BVwG W173 1437829-1

BVwGW173 1437829-18.5.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W173.1437829.1.00

 

Spruch:

W173 1437829-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin, Dr. Margit

Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA:

Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2013, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 zu

Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 idgF hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dem Beschwerdeführer, XXXX, gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird dem Beschwerdeführer, XXXX, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 1.Mai 2015 erteilt.

B)

Die Revision betreffend die Spruchpunkte A.I., A.II. und A.III. ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Im Rahmen der in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache dari durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 8.11.2012, in welcher der Beschwerdeführer (in der Folge BF) als XXXX bezeichnet wurde, brachte der BF vor, afghanischer Staatsangehöriger zu sein und als Moslem der schiitischen Glaubensrichtung der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Er sei seinem Vorbringen zufolge vor cirka 1,5 Monate von XXXX in Pakistan aus über den Iran, die Türkei und Griechenland illegal über den Landweg nach Österreich eingereist. Am 7.11.2012 hat der BF einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung gab der BF weiter an, am XXXX geboren zu sein und im Alter von 7 Jahren von Afghanistan von XXXX in der Provinz XXXX ausgehende 2003 mit der Familie nach Pakistan in die Stadt XXXX ausgewandert zu sein. Sein Vater (XXXX) sei vor vier Jahren in Pakistan verstorben. Der BF habe in Pakistan in einem Hotel gearbeitet und dort für die aus seiner Mutter und seinem Bruder bestehende Familie gesorgt. Auf Betreiben seiner Mutter habe er Pakistan verlassen, die die Absicht hätte, mit seinem Bruder nach Europa nachzukommen. Bei einer Rückkehr hätte er Probleme mit den pakistanischen Sunniten. Im Fall der Rückkehr hätte er keine Sanktionen in Afghanistan zu befürchten. Nach einer Rückübersetzung durch den Dolmetscher unterzeichnete der BF die Niederschrift. Aus der Niederschrift ergibt sich, dass keine Verständigungsprobleme bestanden hätten.

Am 21.11.2012 fand beim BF eine Altersbestimmung auf Basis eines Handknochen-Röntgens statt. Dabei wurde Folgendes festgestellt:

" Bestimmung des Knochenalters Hand links, FAA 76 Sämtliche Epiphysenfugen an den Phalangen und den Metacarpalia sind geschlossen. Am Radius zeigt sich eine zarte Epiphysennarbe.

Ergebnis: GP 31, Schmeling 4 ..............."

Im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 3.12.2012 gab der BF im Beisein seines Rechtsvertreters und eines Dolmetschers als Geburtsjahr 1375 (umgerechnet 1996) an und führte aus, mit 6 Jahren von Afghanistan nach Pakistan geflüchtet zu sein. Das Geburtsdatum beruhe auf Angaben seiner Mutter. Nach Vorhalt, dass die durchgeführte Bestimmung des Knochenalters für seine Volljährigkeit spreche, erklärte sich der BF bereit, diesbezüglich eine ärztliche Untersuchung vornehmen zu lassen. Dokumente, aus denen das Geburtsdatum hervorgehe, würden nicht existieren. Nach Rückübersetzung der Niederschrift bestätigte der BF deren Richtigkeit mit seiner Unterschrift. Eine Kopie der Niederschrift wurde ihm ausgehändigt.

Am 4.1.2013 wurde der BF durch Dr.med.dent. Heiko Merkens untersucht. Auf Basis einer zahnärztlichen Befragung und Befundung gemäß Qualitätsrichtlinie der IOFOS und den Empfehlungen der AGFAD wurde Nachfolgendes festgestellt:

" ............Bei der klinischen Untersuchung von Herrn XXXX waren

die oberen Weisheitszähne zu diagnostizieren, beide erreichten die Okklusionsebene. Es fanden sich kariöse Läsionen, ein Zahnhartsubstanzverlust durch Attrition, sowie eine Gingivo-Paradontits. Das Orthopantomogramm ergab, dass die oberen Weisheitszähne angelegt sind. Die Mineralisation, soweit zu beurteilen, und die Dentition sind abgeschlossen. Eine Beurteilung der oben angeführten zahnärztlichen Befunde hinsichtlich der Angabe eines geschätzten Mindestalters erfolgt im Rahmen des forensischen Gesamtgutachtens und unter Einbeziehung der Ergebnisse aller durchgeführten Untersuchungen....."

Am 4.1.2013 wurde beim BF außerdem eine Computertomographie durch Univ.Prof.Dr. Gerhard Ranner, Facharzt für Radiologie, mittels Mehrschicht-Spiral- Computertomographen Somatom, Definition AS plus (128 Detektorzeilen) mit 1 mm Rekonstruktionsschichtdicke vorgenommen. Es wurde nach Befundung die nachfolgende gutachterliche Schlussfolgerung erstellt:

"Die CT-Untersuchung des brustbeinseitigen Schlüsselbeins beidseits des Asylbewerbers XXXX auch XXXX ergibt beidseits das Vorliegen eines Stadiums IIIb der Verknöcherung nach Kellinghaus et al.

................"

Nach Befragung und körperlichen Untersuchung des BF am 4.1.2013 wurde unter Einbeziehung der oben genannten medizinischen Untersuchungen und darauf basierenden Gutachten am 23.1.2013 nachfolgendes gerichtsmedizinisches Gesamtgutachten wie folgt erstellt:

"XXXX wies zum Zeitpunkt der körperlichen Untersuchung eine vollständig abgeschlossene sexuelle Reifeentwicklung auf. Aus der körperlichen Untersuchung ergaben sich keine Hinweise auf eine Verzögerung oder Beschleunigung der körperlichen Entwicklung Die Röntgenuntersuchung der Hand ergab ein durchschnittliches Skelettalter von 19 Jahren oder älter. Die CT-Untersuchung der brustbeinnahen Schlüsselbeingelenke ergab einen Mittelwert des chronologischen Alters von 21,1 Jahren mit einer Standardabweichung von 2,0 Jahren. Bei der zahnärztlichen Untersuchung inklusive Panoramaröntgen wiesen die Weisheitszähne ein Mineralisationsstadium mit einem Mittelwert des chronologischen Alters von 20,1 Jahren mit einer Standardabweichung von 1,8 Jahren und Durchbruchstadien mit Mittelwerten des chronologischen Alters zwischen 20,0 und 20,3 Jahren mit Standardabweichungen zwischen 2,2 und 2,3 Jahren auf. Da es sich um biologische Wachstumsprozesse handelt, ist eine individuelle Gewichtung der jeweiligen Untersuchungsmodalitäten bezüglich des untersten abgeschlossenen Wachstumsstadiums erforderlich. Berücksichtigt werden dabei die Ergebnisse der Handröntgenaufnahme, Zahnbefund inklusive Panoramaröntgen sowie falls vorhanden der Schlüsselbein - CT. In Einzelfällen, bei denen sich einzelne Kriterien einer Beurteilung entziehen und nur eingeschränkt beurteilbar sind, erfolgt die Gesamtbeurteilung basierend auf den verwertbaren Einzelergebnissen. Die zusammengefasste Altersschätzung stützt sich auf die Mittelwerte der einzelnen Untersuchungen sowie auf die entsprechenden Schwankungsbreiten. In der Zusammenschau der Ergebnisse der radiologischen Untersuchungen der Hand, der Schlüsselbeine und des Gebisses ergibt sich für XXXX zum Zeitpunkt der Untersuchungen am 4.1.2013 ein wahrscheinlichstes Lebensalter von ca. 20-24 Jahren. Unter Berücksichtigung einer Schwankungsbreite der Untersuchungsergebnisse ergibt sich ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 18 Jahren. Im konkreten Fall kann zum Alter zum oben angegebenen Asylantragszeitpunkt keine Stellung genommen werden. Als Geburtsdatum wurde der XXXX angegeben. Dies entspricht einem chronologischen Alter zum Untersuchungszeitpunkt am 4.1.2013 von 17 Jahren. Das angegebene Alter kann aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht belegt

werden................... "

Bei der Einvernahme am 30.1.2013 im Beisein eines Dolmetschers und eines gesetzlichen Vertreters des BF blieb der BF, der als XXXX auch XXXX bezeichnet wurde, nach Vorhalt des gerichtsmedizinischen Gutachtens, das seine Volljährigkeit bestätigte, dabei, 17 Jahre alt zu sein. Eine Kopie des gerichtsmedizinischen Gutachtens wurde dem BF ausgehändigt. Der gesetzliche Vertreter wurde aufgrund der im gerichtsmedizinischen Gutachten festgestellten Volljährigkeit des BF von seiner Funktion entbunden. Der BF bestätigte, die Fluchtgründe vollständig angegeben zu haben. Zu seinem Vornamen führte aus, dass er XXXX heiße. Nach Rückübersetzung durch den Dolmetscher bestätigte der BF mit seiner Unterschrift die Richtigkeit der Niederschrift, deren Kopie ihm ausgehändigt wurde.

