BVwG W210 2191309-1

BVwGW210 2191309-131.7.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W210.2191309.1.00

 

Spruch:

W210 2191309-1/18E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, Nikolsdorfergasse 7-11/Top 2, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.02.2019 zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 06.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Am 06.12.2015 wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seiner Identität, seiner Reiseroute und seinem Fluchtgrund befragt. Hier gab er an, am XXXX in Afghanistan, Provinz Bamyan, geboren zu sein aber in Ghazni gelebt zu haben. Seinen Herkunftsstaat habe er aus Angst vor den Taliban und der Polizei verlassen. Er habe als Krankenpfleger gearbeitet und sei von den Taliban entführt worden, um einen Verletzten zu versorgen. Nach einem Tag in Gefangenschaft sei er freigelassen worden. Die Polizei habe ihm daraufhin vorgeworfen, den Verletzten freiwillig versorgt zu haben.

 

3. Am 19.03.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Befragt nach seinem Fluchtgrund wiederholte er hier seine Angaben aus der Erstbefragung und führte diese näher aus. Zugleich legte er ein Konvolut an Beweismitteln und Integrationsunterlagen vor.

 

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zudem wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

 

Das Fluchtvorbringen wurde für nicht glaubhaft und - unter Berufung auf ein fehlendes Meldewesen in Afghanistan und eine geringe Wahrscheinlichkeit der Verfolgung nach langjähriger Abwesenheit - selbst für den Fall einer Wahrunterstellung als nicht asylrelevant erachtet. Der Beschwerdeführer wurde auf eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative in Kabul oder Mazar-e Sharif verwiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz sei nicht zu erteilen, weil die Voraussetzungen nicht vorlägen. Das Bestehen eines schützenswerten Familienlebens in Österreich wurde ebenfalls verneint; der Beschwerdeführer habe in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige. Nach Abwägung der öffentlichen Interessen und jenen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet kam die Behörde zum Schluss, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen sei seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig. Da im Falle des Beschwerdeführers keine Gründe hätten festgestellt werden können, die dieser bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, betrage die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG 14 Tage.

 

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, die gegenständliche Beschwerde. Es liege jedenfalls eine asylrelevante Verfolgung vor; der Beschwerdeführer habe widerspruchsfreie und detaillierte Angaben zu seinem Fluchtgrund gemacht und eine persönliche Bedrohung aufgezeigt. Eine innerstaatliche Schutzalternative bestehe nicht, die Sicherheitslage sei in ganz Afghanistan schlecht. Eine Rückführung stelle gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14.12.2017 (2017/2932(RSP)) zur Lage in Afghanistan einen unmittelbaren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar. Vorbringen zu den Spruchpunkten III. bis VI. des angefochtenen Bescheides wurde nicht erstattet.

 

6. Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Unter einem wurde der Verzicht auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung erklärt.

 

7. Am 19.11.2019 legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung über seine Mitgliedschaft bei der religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Atheistischen Religionsgemeinschaft in Österreich (ARG)" seit 01.10.2018 vor.

 

8. Mit Beschwerdeergänzung vom 14.02.2019 wurde vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der "ARG" und ob des Umstandes, dass er in den sozialen Netzwerken für jedermann einsehbar islamkritische Beiträge veröffentlicht und "geteilt" habe, unabhängig von seiner inneren Überzeugung, eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan drohe. Der Beschwerdeführer verweist hierbei auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, auf ein Gutachten von XXXX vom 28.03.2018, auf die EASO-Country Guidance zu Afghanistan aus Juni 2018, auf den EASO-Bericht zu gesellschaftlichen und rechtlichen Normen aus Dezember 2017 sowie auf zwei ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 01.06.2017 und 09.07.2017 und die darin zitierten Berichte sowie auf hg. Entscheidungen. Mit der Beschwerdeergänzung wurden die Satzung der "ARG", eine Bestätigung eines Präsidiumsmitglieds der "ARG" sowie weitere Integrationsunterlagen vorgelegt.

 

9. Am 28.02.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und des ausgewiesenen Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinen Beweggründen hinsichtlich der Ausreise aus Afghanistan und allfälligen Rückkehrbefürchtungen befragt und der stellig gemachte Zeuge, XXXX , zum Beweisthema des behaupteten Glaubensabfalls einvernommen wurde. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung Bestätigungen über seine psychotherapeutische Behandlung und eine ehrenamtliche Mitarbeit in einem Krankenhaus vor.

 

10. Mit Eingabe vom 14.03.2019 nahm der Beschwerdeführer im Lichte seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung zu den dort in das Verfahren eingebrachten Länderberichten Stellung.

 

11. Am 29.05.2019 legte der Beschwerdeführer weitere Integrationsunterlagen vor.

 

12. Dem Beschwerdeführer wurde die Aktualisierung des Länderinformationsblatts vom 29.06.2018 mit Stand: 04.06.2019 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Mit Eingabe vom 25.07.2019 macht er nach gewährter Fristerstreckung davon Gebrauch.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hiergerichtlichen Akt betreffend den Beschwerdeführer; insbesondere in die Befragungsprotokolle und in die durch das BFA und den Beschwerdeführer in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.02.2019 und Einholung neuer bzw. ergänzender Länderberichte, so das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Stand:

31.01.2019, die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender, den ACCORD-Bericht vom 07.12.2018 zur Sicherheits- und Versorgungslage in Herat, Mazar-e Sharif und Kabul 2010-2018, den Landinfo-Bericht vom 23.08.2017 mit dem Titel: "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" und den Landinfo-Bericht vom 29.06.2017 mit dem Titel: "Rekrutierung durch die Taliban" sowie durch Einholung von Stellungnahmen zu diesen Berichten und Berücksichtigung der dort und in der Beschwerde bzw. Beschwerdeergänzung zitierten Judikate und Berichte, so die EASO-Leitlinien zu Afghanistan aus Juni 2018, der EASO-Bericht zu gesellschaftlichen und rechtlichen Normen aus Dezember 2017 und die ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 01.06.2017 zur Situation von vom Islam abgefallenen Personen, christlichen Konvertiten, Personen, die Kritik am Islam äußern, Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und Rückkehrern aus Europa.

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, seinem Leben in Afghanistan und Österreich und zu seinen Fluchtgründen:

 

Der am XXXX geborene und somit volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und der Volksgruppe der Hazara zugehörig. Er ist ledig und kinderlos. Seine Muttersprache ist Dari.

 

Der Beschwerdeführer entstammt einer schiitisch-muslimischen Familie und wurde als schiitischer Moslem erzogen. Er ist seit 01.10.2018 Mitglied der religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Atheistischen Religionsgemeinschaft in Österreich (ARG)" und trat am 05.02.2019 aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich aus.

 

Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Bamyan geboren, wuchs aber in Ghazni, XXXX , auf und besuchte dort zwölf Jahre die Schule. Er absolvierte eine dreijährige Ausbildung zum Krankenpfleger in Mazar-e Sharif und arbeitete anschließend bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan als Krankenpfleger im Sar-e Pul-Hospital.

 

Die Eltern und die vier Geschwister des Beschwerdeführers leben mittlerweile im Iran. Dort sowie in Pakistan halten sich auch seine Tanten, sein Onkel und seine Großeltern mütterlicherseits auf.

 

Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan im Herbst 2015 und stellte am 06.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten, bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Er verfügt über gute Deutschkenntnisse, erwarb Sprachzertifikate bis zum Niveau B1 und absolvierte zuletzt einen Deutschkurs auf dem Niveau B2/2. Er nahm an einem Werte- und Orientierungskurs sowie an einem Schwerpunktkurs für Pflege und Betreuung in deutscher Sprache teil und leistete beginnend mit April 2017 Freiwilligenarbeit beim Roten Kreuz als Erste-Hilfe-Instruktor für Menschen mit Migrations- bzw. Fluchthintergrund. Mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 10.07.2018 wurde die vom Beschwerdeführer in Afghanistan absolvierte Ausbildung in einem Gesundheitsberuf unter der Bedingung der Absolvierung einer theoretischen Ergänzungsausbildung und Ablegung kommissioneller Ergänzungsprüfungen als einer in Österreich absolvierten Ausbildung in der Pflegeassistenz gleichwertig anerkannt. Der Beschwerdeführer absolvierte zu diesem Zweck bis April 2019 eine Nostrifikationsausbildung bzw. Ergänzungsausbildung im Rahmen des Nostrifikationslehrgangs der Pflegeassistenz. Die Kosten dieser Bildungsmaßnahmen wurden vom Fonds XXXX übernommen. Der Beschwerdeführer war bzw. ist seit April 2018 als ehrenamtlicher Mitarbeiter im Krankenhaus XXXX tätig und absolvierte von 15.04.2019-12.05.2019 sowie von 20.05.2019-21.06.2019 Praktika im Rahmen seiner Nostrifikationsausbildung. Er verfügt über eine (bedingte) Einstellungszusage in einem Pensionisten-Wohnhaus zum nächst möglichen Termin für eine Wochenstundenverpflichtung im Ausmaß von 30 Stunden und einem Gehalt gemäß Kollektivvertrag von EUR 1.614,24. Der Beschwerdeführer ist Mitglied im Verein "Schach ohne Grenzen" und in einem Fitnesscenter. Die vorgelegten Bestätigungs- und Empfehlungsschreiben zeichnen insgesamt ein positives Charakterbild vom Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer hat die Ergänzungsausbildung im Rahmen des Nostrifikationslehrganges für Pflegeassistenz mit Erfolg absolviert.

 

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen. Es besteht auch kein Abhängigkeits- oder Naheverhältnis zu einer in Österreich lebenden Person.

