OGH 2Ob165/23p

OGH2Ob165/23p25.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Guido Leitgeb, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, Wien 3, vertreten durch Tramposch und Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 1.591.750,97 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 1.562.626,47 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Mai 2023, GZ 5 R 63/23f‑56, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 31. Jänner 2023, GZ 5 Cg 81/21s‑52, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00165.23P.1025.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es – unter Einschluss der rechtskräftigen Abweisung von 29.124,50 EUR – insgesamt lautet wie folgt:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 1.591.750,97 EUR samt 4 % Zinsen seit 20. 4. 2020 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 126.482,24 EUR (darin enthalten 7.408,41 EUR USt und 82.031,78 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Am 24. 9. 2019 trat an einem von der Klägerin gehaltenen Tunnel aufgrund eines Brandes eines in Ungarn zugelassenen LKWs ein erheblicher Schaden ein. Brandursache war ein technischer Defekt des LKW.

[2] Vor Einfahrt in den Tunnel bemerkte der Lenker des LKWs noch keine technischen Probleme. Ein allfälliges Brandgeschehen war für ihn nicht wahrnehmbar. Erstmals im Tunnel nahm er ein „Rütteln bzw Flattern“ sowie einen „Knall“ wahr und bremste leicht auf 70 km/h ab. Als er bemerkte, dass Luft aus dem linken Vorderreifen entwich, brachte er das Fahrzeug am Pannenstreifen zum Stillstand, stieg aus und sah, dass der linke Vorderreifen brannte. Er holte einen der beiden im Fahrzeug von der Halterin verstauten Handfeuerlöscher, zog die Plombe und versuchte zu löschen. Da nur wenig Löschmittel austrat, versuchte er es mit dem zweiten Handfeuerlöscher erneut, wobei ebenfalls nur wenig Löschmittel austrat.

[3] DieHalterin hatte den Lenker nicht im Umgang mit derartigen Löschgeräten unterwiesen. Der Lenker hatte sich auch nicht selbstständig mit deren Handhabung vertraut gemacht. Er hatte zwar alle von der Halterin vorgeschriebenen Kurse absolviert und Unterlagen durchgearbeitet; in diesenwurde der Umgang mit derartigen Löschgeräten aber nicht erklärt. Mangels ausreichender Kenntnis über die Handhabung der Löschgeräteschaffte es der Lenker nicht, das Löschmittel wirksam in den Brand einzubringen. Ein richtiger Einsatz hätte dazu geführt, dass der Tunnel nicht beschädigt worden wäre.

[4] Insgesamt entstanden der Klägerin aufgrund des Brandgeschehens Auslagen und ein Mautentgang von 2.888.750,78 EUR.

[5] Die österreichische Vertretung des ungarischen Haftpflichtversicherers zahlte gemäß § 16 Abs 1 Z 1 EKHG (ungewidmet) 1.296.999,80 EUR.

[6] Die Klägerin begehrt vom beklagten Verband ihre noch nicht beglichenen Schäden in Höhe von 1.591.750,97 EUR. Der Lenker habe es unterlassen, zielführende Löschmaßnahmen zu ergreifen, obwohl ihm dies als kundigem Berufskraftfahrer zuzumuten gewesen wäre. Die Halterin habe für dieses Verschulden einzustehen. Diese treffe aber auch ein eigenes Verschulden, weil sie es unterlassen habe, ihren Lenker im Gebrauch der Feuerlöscher zu unterweisen und ihn mit der Gefahrenabwehr vertraut zu machen. Aufgrund der fahrleistungsabhängigen Maut bestehe überdies ein Vertragsverhältnis zwischen der Halterin und der Klägerin, das Schutz- und Sorgfaltspflichten begründe.

[7] Der Beklagte wendet zusammengefasst ein, den Lenker treffe im Zusammenhang mit den Löscharbeiten kein Verschulden. Er habe sich aufgrund der Rauchentwicklung und der raschen Brandausbreitung bereits in Lebensgefahr befunden. Zum Zeitpunkt der Löscharbeiten sei der LKW überdies nicht mehr in Betrieb gewesen. Die Beklagte habe zwar für die Gefährlichkeit des Betriebs des LKWs, nicht jedoch für eine allfällige unsachgemäße Benutzung eines Feuerlöschers einzustehen. Eine Verpflichtung, Feuerlöscher mitzuführen oder Lenker in deren Handhabung zu unterweisen, bestehe nicht. Der Straßenbenützungsvertrag entfalte keine Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Straßenerhalter.