Am 25.6.2013 fand beim Bundesasylamt eine weitere Einvernahme im Beisein einer Dolmetscherin mit dem BF statt, bei der BF als XXXX auch XXXX bezeichnet wurde. Dokumente oder sonstige Beweismittel konnte er nicht vorlege. Der BF gab an, Deutschkurse zu besuchen und sich hauptsächlich im Quartier aufzuhalten, wo er Sport betreibe. In Österreich habe er weder familiäre Beziehungen noch sonstige verwandtschaftliche Bindungen. Seine Familie stamme aus der Gegend von XXXX, im Bezirk XXXX, in der Provinz XXXX. Mit sechs Jahren sei der BF mit seiner Familie vom Afghanistan nach Pakistan gezogen. Dort habe er sich bis zu seiner Flucht in XXXX mit seiner Familie aufgehalten. Seine Mutter und sein bereits in Pakistan geborener Bruder würden dort leben. Sein Vater sei etwa vor vier Jahren an einer Krankheit gestorben. Der ebenfalls in XXXX lebende Onkel väterlicherseits habe die Familie unterstützt. Während die Mutter als Wäscherin gearbeitet habe, habe der BF Saft gepresst und verkauft. In Afghanistan, wo die Familie alles aufgegeben habe, würden keine Verwandten mehr leben. Aus Erzählungen des Vaters sei dem BF bekannt, dass in seinem Heimatland die Lage für Hazare schwierig gewesen sei. Aufgrund der Dominanz der Taliban hätte das Land verlassen werden müssen. Der Name des Heimatsdorfes sei dem BF nicht mehr in Erinnerung. Lediglich an den Straßennamen XXXX an seinem Wohnsitz könne er sich erinnern. Nach Vorhalt der belangten Behörde, dass der vom BF genannte Distrikt XXXX in der Provinz XXXX nicht existiere, wies der BF daraufhin, diesen immer als XXXX bezeichnet zu haben. Darüber hinaus sei ihm aus seinem Aufenthalt in Afghanistan nichts mehr in Erinnerung. Sein Alter sei ihm von seiner Mutter genannt worden. Die anwesende Dolmetscherin schloss aufgrund ihrer Erfahrung - basierend auf zahlreichen Einvernahmen im Asylverfahren und ihrem sprachlichen Hintergrund - den Ausführungen des BF zufolge darauf, dass es sich um einen im Raum XXXX lebenden Afghanen handle, der dari spreche, das stark an Paschtu erinnere und auch einzelne Wörter - wie beispielsweise Gali - aus dem Urdu entlehnen würde. Aufgrund der sich in XXXX häufenden Bombenanschläge habe sich der BF auf Ratschlag seiner Mutter und seines Onkels für eine Flucht nach Europa entschieden. Das Geld dafür stamme aus dem Verkauf des Goldschmucks seiner Mutter und aus den Ersparnissen seines Onkels. In Afghanistan - etwa in Kabul - kenne der BF niemanden. Anders als in Kabul gebe es in Österreich keine Bombeneinschläge. Kabul sei eine teure Stadt. Nach Afghanistan kehre keiner zurück. Auch sein Arbeitgeber sei nach Australien ausgewandert. In Afghanistan habe der BF zwar keine Feinde. Dort werde er weder verfolgt, noch würde dort versucht werden, ihn zu schädigen. Allerdings sei er schon sehr lange weg, sodass er in Afghanistan niemand mehr kenne. Im Fall der Rückkehr würde er dort niemanden kennen. Nach Vorhalt der Länderdokumentation wies der BF darauf hin, nicht in Afghanistan leben zu können. Weitere Ergänzungen habe er nicht. Nach Rückübersetzung durch die Dolmetscherin bestätigte der BF die Richtigkeit der Niederschrift mit seiner Unterschrift. Eine Kopie davon wurde ihm ausgehändigt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.8.2013, Zl XXXX, in dem der BF als XXXX auch XXXX bezeichnet wurde, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 7.11.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs.1 Z 13 leg.cit. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt. II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt traf in seinem Bescheid Feststellungen zur Lage in Afghanistan unter besonderer Berücksichtigung der Provinz Kabul, sowie über die Tätigkeit nichtstaatlicher Akteure in Afghanistan. Außerdem wurden Feststellungen zur Bewegungsfreiheit und Bewegungsmöglichkeit sowie zur Rückkehrfrage im Hinblick auf die Grundversorgung/Wirtschaft, Lebensmittel/Wasser, Unterkunft, Wirtschaft, Arbeits-möglichkeiten und Hilfsorganisationen sowie zur Behandlung nach der Rückkehr getroffen. Darüber hinaus wurde der BF, dessen Person nicht feststellbar sei, als afghanischer Staatsbürger eingestuft, der auf Basis des gerichtsmedizinischen Gutachtens die Volljährigkeit erreicht habe. Der BF habe im Kindesalter Afghanistan mit der Familie verlassen und sei nach Afghanistan nicht mehr zurückgekehrt. Bis zu seiner Flucht nach Österreich habe der BF gemeinsam mit seinen Angehörigen (Mutter, jüngerer Bruder, und Vater, der vor vier Jahren gestorben sei) durchgehend in Pakistan gelebt. Von seiner Selbsterhaltungsfähigkeit im Herkunftsland sei auszugehen. In Bezug auf das individuelle Vorbringen des BF kam die belangte Behörde zum Schluss, dass der BF keine Verfolgung weder durch seinen Herkunftsstaat noch durch Drittpersonen in seinem Herkunftsstaat geltend gemacht habe und daher ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme. Eine gegen den BF gerichtete Bedrohung iSd § 8 AsylG liege nicht vor. Der BF sei daher auszuweisen.

Das Bundesasylamt führte beweiswürdigend zur Person des BF aus, dass mangels Dokumente und offensichtlich falscher Altersangaben seine Person nicht habe festgestellt werden können. Aufgrund der Altersfeststellung könne jedoch von der Volljährigkeit des BF ausgegangen werde. Es liege aber keine beabsichtigte Irreführung der Behörde vor, sondern sei der Umstand zu berücksichtigen, dass der BF Afghanistan bereits im Kindesalter verlassen habe. Die Lebensverhältnisse und familiäre Gegebenheiten des BF seien ebenso als glaubhaft zu beurteilen, wie sein Fluchtvorbringen. Darin werde deutlich gemacht, dass die BF keinerlei Verfolgungssituation durch/in seinem Herkunftsstaat ausgesetzt sei. Es liege auch kein Grund für eine individuelle Bedrohung/Gefährdung seiner Person im Herkunftsstaat vor. Der Wunsch, ein Leben außerhalb des Kriegs-/Bürgerkriegslandes zu leben, bzw. nicht mehr zurückkehren zu wollen, sei verständlich. Die Lebenssituation im Aufenthaltsstaat Pakistan sei unbeachtlich. Die Verfestigung des BF im Zielstaat als Ankerfremder diene dem Familiennachzug. Für eine asylrelevante Verfolgung bedürfe es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des BF, die jedoch gegenständlich nicht vorliegen würden.

Mangels asylrelevanter Verfolgung des BF sei es diesem nicht gelungen, eine Bedrohung iSd § 8 ASylG glaubhaft zu machen. Vielmehr sei es ihm im Fall der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar, auch ohne familiärer Anknüpfungspunkte in der Hauptstadt Kabul einen Wohnraum zu suchen und mit seiner bislang ausgeübten Tätigkeit bzw. mit einer anderen Tätigkeit für den Lebensunterhalt ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Es handle sich um einen gesunden, arbeitsfähigen und jungen Mann mit Arbeitserfahrung, bei dem davon auszugehen sei, dass er im Fall der Rückkehr in keine wirtschaftliche Notlage existenziellen Ausmaßes geraten würde. Zudem könne er sich in Kabul an ansässige staatliche, nichtstaatliche oder internationale Hilfseinrichtungen wenden, selbst wenn diese nur im eingeschränkten Ausmaß individuelle Unterstützungsleistungen gewähren könnten. Es würden daher keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohende Gefahr nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wäre, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung eine Gefährdung ableiten lassen.

Da beim BF weder familiäre Bindungen im Bundesgebiet vorliegen würden, noch aus dem Privatleben des BF objektive Gründe ersichtlich seien, die einer Ausweisung entgegenstehen würden, sei der BF aus dem Bundesgebiet auszuweisen. Auch die Integrationsbemühungen des BF im Hinblick auf die Absolvierung eines Deutschkurses könnten solche nicht hinreichend belegen. Vielmehr bestehe ein öffentliches Interesse an der Ausweisung des BF.