 

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung. Er befindet sich seit Jänner 2019 in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung aufgrund depressiver Verstimmungen und nimmt das Medikament Cipralex 5 mg.

 

Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private, aufgrund seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen).

 

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - Afghanistan:

 

Allgemeine Sicherheitslage:

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit letzter Kurzinformation vom 04.06.2019 - LIB 04.06.2019, S. 22). Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (LIB 04.06.2019, S. 65).

 

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 04.06.2019, S. 65). Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt

23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan; für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712. Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (LIB 04.06.2019, S. 66).

 

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 1.773 zivile Opfer, darunter 582 Kinder. Dies entspricht einem Rückgang der Opferzahl gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 23%. Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus (LIB 04.06.2019, S. 13).

 

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 04.06.2019, S. 68). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 04.06.2019, S. 22).

 

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 04.06.2019, S.76).

 

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 04.06.2019, S. 69). Ende Mai 2019 und in der ersten Juni-Woche 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen statt (LIB 04.06.2019, S. 14 f.).

 

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 04.06.2019, S. 69). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 04.06.2019, S. 70-72).

 

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist kaum entwickelt. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (LIB 04.06.2019, S. 351).

 

Zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers - Bamyan:

 

Bamyan liegt im Süden des Hindukusch und im Norden des Koh-e-Baba Gebirges. In Bamyan existiert ein nationaler Flughafen. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 462.144 geschätzt. Bamyan-City gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Hazara. Der Großteil der Bevölkerung besteht aus Hazara, gefolgt von Tadschiken, Tataren und Pashtunen. Etwa 96% der Bevölkerung spricht Dari, die restlichen 4% sprechen Paschtu. Mehr als 90% der Bevölkerung fühlt sich dem schiitischen Islam zugehörig (LIB 04.06.2019, S. 112).

 

Am 29.8.2016 wurde die Verbindungsstraße Kabul-Bamyan eingeweiht; die Reisezeit von Kabul nach Bamyan beträgt nunmehr zweieinhalb Stunden. Der Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan ist mit Mazar-e Sharif ebenfalls durch eine Straße verbunden. Durch eine Straße mit 178 km, die durch mehr als 37 Dörfer gehen soll, wird im Rahmen des Projektes "Dare-e-Sof and Yakawlang Road" der Distrikt Yakawlang mit dem Distrikt Dare-e-Sof in der Provinz Samangan verbunden; zudem soll Bamyan mit der Provinz Kandahar durch eine 550 km lange Straße verbunden werden (LIB 04.06.2019, S. 113).

 

Bamyan wird als relativ friedliche Provinz erachtet und trotz der Armut und Vernachlässigung durch die Zentralregierung als "sicherer Hafen" bezeichnet. Bamyan hat in den letzten 15 Jahren weniger Gewalt als die anderen Provinzen durchlebt. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 10 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften in Bamyan wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet. Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in Bamyan gemeldet (LIB 04.06.2019, S. 113 f.).

 

Zur Provinz des letzten Aufenthalts - Ghazni:

 

Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Bevölkerungszahl wird auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara (LIB 04.06.2019, S. 129).

 

Ghazni zählt zu den relativ volatilen Provinzen und grenzt selbst an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 04.06.2019, S. 130).

 

Im Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni registriert. Miliärische Operationen werden in Ghazni durchgeführt; Aufständische werden getötet und festgenommen. Luftangriffe werden ebenso durchgeführt. Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt. Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv. Für den Zeitraum 1.1.-15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert (LIB 04.06.2019, S. 131 f.).

 

Zur Provinz Balkh und der Hauptstadt Mazar-e Sharif:

 

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 04.06.2019, S. 108 f.). Mazar-e Sharif ist auf dem Straßenweg mittels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 04.06.2019, S. 263). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 04.06.2019, S. 109, 266). Der Flughafen befindet sich 9 km östlich der Stadt (EASO Country Guidance 2019, Seite 130).

 

Die Provinz Balkh ist ethnisch heterogen, Tadschiken bilden die größte Gruppe, daneben leben auch Paschtunen, Usbeken, Hazara, Turkmenen und Araber in Balkh. Die Siedlungsgebiete sind entlang ethnischer Trennlinien angelegt (ACCORD, Afghanistan, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018, 07.12.2018, S. 24).

 

Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften. Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 04.06.2019, S. 109 f.). Im Herbst 2018 wurde im Norden Afghanistans - darunter u.a. in der Provinz Balkh - eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden registriert; Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit (LIB 04.06.2019, S. 42).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (LIB 04.06.2019, S. 110). Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert; im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (LIB 04.06.2019, S. 111).

 

In der Provinz Balkh ist die Gefahr, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, gering (EASO Country Guidance 2019, S. 29 und 92).

 

Zur Provinz Herat:

 

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (LIB 04.06.2019, S. 145). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler, etwa 10 km außerhalb von Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (LIB 04.06.2019, S. 145, 266), wobei Herat-Stadt im Allgemeinen ohne ernsthaftes Risiko erreichbar ist (EASO Country Guidance 2019, S. 34).

 

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken sowie tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 04.06.2019, S. 145). Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (LIB 04.06.2019, S. 145)

 

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (LIB 04.06.2019, S. 146). Es gibt interne Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 04.06.2019, S. 148).

 

In der Provinzhauptstadt Herat-Stadt ist die Gefahr, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, gering (EASO Country Guidance 2019, S. 29 und 100). Nach zehnjährigen Entminungstätigkeiten werden 14 der 16 Distrikte Herats seit Februar 2018 nun von der Entminungsorganisation Halo Trust als sicher einstuft. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein (LIB 04.06.2019, S. 146).

 

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 04.06.2019, S. 146 f.).

 

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 04.06.2019, S. 147). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) zählt Herat neben den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar und Uruzgan zu den Provinzen Afghanistans, in welchen bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen stattfanden (LIB 04.06.2019, S. 22).

 

Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.03.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi von der Zerstörung und Beschädigung von Häusern infolge starker Regenfällen betroffen. Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der Herat (und die Provinz Badghis) am meisten betroffen war und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren) sie es weiterhin sind. In den beiden Provinzen wurden am 13.09.2018 ca. 266.000 IDPs (afghanische Binnenflüchtlinge) vertrieben; davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (LIB 04.06.2019, S. 18).

 

Wirtschaft:

 

Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Dennoch ist das Land weiterhin arm und von Hilfeleistungen abhängig. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 04.06.2019, S. 357 f.). Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans ist nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 04.06.2019, S. 358, UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 19 und 20).

 

Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteils aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, S. 29 - 30).

 

Medizinische Versorgung:

 

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten. In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal, mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Die Kosten von Diagnose und Behandlung in privat geführten Krankenhäusern und Kliniken variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden (LIB 04.06.2019, S. 362).

 

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden, zur Verfügung gestellt. In den Städten besteht ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken (LIB 04.06.2019, S. 363 f.).

 

Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden (LIB 04.06.2019, S. 365).

 

In Mazar-e Sharif existieren ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA (LIB 04.06.2019, S. 364 f.).

 

Rückkehrer:

 

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 04.06.2019, S. 371).

 

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellt die Regierung eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 04.06.2019, S. 372 f.)

 

Die Organisationen IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden. Die internationale Organisation für Migration IOM bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (LIB 04.06.2019, S. 373 f.). Da nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM nutzten, gewährt IOM seit April 2019 keine temporäre Unterkunft mehr, sondern unterstützt zwangsrückgeführte Afghanen durch Barzuwendung in Höhe von ca. 150 Euro sowie durch Informationen über Unterkunftsmöglichkeiten (LIB 04.06.2019, S. 16). Auch UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die Afghanistan Independent Human Rights Commission. Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (LIB 04.06.2019, S. 374).

 

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten Rückkehr/innen Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (LIB 04.06.2019, S. 374 f.).

 

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 04.06.2019, S. 375 f.).

 

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 04.06.2019, S. 376).

 

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 04.06.2019, S. 376).

 

Ethnische Minderheiten:

 

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken (LIB 04.06.2019, S. 319). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten, wo diese mehrheitlich gesprochen werden, eingeräumt (LIB 04.06.2019, S. 319 f.).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (LIB 04.06.2019, S. 320).

 

Hazara:

 

Die Hazara-Gemeinschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert. Hazara haben sich in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. Hazara haben gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (LIB 04.06.2019, 322 f.).

 

Religionen:

 

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert. Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (LIB 04.06.2019, S. 309 f.).

 

Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen; dennoch existieren lokale Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 04.06.2019,S. 312 f.).

 

Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie (LIB 04.06.2019, S. 309). Die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, ist eine andere als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw. Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen ist mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen sind. Ein Atheist bzw. Nichtgläubiger wird nicht zum Ziel von Angriffen, solange er im öffentlichen Raum keine Respektlosigkeit gegenüber dem Islam zeigt (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zu Apostaten ua.).

 

Für gebürtige Muslime ist ein Leben in der afghanischen Gesellschaft möglich, ohne, dass sie den Islam praktizieren würden und auch dann, wenn sie Apostaten oder Konvertiten sind. Solche Personen sind dann in Sicherheit, wenn diese Stillschweigen bewahren. Es kann zu einer Gefährdung kommen, wenn öffentlich bekannt wird, dass diese aufgehört haben an den Islam zu glauben. Es gibt in Afghanistan viele Muslime, die nicht regelmäßig zur Moschee gehen. Eine Person, die nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt, wird nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen. Dabei gibt es geografisch bedingte Unterschiede. So ist es im städtischen Raum möglich, auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten. Abweichenden Verhaltensweisen werden im städtischen Raum eher toleriert als im ländlichen Raum (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zu Apostaten ua.).