[8] Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 1.562.626,47 EUR statt und wies das Mehrbegehren – unbekämpft – ab. Der Halterin sei kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen. Sie habe weder gegen Ausbildungsrichtlinien noch sonstige Schutz- und Sorgfaltspflichten verstoßen, sondern den LKW ohnehin mit zwei gewarteten Handfeuerlöschern ausgestattet. Die unterbliebene Schulung ihres Lenkers in deren Handhabung sei ihr nicht vorzuwerfen. Allerdings wäre der Lenker als Berufskraftfahrer verpflichtet gewesen, sich mit der richtigen Handhabung der mitgeführten Löschgeräte vertraut zu machen. Bei richtiger Handhabung hätte er das Feuer soweit bekämpfen können, dass es nicht zum nun geltend gemachten Schaden gekommen wäre.

[9] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ging von einer Verwendung des LKWs im Sinn des § 2 Abs 1 KHVG und daher davon aus, dass der Schaden grundsätzlich vom Deckungsumfang der Kfz‑Haftpflichtversicherung mitumfasst sei. Anders als das Erstgericht bejahte es ein eigenes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Halterin und ließ offen, ob (auch) dem Lenker ein Verschuldensvorwurf zu machen sei. Eine Verschuldenshaftung des Halters komme nach den §§ 1293 ff ABGB auch dann in Frage, wenn ihn ein über die Ermöglichung der Benutzung des Kraftfahrzeugs hinausgehendes Verschulden (in Bezug auf den Unfall) treffe, das zu einer Gefährdung der Allgemeinheit führt. Verlangt werde, dass der Halter eine von vornherein ungewöhnliche, die Allgemeinheit gefährdende Benutzung ermögliche oder ein Schutzgesetz, wie etwa die sinngemäß auch auf den Halter anzuwendende Bestimmung des § 102 Abs 6 KFG, verletze. Diese im Zusammenhang mit „Schwarzfahrten“ ergangene Rechtsprechung sei auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die Halterin habe durch die Ausstattung ihres LKWs mit Feuerlöschern zum Ausdruck gebracht, zumindest von der Möglichkeit eines Brandgeschehens auszugehen. Durch die dennoch unterbliebene, ohne Weiteres zumutbare Schulung ihres Lenkers im Umgang mit den Löschgeräten ermögliche sie eine für die Allgemeinheit gefährliche, von vornherein ungewöhnliche Benutzung. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil nicht geklärt sei, ob die dargestellte Rechtsprechung zur Verschuldenshaftung des Halters auch auf Fälle anzuwenden sei, die nicht die Zurechnung von „Schwarzfahrten“ außerhalb der Gefährdungshaftung des EKHG betreffen.

[10] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revisiondes beklagten Verbands wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinn des Abänderungsantrags auch berechtigt.

[13] Die Revision argumentiert, eine Haftung des Beklagten scheide schon deshalb aus, weil der Schadenersatzanspruch nicht auf die Verwendung eines Fahrzeugs im Sinn des § 2 Abs 1 KHVG, sondern die (unsachgemäße) Verwendung eines Feuerlöschers gestützt werde. Die unterbliebene Einschulung des Lenkers in die Verwendung der – mangels Vorliegens eines Gefahrguttransports rechtlich gar nicht erforderlichen – Handfeuerlöscher begründe keine Ermöglichung einer von vornherein ungewöhnlichen, für die Allgemeinheit gefährlichen Benutzung des Fahrzeugs. Auch aus allfälligen vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten aufgrund des Straßenbenutzungsvertrags sei keine Pflicht der Halterin abzuleiten, Berufskraftfahrer in die Handhabung von Feuerlöschern einzuweisen, deren Mitführung nicht einmal gesetzlich vorgeschrieben sei. Ebenso wenig treffe den Lenker ein Verschulden. Die Löscharbeiten seien überdies weder dem Betrieb des Fahrzeugs zuzurechnen noch für den Unfall, nämlich den auf einen technischen Defekt zurückzuführenden Brand, ursächlich gewesen. Die Voraussetzungen des § 19 Abs 2 EKHG lägen daher nicht vor.

