kein Tarifsprung besteht. Die vom Kläger verzeichneten Kosten erster Instanz waren hingegen, aus den in der dazu erstatteten Äußerung der Beklagten (ON 24) zutreffend dargelegten Gründen, auf das dort unbekämpft gebliebene Ausmaß (§ 54 Abs 1a ZPO) zu kürzen; abschließend ist zu den vom Klagevertreter verzeichneten vorprozessualen Kosten des Verlassenschaftsverfahrens (TP 1 für eine Vollmachtsanzeige und TP 3 für die „Verlassenschaftsabhandlung“ [auf der Bemessungsgrundlage: 35.000 EUR]) noch festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Geltendmachung solcher Kosten (Obermaier, Kostenhandbuch², Rz 365) jedenfalls nicht vorliegen, weil diese Kosten hier offensichtlich nicht der Vermeidung des Prozesses dienten und auch deshalb nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)