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zu den Feststellungen zur Person und zum Leben des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, sohin zu seiner Staatsangehörigkeit, Herkunftsprovinz und Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinem Familienstand, gründen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (Protokoll der Erstbefragung, S. 1; BFA-Protokoll, S. 2 f.; BVwG-Akt, OZ 8, S. 5). Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen zu zweifeln.

 

Auch das Geburtsdatum und die daraus resultierende Feststellung der Volljährigkeit des Beschwerdeführers entspringt den eigenen, gleichlautenden Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren.

 

Dass der Beschwerdeführer einer schiitisch-muslimischen Familie entstammt und als schiitischer Moslem erzogen wurde, ergibt sich ebenfalls aus dem Verwaltungsakt. So erklärte der Beschwerdeführer sowohl in der Erstbefragung (S. 1), als auch in der Einvernahme vor dem BFA (S. 3), dass er schiitischer Moslem sei. Dies wurde auch in der Beschwerde angeführt.

 

Die Feststellungen zur Schulbildung, Berufsausbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers basieren ebenfalls auf den eigenen, widerspruchsfreien und daher glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers (Protokoll der Erstbefragung, S. 1 f.; BFA-Protokoll, S. 3; BVwG-Akt, OZ 8, S. 5 f.). Bereits im angefochtenen Bescheid wird diesbezüglich ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer angegebene Berufstätigkeit aufgrund der vorgelegten Dokumente (Diplom des Gesundheitsministeriums, Dienstausweis) und der erwiesenen Kenntnisse des Beschwerdeführers sowie aufgrund seines Engagements im Gesundheitsbereich als glaubwürdig erachtet werden. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Beurteilung liegen nicht vor. Vielmehr stützen auch die in Österreich absolvierten Zusatzausbildungen und ausgeübten (ehrenamtlichen) Tätigkeiten des Beschwerdeführers im Pflegebereich und der Anerkennungsbescheid des Amtes der Wiener Landesregierung betreffend die Ausbildung des Beschwerdeführers in einem Gesundheitsberuf in Afghanistan die getroffenen Feststellungen zur Berufsausbildung und -erfahrung des Beschwerdeführers in Afghanistan.

 

Die Feststellungen zum aktuellen Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen im Iran und in Pakistan entspringen den jüngsten Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (BVwG-Akt, OZ 8, S. 6). Mangel gegenteiliger Anhaltspunkte war die entsprechende Feststellung zu treffen.

 

Die Feststellungen zum Leben und zu den Integrationsschritten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich unzweifelhaft aus den im Verfahren vorgelegten Integrationsunterlagen (BFA-Akt, Beilagenkonvolut zum BFA-Einvernahmeprotokoll; BVwG-Akt, Beilagenkonvolut zu OZ 7, Beilage ./3 zu OZ 8). Dass der Beschwerdeführer über gute Deutschkenntnisse verfügt, resultiert - in Übereinstimmung mit den vorgelegten Sprachzertifikaten und Kursbesuchsbestätigungen - aus seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung, die er über weiter Strecken ohne Zuhilfenahme der Dolmetscherin in deutscher Sprache bewältigte.

 

Dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht und nicht erwerbstätig ist, resultiert aus dem hg. eingeholten Auszug aus der Speicherdatenbank des Grundversorgungssystems (BVwG-Akt, OZ 12).

 

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ist ebenfalls dem Verfahrensakt zu entnehmen. Die hg. eingeholte Strafregisterauskunft (BVwG-Akt, OZ 12) ergab, dass eine Person mit den in der Anfrage angeführten Daten des Beschwerdeführers im Strafregister nicht verzeichnet ist. Es sind im gesamten Verfahren keinerlei Hinweise auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers hervorgekommen.

 

Der Beschwerdeführer verneinte die Frage, ob er in Österreich Verwandte habe, bereits vor dem BFA ausdrücklich (S. 4). Gegenteiliges wurde auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht. Anhaltspunkte für das Bestehen eines Abhängigkeits- oder sonstigen Naheverhältnisses zu einer in Österreich lebenden Person sind ebenfalls nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung selbst an, derzeit keine Freundin zu haben (BVwG-Akt, OZ 8, S. 7). Es waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

 

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass den Angaben des Beschwerdeführers und den im Akt einliegenden Dokumenten keine lebensbedrohliche Erkrankung zu entnehmen ist. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung zu seinem Gesundheitszustand an, an Rückenschmerzen zu leiden und psychische Probleme, nämlich Depressionen, zu haben. (BVwG-Akt, OZ 8, S. 3 f.). Ein vorgelegtes Schreiben bestätigt, dass der Beschwerdeführer seit Jänner 2019 in psychotherapeutischer Behandlung ist (BVwG-Akt, OZ 8, Beilage ./1). Zudem erklärte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, von einem Psychiater das Medikament Cipralex verschrieben bekommen zu haben, welches er regelmäßig einnehme. Hierzu wurden eine Kopie der Medikamentenschachtel Cipralex 5 mg sowie der Visitenkarte der Psychosozialen Dienste XXXX vorgelegt (BVwG-Akt, OZ 8, Beilage ./ 2). Abgesehen von einer weiteren, jedoch undatierten Bestätigung der Psychotherapie in der Eingabe vom 25.07.2019 wurden bis zum Entscheidungszeitpunkt keine weiteren Befunde vorgelegt. Eine lebensbedrohende Erkrankung geht aus diesen Angaben insgesamt nicht hervor und wurde auch zu keiner Zeit behauptet.

 

2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens und der Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers:

 

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559). Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357).

 

Der Beschwerdeführer wurde im Laufe des Verfahrens drei Mal niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Er hatte somit ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen. Er wurde mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt. Die erkennende Richterin konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung zudem einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer gewinnen.

 

Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine Verfolgung seiner Person aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen) glaubhaft zu machen. Dies aufgrund nachstehender Erwägungen:

 

2.2.1. Zur behaupteten Verfolgung durch die Taliban und die afghanischen Behörden:

 

Der Beschwerdeführer behauptete bereits in seiner Erstbefragung und sodann auch im weiteren Verfahren stets eine Verfolgung sowohl durch die Taliban als auch durch die afghanischen Behörden infolge seiner angeblichen Zusammenarbeit mit den Taliban. So gab er in freier Erzählung - auf das Wesentlichste zusammengefasst - an, dass er am 20.09.2015 im Anschluss an seine Dienstzeit als Krankenpfleger in einer Apotheke gearbeitet habe, als zwei Personen gekommen seien und nach einem Arzt für eine kranke Person gefragt hätten. Er habe sich schlussendlich dazu bereit erklärt, mit diesen Männern mitzufahren, um dem Patienten zu helfen. Erst im Auto, Typ Corolla, habe sich herausgestellt, dass es sich bei den Männern um Mujaheddin handle. Der Beschwerdeführer habe sich darüber mokiert, dass sie ihm dies nicht bereits in der Apotheke gesagt hätten, die Männer hätten ihm dann aber versichert, ihn sicher zurückzubringen. Nach ca. 30 Minuten seien sie im Dorf des Verletzten angekommen, der Verletzte habe bei einer Minenexplosion ein Bein verloren. Nach einer Nacht bei dem Patienten habe der Beschwerdeführer darauf bestanden, dass der Verwundete in ein Krankenhaus komme. Da die Taliban dies abgelehnt hätten, habe der Beschwerdeführer vorgeschlagen, einen Arzt in seinem Krankenhaus ausfindig zu machen, der zum Patienten kommen werde. Die Taliban hätten dem Beschwerdeführer angeboten, dass er von den zwei Personen, die ihn abgeholt hätten, auch wieder zum Krankenhaus zurückgebracht werde, um den Arzt zu holen. Der Beschwerdeführer habe sich über dieses Angebot sehr gefreut und es angenommen. Zurück im Krankenhaus habe er seinen Arzt-Kollegen nur telefonisch erreicht und da es bereits Nacht gewesen sei, hätten sie vereinbart, morgen über diese Angelegenheit zu sprechen. Am nächsten Morgen sei der Arzt jedoch nicht erschienen, dafür seien zwei Polizisten zum Beschwerdeführer gekommen und hätten ihn wegen seiner Tätigkeit für die Taliban verhört. Gegen elf Uhr desselben Tages habe der Beschwerdeführer einen Anruf von den Taliban bekommen, der Verletzte sei verstorben und er müsse die Verantwortung dafür tragen. Nach Rücksprache mit seinem Vater habe der Beschwerdeführer beschlossen, Afghanistan zu verlassen und habe sich bis zu seiner Ausreise eine Woche lang in einem Hotel in Nimroz versteckt (BVwG-Akt, OZ 8, S. 8-12).