[14] 1. Nach Art 3 HStVÜ ist der Verkehrsunfall für den deliktischen Schadenersatz nach österreichischem Recht zu beurteilen. Auch der getrennt anzuknüpfende (vgl Schlosser/Fucik/Hartl, Verkehrsunfall VI3 Rz 998, 1035) vertragliche Schadenersatzanspruch richtet sich schon deshalb nach österreichischem Recht, weil sich die Parteien übereinstimmend darauf berufen haben, sodass von einer beachtlichen Rechtswahl auszugehen ist (RS0040169).

2. § 2 KHVG

[15] 2.1 Nach Abs 1 dieser Bestimmung umfasst die Versicherung die Befriedigung begründeter oder die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch die Verwendung des versicherten Fahrzeugs Personen verletzt oder getötet werden, Sachen beschädigt oder zerstört worden oder abhanden gekommen sind oder ein Vermögensschaden verursacht worden ist, der weder Personen- noch Sachschaden ist (bloßer Vermögensschaden).

[16] 2.2 § 2 Abs 1 KHVG regelt den Deckungsumfang der Kfz‑Haftpflichtversicherung gesetzlich zwingend, begründet aber keine von der Ersatzpflicht der genannten Personen unabhängige Schadenersatzpflicht des Versicherers. Trifft weder den Versicherungsnehmer noch einen Mitversicherten eine Schadenersatzpflicht, so haftet der Versicherer auch dann nicht, wenn der Schaden durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs verursacht wurde (2 Ob 228/17v Pkt 1. mwN).

[17] 2.3 Der Begriff der Verwendung gemäß § 2 Abs 1 KHVG ist nach ständiger Rechtsprechung weiter als der Begriff des Betriebs im Sinn des § 1 EKHG (RS0116494). Er erfasst die Verwendung (den Gebrauch) des Fahrzeugs schlechthin (RS0088976; RS0088978). Maßgeblich ist, ob ein zeitlicher, örtlicher und sachlicher Zusammenhang mit dem versicherten Fahrzeug besteht und sich die konkrete schadensverursachende Handlung als typische Fahrerhandlung darstellt. Überdies ist zu fordern, dass der Schadensfall in adäquat ursächlichem Zusammenhang mit der Gebrauchshandlung und in einem inneren Zusammenhang mit dem Haftpflichtgefahrenbereich steht, für den der Kfz‑Haftpflichtversicherer deckungspflichtig ist (7 Ob 46/05y mwN). Deshalb sind beispielsweise das Be- und Entladen eines versicherten Fahrzeugs grundsätzlich als Verwendung eines Kraftfahrzeugs anzusehen (7 Ob 182/08b; 2 Ob 47/14x Pkt D. mwN). Im Zuge des Be- und Entladens entstandene Schäden sind daher auch von der Kfz-Haftpflichtversicherung umfasst (vgl etwa RS0088976 [T5]). Auch die Durchführung von (nicht gewerbsmäßigen) Reparaturarbeiten wurde bereits als Verwendung eines Kraftfahrzeugs angesehen (7 Ob 46/05y; 2 Ob 178/11g Pkt 2. [Anhänger]; 7 Ob 10/22d Rz 7 [Schweißarbeiten]). Gleiches gilt für die Selbstentzündung eines in einer Privatgarage eines Hauses geparkten Kraftfahrzeugs (2 Ob 179/19s Rz 16, 28) sowie die Verursachung eines Brandes durch sorgfaltswidriges Aufwärmen des Motors mit einem Heizlüfter (2 Ob 170/20v Rz 18).

[18] Unter Zugrundelegung dieserPrämissensind daher der auf einen technischen Defekt während der Fahrt zurückzuführende Brand sowie die anschließenden Löscharbeiten im Hinblick auf den inneren Zusammenhang mit dem versicherten Fahrzeug dessen Verwendung im Sinn des § 2 Abs 1 KHVG zuzurechnen.

[19] 3. Unter den „gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen“ im Sinn des § 2 Abs 1 KHVG sind nach ständiger Rechtsprechung sowohl jene des EKHG als auch die Schadenersatznormen des ABGB zu verstehen (RS0065615; RS0081163).

[20] 4. Eine Haftung nach dem EKHG ist aufgrund der – unstrittigen – Ausschöpfung der Haftungshöchstbeträge durch die Zahlung der österreichischen Vertretung der ungarischen Haftpflichtversicherung nicht weiter zu prüfen.