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.8.2013, zugestellt am 3.9.2013, wurde mit Schriftsatz vom 12.9.2013, eingebracht per E-Mail ebenfalls am 12.9.2013, fristgerecht Beschwerde erhoben, mit welcher der Bescheid zur Gänze angefochten wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF aufgrund des fehlenden sozialen Netzwerkes und seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara nicht nach Afghanistan zurückkehren könne. Weder Verwandte noch Angehörige würden sich noch in Afghanistan befinden. Über die Gründe des Verlassens seines Heimatlandes im Alter von sechs Jahren sei dem BF nichts Näheres bekannt. Wahrscheinlich sei er als schiitischer Hazara in Afghanistan verfolgt worden und die afghanischen Sicherheitsbehörden weder gewillt, noch im Stande den notwendigen Schutz zu bieten. Ohne nennenswerte Berufs- oder sonstige Ausbildung würde der BF im Fall der Rückkehr in eine hilf- und aussichtslose Lage geraten. Ihm wäre daher jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren.

Die belangte Behörde hätte es unterlassen, die Sicherheitslage in Afghanistan adäquat zu ermitteln und festzustellen. Die Länderfeststellungen seien Großteils veraltet und daher keinesfalls aktuell. Vielmehr sei die Sicherheitslage in Afghanistan überaus angespannt und prekär. Dazu wurde auf Berichte und Internetadressen verwiesen. Die auf den veralteten Länderfeststellungen basierenden Schlussfolgerungen seien daher falsch. Selbst aus der Judikatur des Asylgerichtshofs ergebe sich, dass sich die Situation in Afghanistan und in Kabul verschlechtere. Dem BF drohe in Afghanistan eine Gefahr iSd Art. 3 EMRK. Auch wenn der BF bisher von tatsächlichen Übergriffen verschont geblieben sei, handle es sich bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes um eine Prognoseentscheidung. Selbst in der Judikatur des Asylgerichtshofes werde auf Grund von Anhaltspunkten in den Länderfeststellungen zu Afghanistan davon ausgegangen, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 der MRK verletzt werden würde. Vielmehr könne aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage nicht davon ausgegangen werden, dass von den staatlichen Stellen in Afghanistan Schutz geboten werden könne. Für die Gewährung des subsidiären Schutzes für den BF spreche auch die Judikatur des Asylgerichtshofes zu fehlenden familiären Anknüpfungspunkten bzw. fehlenden sozialen Netzwerken in Afghanistan. Eine Rückführung käme nur in Betracht, wenn der betreffende Asylwerber in der Lage sei, sich sofort und aus eigenen Mitteln oder aufgrund eines bestehenden Familienanschlusses an einem hinreichend sicheren Ort seines Rückzugsgebietes vor allem für die Nacht zu schaffen. Dies könne jedenfalls beim BF ausgeschlossen werden. Bei einer Ausweisung würde der BF auch in seinen durch Art. 8 EMRK geschützten Rechten auf Privat- und Familienleben verletzt werden. Durch den Verbleib des BF würden keine öffentlichen Interessen gefährdet und bestünde keine Gefahr für ein geordnetes Fremdenwesen.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte in der Folge eine mündliche Verhandlung für den 8.4.2014 an und übermittelte dem BF gleichzeitig die aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan mit der Möglichkeit, dazu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen. Im Schriftsatz vom 26.3.2014, in dem sich der BF als XXXX bezeichnete, legte der BF zur Lage in seiner ursprünglichen Heimatprovinz, XXXX, unter Hinweis darauf, dass diese Provinz als eine der gefährlichsten in Afghanistan einzustufen sei, weitere Länderberichte vor. Dabei stützte er sich auch auf die Judikatur des Asylgerichtshofes aus dem Jahr 2012, wonach diese Provinz als eine der gefährlichsten - laut ANSO als "schwarze Provinz" - einzustufen sei, und die höchste Frequenz an Angriffen zu verzeichnen habe. Diese Einschätzung teile auch die UK Boarder Agency sowie eine deutsches Gericht und das UNHCR. Laut Bericht des UNHCR vom 25.6.2013 sei die gesamte Provinz XXXX einschließlich der Straßen von Kandahar nach XXXX und von Kabul nach XXXX als unsicher einzustufen. Aus einem Bericht des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel vom 24.6.2013 seien bei NATO-Luftangriffen in XXXX Zivilisten getötet und verletzt worden. Aus einem gemeinsamen Bericht des deutschen BAMF, österreichischen Bundesasylamtes und des schweizerischen BMF vom März 2011 sei zu entnehmen, dass in der Provinz XXXX jährliche Auseinandersetzungen zwischen den sesshaften Hazaras und den nomadisierenden Kuchis weiteres Konfliktpotenziale darstellen würde. In einem Bericht aus dem Jahr 2011 von Hazara People International Work sei ausgeführt, dass bei jährlichen Angriffen unter anderem auch in XXXX es zu Tötungen, Plünderungen und Vertreibungen von tausenden Hazaras gekommen sei.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 8.4.2014 bestätigte der BF eingangs im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari, dass seine bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Er legte eine Anmeldung für einen Deutschkurs und einen vom ÖFB ausgestellten Spielerpass vor. Aus Afghanistan stammende Dokumente konnte der BF keine vorlegen. Zum Verfahrensgegenstand und bisherigen Verfahrensablauf gab der BF keine ergänzende Stellungnahme ab. Auf Befragung gab der BF an, aus dem Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX zu stammen, wo die Familie in der Gasse XXXX gewohnt habe. Die unterschiedliche Bedeutung der Begriffe "Dorf" und "Distrikt" habe er erst viel später erfahren. Als Sechsjähriger habe er mit seiner Familie Afghanistan verlassen und sei nach Pakistan in die Stadt XXXX gezogen. Er sei am XXXX geboren und afghanischer Staatsangehöriger. Sein vollständiger Vorname sei "XXXX". Soweit sein Vorname als "XXXX" in vorhergehenden Einvernahme aufscheine, handle es sich um einen Tippfehler. Dass in seinem letzten Schreiben vom 26.3.2014 der Vorname "XXXX" ausscheine, sei darauf zurückzuführen, dass dieses Schreiben in seinem Namen ohne Beisein eines Dolmetschers verfasst worden sei und er nicht habe erklären können, wie sein vollständiger Vorname gelautet habe. Der BF akzeptierte die Richtigkeit der medizinischen Gutachten zur Feststellung seiner Volljährigkeit und bestätigte sein Geburtsdatum mit XXXX. Als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sei er muslimischer Schiit. In Afghanistan habe er keine Schule besucht. Lediglich in Pakistan, in XXXX, habe er von 2003 bis 2006 eine Schule besucht, die jedoch nicht in Pakistan anerkannt sei. Darüber hinaus habe er keine Berufsausbildung gemacht und spreche ein wenig die pakistanische Sprache "Urdu". Bis zu seinem Tod habe sein Vater für die Familie gesorgt. Dies habe dann der Onkel mütterlicherseits übernommen. Der BF bestätigte mit sechs Jahren aus Afghanistan nach Pakistan gezogen zu sein und sich dort bis zu seiner Flucht nach Österreich aufgehalten zu haben. In dieser Form sei dies auch immer von ihm angegeben worden. Die Familie habe er mit seiner Tätigkeit in einem Hotelrestaurant unterstützt, in dem er Fruchtsäfte vorbereitet und verkauft haben. Zu seiner in XXXX in Pakistan lebenden Familie würden seine Mutter (XXXX), sein jüngerer Bruder (XXXX) und sein Onkel mütterlicherseits gehören. In Afghanistan habe er keine Verwandten und kenne auch dort sonst niemanden. Mit seiner Mutter sei er telefonisch in Kontakt. Diese erzähle über ihre Arbeit und die Schwierigkeiten des Lebens sowie über die immer schlechter werdende Sicherheitslage. Sie hoffe, dass der in Sicherheit lebende BF eine Ausbildung absolvieren, Arbeit und die Möglichkeit bekomme, sie und ihren jüngeren Sohn aus der schlechten Lage zu retten und zu sich zu holen. In Österreich habe der BF keine Familienangehörigen. Er halte es allerdings für wichtig, die deutsche Sprache zu lernen und habe sich deshalb für einen Sprachkurs in Graz angemeldet. Nach Afghanistan habe er keine Verbindungen. Er besitze dort nichts.

Als Fluchtgrund aus Afghanistan gab der BF an, dass sein Vater aus Angst vor den Taliban von Afghanistan mit der Familie nach Pakistan geflohen sei. Nach Erhalt des negativen Bescheides vom 12.8.2013 habe der BF daraufhin mit seiner Mutter telefoniert und ihr mitgeteilt, sie sehr zu vermissen und wieder zurückfahren zu wollen. Diese habe ihm aber davon abgeraten, da sein Leben in Gefahr sei. Dazu habe sie ihm den Grund für die Flucht der Familie aus Afghanistan erzählt und auf die Ermordung seines Vaters in XXXX durch aus Afghanistan stammende Feinde hingewiesen, die den Vater bis nach Pakistan verfolgt hätten. Die Entscheidung für die Flucht des BF aus Pakistan hätten der Onkel und seine Mutter für BF getroffen, zumal der BF - wenn er älter werde - von Feinden des Vaters gefunden und getötet werde. Der BF betonte, noch sehr jung gewesen zu sein, als er nach Europa geschickt worden sei. Als Grund dafür, erst nunmehr auf die Tötung des Vaters durch Feinde Bezug zu nehmen, verwies der BF darauf, noch jung gewesen zu sein, als sein Vater vor vier Jahren in Pakistan gestorben sei. Er habe damals nicht sehr viel verstanden und seine Mutter habe ihm nichts von der Tötung erzählt. Erst nach Erhalt des negativen Bescheides habe er von der Mutter von der Ermordung des Vaters durch Feinde erfahren. Bei diesen Feinden des Vaters handle es sich um Personen aus der Gruppe "Hezb-e Sepa" aus dem Stamm "Said", die Gegner der den "Hazara" zuzuordnenden Gruppierung "Hezb-e Wahdat" seien, der sein Vater angehört habe. Seine Mutter kenne den Namen der Mörder, die sich in Pakistan aufhalten würden, sodass der BF nicht zurückkehren könne. Die genannten Gruppierungen hätten am Krieg teilgenommen, wobei die Ermordung vieler Mitgliedern der "Hezb-e Sepa" Mitgliedern der "Hezb-e Wahdat", zu der auch sein Vater zu zählen gewesen sei, unterstellt worden wären. Sein Vater sei auch noch in Afghanistan festgenommen und gefoltert worden. Nach seiner Freilassung sei die gesamte Familie nach Pakistan geflohen. Als die Mitglieder der "Hezb-e Sepa" seinen Vater in XXXX aufgespürt hätten, sei er von ihnen getötet worden. Auf Nachfrage betonte der BF, diese Informationen von der Mutter erst im Zuge der Kontaktaufnahme nach Erhalt des negativen Bescheides erhalten zu haben. Diese habe auch betont, dass der BF nicht mehr nach XXXX zurückkehren solle und sein Leben in Gefahr sei. Nach Ansicht des BF sei sein Leben auch im Fall der Rückkehr nach Afghanistan in Gefahr, zumal sich dort Mitglieder der "Hezb-e Sepa" aufhalten würden. Im Zuge seiner Einvernahmen in Österreich hätte er noch nichts von den Feinden seines Vaters in Afghanistan und XXXX gewusst. Seine Furcht habe sich erst nach dem Telefonat mit seiner Mutter ergeben. Er könnte daher weder nach Afghanistan noch nach Pakistan zurückkehren, zumal in beiden Ländern Feinde des Vaters leben würden. Seine Mutter habe ihn in ein friedliches Land geschickt. Er könne nicht mehr zurückkehren und möchte in Sicherheit leben, die Sprache lernen, eine Ausbildung erwerben und Fußballspielen. Auf weitere Beweisanträge und Stellungnahmen werde verzichtet. Nach Rückübersetzung der Niederschrift durch die Dolmetscherin wurden vom BF gegen diese keine Einwendungen erhoben. Eine Kopie der Niederschrift wurde ihm überreicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens basierend auf den Antrag auf internationalen Schutz vom 7.11.2012, auf den Einvernahmen des BF, auf den Gutachten, der Beschwerde vom 12.9.2013 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.8.2013, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Ausländer- und Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 von folgendem, für die Entscheidung maßgeblichem Sachverhalt aus:

1.1.Zur Person des BF wird festgestellt, dass der BF Staatsangehöriger von Afghanistan ist und den Namen "XXXX" führt. Der BF wurde am XXXX im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX geboren. Der BF gehört der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Der BF spricht die Sprache dari.

Der BF hat in Österreich weder Familienangehörige noch einen in Österreich aufhältigen Ehepartner bzw. eingetragenen Partner oder Kinder. Er ist strafrechtlich unbescholten. Die Mutter, sein jüngerer Bruder und sein Onkel leben in Pakistan. In Afghanistan hat der BF keine Verwandten oder sonstige Bezugspersonen. Er verfügt dort über keine Vermögenswerte.

1.2. Festgestellt wird, dass auf Grund der Dominanz der Taliban der BF im Kindesalter mit seinen Eltern Afghanistan verlassen hat und nach Pakistan in die Stadt XXXX gezogen ist. Bis zu seiner Flucht nach Österreich hat der BF in der Folge in Pakistan gelebt. Er hat von 2003-2006 in Pakistan eine Schule besucht. Sein Vater ist vor ca. 4 Jahren in Pakistan an einer Krankheit gestorben. Der BF war in Pakistan in einem Hotel als Saftverkäufer tätig. Seine Mutter und sein bereits in Pakistan geborener jüngerer Bruder und sein Onkel leben nach wie vor in Pakistan.

Von Pakistan aus ist der BF schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 7.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er ist aus Angst vor den pakistanischen Sunniten von Pakistan nach Österreich geflüchtet. In Afghanistan hat der BF keine Feinde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ausgesetzt war bzw. ihm solche Verfolgung (Ausreise, Nachfluchtgründe) im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Der BF hat keine Verwandte oder Bekannte in der Provinz XXXX und auch nicht in einem anderen Gebiet in Afghanistan, an die er sich im Fall der Rückkehr um Unterstützung wenden könnte. Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt er nicht. Er hat bisher in Afghanistan nicht gearbeitet, sondern Afghanistan noch im Kindesalter mit der Familie verlassen. Er verfügt über keine Schulausbildung in Afghanistan. Er hat keine Vermögenswert in Form eines Grundstückes, eines Hauses, einer Wohnung in Afghanistan oder sonstige Ersparnisse, die ihm einen Start in Afghanistan im Fall der Rückkehr ermöglichen würden. Er wäre nicht in der Lage, sich in Afghanistan selbst zu erhalten.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage allgemein:

Die Zahl der im Afghanistan-Konflikt getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind 23 % mehr Opfer gezählt worden. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang im Jahr 2012 gibt es nun eine Rückkehr zu den hohen Zahlen von getöteten und verletzten Zivilisten des Jahres 2011. Von Jänner bis Juni 2013 wurden insgesamt 1.319 Zivilisten getötet. Das entspricht einer Erhöhung um 14 % im Vergleich zum ersten Halbjahr 2012. Die Zahl der verletzten Zivilisten stieg demnach um 28 % auf

2.533.

Laut UNAMA sind 74 % der Opfer durch Angriffe von Aufständischen getötet oder verletzt worden. In 9 % der Fälle seien Regierungstruppen verantwortlich, weitere 12 % seien bei Kämpfen zwischen beiden Seiten getötet oder verletzt worden. Die verbleibenden 5 % der Fälle waren demnach keiner Konfliktpartei zuzuordnen und wurden in erster Linie durch Blindgänger verursacht.

Die neuen Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan vor dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis zum Ende des kommenden Jahres alle Kampftruppen aus dem Land abziehen.

Auf die Abzugspläne der Deutschen Bundeswehr haben die veränderten Daten zur Sicherheitslage keine Auswirkungen. Es bleibt bislang auch bei den Absichten, von Ende 2014 an für eine Ausbildungs- und Trainingsmission der NATO zwischen 600 und 800 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung zu stellen.

(ORF-online: "Afghanistan: 2013 bereits über 1.300 zivile Opfer" vom 31.7.2013; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bundeswehr korrigiert Statistik über Sicherheit in Afghanistan" vom 31. Mai 2013)

Karzai versucht, Afghanistan vor der Präsidentenwahl und dem Abzug der NATO-Truppen in diesem Jahr zu stabilisieren. Die ausländischen Soldaten übertragen immer mehr der Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan auf die 350.000 Mitglieder der einheimischen Sicherheitskräfte.

(APA: "Afghanisches Parlament feuert Innenminister wegen Gewaltwelle" vom 22.7.2013)

Eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes, haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung",vom 19.6.2013)

Der Konflikt in Afghanistan beeinflusst nun auch Provinzen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet wurden, wie etwa die Provinz Panjshir. Die Gewalt ist nicht auf Kabul oder allgemein auf städtische Zentren beschränkt. Viel und oft wird extrem gewalttätig seitens der Aufständischen in ländlichen Gebieten vorgegangen. Die Verbreitung von lokalen Milizen und bewaffneten Gruppen sowohl pro- und anti-Regierung im Norden, Nordosten und in zentralen Hochland-Regionen haben eine weitere negative Auswirkung auf die Sicherheitslage für Zivilisten.

(UNHCR, Eligibility Gudielines, vom August 2013, S. 14)

Die Opfer unter den ISAF-Angehörigen gingen insbesondere aufgrund der Verringerung der Kräfte als auch des gewandelten militärischen Auftrages in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 121 auf 60 zurück. Infolge des nahezu abgeschlossenen Aufwuchs der Afghan National Security Forces (ANSF), der hohen Operationslast als Folge der Übernahme der aktiven Sicherheitsverantwortung und der damit einhergehenden Zielauswahl durch die RFK stiegen die personellen Verluste der ANSF von 499 auf 1.070 in den ersten vier Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich an. Auch in Zukunft ist infolge der weiter fortschreitenden Transition mit hohen Verlustzahlen unter ANSF-Angehörigen zu rechnen. Unter diesen Umständen ist es von größter Bedeutung, dass das innere Gefüge der ANSF Bestand hat, das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Sicherheitskräfte wächst und die ANSF durch fortgesetzte Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bei der Steigerung ihres Fähigkeitsprofils gestärkt werden.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013, S8)

Im Zeitraum von Jänner bis Juni 2013 wurden insgesamt 3.852 zivile Opfer (1.319 Tote und 2.533 Verletzte) dokumentiert. Dies ist ein 23-prozentige Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.es

Für 74 % der zivilen Opfer waren laut UNAMA regierungsfeindliche Elemente, die für 9 % regierungstreue Kräfte und für 12 % Bodenkämpfe zwischen beiden Seiten verantwortlich. Die restlichen 4 % konnten keiner Konfliktpartei zugeordnet werden. Die Hauptursache für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich ZivilistInnen aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude. Wie UNAMA weiters ausführt, hat eine sich verändernde politische und sicherheitsrelevante Dynamik in der ersten Jahreshälfte 2013 den Schutz von Zivilisten behindert und den Zugang zu Menschenrechten beschränkt. Auf die Übertragung von Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte und die Schließung von internationalen Militärbasen haben regierungsfeindliche Elemente mit zunehmenden Angriffen auf afghanische Sicherheitskräfte, hauptsächlich an den Checkpoints, auf strategisch wichtigen Highways, in einigen Gebieten, die an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, und in Distrikten, die an Afghanistans Nachbarländer Grenzen, reagiert.

(UNAMA, Mid-Year Report 2013, vom Juli 2013, S. 1-2)

Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 PolizistInnen getötet wurden - die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben.

(AlertNet: "Afghan police deaths double as foreign troops withdraw" vom 2.9.2013)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15.Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 % höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16.November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 5.3.2013)

In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16. Februar bis 15. Mai 2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 % der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Im Osten des Landes ist es zu einem Zustrom von Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badachschan und einem 18-prozentigen Anstieg der Anzahl der Vorfälle gekommen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen machten weiterhin die Mehrzahl der Vorfälle aus.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 13.6.2013)

In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 1.Juli 2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 6.9.2013)

Im selben Bericht wird angeführt, dass im Zeitraum vom 16.Mai bis 15. August 2013 insgesamt 5.922 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen 21-prozentigen Rückgang im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2011 dar. Laut Bericht haben die Aufständischen ihren Schwerpunkt unter anderem auf Angriffe auf Sicherheitskontrollpunkte und Stützpunkte gelegt, die von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Generell wirkungsvoller Widerstand durch die afghanischen Sicherheitskräfte hat sich auf den Schutz von wichtigen städtischen Zentren, Verwaltungszentren von Distrikten und strategisch wichtigen Transportrouten fokussiert. Die Mehrheit der sicherheitsrelevanten Vorfälle (69 Prozent) ereignete sich weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6.9.2013)

Gemäß ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, in welchen die Übergabe in Phase drei erfolgt ist, sind zunehmende Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen, während die Aktivitäten der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen Gebieten zeitgleich zurückgegangen sind. Mit dem voranschreitenden Abzug der internationalen Truppen haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich von den internationalen Zielen weg auf afghanische Ziele fokussiert, d.h. auf die afghanischen Sicherheitskräfte sowie auf afghanische Regierungsangehörige. Dies widerspricht der erwarteten Logik, dass die sinkende internationale Präsenz zu einem Rückgang der militärischen Aktivitäten der regierungsfeindlichen Gruppierungen führen würde.

Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, die militärischen Operationen der Bewegung von Pakistan aus strategisch zu lenken sowie die notwendigen Ressourcen zur Unterstützung der operationellen Prioritäten zu beschaffen. Seit 2009 lassen sich drei Entwicklungen erkennen: Erstens wurden auf der strategischen Ebene beträchtliche Anstrengungen hin zu einer stärkeren Zentralisierung der Kommando- und Kontrollstrukturen unternommen, um einer Fragmentierung der Bewegung entgegenzuwirken. Zweitens zeichnet sich eine Militarisierung der Administration ab. Der militärische Druck seitens der ISAF zwang zahlreiche Schattengouverneure in den Untergrund oder zur Flucht nach Pakistan und führte dadurch zu einem verminderten Einfluss dieser. In der Konsequenz ist die Macht der Militärkommissionen gestiegen, die vor Ort präsent sind. Drittens lässt sich auf der taktischen Ebene eine Professionalisierung der Bewegung feststellen.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 5 f;)

Sicherheitslage in einzelnen Provinzen:

Sicherheitslage in Kabul

Seit Juli 2011 hat die afghanische Regierung die Sicherheitsverantwortung für die Provinz Kabul inklusive der Hauptstadt Kabul. Die Übergabe eines Bezirkes (Surobi) erfolgte im April 2012 aufgrund der damals herrschenden prekären Sicherheitslage in diesem Bezirk.

(Heinrich-Böll-Stiftung, 10 Jahre nach Petersberg, vom 23.11.2011; schweizerische Flüchtlingshilfe, Die aktuelle Sicherheitslage vom 3.9. 2012, S.5)

Laut internationalen NGOs ist Kabul trotz Vorfällen und Angriffen einer der wenigen Orte Afghanistans, wo die Sicherheitssituation relativ gut und stabil ist. Dem Internationalen Polizei-Koordinierungsausschuss zufolge gehören Kabul und andere große Städten in Afghanistan zu den Orten, wo die Afghanische Nationalpolizei (ANP) bei der Gewährleistung von Sicherheit gut funktioniert. Laut IOM ist Kabul trotz einiger Selbstmordanschläge, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigen, sicherer und stärker unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die unabhängige Afghanistan Independent Human Rights Commission teilt diese Meinung.

(Danish Immigration Service: "Afghanistan Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process" Mai 2012)

Entwicklung in den letzten Monaten in Kabul:

Am 16. November 2013 wurden bei einem Selbstmordanschlag in der Nähe des Versammlungsortes der für die Folgewoche geplanten Loja Dschirga mindestens zehn Personen getötet und mehr als 20 weitere verletzt. Bei vielen der Opfer handelt es sich anscheinend um ZivilistInnen. Die Taliban haben sich zu diesem Anschlag bekannt. (BBC News, 16.11.2013)

Am 11. Dezember 2013 hat ein Selbstmordattentäter einen Konvoi ausländischer SoldatInnen in der Nähe des internationalen Flughafens in Kabul angegriffen. Einem Sprecher des afghanischen Innenministeriums zufolge wurde niemand getötet oder verletzt. Die Taliban haben sich zu diesem Anschlag bekannt. (RFE/RL, vom 11.12 2013)

Am 4. Jänner 2014 ereignete sich laut ISAF und Angaben aus Sicherheitskreisen ein Bombenanschlag auf einen ausländischen Militärkonvoi vor einer in der Nähe der deutschen und italienischen Botschaften gelegenen ISAF-Militärbasis. Bei dem Anschlag wurde niemand getötet oder verletzt. Eine weitere Explosion ereignete sich im Süden Kabuls. Einem Polizeisprecher zufolge wurde dabei niemand getötet oder verletzt.(AlertNet, 4.1.2014)

Provinz -XXXX:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46%). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtet sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung in Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meisten umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage, vom 30.9.2013, S. 10)

Die Provinz XXXX bleibt eine der gewalttätigeren Gegenden des Landes. Im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe.

(New York Times, Taliban Breach an International Base, Killing at Least, vom 28.8.2013)

Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und Al-Quida ihre Kontrolle ausweiten.

(BBC, Afghanistan¿s Nuristan province "at mercy of the Taliban", vom 20.3.2013)

Menschenrechte und Menschenrechtsorganisationen:

Trotz beachtlicher Erfolge während der vergangenen elf Jahre bleibt die gesellschaftliche Verankerung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, eine große Herausforderung in Afghanistan. Das liegt zum einen an der Schwäche der afghanischen Institutionen und mangelnder Rechtskenntnis bei Bevölkerung und Behörden, zum anderen an der mangelnden Akzeptanz von Menschen- und Frauenrechten innerhalb der Gesellschaft. Nicht zuletzt spielt die fehlende Bereitschaft von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, geltende Gesetze zum Schutz von Menschen- und Frauenrechten umzusetzen, eine Rolle. In Umsetzung der Tokio-Verpflichtungen muss die afghanische Regierung weitere Anstrengungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung der Situation der Menschenrechte vorweisen. Mittlerweile haben sich die afghanische Regierung und die Staatengemeinschaft auf zwei messbare Hard Deliverables im Bereich der Menschenrechte geeinigt, anhand derer die internationale Gemeinschaft eine erste Bilanz der Reformfortschritte ziehen will:

1. Bericht aller beteiligten Regierungsinstitutionen zur landesweiten Umsetzung des Gesetzes zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen [EVAW] und 2. inklusiver Nominierungsprozess für die Kommissare der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission [AIHRC]).

Neben der afghanischen Verfassung selbst, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist, bedeutet insbesondere das per Präsidialdekret erlassene EVAW-Gesetz vom August 2009 eine signifikante Stärkung der Frauenrechte. Sowohl ein UNAMA-Bericht vom 11. November 2012 als auch die AIHRC bestätigen, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Fälle von Gewalt registriert und damit öffentlich geworden sind. Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung der Schuldigen erheblich besser geworden. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden jedoch noch weit entfernt.

Dies bestätigt auch der jüngste Bericht von Human Rights Watch zur Situation weiblicher Insassen afghanischer Hafteinrichtungen, denen mehrere sogenannte "Sittenverbrechen" nach der islamischen Scharia vorgeworfen werden. Derzeit seien rund 600 Frauen - also die Hälfte aller weiblichen Insassen - wegen solcher "moralischer Vergehen" inhaftiert. Den meisten dieser Frauen werde Flucht aus dem Elternhaus oder dem Haus des Ehemannes angelastet. Dies sei auch nach afghanischem Recht keine Straftat. Vielmehr seien gerade diese Frauen oft Opfer von häuslicher Gewalt, die nach dem EVAW-Gesetz unter besonderem Schutz der Behörden stehen müssten.

Mangelnde Kenntnis und Akzeptanz des EVAW-Gesetzes führen jedoch dazu, dass viele Fälle von Gewalt gegen Frauen nach wie vor an traditionelle Streitschlichtungsgremien überwiesen werden. Zudem haben auch Menschenrechtsorganisationen festgestellt, dass es der afghanischen Polizei und Justiz weiterhin nicht selten an hinreichender Qualifikation fehlt, um Mindeststandards der Rechtspflege konsequent einzuhalten.

Der UNAMA-Folgebericht zu Folter in afghanischen Haftanstalten vom Januar 2013 bestätigt ebenfalls, dass Defizite bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden die Durchsetzung der Menschenrechte in Afghanistan erschweren. Der Bericht konzentriert sich auf Inhaftierte, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen oder verurteilt wurden. Darin werden den Sicherheitskräften erneut Rechtsverstöße, vor allem Folter, vorgeworfen. Die Gebergemeinschaft, vor allem die EU und die UN, hat nach Veröffentlichung des UNAMA-Berichts die afghanische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die Menschenrechte einzuhalten und die Haftbedingungen zu verbessern.

Die afghanische Regierung zog die Ergebnisse des UNAMA-Berichts zunächst in Zweifel. Präsident Karzai beauftragte noch im Januar 2013 eine afghanische Untersuchungskommission, die Vorwürfe zu prüfen. Diese bestätigte die Feststellungen des UNAMA-Berichts. Die Kommission gab elf Handlungsempfehlungen an die Regierung, darunter eine minimale Gesundheitsversorgung für Inhaftierte und Videoaufzeichnungen bei Verhören. Der Präsident ordnete am 11. Februar 2013 die Umsetzung der Empfehlungen per Dekret an. Die AIHRC ist inzwischen wieder voll besetzt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage vom 4.6.2013, S. 4f; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013, S.17ff.)

Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht.

Nach offiziellen Schätzungen sind 84 Prozent der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 Prozent schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 Prozent der Bevölkerung aus.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4.6.2013, S. 10)

Schiiten:

Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an. Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, der größten religiösen Minderheit des Landes, hat sich seit dem Ende des Taliban Regimes wesentlich gebessert. Trotzdem war die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen sowie einer Verschlechterung der Beziehungen zu der sunnitischen Mehrheit konfrontiert. Die schiitischen Muslime konnten im Berichtzeitraum (31. Jänner 2012 bis 30. Jänner 2013) ihr traditionelles Ashura Fest in Kabul öffentlich ohne Zwischenfälle feiern. Nichtsdestotrotz gab es sporadische Attacken gegen die schiitischen Hazara. Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt. Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten an-gewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind. Im Jahr 2009 wurde ein Gesetzestext durchgesetzt, der viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erb-schafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt. Der Gesetzestext wurde im Parlament durchgesetzt, ohne ordentlich debattiert zu werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen und afghanischen Frauenorganisationen kritisierten, dass der Gesetzestext im Widerspruch zu Artikel 22 steht, der die Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz bekräftigt.

(U.S., Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30.4.2013; US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22.5.2013; BBC: "Shia mosque attacked in Kabul by men in police uniforms" vom 5.9.2013; USAID, Shiite personal status law, vom April 2009; Freedom House, Freedom in the world 2013, vom Jänner 2013; Herizons, Afghan Women Stand Strong Against Shia law, vom September 2009)

Ethnische Minderheiten:

Der Anteil der Bevölkerungsgruppen im Vielvölkerstaat wird in etwa wie folgt geschätzt: bei Paschtunen ca. 38 %, Tadschiken ca. 25 %, Hazara ca. 19 %, Usbeken ca. 6 % sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nruistani u.a.). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Minderheiten der Bevölkerung (auch) eine diese anderen Sprachen spricht. Diese weitere in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Paschai, Nuristani und Pamir.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die ca. 1 Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, leiden im besonderen Maß unter den ungeklärten Boden - und Wasserrechten. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da sie aufgrund ihres nomadischen Lebensstiles als Außenseiter gelten und so Gefahr laufen, Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionen zu werden. Immer wieder werden Nomaden einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4.6.2013, S. 9f)

Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden - eigentlich die "Kornkammer" - des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben zur Folge, dass ca. 1 Mio. oder 29,5 Prozent aller Kinder als akut unterernährt gelten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 18)

Medizinische Versorgung:

Der Großteil der modernen medizinischen Einrichtungen des Landes befindet sich in Kabul und anderen Großstädten. Der generelle Mangel an Gesundheitszentren besteht vor allem in den ländlichen Gebieten bereits seit längerer Zeit. Die aktuelle Regierung arbeitet an der Wiedereröffnung von Krankenhäusern und der Kapazitätserhöhung auf dem medizinischen Sektor. Darüber hinaus sind Ressourcen zum landesweiten Bau von Kliniken bestimmt worden. Problematisch bleibt jedoch weiterhin die Frage des kompetenten medizinischen Personals.

Der Bedarf an gut ausgebildetem, afghanischen Personal, das in der Lage wäre, der Bevölkerung auf nachhaltige Weise medizinische Versorgung zukommen zu lassen, ist groß. Das Land hat eine der höchsten Sterblichkeitsraten der Welt. Mit Unterstützung von ausländischen Sponsoren und internationalen Hilfsorganisationen wurden in Krankenhäusern einiger Städte chirurgische Abteilungen wiedereröffnet. Spezielle Behandlungszentren wurden eingerichtet, um Opfer von Landminen zu rehabilitieren. Trotz dieser Anstrengungen beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung nur 44 Jahre. Kriege, wiederkehrende Dürren, schlechte sanitäre Verhältnisse und fehlende Immunisierungsprogramme haben zu weit verbreiteter Unterernährung und dem Ausbruch von Krankheiten wie Cholera (die durch unsauberes Trinkwasser ausgelöst wird), Malaria, TBC, sowie weitere Krankheiten, die durch Parasiten ausgelöst werden, geführt. Die Weltgesundheitsorganisation und andere Gesundheitsorganisationen arbeiten zusammen mit dem Ministerium für Gesundheit daran, das betreffende Bewusstsein für diese Krankheiten zu schärfen und insbesondere eine zeitnahe Behandlung solcher Krankheiten zu ermöglichen.

Eine bessere medizinische Versorgung von Frauen und Kindern ist dringend geboten; die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren beträgt in Afghanistan 191 pro 1000 Geburten. Eine Behandlung in Krankenhäusern wird von Personen, die sich die entsprechende Anreise leisten können, gewöhnlich in angrenzenden Ländern, insbesondere in Peshawar (Pakistan) durchgeführt. Das Fehlen eines Gesundheitssystems trägt zur Ungleichheit in der Frage des Zugangs zu medizinischen Dienstleistungen bei. Medikamente, überwiegend Importe aus Pakistan und Iran, sind immer leichter erhältlich. Die Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gegenden ist in diesem Bereich jedoch nach wie vor auffällig. Es ist wichtig, frühzeitig die Verfügbarkeit von Medikamenten zu prüfen.

Das Ministerium für öffentliche Gesundheit will zur Verbesserung der Situation auf dem medizinischen Sektor folgende Schritte einleiten:

Erhöhung der Anzahl von Gesundheitseinrichtungen mit weiblichen Personal

Etablierung von Zweigstellen in abgelegenen ländlichen Regionen

Einsatz mobiler Teams in unterversorgten Gebieten

Trainingskurse für medizinisches Personal

Schulung und Einsatz von Gemeindearbeitern, um Frauen aufzuklären und zu Inanspruchnahmen medizinischer Einrichtungen zu ermutigen

Geburtshilfekurse

Das Ministerium räumt die Notwendigkeit weiterer internationaler und ausländische Ressourcen ein, um nachhaltige Fortschritte im Gesundheitssektor zu sichern.

(BAFM_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 15)

Rückkehrfragen:

Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, S. 28)

Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der Schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich, in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik, die sich jedoch dabei stellt, ist, dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.

(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Kabul, vom 29. Mai 2012)

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.

(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 16)

Ausweichmöglichkeiten:

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 14)

Nach Ansicht von UNHCR besteht in umkämpften Gebieten keine interne Fluchtmöglichkeit. Da regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban, das Haqqani-Netzwerk oder Hekmatyars Hezb-e Islami über operationelle Kapazitäten verfügen, Personen im ganzen Land zu verfolgen, existiert für von diesen Gruppierungen bedrohte Personen auch in Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, keine Fluchtalternative. Die afghanische Regierung hat in zahlreichen Gebieten des Landes die effektive Kontrolle an regierungsfeindliche Gruppierungen verloren und ist dort daher nicht mehr schutzfähig. Betreffend der Verletzung sozialer Normen muss in Betracht gezogen werden, dass konservative Akteure auf allen Regierungsstufen Machtpositionen innehaben und das weite Segmente der afghanischen Gesellschaft konservative Wertvorstellungen vertreten. UNHCR schließt für alleinerziehende Frauen ohne nahe männliche Angehörige eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.

(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom August 2013, S. 72 bis 78)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesasylamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Mangels vorliegender Dokumente ist auf Grund der glaubwürdigen Aussagen des BF in der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 zu seinem Vornamen davon auszugehen, dass der Vorname des BF "XXXX" lautet. Bei den diesbezüglichen unterschiedlichen Angaben zum Vornamen des BF in den Einvernahmeprotokollen handelt es sich um Tippfehler bzw. bei der Stellungnahme des BF vom 26.3.2014 um ein Missverständnis. Der Familienname des BF wurde hingegen in sämtlichen Einvernahmeprotokollen einheitlich mit "XXXX" geführt. Auch der Nachname des Vaters lautete "XXXX". Dieser Familienname wurde vom BF auch in der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 bestätigt, sodass davon ausgegangen wird, dass dieser "XXXX" lautet.

Das Geburtsdatum des BF mit "XXXX" basiert auf dem schlüssigen gerichtsmedizinischen Gutachten vom 23.1.2013, dem der BF - anders als bei den vorhergehenden Einvernahmen des Bundesasylamtes - in der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr entgegengetreten ist, sondern dessen Ergebnis akzeptiert hat.

Dass der BF aus dem Dorf XXXX in Afghanistan stammt, basiert auf den glaubwürdigen Aussagen des BF in der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014. Vor dem Hintergrund des unter angeführten Bildungsstandards des BF ist nachvollziehbar, dass der BF ursprünglich nicht genau zwischen den Begriffen "Dorf" bzw. "Distrikt" unterscheiden konnte. Das genannte Dorf liegt im Distrikt "XXXX", in der Provinz "XXXX" in Afghanistan.

Glaubwürdig ist auch, dass der BF im Kindesalter mit seinen Eltern von Afghanistan nach Pakistan geflüchtet ist. Dafür spricht auch die Ausführung der Dolmetscherin in der Niederschrift des Bundesasylamtes vom 25.6.2013, wonach die Aussprache des BF an einen Afghanen erinnere, der in Raum XXXX lebe, und "dari" spreche, das an Pashtu erinnere, wobei einzelne Wörter - beispielsweise Gali - aus dem Urdu entlehnt seien. Der "dari" sprechende BF hat seinen glaubwürdigen Aussagen zufolge in Pakistan drei Jahre die Schule besucht und gehört der Volksgruppe der Hazara und der muslimischen Religionsgemeinschaft der Schiiten an.

Aufgrund der übereinstimmenden Aussagen des BF in der Einvernahme des Bundesasylamtes am 25.6.2013, und den Ausführungen des BF zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 wird aus nachfolgenden genannten Gründen davon ausgegangen, dass die Dominanz der Taliban die Ursache für die Flucht seiner Familie aus Afghanistan nach Pakistan darstellt. Zum einen hat der BF in der Einvernahme des Bundesasylamtes am 25.6.2013 nachvollziehbar erörtert, aus Erzählungen des Vaters zu wissen, dass seine Hazara-Familie wegen der Dominanz der Taliban von Afghanistan nach Pakistan geflüchtet ist. Zum anderen hat der BF die Richtigkeit seiner Aussagen bei seinen bisherigen Einvernahmen - damit auch jene vom 25.6.2013 vor dem Bundesasylamt, die Dominanz der Taliban sei der Fluchtgrund seiner Familie von Afghanistan nach Pakistan gewesen - auch nochmals am Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 8.4.2014 ausdrücklich bestätigt. Auf die Taliban als Fluchtgrund der Familie aus Afghanistan hat der BF in der Folge auch noch einmal auf Befragung in der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 hingewiesen.

Was die Ursache für der Tod seines Vaters betrifft, die der Aussage des BF bei der Einvernahme des Bundesasylamtes am 25.6.2013 zufolge auf eine Krankheit zurückzuführen sei, so ist darauf zu verweisen, dass der BF auch nochmals am Beginn der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich die Richtigkeit seiner bisherigen Aussagen - damit auch jene am 25.6.2013, wonach sein Vater an einer Krankheit gestorben sei - bestätigte. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass eine Krankheit die Ursache für den Tod des Vaters des BF ist.

Wenn der BF nunmehr gegen Ende in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 8.4.2014 - wobei er betonte, nach Erhalt des negativen Bescheides daraufhin mit seiner, sich in Pakistan aufhaltenden Mutter telefoniert zu haben - anderslautend ausführte, dass ihm seine Mutter dabei den wahren Hintergrund für den Tod seines Vaters erzählt habe, der Anlass für seine Angst sei, im Fall seiner Rückkehr von den Gegnern des Vaters in Afghanistan bzw. in Pakistan getötet zu werden, so sind seine Ausführungen diesbezüglich unglaubwürdig. Obwohl der BF nach Erhalt des angefochtenen, negativen Bescheides des Bundesasylamtes vom 12.8.2013 anlässlich des sich daran anschließenden Telefonates mit seiner Mutter von den zum Tod des Vaters führenden "wahren" Umständen erfahren haben soll, finden sich diesbezüglich in seiner Beschwerde vom 12.9.2013 keine Hinweise auf ein solches Telefonat bzw. Ansatzpunkte für die Richtigkeit seiner nunmehr anderslautenden Ausführung für die Ursache für den Tod seines Vaters. Abgesehen davon hat der BF es auch unterlassen, seinen Behauptungen in der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 zufolge - im Anschluss an dem negativen Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.8.2013 seine im Rahmen des Telefonats mit der Mutter gewonnenen neuen Erkenntnisse zum Tod seines Vaters - etwa in einem ergänzenden Schreiben zu seiner Beschwerde dem Asylgerichtshof bzw. nunmehr dem Bundesverwaltungsgerichts mitzuteilen. Gelegenheit dazu hätte er auch gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht beispielsweise im Rahmen seiner Stellungnahme vom 26.3.2014 gehabt, in der er lediglich Ergänzungen zur Lage in der Provinz XXXX vorbrachte.

Vielmehr hat die erkennende Richterin im Rahmen der Befragung des BF in der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 vom BF den Eindruck gewonnen (vgl VwGH 25.11.1999, 98/20/0357), dass es sich bei den gegen Ende der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 vom BF vorgebrachten Gründe für den Tod seines Vaters und dessen Vorgeschichte in Afghanistan um sich steigernde Angaben des BF handelt, die nur seiner Asylerlangung dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen (vgl VwGH, 6.3.1996, 95/20/0650; 2.2.1994, 93/01/1035). Sie widersprechen sich auch mit dem von ihm eingangs der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 als richtig bestätigten bisherigen Vorbringen, zu dem auch die Ausführung zählt, dass sei Vater an einer Krankheit gestorben sei.

Mangels diesbezüglicher Glaubwürdigkeit der Aussagen des BF am Schluss der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 zu den Umständen der Tötung seines Vaters in Pakistan und dem diesbezüglichen Umfeld in Afghanistan kann auch nicht dem darauf aufbauenden Vorbringen des BF am Ende der mündliche Verhandlung am 8.4.2014 gefolgt werden, aus diesem Grund nunmehr Angst vor den Feinden seines Vaters, die diesen getötet hätten, zu habe und zu befürchten, in Afghanistan (bzw. in Pakistan), von diesen verfolgt und ebenfalls getötet zu werden. Er könnte auch deswegen nicht mehr nach Afghanistan bzw. Pakistan zurückkehren. Vielmehr ist dieser Fluchtgrund des BF als unglaubwürdig einzustufen. An diesem Ergebnis vermag auch der sich wiederholende Hinweis des BF, "noch so jung gewesen zu sein", nichts zu ändern. Zu bedenken ist, dass der BF zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters, der nach Aussagen des BF vier Jahre zurückliege, dem schlüssigen gerichtmedizinischen Gutachten zufolge nicht mehr als Kind einzustufen war. Vielmehr war der BF zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters bereits ein Jugendlicher.

Der BF hat damit als einzigen, am 8.11.2012 und bei den Einvernahmen durch das Bundesasylamt bestätigten Fluchtgrund geltend gemacht, Angst vor den pakistanischen Sunniten zu haben. Diesen hat er auch durch Bestätigung der Richtigkeit seines bisherigen Vorbringens am Beginn der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 nicht in Abrede gestellt. Gleiches gilt auch für die Aussage des BF vor dem Bundesasylamt am 25.6.2013, in Afghanistan keine Feinde zu haben und dort niemanden zu kennen.

Der BF hat glaubwürdig in der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 dargelegt, dass er als Saftverkäufer in Pakistan in einem Hotel gearbeitet hat. Dies ergibt sich auch aus den Aussagen des BF in den vorhergehenden Einvernahmen, in denen er angab, in einem Hotel und als Saftverkäufer gearbeitet zu haben. Plausibel und nachvollziehbar hat der BF auch ausgeführt, in Afghanistan weder Verwandte noch Bekannte zu haben und über keine Vermögenswerte zu verfügen. Ebenso glaubwürdig hat der BF im Einklang mit seinen Aussagen in den vorhergehenden Einvernahmen des Bundesasylamtes in der mündlichen Verhandlung am 8.4.2014 ausgesagt, dass seine Mutter, sein jüngerer Bruder und sein Onkel in Pakistan leben. Eine Unterstützung von den in Pakistan lebenden Verwandten könnte der BF im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht erwarten.

2.3. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan beruhen auf den angeführten Quellen und wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom BF nicht in Abrede gestellt. Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierenden Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Der BF trat dem weder in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 8.4.2014, noch in seinem Schriftsatz vom 26.3.2014 entgegen, sondern erweiterte die Darstellungen um aktuelle Berichte zu der Provinz XXXX.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wurde der Asylgerichtshof mit 1. Jänner 2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes (Bundesverwaltungsgericht). Dieses hat gemäß § 75 Abs. 19 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (in der Folge AsylG 2005) alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren (nach Maßgabe des § 75 Abs. 20 AsylG 2005) zu Ende zu führen.

Da das gegenständliche Verfahren mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängig gewesen ist, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt A. I.)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Aufgrund des durchgeführten, oben dargestellten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, zwar glaubhaft, jedoch unter Berücksichtigung der in der GFK abschließend genannten Fluchtgründe - wie nachfolgend dargelegt - als nicht asylrelevant zu beurteilen ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Die vom BF geltend gemachte Furcht vor den pakistanischen Sunniten steht in keinem kausalen Zusammenhang mit einem der in der GFK abschließend genannten Verfolgungsgründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) in Afghanistan. In der gegenständlichen Fallkonstellation ist seine Furcht nicht auf eine Verfolgungsgefahr gestützt, die dem Heimatstaat zurechenbar wäre. Angesichts dessen, dass der BF seinen eigenen glaubwürdigen Aussagen zufolge keine Feinde in Afghanistan habe, steht dem BF die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann. Der Grund für die Flucht seiner Familie aus Afghanistan nach Pakistan in seinem frühen Kindesalter, nämlich die Dominanz der Taliban, kann auf Grund dieses Vorbringens des BF iSd oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes offensichtlich als nicht mehr aktuell gewertet werden

Es ergaben sich auch - wie bereits unter II. Punkt 2.2 ausgeführt - weder aus dem Vorbringen des BF noch aus den herkunftsstaatsbezogenen Informationsquellen geeignete Anhaltspunkte dafür, dass der BF alleine wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. zur Religionsgemeinschaft der Schiiten in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre, zumal der BF eine derartige Verfolgung auch nicht behauptet hat.

Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den BF eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten:

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre (dies gilt gleicher Maßen für die vom BF angedeuteten Gefahren, die sich aus der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben).

Da sich im Zuge des Verfahrens keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben haben und sohin kein unter Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zu subsumierender Sachverhalt ableitbar ist, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt A.II.

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 idF FrÄG 2009 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 idF FrÄG 2009 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Es ist somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 AsylG 1997 iVm. § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443;

13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164;

16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sind in der gegenständlichen Fallkonstellation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für den BF gegeben

Der BF verfügt über keine familiären Verbindungen in Afghanistan und ist bereits als Kind von Afghanistan nach Pakistan gezogen und nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt. Er hat daher zu den in Afghanistan vorherrschenden Lebensumständen keinerlei Bezug mehr. Er verfügt als junger Erwachsener über keine Berufsausbildung, sondern lediglich über ein wenig Erfahrung beim Verkauf von Fruchtsaft in einem Hotel. Angesichts dieser Umstände kann sohin die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben nicht vorausgesetzt werden. Nicht außer Acht ist zu lassen, dass der BF der Minderheitenvolksgruppe der Hazara und der Religionsgemeinschaft der Schiiten angehört.

Des Weiteren war auch der maßgebliche Umstand zu berücksichtigen, dass der BF seit Beginn seines Aufenthalts in Österreich von sich aus Anstrengungen zur sprachlichen Integration in Österreich unternommen hat. Der Umstand dieser nach außen hin erkennbaren Integration des BF in Österreich wurde auch durch den vom BF in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Nachweis untermauert. Der BF spielt auch Fußball in Österreich, was er durch einen vom ÖFB ausgestellten Spielerausweis belegte.

Wie aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ersichtlich ist, stellt sich die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln insbesondere für alleinstehende Rückkehr ohne jeglichen familiären Rückhalt meist nur unzureichend dar. Angesichts der derzeitigen politischen Lage in der Heimatprovinz des BF, XXXX, und in anderen Gebieten Afghanistans ist zudem ausreichende staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich. Vor allem jüngere Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach langer Abwesenheit in Afghanistan zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden ausgereist sind. Es fehlt ihnen an notwendigen sozialen oder familiären Netzwerken sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse. Es ist unter solchen Umständen davon auszugehen, dass eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative (§ 8 Abs. 3 iVm. § 11 AsylG 2005), etwa in der Hauptstadt Kabul oder anderen Provinzen, in solchen Konstellationen nicht zur Verfügung steht.

Im gegenständlichen Fall kann daher unter Berücksichtigung der den BF betreffenden individuellen Umstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung der oben dargelegten persönlichen Verhältnisse des BF und der derzeit in Afghanistan vorherrschenden Sicherheits- und Versorgungslage mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in Rechten nach Art. 3 EMRK verletzt zu werden.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für BF nicht, da die maßgebliche Wahrscheinlichkeit in Rechten nach Art. 3 EMRK verletzt zu werden, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans zu erwarten ist.

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

3.4. Zu Spruchpunkt A.III.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter sind gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gegeben.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Daher war gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

4. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Revisionen gegen die Spruchpunkte A.I, A.II. und A.III sind gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die gegenständlichen Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weichen die genannten Spruchpunkte von der oben zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen der nicht erfolgten Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, noch zu der über die Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten und der Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Außerdem ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige - in der Begründung zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung zu den genannten Spruchpunkten wurde bei den rechtlichen Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben.

Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist sie nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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