 

Hierzu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer dieses Fluchtvorbringen sowohl vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung zwar durchaus ausführlich, detailreich und konsistent erstattet hat. Dies vermag jedoch nichts an dem Umstand zu ändern, dass sich das Vorbringen insgesamt als äußerst konstruiert und unplausibel und damit als nicht glaubwürdig darstellt:

 

Zunächst ist keineswegs nachvollziehbar, dass die Taliban dem Beschwerdeführer derart freie Hand gelassen und ihm so viel Vertrauen geschenkt haben, dass sie ihn - ohne Bewachung - haben gehen lassen, um einen Arzt zu holen. Viel naheliegender wäre, dass der Beschwerdeführer die ganze Zeit hindurch unter Aufsicht der Taliban gestanden hätte oder ihm aufgetragen worden wäre, gleich vor Ort einen Arzt zu kontaktieren. Nach Angaben des Beschwerdeführers hätten die Taliban aber lediglich seine Handynummer verlangt, bevor sie ihn beim Krankenhaus abgesetzt hätten (BVwG-Akt, OZ 8, S. 10). Auch das Vorbringen, wonach sich die Taliban vom Beschwerdeführer ohne Weiteres bis zum nächsten Morgen hinhalten haben lassen, kann nicht nachvollzogen werden. Dies insbesondere nicht vor dem behaupteten kritischen Zustand des Verletzten. Selbst unter Berücksichtigung der Aussage des Beschwerdeführers, wonach die Taliban mit Personen aus dem Gesundheitsbereich anders umgehen würden, als etwa mit Soldaten oder Polizisten (BVwG-Akt, OZ 8, S. 10), erscheint seine Darstellung zum Ablauf seines fluchtauslösenden Ereignisses als äußerst atypisch. Auch wenn der Beschwerdeführer zum Zweck der Versorgung des Verletzten mitgenommen worden sein soll und die Taliban daher bis zu einem gewissen Grad von seinen Leistungen abhängig gewesen sein sollten, stellt es sich dennoch als äußerst lebensfremd dar, dass der Beschwerdeführer einen derart großen Entscheidungsspielraum gehabt hat. Insbesondere in Anbetracht der behaupteten Dringlichkeit kann nicht nachvollzogen werden, dass die Taliban bereit gewesen sind, bis zum nächsten Tag auf den Rückruf des Arztes zu warten. Viel eher wäre davon auszugehen, dass sie den Beschwerdeführer unter Androhung von Repressalien zur Eile gedrängt hätten.

 

Absolut unglaubwürdig ist weiter, dass der Beschwerdeführer nach Erhalt der Nachricht vom Tod des verwundeten Taliban lediglich telefonisch bedroht worden sein soll und bis zu seiner Ausreise gänzlich unversehrt geblieben ist. Sollte der Beschwerdeführer tatsächlich für den Tod des Taliban verantwortlich gemacht worden sein, kann nicht nachvollzogen werden, dass sich die Taliban mit einer telefonischen Drohung begnügt haben, obwohl ihnen die Arbeitsstelle des Beschwerdeführers bekannt und diese lediglich dreißig Minuten (BVwG-Akt, OZ 8, S. 9) vom Ort des Verstorbenen entfernt gewesen sei. Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, wonach insbesondere Hazara während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, ist die Schilderung des Beschwerdeführers, aus dieser Situation lebend davongekommen zu sein, nicht plausibel.

 

Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung sodann danach befragt, mit wem er in der Woche nach dem angeblichen Taliban-Vorfall, in der er sich nach eigenen Angaben bis zu seiner Ausreise in einem Hotel in Nimroz versteckt gehalten habe (BVwG-Akt, OZ 8, S. 11), Kontakt gehabt habe. Die Antwort des Beschwerdeführers lautete, in dieser Woche nur mit seinem Vater und seiner Mutter Kontakt gehabt zu haben. Die Nachfrage, ob er in dieser Woche mit jemandem über die sozialen Netzwerke Kontakt gehabt habe, verneinte er und erklärte, dass das Internet in Afghanistan nur wenig genutzt werden könne und er damals über Guthaben telefoniert habe (BVwG-Akt, OZ 8, S. 13). Den Ausdrucken aus dem vom Beschwerdeführervertreter in der Beschwerdeergänzung bekannt gegebenen und öffentlich zugänglichen Profil des Beschwerdeführers in den sozialen Netzwerken (Facebook) ist jedoch zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der Woche nach dem 20.09.2015 sehr wohl in den sozialen Netzwerken aktiv war. So hat er über Facebook etwa am 23.09.2015 Fotos von Verletzten geteilt und seinen Freunden am 24.09.2015 "Eid Mubarak" gewünscht (Beilage ./4 zu OZ 8). Nach Durchsicht der vorgelegten Ausdrucke und nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer, erklärte sein Vertreter hierzu, dass es der Beschwerdeführer vergessen habe, in diesem Zeitraum etwas gepostet zu haben, schließlich handle es sich um einen drei Jahre zurückliegenden Zeitraum (BVwG-Akt, OZ 8, S. 14). Auch diese Unstimmigkeit war bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens miteinzubeziehen.

 

Auch ist zu bemerken, dass die Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren zwar stets sehr ausführlich waren, ein Vergleich der Aussagen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht ergibt jedoch, dass der Beschwerdeführer in beiden Einvernahmen beinahe wortgleiche Ausführungen gemacht hat. Das Gericht kann sich daher nicht des Eindrucks verwehren, dass der Beschwerdeführer den geschilderten Sachverhalt auswendig gelernt, ihn jedoch nicht selbst erlebt hat. Würde es sich bei dem Geschilderten nämlich um eine wahre Begebenheit handeln, wäre eine größere Bandbreite in den Erzählungen des Beschwerdeführers zu erwarten gewesen. Der Beschwerdeführer gab jedoch stets dieselben Details wieder, stützte sich immer auf dieselben Eckpunkte seiner Geschichte und bedient sich vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung beinahe wortgleicher Formulierungen. Lediglich jene Elemente, die vor dem BFA eine Rückfrage des Einvernahmeleiters veranlassten, so etwa die Erläuterung, wann der Beschwerdeführer mit den Taliban die Handynummer ausgetauscht habe (BFA-Protokoll, S. 8), fügte er seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung aus eigenem hinzu (BVwG-Akt, OZ 8, S. 10). Zur Vermittlung des Eindrucks, das Geschilderte tatsächlich selbst erlebt zu haben, genügt es jedoch nicht, eine widerspruchsfreie und detailreiche Schilderung darzulegen. Die Wiedergabe eines wahren Sachverhalts müsste nach allgemeiner Lebenserfahrung vielmehr dazu führen, dass im Erzählfluss neue Einzelheiten in Erinnerung treten und in der Schilderung - auf Basis einer konsistenten Rahmenhandlung - eine gewisse Dynamik liegt. Das Festhalten an der immer gleichen Erzählstruktur vermittelt dies hingegen nicht, sondern rundet den Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens ab.

 

Letztlich fällt auf, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen im Laufe des Verfahrens gesteigert hat. So vermeinte er gegen Ende der mündlichen Verhandlung, dass die Polizei nach seiner Ausreise zwei Mal bei seiner Familie nach ihm gefragt habe. Auch habe bei seinem Vater einmal jemand angerufen, sich als ein Freund des Beschwerdeführers ausgegeben und mit der Erklärung, dass er etwas vom Beschwerdeführer brauchen würde, nach ihm gefragt (BVwG-Akt, OZ 8, S. 18). Diesen Sachverhalt erwähnte der Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Verfahren mit keinem Wort. Auch in der Beschwerde wurde kein diesbezügliches Vorbringen erstattet. Vermeint der Beschwerdeführervertreter über Vorhalt, dass der Beschwerdeführer diese Angaben bereits vor dem BFA gemacht habe, entspricht dies nicht dem Akteninhalt. Vielmehr gab der Beschwerdeführer vor dem BFA nur an, dass drei Monate nach seiner Ausreise auch seine Eltern bedroht worden seien - dies sei der Grund für deren eigene Ausreise (BFA-Protokoll, S. 4). Dass damals nach dem Beschwerdeführer gefragt worden sei, geht aus dem Akt nicht hervor. Behauptet der Beschwerdeführer sodann einen Übersetzungsfehler im Protokoll der belangten Behörde (BVwG-Akt, OZ 8, S. 18), muss dem entgegengehalten werden, dass der Beschwerdeführer die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift nach Rückübersetzung mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Auch wurde in der Beschwerde keine diesbezügliche Unrichtigkeit im Protokoll der belangten Behörde moniert. Rückgefragt, warum er seine Vertretung nicht auf die nunmehr behauptete Unrichtigkeit im Protokoll hingewiesen habe, erklärte der Beschwerdeführer lapidar und wenig überzeugend, dies vergessen zu haben (BVwG-Akt, OZ 8, S. 18). Der Beschwerdeführer gab vor dem BFA nämlich an, drei Monate nach seiner Ankunft in Österreich (Anm.: November 2015) - sohin im Februar 2016 - erfahren zu haben, dass seine Familie jetzt im Iran lebe (BFA-Protokoll, S. 4). In der mündlichen Verhandlung erklärte er, von diesem Vorfall drei Monate nach der Ankunft der Familie im Iran - sohin im Mai 2016 - erfahren zu haben (BVwG-Akt, OZ 8, S. 18). Die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA erfolgte im November 2017, der Bescheid datiert auf Februar 2018. Der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Sachverhalt wäre dem Beschwerdeführer somit ungeachtet der (mangelnden) Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens somit bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz zugänglich gewesen. Es ergaben sich auch keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, dieses Vorbringen schon im erstinstanzlichen Verfahren zu erstatten. Mit dieser Angabe steigerte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen somit und ist dieses daher auch aus diesem Grund als unglaubwürdig zu qualifizieren (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

 

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass eine behauptete Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Taliban, wie sie vom Beschwerdeführer dargelegt wurde, nicht glaubhaft ist. Der Beschwerdeführer erweckte vor dem Hintergrund der aufgezeigten Unstimmigkeiten nicht den Eindruck, das Geschilderte tatsächlich selbst erlebt zu haben.