5. Verschuldenshaftung

[21] 5.1 Haftung des Halters aufgrund eigenen Verschuldens – § 19 Abs 1 EKHG

[22] 5.1.1 Gemäß § 19 Abs 1 EKHG bleiben die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches und andere Vorschriften, nach denen der Halter für den verursachten Schaden in weiterem Umfang als nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes haftet oder für den Schaden verantwortlich ist, unberührt.

[23] Den Halter kann daher auch eine Verschuldenshaftung aus eigenem Verhalten, sei es aufgrund der Verletzung vertraglicher oder deliktischer Pflichten, treffen (Neumayr in Schwimann/Neumayr 5, § 19 EKHG Rz 1; Schauer in Schwimann/Kodek 5, § 19 EKHG Rz 3). Das bloße Verschulden des Halters an der Ermöglichung einer „Schwarzfahrt“ begründet aber lediglich dessen solidarische Gefährdungshaftung mit dem Schwarzfahrer (Danzl, EKHG10 § 6 Anm 7a).

[24] Geht jedoch das schuldhafte Verhalten des Halters über die bloße Ermöglichung der Benutzung hinaus, ist die Allgemeinheit unmittelbar gefährdet und stellt sein Verhalten eine Verletzung seiner Halterpflicht überhaupt dar, kommt auch eine Verschuldenshaftung in Betracht (RS0038554; vgl auch Danzl, EKHG10 § 6 E 52.). Der Halter hat jede ihm zumutbare Sicherungsmaßnahme gegen eine missbräuchliche und die Allgemeinheit gefährdende Benutzung seines Kraftfahrzeugs zu treffen (RS0038787). Eine Verschuldenshaftung des Halters nach den §§ 1293 ff ABGB kommt nach der Rechtsprechung daher in Frage, wenn ihm – über die bloße Ermöglichung der Benutzung des Fahrzeugs hinaus – ein Verhalten vorzuwerfen ist, das zu einer Gefährdung der Allgemeinheit führt (vgl 2 Ob 59/15p Pkt 4.1 mwN) oder er eine Schutznorm im Sinn des § 1311 ABGB verletzt (RS0038554 [T2]). Die Voraussetzungen für eine Verschuldenshaftung wurden etwa dann bejaht, wenn die Benutzung des Fahrzeugs schuldhaft ermöglicht wurde, obwohl der Benutzer keine Lenkberechtigung besaß (2 Ob 3/89; vgl auch RS0023338), alkoholisiert war (2 Ob 148/04k) oder gegen die – auch für den Halter maßgebliche (RS0058344) – Schutznorm des § 102 Abs 6 KFG verstoßen wurde (2 Ob 2277/96h), die den Schutz der Allgemeinheit bezweckt (RS0027642).

[25] Die Rechtsprechung betrifft nicht die – bloß eine Gefährdungshaftung begründende – Zurechnung von Schwarzfahrten zum Halter wegen schuldhafter Ermöglichung der Schwarzfahrt im Sinn des § 6 Abs 1 EKHG, sondern generell, dh unabhängig vom Vorliegen einer „Schwarzfahrt“, die Voraussetzungen für eine Verschuldenshaftung des Halters, mag die schuldhafte Ermöglichung einer „Schwarzfahrt“ auch oft mit einer Schutzgesetzverletzung (bspw § 102 Abs 6 KFG) einhergehen (vgl Danzl, EKHG10 § 6 Anm 7a). Mit anderen Worten: Die Verschuldenshaftung des Halters ist vom Vorliegen einer „Schwarzfahrt“ bzw deren Zurechnung zum Halter unabhängig und setzt nach der Rechtsprechung (nur) ein die Allgemeinheit (unmittelbar) gefährdendes Verhalten, beispielsweise die Ermöglichung einer von vornherein ungewöhnlichen, gefährlichen Benutzung seines Fahrzeugs, oder die Verletzung eines Schutzgesetzes voraus.

[26] 5.1.2 Unstrittig ist, dass die Halterin durch die unterlassene Schulung ihres Lenkers in der Handhabung der gesetzlich für den vorliegenden Transport gar nicht vorgeschriebenen Löschgeräte weder gegen ein Schutzgesetz noch allfällige Ausbildungsrichtlinien verstoßen hat.

[27] Zwar erschöpft die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen oder behördlicher Auflagen nicht stets die gebotene Sorgfalt (vgl RS0023511 [T8]; Karner in KBB7 § 1297 ABGB Rz 1 mwN). Nach Ansicht des Senats stellt aber die unterbliebene Schulung des Lenkers im Umgang mit den im Fahrzeug vorhandenen, gesetzlich nicht vorgeschriebenen Löschgeräten kein Verhalten dar, das eine von vornherein ungewöhnliche, die Allgemeinheit gefährdende Benutzung des Fahrzeugs ermöglichen würde. Zwar hat derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung abzuwenden (RS0022778). Für das Ausmaß einer Sicherungspflicht ist entscheidend, ob nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eine naheliegende und voraussehbare Gefahrenquelle bestand (RS0023902), wobei es maßgeblich auf die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung (RS0022778 [T24]; RS0023487 [T7]) sowie auf die Größe der Gefahr und das Verhältnis zwischen den gefährdeten Interessen und den erforderlichen Abwehrmaßnahmen ankommt (RS0022778 [T5, T20]). Ihre Grenze hat diese Sicherungspflicht in dem dem Sicherungspflichtigen Zumutbaren (RS0022778 [T15]). Die Sorgfaltspflicht darf nämlich nicht überspannt werden und eine vom Verschulden unabhängige Haftung zur Folge haben (RS0022778 [T10, T11, T33]).

[28] Mag zwar ein Brandgeschehen im Zusammenhang mit der Verwendung eines Fahrzeugs nicht auszuschließen sein, so ist die Wahrscheinlichkeit einer brandbedingten Schädigung fremden Eigentums, dessen Schutz aus dem Ingerenzprinzip abgeleitete Schutz- und Sorgfaltspflichten dienen, als nicht so hoch bzw naheliegend einzustufen, dass – zumindest ohne Hinzutreten weiterer Gefahrenmomente – über die gesetzlich gebotenen Maßnahmen hinaus, weitere besondere Vorkehrungen zu treffen wären. Wollte man Gegenteiliges annehmen, hieße dies, die Wertungen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Ausstattung von Fahrzeugen mit Löschgeräten zu unterlaufen. Überdies müsste die Halterin als Transportunternehmen zur Vermittlung des Fachwissens zur Brandbekämpfung insoweit sachverständige Dritte hinzuziehen. Dies würde aber zumindest in jenen Fällen, in denen die Mitführung von Löschgeräten nicht einmal gesetzlich vorgeschrieben ist und keine sonstigen, besonderen brandgefahrenerhöhenden Umstände vorliegen, das Maß des Zumutbaren übersteigen.

[29] Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Durch die bloße Ermöglichung der bestimmungsgemäßen Verwendung eines mit gesetzlich nicht vorgeschriebenen Löschgeräten ausgestatteten LKWs ohne vorherige Einschulung in deren Handhabung wird – zumindest ohne Hinzutreten weiterer (brandgefahrenerhöhender) Umstände – keine (Brand‑)Gefahrenquelle für die Allgemeinheit geschaffen, die besondere, vorbeugende Vorkehrungen, insbesondere von Schulungen in Bezug auf die Verwendung von Löschgeräten erfordern würde.

[30] Aus den dargestellten Erwägungen scheidet auch eine vertragliche Haftung aus allfälligen aus dem Straßenbenützungsvertrag resultierenden Schutz- und Sorgfaltspflichten aus, sollen doch auch vertragliche Verkehrssicherungspflichten nicht überspannt werden (RS0023487 [T17]).

5.2 Haftung des Halters aufgrund Verschuldens des Lenkers – § 19 Abs 2 EKHG

[31] 5.2.1 Der Halter haftet gemäß § 19 Abs 2 EKHG auch für das Verschulden der Personen, die mit seinem Willen beim Betrieb tätig waren. Seine Haftung ist davon unabhängig, ob den Halter selbst ein Verschulden trifft (RS0058312). Diese Bestimmung ordnet vielmehr eine über die §§ 1313a und 1315 ABGB hinausgehende Gehilfenhaftung an (RS0028617). Voraussetzung ist, dass es sich um einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs handelt (RS0058506) und das schuldhafte Verhalten des Betriebsgehilfen für den Unfall ursächlich war (RS0058481). Der Halter haftet solidarisch mit dem nach §§ 1293 ff ABGB aufgrund eigenen rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens ersatzpflichtigen Betriebsgehilfen (Neumayr in Schwimann/ Neumayr 5, § 19 EKHG Rz 13).