 

Nichts anderes kann folglich für die mit diesem Vorbringen in direktem Zusammenhang stehende weitere Verfolgungsbehauptung des Beschwerdeführers gelten. Der Beschwerdeführer gibt nämlich an, dass er aufgrund der Behandlung des verwundeten Taliban von der Polizei einvernommen worden sei (BVwG-Akt, OZ 8, S. 11 und 13 f.), weshalb ihm nun auch von staatlicher Seite Verfolgung drohe. Da jedoch bereits dem Kernvorbringen kein Glauben zu schenken war, entbehrt diese Behauptung jeglicher Grundlage. Doch selbst im Falle einer Wahrunterstellung kommt diesem Vorbringen für sich genommen keine Asylrelevanz zu. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert nämlich in ständiger Rechtsprechung, dass einem mit keinen weiteren Folgen verbundenen Verhör durch die Polizei nicht der Charakter von Eingriffen zukommt, die ihrer Intensität nach als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu qualifizieren sind (vgl. etwa VwGH 15.12.1993, 93/01/0875). Auch stellen weder Verhöre noch Befragungen Maßnahmen dar, die für sich alleine als Verfolgungshandlungen gewertet werden können (vgl. etwa VwGH 11.06.1997, 95/01/0627). Dass gegen den Beschwerdeführer aufgrund seiner angeblichen polizeilichen Befragung weitere Schritte der staatlichen Behörden gesetzt wurden, wurde nicht ausreichend dargelegt. Vielmehr gab der Beschwerdeführer selbst an, dass die Polizisten nach einer halben Stunde wieder gegangen seien, da er alles abgestritten habe, sie keine Beweise gehabt und nichts gegen ihn in der Hand gehabt hätten (BFA-Protokoll, S. 7).

 

Eine Verfolgung wurde somit auch unter diesem Aspekt nicht glaubwürdig dargelegt.

 

2.2.2. Zur Verfolgung aufgrund des behaupteten Glaubensabfalls und eines islam-kritischen Verhaltens des Beschwerdeführers:

 

Auch hiermit konnte der Beschwerdeführer eine Verfolgung in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht glaubwürdig darlegen:

 

Der Beschwerdeführer ist erwiesenermaßen seit Oktober 2018 Mitglied der religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Atheistischen Religionsgemeinschaft in Österreich (ARG)", trat am 05.02.2019 aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich aus und bezeichnete sich in der mündlichen Verhandlung selbst als Atheist. Gemäß den Angaben des in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen nimmt der Beschwerdeführer auch nach wie vor regelmäßig an den Stammtischen der "ARG" teil (BVwG-Akt, OZ 8, S. 20 f.). Der Beschwerdeführer legte im Zuge der mündlichen Verhandlung die Beweggründe für sein Interesse an der atheistischen Weltanschauung dar (BVwG-Akt, OZ 8, S. 15 und 19). Es wird dem Beschwerdeführer dabei nicht abgesprochen, dass er sich seit seiner Einreise in Österreich mit dem Atheismus befasst und sich - jedenfalls im Rahmen der "Atheistischen Religionsgemeinschaft in Österreich" - mit dieser Weltanschauung auseinandersetzt. Vor dem Hintergrund der Befragungen des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens und insbesondere vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem dabei gewonnenen persönlichen Eindruck gelangt das erkennende Gericht jedoch zu der Einschätzung, dass sich der Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt nicht substanziell vom islamischen Glauben entfernt hat.

 

Der Beschwerdeführer erklärte in der mündlichen Verhandlung, bereits in Afghanistan kein strenggläubiger Moslem gewesen zu sein (BVwG-Akt, OZ 8, S. 15). Er gab jedoch sowohl in seiner Erstbefragung als auch in seiner Einvernahme vor dem BFA stets an, schiitischer Moslem zu sein (Protokoll der Erstbefragung, S. 1; BFA-Protokoll, S. 3). Einschränkung hinsichtlich der Intensität seines Glaubens nahm er hier nicht vor. Vor dem BFA wurde er zudem danach befragt, ob er jemals aufgrund seiner Religionszugehörigkeit bedroht worden sei, was der Beschwerdeführer verneinte und auch bei dieser Gelegenheit keine weiteren Ausführungen zu seiner religiösen Einstellung machte (BFA-Protokoll, S. 9). Selbst in der Beschwerde, datierend auf den 27.03.2018, wurde diesbezüglich keinerlei Vorbringen erstattet. Vielmehr wurde hier abermals ausgeführt, dass der Beschwerdeführer schiitischer Moslem sei. Zugleich erklärte der Beschwerdeführer aber in der mündlichen Verhandlung, sich bereits Anfang 2018 damit beschäftigt zu haben, jemanden aus der atheistischen Gruppe zu finden, um mehr darüber zu erfahren (BVwG-Akt, OZ 8, S. 15). Erst in der Beschwerdeergänzung vom 14.02.2019 wurde unter Verweis auf die zuvor vorgelegte Bestätigung der nunmehrigen Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der "Atheistischen Religionsgemeinschaft in Österreich" seit Oktober 2018 ein Glaubensabfall des Beschwerdeführers behauptet.

 

Zugleich wurde in der Beschwerdeergänzung vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in den sozialen Netzwerken für jedermann einsehbar islamkritische Beiträge veröffentlicht oder "geteilt" habe, weshalb ihm unabhängig von seiner inneren Überzeugung jedenfalls eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan drohe. Beweise für dieses Vorbringen wurden - entgegen der Ankündigung in der Beschwerdeergänzung - jedoch nicht vorgelegt. Es wurde sodann amtswegig Einsicht in das vom Beschwerdeführervertreter in der Beschwerdeergänzung bekannt gegebene und öffentlich zugängliche Profil des Beschwerdeführers in den sozialen Netzwerken genommen. Wie den in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Ausdrucken aus dem Profil des Beschwerdeführers zu entnehmen ist (BVwG-Akt, OZ 8, Beilage ./4), wurden hierbei entgegen der Beschwerdeführerbehauptung keinerlei Beiträge gefunden, die eine islamkritische Haltung des Beschwerdeführers nahelegen würden. Vielmehr "teilte" der Beschwerdeführer etwa einen Facebook-Eintrag aus Juli 2018 mit dem Inhalt "Ungläubige, ihre Hände und Füße sollten abgeschnitten werden und ihre Augen verbrannt werden. Das ist SONAT." Daraus ergibt sich eine eindeutige Glaubensbekundung, dies zu einem Zeitpunkt, als sich der Beschwerdeführer nicht nur bereits für den Atheismus interessiert (BVwG-Akt, OZ 8, S. 15), sondern auch bereits Kontakt zu einem Mitglied der "Atheistischen Religionsgemeinschaft in Österreich" aufgenommen haben will (BVwG-Akt, OZ 8, S. 16). Bis zum Entscheidungszeitpunkt wurden seitens des Beschwerdeführers keine Nachweise für das in der Beschwerdeergänzung und in der Stellungnahme vom 14.03.2019 behauptete islamkritische Auftreten des Beschwerdeführers erbracht und haben sich auch im Rahmen der hg. Ermittlungen keine Anhaltspunkte hierfür ergeben. Bereits aus diesem Grund ist der behaupteten Verfolgung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seinem behaupteten Glaubensabfall die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Über Vorhalt, dass sich auf seinem Facebook-Account zahlreiche Glaubensbekundungen auch während seiner Zeit in Österreich finden, erklärte der Beschwerdeführer, dass dies richtig sei. Er habe Sachen gepostet, weil er sie lustig gefunden habe. Über Rückfrage führte er aus, dass dies ein Fest der Freude sei und es nicht so gewesen sei, dass er die Religion vollständig verlassen habe (BVwG-Akt, OZ 8, S. 16 f.).

 

Vor diesem Hintergrund ist dem Beschwerdeführer jedoch allenfalls ein gemindertes Interesse an der islamischen Religion bzw. ein Hinterfragen der islamischen Werte zuzugestehen. Eine gänzliche und verinnerlichte Abkehr vom Islam kann im Fall des Beschwerdeführers im Entscheidungszeitpunkt hingegen nicht festgestellt werden. Daran vermögen auch die Angaben des Zeugen in seiner Eigenschaft als Präsidiumsmitglied der "Atheistischen Religionsgemeinschaft in Österreich" nichts zu ändern, welcher in der mündlichen Verhandlung erklärte, den Beschwerdeführer als überzeugten Atheisten kennengelernt und bei diesem kein "islamisches Leben" festgestellt zu haben (BVwG-Akt, OZ 8, S. 21). Der Zeuge gab aber selbst an, dass es ihm aufgrund der großen Teilnehmeranzahl nicht möglich sei, mit jedem Anwesenden tiefergehende Gespräche zu führen, dies auch nicht zu deren Vorgeschichten. Die Einschätzung des Zeugen hinsichtlich des (Nicht‑)Vorliegens eines "islamischen Lebens" beim Beschwerdeführer vermochte auch vor dem Hintergrund nicht zu überzeugen, als der Zeuge die Qualifikation zur Vornahme dieser Beurteilung lediglich mit dem Besuch eines "Basiskurs Islam" im September 2018 begründete. Auch die Wahrnehmung des Zeugen, dass die Regeln der "Fünf Säulen des Islam" nicht auf den Beschwerdeführer zutreffen würden und seine Anmerkung, dass während der abendlichen Treffen ein Gebet verrichtet werden müsste, wenn der Islam ernsthaft betrieben würde (BVwG-Akt, OZ 8, S. 21) bestätigen lediglich ein Desinteresse des Beschwerdeführers am islamischen Glauben. Zudem ist festzuhalten, dass es sich sowohl bei der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in der "Atheistischen Religionsgemeinschaft in Österreich" als auch bei der Austrittsbescheinigung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft lediglich um äußere Umstände handelt, die für sich genommen nicht ausreichen, um auf eine innere Überzeugung schließen zu können. Aufgrund der zeitlichen Nähe der Religionsaustrittsbescheinigung vom 05.02.2019 zur mündlichen Verhandlung am 28.02.2019 kann sich das Gericht zudem nicht des Eindrucks verwehren, dass die Abgabe dieser Erklärungen nicht zuletzt im Hinblick auf die mündliche Verhandlung zum Zweck der Gewährung von Asyl motiviert war. Auch konnte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht plausibel erklären, weshalb er erst im Februar 2019 aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten ist, ist er doch bereits seit Oktober 2018 Mitglied in der "Atheistischen Religionsgemeinschaft in Österreich" und will er bereits in Afghanistan kein streng gläubiger Moslem gewesen sein. Danach befragt gab er jedoch nur an, bereits zuvor nicht besonders viel Interesse am Islam gehabt zu haben, seit seiner Ankunft in Österreich weder gebetet noch gefastet und dann den Verein gefunden zu haben (BVwG-Akt, OZ 8, S. 16). Eine plausible Begründung für die späte Erklärung seines Austritts aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ist dieser Erklärung nicht zu entnehmen.

 

Es konnte vom Beschwerdeführer auch nicht nachvollziehbar dargestellt werden, dass er allein wegen seines geminderten bzw. mangelnden Interesses an der islamischen Religion einer Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt wäre: Der in der Beschwerdeergänzung zitierten und in den Länderfeststellungen wiedergegebenen ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zufolge gibt es nämlich eine klare Differenzierung zwischen Personen, die zu einer anderen Religion konvertiert sind, vom Islam "abgefallen" sind oder gar "Kritik am Islam äußern" einerseits und Atheisten oder Personen, die sich lediglich "nicht an die Regeln des Islam halten", andererseits. Die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, ist gemäß den Länderfeststellungen nämlich eine andere als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. So wird eine Person, die nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt, nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen. Auch wird ein Atheist bzw. Nichtgläubiger nicht zum Ziel von Angriffen, solange er im öffentlichen Raum keine Respektlosigkeit gegenüber dem Islam zeigt. Zudem ist es im städtischen Raum etwa möglich, auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten (vgl. ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zu Apostaten ua. sowie Festellungen unter II.1.2.).

 

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung hierzu selbst an, bereits in Afghanistan, kein streng gläubiger Moslem gewesen zu sein. Er sei "mit der Gesellschaft mitgegangen" und habe sich auch an gewisse Regeln gehalten, habe jedoch nicht jeden Tag gebetet. Die Frage, ob er jemals darauf angesprochen worden sei, wenn jemand gemerkt habe, dass er nicht bete, verneinte der Beschwerdeführer ebenfalls. In Gesellschaft und in der Moschee habe er sowieso das Gebet verrichtet. Auch seine Eltern hätten ihn aufgefordert, zu beten, und hätten mit ihm geschimpft, wenn er dies nicht getan habe. Dies sein kein Problem für ihn gewesen (BVwG-Akt, OZ 8, S. 15 und 17). Es ist daher festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer bereits bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan möglich war, trotz seines - erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens behaupteten - geringen Interesses an der islamischen Religion in Afghanistan unbehelligt zu leben. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers unter diesem Gesichtspunkt ist daher nicht zu gewärtigen.

 

Andere Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers haben sich im Verfahren ebenfalls nicht ergeben; eine persönliche Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara verneinte der Beschwerdeführer ebenfalls (BVwG-Akt, OZ 8, S. 13; BFA-Protokoll, S. 9). In der mündlichen Verhandlung erklärte er bloß, dass die Situation für Hazara "im Allgemeinen" etwas schwierig sei (BVwG-Akt, OZ 8, S. 13), auch vor dem BFA meinte er diesbezüglich lediglich, dass Hazara "geärgert" würden und es schwer hätten (BFA-Protokoll, 9).

 

Es war daher die Negativfeststellung hinsichtlich einer konkreten, persönlichen und aktuellen Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung zu treffen.

 

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützen sich auf objektives, in das Verfahren eingebrachte Berichtsmaterial. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Diese Berichte sind nach wie vor als hinreichend aktuell anzusehen und setzen sich aus Informationen aus regierungsoffiziellen und nichtregierungsoffiziellen Quellen zusammen.

 

Der Beschwerdeführer legte weder in der Beschwerde noch in der Beschwerdeergänzung oder in seinen Stellungnahmen substantiierte Gründe dar, die an der Richtigkeit der Informationen zur Lage im seinem Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen. Insoweit der Beschwerdeführer auf ein Gutachten von XXXX vom 28.03.2018 verweist, ist dazu im Allgemeinen festzuhalten, dass die Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat stets auf Basis aktueller Länderinformationen getroffen werden muss. Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben (VwGH 07.09.2016, Ra 2015/19/0303). Das erkennende Gericht zog zur Beurteilung der gegenwärtigen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, Stand: 04.06.2019, heran. Das in der Beschwerde angeführte Gutachten bezieht sich aber immer wieder auf ältere Berichte, als jene im Länderinformationsblatt, Stand: 04.06.2019. Es ist daher als nicht hinreichend aktuell anzusehen, um den getroffenen Länderfeststellungen entgegentreten zu können.

 

Selbiges hat für die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14.12.2017 zu gelten, auf die die Beschwerde unter Verweis auf eine Völkerrechtswidrigkeit der Rückführung nach Afghanistan Bezug nimmt. Auch diese bezieht sich auf die Situation in Afghanistan vor mehr als eineinhalb Jahren und ist damit ebenfalls als nicht hinreichend aktuell anzusehen, um den Länderfeststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage, wie sie sich aus dem Länderinformationsblatt, Stand: 04.06.2019, ergibt, auf gleicher sachlicher Ebene zu begegnen. Auch kann das Gericht keine Rechtsverbindlichkeit dieser Entschließung ableiten, gehören Entschließungen doch nicht zu den verbindlichen Rechtsformen des Europarechts.

 

Die Feststellungen zur grundsätzlich gegebenen Versorgung mit Nahrungsmitteln fußen insbesondere auf den ins Verfahren eingeführten Anfragebeantwortungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat vom 07.12.2018 und den darin referenzierten Berichten sowie auf den EASO Country Guidance Notes vom Juni 2018 und Juni 2019 und den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018. Auch aus diesen Quellen lässt sich im Hinblick auf die Dürre in Afghanistan Gegenteiliges nicht ableiten.

 

Die Feststellungen zu Apostaten, Atheisten und Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten, gründen sowohl auf dem Länderinformationsblatt vom 29.06.2018, Stand 04.06.2019, als auch auf der ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zur Situation vom Islam abgefallener Personen, christlicher Konvertiten, Personen, die Kritik am Islam äußerten, Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und Rückkehrern aus Europa. Der Beschwerdeführer hat diese Anfragebeantwortung in seiner Beschwerdeergänzung selbst zitiert. Verweist die Beschwerdeergänzung zudem auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 09.11.2017 zur Situation von muslimischen Familienangehörigen von vom Islam abgefallenen Personen, christlichen Konvertiten und Personen, die sich kritisch gegenüber dem Islam äußerten [a-10384] ist festzuhalten, dass dieses Dokument die Situation von Familienangehörigen beleuchtet, darin jedoch keine Ausführungen betreffend die Situation des Beschwerdeführers selbst enthalten sind.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

 

Beschwerdegegenstand ist der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX . Die Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig.

 

3.2. Zu Spruchpunkt A) - Abweisung der Beschwerde:

 

Die Beschwerde ist aber nicht begründet:

 

3.2.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen

Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

 

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist ein Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).

 

Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

 

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560).

 

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

 

So entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

 

Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, Zl. 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, Zl. 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

 

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen wurde vom Beschwerdeführer weder mit seinem Vorbringen zur Bedrohung durch die Taliban oder die Polizei noch mit seiner Behauptung, dass er nunmehr Atheist sei, glaubhaft dargelegt (vgl. Punkt II.2.2.). Mangels Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens war auch nicht auf die mit diesem Kernvorbringen im Zusammenhang stehenden Beschwerdegründe einzugehen.

 

In Ermangelung einer vom Beschwerdeführer dargelegten individuell drohenden Verfolgungshandlung ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des VwGH somit zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsland auf Grund von generalisierenden Merkmalen - wie die von ihm vorgebrachte Zugehörigkeit zur Gruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.

 

Für das Vorliegen einer solchen Gruppenverfolgung ist es nach der Judikatur des VwGH nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Aufgrund der ins Verfahren eingeführten, aktuellen Länderberichte ist von einer Verfolgung des Beschwerdeführers allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der schiitischen Hazara jedoch nicht auszugehen, EASO legt auch dar, dass diese beiden Profile zusammen zu prüfen sind (EASO Country Guidance Notes 2018, S. 62; EASO Country Guidance Notes 2019, S. 70):

 

Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass Hazara (weiterhin) von Diskriminierung in Form von illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen sind. Festzuhalten ist aber auch, dass sich für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara - wie aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen ersichtlich - die Situation in der Zwischenzeit deutlich verbessert hat, wenngleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wiederaufleben. Dies entspricht auch den Ermittlungsergebnissen in den aktuellen Länderberichten. Allerdings ergibt sich aus einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials, dass diese Gefährdung insgesamt nicht jenes Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan als gegeben zu erachten. Somit ist nicht anzunehmen, dass die Zugehörigkeit einer Person zur ethnischen Minderheit der Hazara für sich alleine ausreicht, um davon ausgehen zu müssen, dass diese Person der Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe bzw. einer bestimmten Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wäre.

 

Auch die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 bestätigen diese Einschätzung (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 106) ebenso wie EASO Country Guidance Notes vom Juni 2018, die eine Verfolgung alleine aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit explizit verneinen (EASO Country Guidance Notes, Juni 2018, Seite 61 im englischen Original: "Not all individuals under this profile would face the level of risk required to establish will-founded fear of persecution. Being a Hazara in itself would normally not lead to a well-founded fear of persecution."; so auch EASO Country Guidance Notes, Juni 2019, Seite 70). Ausschlaggebend ist nach den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, EASO und UNHCR eine Einzelfallprüfung, wobei UNHCR in seinen Richtlinien festhält, dass "zu den relevanten Erwägungen bei der Beurteilung, ob die Furcht vor Verfolgung begründet ist, [...] die Frage [gehört], ob die ethnische Gruppe eine Mehrheit oder eine Minderheit im Herkunftsgebiet bildet." (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, S. 110). EASO nennt als weitere Kriterien, die Arbeit, den Beruf, die Religionsausübung und etwaigen politischen Aktivismus, zumal tatsächlich erfolgte Entführungen oder Tötungen von Hazara in der Vergangenheit mit deren Zugehörigkeit zum afghanischen Militär, Streitigkeiten in Gemeinden, Anstellungen bei der Regierung oder bei einer NGO im Zusammenhang standen, weshalb diese Kategorien ebenso zu prüfen sind (EASO Country Guidance Notes, Juni 2018, S. 61; EASO Country Guidance Notes, Juni 2019, Seite 70).

 

Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Bamyan, die sich als ethnisch homogen darstellt. Der Großteil der dortigen Bevölkerung besteht aus Hazara; Bamyan-City gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Hazara. Auch in der Provinz seines letzten Aufenthalts, Ghazni, leben neben Paschtunen und Tadschiken hauptsächlich Hazara (vgl. Punkt II.1.2). Der Beschwerdeführer verfügt über eine zwölfjährige Schulbildung und arbeitete als Krankenpfleger, eine besondere Gefährdung hat sich im Verfahren für dieses Arbeitsumfeld nicht ergeben. Hinsichtlich der Frage der Religionsausübung ist auch unter dem Gesichtspunkt der vorgebrachten atheistischen Weltanschauung des Beschwerdeführers keine außergewöhnliche Exposition im Verfahren hervorgekommen. Auch wurde eine spezifische politische Exposition des Beschwerdeführers im Verfahren weder behauptet noch kam eine derartige Stellung zutage. Somit ergibt aber auch eine Überprüfung des Einzelfalls, dass keine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Hazara vorliegt.

 

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 5.7.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande). Auch der VwGH hat ausdrücklich das Vorhandensein einer Gruppenverfolgung von Hazara in Afghanistan verneint (VwGH 15.12.2016, Ra 201/18/0329).

 

Da eine Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppenzugehörigkeit von Hazara in Afghanistan nicht gegeben ist und der Beschwerdeführer diesbezüglich auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich auch aus diesem Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht ableiten.

 

Zudem ist den Länderberichten zu entnehmen, dass die allgemeine Lage in Afghanistan nicht dergestalt ist, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.

 

Da eine Verfolgung im Sinne der GFK somit nicht glaubhaft gemacht wurde, konnte eine Auseinandersetzung mit der innerstaatliche Fluchtalternative entfallen (vgl. etwa VwGH 24.1.2017, Ra 2016/01/0338).

 

Damit ist die gegenständliche Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) abzuweisen.

 

3.2.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

 

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

 

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997) iVm § 57 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (FrG) ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und -fähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582; VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095). Das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK fordert somit für die Verletzung dieser Norm das Vorhandensein "einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen" (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;

VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0586;

VwGH 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH 21.06.2001, Zl. 99/20/0460;

VwGH 16.04.2002, Zl. 2000/20/0131). Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 angeführten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG 1997, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

 

Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt somit, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:

 

Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Bamyan geboren, wuchs aber in der Provinz Ghazni auf und verbrachte dort den Großteil seines Lebens. Wie den Länderberichten zu entnehmen ist, stellt sich die Sicherheitslage in Ghazni im Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts als vergleichsweise instabil und volatil dar. Angesichts der Ermittlungsergebnisse wäre dem Beschwerdeführer - auch vor dem Hintergrund der unzulänglichen Informationslage betreffend die Erreichbarkeit der Provinz Ghazni unter sicherheitsbezogenen Aspekten - eine Rückführung in die Provinz seines letzten Aufenthalts erschwert oder sogar verunmöglicht.

 

Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan erscheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

 

Der Beschwerdeführer kann - vor dem Hintergrund der o.a. höchstgerichtlichen Judikatur sowie unter Berücksichtigung der Länderberichte, der von ihm dargelegten persönlichen Lebensumstände und der von UNHCR in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 sowie der von EASO in seinen Country Guidance-Notes von Juni 2018 und Juni 2019 aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer "internen Flucht,- Neuansiedlungs- oder Schutzalternative" für Afghanistan - aus folgenden Gründen in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, konkret in die Städte Mazar-e Sharif und Herat, verwiesen werden:

 

Zur Sicherheitslage in Mazar-e Sharif, das in der Provinz Balkh liegt, ist den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass es sich bei der Provinz Balkh um eine der stabilsten und sichersten Provinzen Afghanistans handelt. Balkh ist - in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer - die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Obwohl es auch dort zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte kommt, gehört die Provinz gesamthaft betrachtet, auch im Lichte der in den Länderberichten verzeichneten Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle dennoch zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans. Auch die Provinz Herat zählt den Länderberichten nach zu den relativ friedlichen und entwickelten Provinzen Afghanistans.

 

Die lokale Sicherheitslage in Mazar-e Sharif und Herat stellt zum Entscheidungszeitpunkt demnach kein Hindernis einer Rückkehr des Beschwerdeführers dar.

 

Sowohl Herat als auch Mazar-e Sharif sind prinzipiell von Kabul aus erreichbar, dieser Weg ist auch hinreichend sicher. Zudem verfügen beide Provinzen über internationale Flughäfen und sind daher auch über den Luftweg via Kabul zu erreichen, was vor allem die sichere Erreichbarkeit der Städte für den Fall der Unpassierbarkeit der Straßen während der Wintermonate gewährleistet.

 

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung in Afghanistan häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der durchschnittlichen afghanischen Bevölkerung in Mazar-e Sharif und Herat dennoch zumindest grundlegend gesichert. Zu den Provinzen Balkh und Herat ist im Speziellen festzuhalten, dass Balkh als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten bekannt ist und es sich auch bei Herat um eine vergleichsweise entwickelte Provinz Afghanistans handelt. In der Provinz Balkh existiert zudem ein Flüchtlingscamp, das auch den eigenen Staatsangehörigen Schutz bietet. Die wirtschaftliche Situation in Afghanistan insgesamt und insbesondere in Mazar-e Sharif sowie Herat erreicht jedenfalls nicht das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Zwar ist die Situation, insbesondere in Herat, wegen der Zahl der Binnenvertriebenen und der im April 2018 aufgetretenen Dürre, auf welche im März 2019 starke Regenfälle folgten, die mit Zerstörungen in einzelnen Distrikten Herats einhergegangen sind, angespannt. Der aktuellen Quellenlage ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung (mit Nahrungsmittel und Trinkwasser) in Mazar-e Sharif oder Herat generell nicht mehr gewährleistet oder das Gesundheitsversorgungssystem zusammengebrochen wäre. Auch ist Herat-Stadt nicht von den Zerstörungen infolge der starken Regenfälle, die im ersten Quartal 2019 in Teilen Herats eingesetzten haben, betroffen. Die Versorgung des Beschwerdeführers ist somit sowohl in Mazar-e Sharif als auch in Herat-Stadt jedenfalls grundlegend gewährleistet.

 

Ausgehend von den zu den Provinzen Herat und Balkh getroffenen Feststellungen liegt trotz einiger Missstände und Risiken keine menschenrechtswidrig prekäre Allgemein- und Sicherheitslage vor; es gibt keine Gründe für die Annahme eines realen Risikos einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention und auch nicht für die Annahme einer ernsthaften Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit des Beschwerdeführers im Falle seiner bloßen Anwesenheit in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif.

 

Somit liegt es an der Person des Beschwerdeführers, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine insbesondere dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fordert das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 02.08.2000, 98/21/0461). Das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK fordert somit für die Verletzung dieser Norm das Vorhandensein "einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen" (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Gemäß den Ausführungen von EASO und UNHCR ist auf die individuellen Umstände im Einzelfall abzustellen; hierbei sind insbesondere Herkunft, Alter, Gesundheit, Familie und wirtschaftliche Fortkommensmöglichkeiten zu berücksichtigen.

 

Vor dem Hintergrund der Feststellungen kann nicht gesagt werden, dass jene gemäß der Judikatur geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Es liegen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer mit der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, im Falle einer Rückführung nach Kabul Übergriffen von im gegebenen Zusammenhang interessierender Intensität ausgesetzt zu sein:

 

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen erwachsenen, alleinstehenden, ausreichend gesunden und arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er ist in Afghanistan geboren, dort im Verband seiner Familie aufgewachsen, besuchte in Ghazni die Schule bis zur zwölften Klasse, erhielt in Mazar-e Sharif eine dreijährige Ausbildung zum Krankenpfleger und arbeitete in diesem Bereich die letzten Jahre bis zu seiner Ausreise in einem Krankenhaus in Sar-e Pol. Er verbrachte sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 in Afghanistan und hat seine Sozialisierung somit innerhalb des afghanischen Kulturkreises erfahren, weshalb er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes bestens vertraut ist. Da der Beschwerdeführer drei Jahre lang die Krankenpfleger-Schule in Mazar-e Sharif besucht hat, kann zudem angenommen werden, dass er jedenfalls über grundlegende Kenntnisse der dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten verfügt. Auch spricht der Beschwerdeführer eine Landessprache Afghanistans muttersprachlich. Vor diesem Hintergrund ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er im Stande sein wird, insbesondere in Mazar-e Sharif aber auch in Herat selbstständig für ein ausreichendes Auskommen zu sorgen. Er hat die Möglichkeit, in den genannten Städten an seine frühere Erwerbstätigkeit anzuknüpfen oder - insbesondere aufgrund seiner langjährigen Schulbildung und Berufsausbildung - in einem verwandten Berufsfeld tätig zu sein. Letztlich ist der Beschwerdeführer jedenfalls in der Lage, sich allenfalls durch Gelegenheitsarbeiten eine Existenzgrundlage zu sichern. Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls in Herat oder Mazar-e Sharif für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Da Rückkehrer zudem verschiedene Unterstützungsleistungen von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen in Anspruch nehmen können, ist eine erste Versorgung des Beschwerdeführers jedenfalls gewährleistet.

 

Für den Fall mangelnder familiärer oder sozialer Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Herat oder Mazar-e Sharif ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu verweisen, wonach einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er - anders als der Beschwerdeführer - nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat (vgl. VfGH 12.12.2017, E 2068/2017). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat - bezüglich einer innerstaatlichen Schutzalternative in Mazar-e Sharif - jüngst ausgesprochen, dass das Vorhandensein eines sozialen Netzwerks für einen alleinstehenden, gesunden, erwachsenen Mann sowohl nach dem EASO-Leitfaden vom Juni 2018 als auch nach den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 keine Voraussetzung für die Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Schutzalternative ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0717-8).

 

Unter Berücksichtigung der dargelegten allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - insbesondere unter sicherheitsbezogenen Aspekten in den Städten Herat und Mazar-e Sharif - und der aufgezeigten persönlichen Umstände des Einzelfalls des Beschwerdeführers erscheint es insgesamt möglich, dass er in Afghanistan wieder Fuß fasst und jedenfalls in Herat oder Mazar-e Sharif ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen. Auch eine drohende Verletzung seiner Rechte unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen, etwa in dem Sinn, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Zurückführung in eine ausweglose Situation geriete, kann vor dem Hintergrund des Beschwerdesachverhalts nicht bejaht werden. Es bestehen folglich keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr nach Afghanistan - trotz mehrjähriger Abwesenheit - nicht in der Lage sein wird, für sich eine Existenzgrundlage zu sichern.

 

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers, welcher sich in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung befindet und zudem nach eigenen Angaben an Rückenschmerzen leidet, ist auf die ständige Rechtsprechung des EGMR hinzuweisen, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Lediglich bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ("very exceptional circumstances") kann die Abschiebung eines schwerkranken Fremden, dem wegen Fehlens von notwendiger Behandlung oder mangelnden Zugangs zur notwendigen Behandlung eine ernsthafte, rasche und nicht rückgängig zu machende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes drohen würde, die Schwelle des Art. 3 EMRK überschreiten (vgl. EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff). Eine akut lebensbedrohende Krankheit des Beschwerdeführers liegt im konkreten Fall jedenfalls nicht vor. Auch wurde weder behauptet noch dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat verschlechtern würde. Wie den getroffenen Länderfeststellungen zu entnehmen ist, sind Behandlungsmöglichkeiten auch im Herkunftsstaat sowohl für physische als auch für psychische Erkrankungen verfügbar und zugänglich. Dass eine Behandlung im Herkunftsstaat unter Umständen nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder allenfalls kostenintensiver ist, ist nicht relevant (vgl. EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff).

 

Abschließend ist darauf hinzuweise, dass eine schwierige Lebenssituation für den Asylwerber im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen in Großstädten, oder eine schwierige Situation bei der Wohnraum, -oder Arbeitsplatzsuche, nach der Judikatur des VwGH explizit nicht ausreicht, um die Voraussetzungen zur Erlangung von subsidiärem Schutz glaubhaft zu machen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass es keine begründeten Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde. Der Beschwerdeführer hat auch nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass gerade ihm im Falle einer Rückführungsmaßnahme eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Es ist dem Beschwerdeführer damit nicht gelungen, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht auch nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

 

Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) ist somit abzuweisen.

 

3.2.3. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkt III. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetungen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich seit November 2015 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt in Österreich geworden. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, ebenso kein begründeter Antrag.

 

3.2.3.2. Zur Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung:

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Gemäß Artikel 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und Verfassungsgerichtshofs auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen. Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit bzw. bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw. die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005, S. 282ff).

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Artikels 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die in einer gewissen Beziehungsintensität effektiv zusammenleben.

 

Der Beschwerdeführer hat in Österreich nach eigenen Angaben keine Verwandten oder Familienangehörigen. Auch ein intensives Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis zu einer in Österreich lebenden Person ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Eine Rückkehrentscheidung greift daher nicht in ein in Österreich bestehendes Familienleben des Beschwerdeführers ein.

 

Zum Privatleben des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass dieser unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet gelangte und im November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Er verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren. Die Dauer dieses Asylverfahrens übersteigt nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008; 19.752/2013).

 

Zwar kann nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058 mwN.). Jedoch vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058-8; 25.4.2018, Ra 2018/18/0187, jeweils mwN). Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält, kann selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; 30.04.2009, 2009/21/0086; 08.07.2009, 2008/21/0533; 08.03.2005, 2004/18/0354).

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht erwerbstätig und befindet sich in der Grundversorgung. Er verfügt über gute Deutschkenntnisse, erwarb Sprachzertifikate bis zum Niveau B1 und absolvierte zuletzt einen Deutschkurs auf dem Niveau B2/2. Er nahm an einem Werte- und Orientierungskurs sowie an einem Schwerpunktkurs für Pflege und Betreuung in deutscher Sprache teil und leistete beginnend mit April 2017 Freiwilligenarbeit beim Roten Kreuz als Erste-Hilfe-Instruktor für Menschen mit Migrations- bzw. Fluchthintergrund. Mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung wurde die vom Beschwerdeführer in Afghanistan absolvierte Ausbildung im Gesundheitsberuf unter der Bedingung der Absolvierung einer theoretischen Ergänzungsausbildung und Ablegung je einer kommissionellen Ergänzungsprüfung in näher bezeichneten Themenfeldern als einer in Österreich absolvierten Ausbildung in der Pflegeassistenz gleichwertig anerkannt. Der Beschwerdeführer absolvierte bis April 2019 eine Nostrifikationsausbildung bzw. Ergänzungsausbildung im Rahmen des Nostrifikationslehrgangs der Pflegeassistenz. Er war bzw. ist seit April 2018 als ehrenamtlicher Mitarbeiter in einem Krankenhaus tätig und absolvierte von 15.04.2019-12.05.2019 sowie von 20.05.2019-21.06.2019 Praktika im Rahmen seiner Nostrifikationsausbildung. Er verfügt über eine (bedingte) Einstellungszusage in einem Pensionisten-Wohnhaus zum nächst möglichen Termin für eine Wochenstundenverpflichtung im Ausmaß von 30 Stunden und einem Gehalt gemäß Kollektivvertrag von EUR 1.614,24. Der Beschwerdeführer ist Mitglied im Verein "Schach ohne Grenzen" und in einem Fitnesscenter.

 

Es wird in diesem Zusammenhang keineswegs verkannt, dass der Beschwerdeführer, im Hinblick auf seine Bemühungen, die deutsche Sprache zu erlernen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und künftig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, anerkennenswerte Integrationsschritte gesetzt hat. Allerdings besteht allein dadurch noch keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen, dass bereits von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden kann und ihm schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058). In diesem Zusammenhang ist auch auf die weitere höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 06.11.2009, 2008/18/0720 sowie 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet ist zudem maßgeblich dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten eines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste. Der Beschwerdeführer durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, welcher zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. z.B. VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013). Der Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG 2014 - nämlich die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren - darf zwar nicht in unverhältnismäßiger Weise in den Vordergrund gestellt werden (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0325, mwN). Der VwGH hat jedoch jüngst betont, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG 2014 maßgeblich relativierend sei, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Revisionswerber seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003; 10.04.2019, Ra 2019/18/0058).

 

Im Übrigen bewirkt der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

 

Hingegen kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interesses - ein hoher Stellenwert zu (z.B. VwGH 12.12.2012, 2012/18/0178; 22.01.2013, 2011/18/0012; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003).

 

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan geboren und dort im Verband seiner Familie aufgewachsen, hat dort somit die prägendsten Jahre seines Lebens verbracht und seine Sozialisierung erfahren. Er spricht eine der Landessprachen Afghanistans muttersprachlich, erhielt in Afghanistan nicht nur seine umfassende Schulbildung und mehrjährige Berufsausbildung, sondern sammelte dort auch bereits Berufserfahrung. Er lebte in Afghanistan durchgehend bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015. Zwar hält sich seine Familie mittlerweile im Iran, jedoch ist vor den eben dargestellten persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers nicht erkennbar, inwiefern dieser im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zu Afghanistan als zu Österreich, wo der Beschwerdeführer lediglich die letzten dreieinhalb Jahre seines Erwachsenenlebens verbracht hat, auszugehen.

 

Insgesamt betrachtet treten im gegenständlichen Einzelfall die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

 

Die belangte Behörde ist daher nach Maßgabe einer Interessensabwägung iSd § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die angeordnete Rückkehrentscheidung nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig (vgl. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0142; 18.03.2010, 2010/22/0023).

 

3.2.3.3. Zur Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung:

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK, BGBl 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat ist gegeben, da den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz zugrundeliegenden Feststellungen zufolge keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

3.2.3.4. Zur Festlegung der Frist für die freiwillige Ausreise:

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige besondere Umstände vom Beschwerdeführer nicht behauptet wurden und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid auch in den Spruchpunkten III. bis VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.3. Zu Spruchpunkt B) - Zulässigkeitsentscheidung hinsichtlich der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

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