[32] 5.2.2 Der Begriff „beim Betrieb“ im Sinn des § 1 EKHG ist dahin zu verstehen, dass entweder ein innerer Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeugbetrieb eigentümlichen Gefahr oder, wenn dies nicht der Fall ist, ein adäquat ursächlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs bestehen muss (RS0022592). Ob sich ein Kraftfahrzeug „in Betrieb" befindet, ist nicht von einem rein „maschinentechnischen Ansatz“ zu beurteilen (RS0058385). Maßgebend ist vielmehr, ob der Unfall mit der verkehrstechnischen Gefährlichkeit eines Kraftfahrzeugs in ursächlichem Zusammenhang steht (RS0058385 [T6]). Es kommt daher nicht nur auf jene Gefahr an, die sich aus der Inbetriebnahme des Motors und der damit verbundenen Bewegung des Fahrzeugs ergibt. Vielmehr ist im Sinn eines „verkehrstechnischen Ansatzes“ auch jene Gefahr relevant, die unabhängig von einer motorbedingten Bewegung auf der Teilnahme am Verkehr beruht (RS0058385 [T8]; 2 Ob 55/17b Pkt 1.3. mwN). Ein Fahrzeug ist daher solange in Betrieb, als es sich im Verkehr befindet und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet (vgl 2 Ob 44/08x Pkt II.). Maßgeblich ist, ob sich die spezifische Gefahr eines sich mit Motorkraft bewegenden oder in anderer Weise am Verkehr teilnehmenden Fahrzeugs verwirklicht (vgl 2 Ob 188/16k Pkt 1.3., 2.3.a [Gefahrenzusammenhang]).

[33] Ausgehend von diesen Prämissen hat die Rechtsprechung einen auf überhitzte Bremsen zurückzuführenden Brand eines auf einem Betriebsgelände zum Stillstand gebrachten Fahrzeugs – schon aufgrund maschinentechnischer Gesichtpunkte (vgl 2 Ob 55/17b Pkt 2.1.) – dem Fahrzeugbetrieb zugerechnet (2 Ob 13/93), jedoch bei einem auf einen Kurzschluss zurückzuführenden Brand eines seit zwei Tagen abgestellten Fahrzeugs (2 Ob 188/16k) oder im Fall einer Brandstiftung (2 Ob 108/08h) eine Haftung mangels Vorliegens eines Unfalls beim Betrieb verneint.

[34] Das auf einen während des Fahrbetriebs aufgetretenen technischen Defekt zurückzuführende Brandgeschehen ist schon unter Zugrundelegung maschinentechnischer Gesichtspunkte als ein Betriebsunfall zu werten, hat sich doch eine spezifische Gefahr eines sich mit Motorkraft bewegenden Fahrzeugs verwirklicht.

[35] 5.2.3 Das Verhalten des Lenkers muss, um eine Zurechnung zum Halter gemäß § 19 Abs 2 EKHG zu begründen, überdies für den „Unfall“ ursächlich sein (RS0058481). „Unfall“ ist das unmittelbar von außen her, plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkende Ereignis (RS0058130), wobei der Unfallbegriff objektiv zu verstehen ist, sodass sogar dessen vorsätzliche Herbeiführung in Betracht kommt (vgl 2 Ob 183/22h Rz 13). Ganz allgemein wird unter einem Unfall im Gefährdungshaftungsrecht ein von außen her plötzlich einwirkendes schädigendes Ereignis (hier: Brand) verstanden (RS0058130 [T2]).

[36] Unstrittig ist, dass der Lenker kein für die Brandentstehung ursächliches Verhalten gesetzt hat, weil diese doch vielmehr auf einen technischen Defekt zurückzuführen war. Ob die mangels ausreichender Kenntnis über die Handhabung der Löschgeräte unzureichenden Löschmaßnahmen, die letztlich (nur) für das Brand- und Schadensausmaß (mit‑)ursächlich waren, dem Halter als für den „Unfall“ ursächliches Verhalten gemäß § 19 Abs 2 EKHG zugerechnet werden können, bedarf aus folgenden Gründen keiner Klärung:

[37] 5.2.4 Voraussetzung für eine Zurechnung ist nämlich jedenfalls, dass dem Betriebsgehilfen eigenes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zur Last liegt.

[38] Der Lenker des LKWs unterliegt bezüglich der von ihm zu fordernden technischen und rechtlichen Kenntnisse dem Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB (RS0026508). Maßgeblich ist die (objektiv) übliche Sorgfalt jener Personen, die die betreffende Tätigkeit ausüben (RS0026524). Entscheidend ist der Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe (RS0026541). Von jedem Kraftfahrer wird verlangt, dass er die Regeln der Fahrkunst beherrscht. Dazu gehört auch eine richtige Bedienung der Betriebseinrichtungen des Fahrzeugs sowie rasches und zweckmäßiges Verhalten bei auftretenden Gefahrensituationen. Bedienungsfehler, die auf mangelnde Beherrschung der Regeln der Fahrkunst zurückzuführen sind, können daher den Lenker nicht entschuldigen (RS0023387; RS0023382 [Regeln der Fahrtechnik]; RS0026183 [Regeln der Fahrtechnik und Fahreigenschaften]). Überdies gelten Fahrzeuglenker in Bezug auf die ihr Fahrzeug betreffenden Vorschriften als Sachverständige (RS0026487). Im konkreten Fall ist der Leistungsstandard eines Berufskraftfahrers maßgeblich.

[39] Im Zusammenhang mit der Brandentstehung oder der Einfahrt in den Tunnel ist dem Lenker – unstrittig – kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen.

[40] Ebenso wenig betrifft das dem Lenker vorgeworfene unzureichende Löschverhalten die Regeln der Fahrkunst, der Bedienung von Betriebseinrichtungen oder die Vorschriften für ein bestimmtes Fahrzeug, musste dieses doch unstrittig nicht mit Löschgeräten ausgestattet sein. Spezielle Kenntnisse im Zusammenhang mit der Brandbekämpfung und dem Umgang mit Löschgeräten sind nur von Gefahrgutlenkern (vgl § 14 GefahrgutbeförderungsG – GGBG iVm § 15 Abs 3 Z 3 Gefahrgutbeförderungsverordnung – GGBV BGBl II 303/1999 idF BGBl II 214/2005), nicht aber sonstigen Berufskraftfahrern zu erwarten.

[41] Aus Ingerenzüberlegungen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Mangels Vorliegens einer für die Allgemeinheit bzw das Eigentum Dritter (besonders) naheliegenden Brandgefahrenquelle bei bestimmungsgemäßer Fahrzeugverwendung (vgl Pkt 5.1.2) bestand für den Lenker als Berufskraftfahrer – wie für die Halterin – auch unter diesem Blickwinkel keine Verpflichtung, sich vor Fahrtantritt selbstständig – über die Absolvierung der Kurse der Halterin und Durcharbeitung aller Unterlagen hinaus – mit der Handhabung der gesetzlich für den hier zu beurteilenden LKW gar nicht vorgeschriebenen Feuerlöschgeräten vertraut zu machen (vgl RS0025975 [über Anweisungen hinausgehende Wartungsvorgänge]). Deren fehlerhafte Anwendung beim Brandgeschehen kann ihm daher nicht zum Vorwurf gemacht werden.

[42] Die Nichtverwendung der im Tunnel angebrachten Löschgeräte ist dem Lenker ebenfalls nicht als Verschulden anzulasten. Einerseits nahm er diese gar nicht wahr. Andererseits befand er sich nach den erfolglosen Löschversuchen in einem „Schockzustand“, sodass ihm im Hinblick auf das fortschreitende Brandgeschehen und seine damit verbundene unmittelbare Gefährdung auch kein Verschuldensvorwurf dahingehend gemacht werden kann, dass er nicht mehr daran dachte, im Tunnel vorhandene Löschgeräte zu suchen und zu verwenden (vgl RS0023292).

[43] 6. Zusammengefasst scheidet daher eine Haftung des Beklagten mangels rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der Halterin oder des Lenkers aus.

[44] 7. Die aufgrund der Abänderung neu zu fassende Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der verzeichnete Kostenvorschuss über 1.500 EUR für die Sachverständigengebühr wurde nicht erlegt. Insoweit hatte daher eine Kürzung des Kostenverzeichnisses des Beklagten zu erfolgen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte