European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00160.22P.1213.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Klauselentscheidungen, Versicherungsvertragsrecht
Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben; der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.
Das Urteil desBerufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt lautet:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Klauseln:
1.a 'Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen 1.1 in ursächlichem Zusammenhang […]
1.1.2 mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.'
und
3. 'Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht, unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles erlangt, kein Versicherungsschutz.'
oder die Verwendung sinngleicher Klauseln binnen drei Monaten zu unterlassen; sie ist ferner schuldig, es zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannten Klauseln oder sinngleiche Klauseln zu berufen.
2. Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft einmal in einer Samstagsausgabe des redaktionellen Teiles der 'Kronen-Zeitung', bundesweit erscheinende Ausgabe, auf Kosten der beklagten Partei mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern, somit in gleich großer Schrift wie der Fließtext redaktioneller Artikel, zu veröffentlichen.
3. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Klausel:
1b '1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
1.1 in ursächlichem Zusammenhang
[…]
1.1.2 […] mit Katastrophen; eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.'
und
2. 'Versicherungsansprüche können erst abgetreten oder verpfändet werden, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach endgültig festgestellt sind.'
oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen und es zu unterlassen, sich auf die genannte Klausel oder sinngleiche Klauseln zu berufen und das sich auf diese Klauseln beziehende Urteilsveröffentlichungsbegehren, werden abgewiesen.
4. Der Antrag der beklagten Partei, ihr die Ermächtigung zu erteilen, binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils den klagsabweisenden Teil des Urteilsspruchs und die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrahmung in Normallettern einmal in einer Samstagsausgabe des redaktionellen Teils der 'Kronen-Zeitung', bundesweit erscheinende Ausgabe, auf Kosten der klagenden Partei veröffentlichen zu lassen, wird abgewiesen.
5. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 366 EUR (Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen sind die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz als gegeneinander aufgehoben anzusehen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 536,48 EUR (darin enthalten 25,83 EUR an USt und 381,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der klagende Verein ist nach § 29 KSchG klagebefugt. Die beklagte Partei ist ein Versicherungsunternehmen.
[2] Die Beklagte verwendet gegenüber Verbrauchern ihre „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung“ (ARB 2018).Sie lauten auszugsweise:
Artikel 7 der ARB 2018 [Klausel 1]
„Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
1.1 in ursächlichem Zusammenhang
[…]
1.1.2 mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind, sowie mit Katastrophen; eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.
[…]“
Artikel 11 der ARB 2018 [Klausel 2]
„Wann können Versicherungsansprüche abgetreten oder verpfändet werden und wann gehen Ansprüche auf den Versicherer über?
1. Versicherungsansprüche können erst abgetreten oder verpfändet werden, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach endgültig festgestellt sind.
[…]“
Artikel 3 der ARB 2018 [Klausel 3]
„Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung?
[…]
3. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsunternehmer später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht, unabhängig davon, wann der Versicherungsunternehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles erlangt, kein Versicherungsschutz.“
[3] Der Kläger begehrte die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die diese von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt und/oder in hierbei verwendeten Vertragsformblättern drei näher bezeichnete oder sinngleiche Klauseln zu verwenden oder sich darauf zu berufen, weil diese nach Ansicht des Klägers gegen näher bezeichnete gesetzliche Verbote verstoßen.
[4] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, die Klauseln seien ausreichend klar formuliert und stünden mit dem Gesetz und den guten Sitten in Einklang.
[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in Bezug auf Klausel 1 und 3, hinsichtlich Klausel 2 änderte es das Ersturteil im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es sich zum Teil um vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilte Klauseln einer Geschäftsbranche handle, die regelmäßig einen größeren Personenkreis betreffen würden.
Rechtliche Beurteilung
[7] Gegen den abweisendenTeil der Entscheidung [Klausel 2] richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des dem Klagebegehren stattgebenden Ersturteils.
[8] Gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung [Klausel 1 und 3] richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abweisung der Klagebegehren; hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag.
[9] In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien wechselseitig, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
1. Voranzustellen sind folgende Grundsätze ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Verbandsprozess:
[10] 1.1. Gemäß § 28 Abs 1 KSchG kann auf Unterlassung geklagt werden, wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die er von ihm geschlossenen Verträgen zugrunde legt, oder in hiebei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, oder wer solche Bedingungen für den geschäftlichen Verkehr empfiehlt. Der Unterlassungsanspruch ist nicht allein auf die Kontrolle und Durchsetzung der Verbote des § 6 KSchG und des § 879 ABGB beschränkt, sondern umfasst auch die Verletzung weiterer zivilrechtlicher wie auch öffentlich-rechtlicher Vorschriften (RS0110990 [T4]). Nach der Rechtsprechung sind unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt und die seinen Inhalt determinieren (8 Ob 125/21x Rz 20 mwN).
[11] 1.2. Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB geht der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vor (RS0037089). Objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnen (RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]). Die Geltungskontrolle ist nicht allein auf Nebenabreden beschränkt, sondern umfasst auch Vertragsbestimmungen über die Begründung, Umgestaltung bzw Erweiterung der Hauptpflichten (RS0014603).
[12] 1.3. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Diese Beurteilung orientiert sich am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall dient (RS0014676). Bei der Abweichung einer Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften liegt gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn sie unangemessen ist (RS0016914; vgl auch RS0014676). Maßgeblich ist, ob es für die Abweichung eine sachliche Rechtfertigung gibt (vgl RS0016914 [T2, T3]; RS0014676 [T21]). Im Versicherungsvertragsrecht sind der Kontrollmaßstab für die Leistungsbeschreibung außerhalb des Kernbereichs die berechtigten Deckungserwartungen des Versicherungsnehmers. Gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB liegt nicht nur dann vor, wenn der Vertragszweck geradezu vereitelt oder ausgehöhlt wird, sondern bereits dann, wenn die zu prüfende Klausel eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem Standard bringt, den der Versicherungsnehmer von einer Versicherung dieser Art erwarten kann (RS0128209 [insb T2]).
[13] 1.4. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Es soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig ist oder von ihm jedenfalls festgestellt werden kann. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169). Mit dem Verbandsprozess soll nicht nur das Verbot von gesetzwidrigen Klauseln erreicht, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position oder ein unrichtiges Bild der Rechtslage vermitteln (vgl RS0115219 [T14, T21]; RS0121951 [T4]).
[14] 1.5. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen (RS0016590). Das der Klausel vom Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigelegte Verständnis ist im Verbandsprozess nicht maßgeblich (RS0016590 [T23]). Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht möglich ist (RS0038205).
I. Zur Revision des Klägers:
[15] Die RevisiondesKlägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit einer Artikel 11.1 der ARB 2018 vergleichbaren Klausel im Verbandsprozess noch nicht zu befassen hatte. Sie ist aber nicht berechtigt.
1. Zu Klausel 2 (Art 11.1 ARB 2018):
Versicherungsansprüche können erst abgetreten oder verpfändet werden, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach endgültig festgestellt sind.
[16] 1.1. Das Erstgericht beurteilte diese Klausel als gröblich benachteiligend, weil sie mit dem Ziel des § 502 Abs 5 Z 3 ZPO – Musterprozesse im Fall geringwertiger Ansprüche, die ein Verbraucher dem Verband abgetreten hat, einer Klärung durch den Obersten Gerichtshof zuzuführen – nicht in Einklang zu bringen sei. Durch das hier formulierte Abtretungsverbot würde im Fall eines zu geringen Streitwerts im Deckungsprozess dem Versicherungsnehmer die Anrufung des Obersten Gerichtshofs de facto untersagt.
[17] 1.2. Das Berufungsgericht änderte die erstgerichtliche Entscheidung in diesem Punkt ab und erachtete die Klausel als zulässig. Zwar würde sie die Abtretung eines Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers an einen Verband verhindern; das Führen eines Musterprozesses werde damit aber nur zeitlich hinausgeschoben und nicht gänzlich unmöglich gemacht.
[18] 1.3. Der Kläger argumentiert in der Revision, das Verbot der Abtretung des Deckungsanspruchs (auch) an einen in § 29 KSchG genannten Verband würde in hohem Maße verhindern, dass Versicherungsnehmer Prozesse führen würden. Sie wären dadurch gezwungen, den Prozess, um dessen Deckung es gehen sollte, zuvor selbst zu führen, um abtretbare Ansprüche erst entstehen zu lassen. In der Entscheidung 7 Ob 85/07m habe der Oberste Gerichtshof die Frage einer möglichen gröblichen Benachteiligung durch eine gleichlautende Klausel ausdrücklich offen gelassen, weil dort der Streitwert für den Versicherungsnehmer selbst ohnehin hoch genug gewesen sei. Es gebe insgesamt ein Interesse der Allgemeinheit an der Möglichkeit der Klärung versicherungsrechtlicher Fragen in einem Verbandsmusterprozess.
1.4. Dazu hat der erkennende Fachsenat erwogen:
[19] 1.4.1. Der Oberste Gerichtshof hat Zessionsbeschränkungen, die in Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthalten sind, bereits wiederholt als zulässig beurteilt (RS0011319 [T2]). Bereits zu 7 Ob 85/07m (= RS0032693 [T1] = SZ 2007/69 = ÖBA 2008/1460, 135 [zustimmend Apathy]) hat der erkennende Senat zu einer gleichlautenden Klausel ausgesprochen, dass das darin vorgesehene Verbot der Abtretung von Ansprüchen gegen den Versicherer, bevor diese nicht „dem Grunde oder der Höhe nach endgültig festgestellt sind“ nicht gröblich benachteiligend im Sinn von § 879 Abs 3 ABGB ist. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass das Abtretungsverbot dem berechtigten Interesse des Versicherers dient, zu verhindern, dass dem zunächst anspruchsberechtigten Versicherungsnehmer in einem vom Zessionar gegen den Versicherer angestrebten Prozess die Stellung eines Zeugen zukommt und gewährleistet sein soll, dass der Versicherer bei der Abwicklung des Schadensfalls nur mit seinem Vertragspartner zu tun hat (vgl auch jüngst 7 Ob 68/21g).
[20] 1.4.2. Der in einem Individualprozess getroffenen Entscheidung zu 7 Ob 85/07m lag die Klage des Verbands zugrunde, dem zuvor vom Versicherungsnehmer ein Betrag von 28.152,62 EUR sA zur klageweisen Geltendmachung abgetreten worden war. In diesem Zusammenhang wurde ausdrücklich offen gelassen, ob die Zessionsbeschränkung im Zusammenhang mit der im Gesetz eingeräumten Möglichkeit der streitwertunabhängigen Führung von „Musterprozessen“ [allenfalls] gegen eine sachliche Rechtfertigung dieser Klausel sprechen könnte (dies auch deshalb, weil in dem Verfahren aufgrund des Streitwerts ohnehin eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs durch den Versicherungsnehmer selbst möglich gewesen wäre). Daraus ist für den Kläger aber hier aus folgenden Erwägungen nichts gewonnen:
[21] 1.4.3. Verbands-Musterklagen können auch nach § 502 Abs 5 Z 3 ZPO nur solche Ansprüche zum Gegenstand haben, die (rechtswirksam) abgetreten werden können.
[22] 1.4.4. Bei der Rechtsschutzversicherung sorgt der Versicherer für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers in den im Vertrag umschriebenen Bereichen und trägt die dem Versicherungsnehmer dabei entstehenden Kosten (§ 158j Abs 1 erster Satz VersVG). Die Rechtsschutzversicherung als passive Schadensversicherung (RS0127808) schützt den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (Passiva). Sie bietet Versicherungsschutz gegen die Belastung des Vermögens des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten (7 Ob 50/22m mwN). Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung besteht in der Kostentragung (RS0081895 [T1]). Beim aus der Rechtsschutzversicherung resultierenden Anspruch handelt es sich (zunächst) um einen Befreiungsanspruch. Wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat, verwandelt sich sein ursprünglicher Befreiungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gegen seinen Rechtsschutzversicherer (7 Ob 143/20k mwN).
[23] 1.4.5. Der aus der Rechtsschutzversicherung resultierende – und dem Versicherungsnehmer zustehende – Leistungsanspruch ist daher der Freistellungsanspruch, der sich unter den beschriebenen Voraussetzungen in einen Kostenerstattungsanspruch verwandelt. Vor Fälligkeit des Leistungsanspruchs kann nur auf Feststellung geklagt werden, der Versicherer sei verpflichtet, in bestimmten Angelegenheiten Rechtsschutzdeckung zu gewähren (vgl Bauer in Harbauer, Rechtschutzversicherung8 § 20 ARB 2000, Rn 11; 7 Ob 109/11x, jüngst etwa 7 Ob 122/22x).
[24] 1.4.6. Ein derartiger Feststellungsanspruch ist kein aus dem Privatrecht resultierender materieller Anspruch; er hat seine Grundlage ausschließlich im Prozessrecht. Ein materieller Anspruch auf Feststellung oder Anerkennung des Bestehens (oder Nichtbestehens) eines Rechtsverhältnisses besteht nicht (Frauenberger‑Pfeiler in Fasching/Konecny 3 III/1 § 228 Rz 5; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 228 Rz 1). Im Falle der Abtretung eines privatrechtlichen Anspruchs umfasst die dem Zessionar damit verbundene Rechtsposition auch das Recht, die durch § 228 ZPO eröffnete Rechtsschutzform zu nützen und eine den abgetretenen Anspruch betreffende Feststellungsklage zu erheben. Die Abtretung des bloßen Anspruchs, eine (negative) Feststellungsklage zu erheben, läuft aber auf die Übertragung eines reinen Prozessführungsrechts, also auf eine Prozessstandschaft, hinaus (RS0122125 [T6]; 8 Ob 123/09k mwN).
[25] 1.4.7. Das österreichische Recht kennt keine gewillkürte Prozessstandschaft. Die bloße Klagebefugnis kann als unverzichtbarer öffentlich-rechtlicher Anspruch nicht von dem ihr zugrunde liegenden materiellen Recht abgetrennt und daher nicht ohne dieses übertragen werden (RS0032788; RS0053157; Nunner‑Krautgasser in Fasching/Konecny³ II/1 Vor § 1 ZPO Rz 124 ff ua).
[26] 1.4.8. Eine Abtretung bloß des Feststellungsanspruchs auf Deckung durch den Versicherungsnehmer wäre daher nach dem bisher Gesagten jedenfalls unzulässig. Nichts anderes kann aber für den Freistellungsanspruch gelten: Soweit der Verband einen solchen abgetreten erhielte, könnte er nur die Freistellung des Versicherungsnehmers von allfälligen Rechtskosten begehren, was mit der bloßen Übertragung der Klagebefugnis gleichzusetzen wäre. Dass er zusätzlich sämtliche materiell‑rechtliche Ansprüche des Versicherungsnehmers aus dessen Versicherungsvertrag abgetreten erhalten würde, behauptet der Kläger gar nicht.
[27] 1.4.9. Der Kläger hält der Rechtsprechung des Fachsenats, ein Verbot der Abtretung von Ansprüchen gegen den Versicherer, bevor diese nicht „dem Grunde oder der Höhe nach endgültig festgestellt sind“ sei nicht gröblich benachteiligend im Sinn von § 879 Abs 3 ABGB (jüngst 7 Ob 68/21g), in Bezug auf bereits entstandene Kostenerstattungsansprüche nichts entgegen.
[28] 1.4.10. Die der Entscheidung 7 Ob 201/05t zugrundeliegende Konstellation ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Die dort beurteilte Klausel schloss die Abtretung von Ansprüchen an Dritte für Kunden eines Elektrohandelsunternehmens ohne die hier vorliegenden Einschränkungen aus (vgl 7 Ob 201/05t, Klausel g). Die hier zu beurteilenden Fragen zur Abtretung von Deckungs- oder Freistellungsansprüchen eines Versicherungsnehmers in der Rechtsschutzversicherung stellten sich dabei nicht.
[29] Der Revision des Klägers war daher keine Folge zu geben.
II. Zur Revision der Beklagten:
[30] Die Revisionder Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit einer Art 7.1.1.2. der ARB 2018 vergleichbaren Klausel im Verbandsprozess noch nicht zu befassen hatte, sie ist auch teilweise berechtigt.
1. Zu Klausel 1 (Art 7.1.1.2 ARB 2018):
Sie lautet zusammengefasst:
Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind, sowie mit Katastrophen; eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.
[31] 1.1. Das Erstgericht erachtete die Klausel als intransparent, weil die Begriffe „ursächlicher Zusammenhang“, „hoheitsrechtliche Anordnung“, „Personenmehrheit“, „Ausnahmesituation“ und „sonstiges Ereignis“ völlig unbestimmt seien und dem Versicherten keine Information gäben, in welchem Umfang und unter welchen genauen Voraussetzungen die Deckung eingeschränkt wäre. Die Klausel sei auch gröblich benachteiligend, weil sie im Ergebnis zu einer sehr weiten und unangemessenen Lücke des Versicherungsschutzes führe.
[32] 1.2. Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts sowohl zur Intransparenz als auch zur gröblichen Benachteiligung.
[33] 1.3. Die Beklagte argumentiert in ihrer Revision, dass die Formulierung „in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang“ in der Entscheidung 7 Ob 42/21h als zulässig angesehen worden sei, die Formulierung „ursächlich“ aber bestimmter sei, weshalb im Wege eines Größenschlusses die hier verwendete Klausel als zulässig angesehen werden müsse. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehe diese Formulierung ohnehin im Sinne eines adäquaten Zusammenhangs. Die Formulierung „hoheitliche Anordnung an eine Personenmehrheit“ werde von den Vorinstanzen zu weit ausgelegt und deshalb als intransparent angesehen. Tatsächlich sei diese Formulierung leicht verständlich und dem Umstand geschuldet, dass der Versicherer von einer solchen Klausel erfasste Situationen im Vorhinein in der Regel eben noch nicht kenne. Der Begriff „Katastrophe“ existiere im allgemeinen Sprachgebrauch und sei damit leicht verständlich und im Übrigen sei die zusätzliche Begriffsdefinition dem burgenländischen Katastrophenhilfegesetz entnommen. Auch der Begriff „sonstiges Ereignis“ werde in der Klausel konkret umschrieben.
[34] 1.4. Das Berufungsgericht hat bereits mit überzeugenden Argumenten (§ 510 Abs 3 ZPO) dargelegt, dass es dem Begriff der „Ausnahmesituation“ an einer näheren Definition mangelt. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren herangezogene Definition im Duden (außergewöhnliche, unübliche und eine Ausnahme darstellende Situation, vgl https://www.duden.de/rechtschreibung/Ausnahmesituation/Bedeutung ) verwendet selbst nur unbestimmte Begriffe. Zwar kann zum Begriff „Ausnahmesituation“ die allgemein verständliche, durchaus lebensnahe demonstrative Aufzählung „außerordentlicher Zufälle“ in § 1104 ABGB zählen (Kronthaler in EvBl 2021/119); er lässt aber darüber hinaus zahlreiche Interpretationen zu, die auch bis zur bloß unüblichen Situation reichen können.
[35] Da damit der Verbraucher die Reichweite des Risikoausschlusses – und damit seine Rechtsposition – nicht verlässlich abschätzen kann, besteht die Gefahr, dass er aufgrund des unbestimmten Begriffs „Ausnahmesituation“ davon absieht, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den beklagten Versicherer geltend zu machen.
[36] 1.5. Die Beklagte ist allerdings im Recht, wenn sie moniert, dass der Begriff der Katastrophe eine im allgemeinen Sprachgebrauch verständliche Bedeutung hat. Der Begriff charakterisiert ein besonders schweres Schadensereignis, ohne nach dessen Ursachen zu differenzieren (vgl dazu auch 7 Ob 243/08y).
[37] 1.5.1. Die hier verwendete Definition entspricht im Übrigen landesgesetzlichen Regelungen wie dem burgenländischen Katastrophenhilfegesetz idF LGBl Nr 83/2009, wonach eine Katastrophe vorliegt, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht. Zwar ist der Adressat des Transparenzgebots nicht der Gesetzgeber, sondern ein mit Verbrauchern kontrahierender Unternehmer (vgl 4 Ob 58/18k, Klausel 1). Das bedeutet allerdings nur, dass sich der Unternehmer nicht mit einem Verweis auf den Gesetzgeber von seiner Verpflichtung zur Gestaltung von transparenten Klauseln befreien kann (vgl 4 Ob 58/18k), aber nicht, dass der Unternehmer grundsätzlich nicht auf eine (hier: landes‑)gesetzliche Definition zur weiteren Konkretisierung eines Begriffs zurückgreifen darf. An den Unternehmer, der zum Zweck der Aufklärung der Verbraucher die dispositive Rechtslage dem Gesetzeswortlaut entsprechend und im Gesamtzusammenhang seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen in nicht irreführender Weise wiedergibt, können auch keine darüber hinausgehenden Anforderungen an die Textverständlichkeit gestellt werden (6 Ob 56/19g, Klausel 5).
[38] 1.5.2. Die Konkretisierung selbst ist an ihrer Verständlichkeit zu messen. Hier ist der verwendete Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch verankert und wird vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer mit einer plastischen Vorstellung eines – im Gegensatz zur „Ausnahmesituation“ – stets überindividuellen Schadenereignisses verbunden. Durch die Ausnahme der Katastrophe aus dem Versicherungsschutz wird der Verbraucher damit nicht über die Rechtsfolgen getäuscht oder ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt (RS0115219 [T1, T43]).
[39] 1.5.3. Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig iSd § 6 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks; es können vielmehr auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187 [T1]). Die hier inkriminierte Klausel enthält zwei materiell eigenständige Regelungsbereiche, nämlich einerseits den Risikoausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sindund andererseits einen Risikoausschluss für – im letzten Satz näher umschriebene – Katastrophen. Eine isolierte Betrachtungsweise ist daher zulässig und geboten, soweit der Risikoausschluss die Katastrophe umfasst, ist er nicht intransparent.
[40] 1.5.4. Mit der Entscheidung 7 Ob 118/20h ist die hier vorliegende Klausel deshalb nicht vergleichbar, weil dort die – in keiner Weise näher konkretisierte – Verwendung des Begriffs „Ereignis“ im Rahmen einer Allmählichkeitsklausel in der Haftpflichtversicherung zu beurteilen war.
[41] 1.6. Der Risikoausschluss für die Katastrophe ist auch nicht gröblich benachteiligend. Im Versicherungsvertragsrecht liegt gröbliche Benachteiligung nicht nur dann vor, wenn der Vertragszweck geradezu vereitelt oder ausgehöhlt wird, sondern bereits dann, wenn die zu prüfende Klausel eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem Standard bringt, den der Versicherungsnehmer von einer Versicherung dieser Art erwarten kann. Kontrollmaßstab sind die berechtigten Deckungserwartungen des Versicherungsnehmers (RS0128209 [insb T2]). Keine Deckung für besonders schwer kalkulierbare, weil unabsehbare Risiken zu gewähren, die sich im Gefolge einer Katastrophe verwirklichen, entspricht den Interessen der Versicherungsnehmer nach zuverlässiger Tarifkalkulation und schränkt die berechtigten Deckungserwartungen des Versicherungsnehmers nicht ein (vgl 7 Ob 42/21h, Punkt IV.2). Die vom Berufungsgericht für eine gröbliche Benachteiligung ins Treffen geführten Argumente (hoheitliche Anordnung, Ausnahmesituation) betreffen die hier gesondert beurteilte Klausel nicht.
1.7. Fazit:
[42] Die Klausel: „Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Katastrophen; eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht“ ist gesondert zu betrachten und weder intransparent noch gröblich benachteiligend.
2. Zu Klausel 3 (Art 3.3 ARB 2018):
Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsunternehmen später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht, unabhängig davon, wann der Versicherungsunternehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles erlangt, kein Versicherungsschutz.
[43] 2.1. Das Erstgericht beurteilte die Klausel als ungewöhnlich und damit nichtig iSd § 864a ABGB, weil die in der Klausel geregelt e Ausschlussfrist allein auf einen objektiv fristauslösenden Zeitpunkt abstelle und damit der Regelung in § 33 Abs 1 VersVG widerspreche. Sofern der Versicherungsnehmer während der dreijährigen Frist keinen Hinweis darauf habe, dass sich während seiner Vertragslaufzeit ein Versicherungsfall ereignet haben könnte, sei der Anspruchsverlust für ihn ungewöhnlich. Die Klausel sei im Rahmen der Rechtsschutzversicherung auch nicht mit § 12 Abs 1 VersVG gleichzusetzen, weil der Beginn dieser Frist davon abhänge, wann sich die Notwendigkeit der Interessenwahrnehmung für den Versicherungsnehmer ausreichend konkret abzeichne.
[44] 2.2. Das Berufungsgericht teilte diese Ansicht. Eine Klausel, die alleine auf einen objektiv fristauslösenden Zeitpunkt abstelle, sei im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG aus Sicht des Versicherungsnehmers ungewöhnlich, weil damit ein Anspruch erlöschen könne, obwohl er unverzüglich nach Kenntnis vom Schadensfall – wie in § 33 Abs 1 VersVG von ihm gefordert – Schadensanzeige erstattet habe.
[45] 2.3. Die Beklagte argumentiert in ihrer Revision, der Oberste Gerichtshof habe in den Entscheidungen zu 7 Ob 22/10a und 7 Ob 201/12b ganz allgemein kürzere Ausschlussfristen als die in § 12 VersVG normierte Verjährungsfrist als nicht gesetzwidrig erachtet; hier sei – im Gegensatz zu den in den dortigen Fällen beurteilten kürzeren Ausschlussfristen (ein bzw zwei Jahre) – eine dreijährige Frist vorgesehen. Das sei im Lichte des § 12 VersVG nicht ungewöhnlich. Die Klausel sei im Übrigen mit der vom Obersten Gerichtshof zu 7 Ob 156/20x beurteilten Klausel in der Unfallversicherung vergleichbar. Die Klausel solle insgesamt eine Ausgrenzung von schwer absehbaren Spätschäden bewirken.
[46] 2.4. Nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Bedingung, die eine Ausschlussfrist regelt und allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abstellt, im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG, wonach der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen hat, ungewöhnlich, weil dadurch der Anspruch erlischt, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis des Versicherungsfalls eine Schadensanzeige erstattet wurde. Hat der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist keine wie immer gearteten Hinweise darauf, dass sich ein Versicherungsfall während der Vertragszeit ereignet haben könnte, so ist der Anspruchsverlust auch im Fall der unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB zu beurteilen (7 Ob 31/20i; 7 Ob 213/20d; 7 Ob 170/21g; 7 Ob 48/22t).
[47] 2.4.1. Die in 7 Ob 206/19y vorgenommene Differenzierung zwischen bereits beendeten und noch bestehenden Verträgen bezieht sich ausschließlich auf die Beurteilung der Kriterien für das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung gemäß § 33 Abs 1 VersVG und hat mit der hier zu beantwortenden Frage nichts zu tun.
[48] 2.4.2. Die in der Entscheidung des Fachsenats zu 7 Ob 156/20x beurteilte Konstellation ist für die hier in Rede stehende Klausel deshalb nicht einschlägig.
[49] Die Klausel ist damit von den Vorinstanzen zu Recht als objektiv und subjektiv ungewöhnlich und deshalb iSd § 864a nichtig beurteilt worden.
[50] 3. Auf ihr Gegenveröffentlichungsbegehren kommt die Beklagte in der Revision nicht mehr zurück (RS0043338).
[51] Der Revision der Beklagten war daher insgesamt keine Folge zu geben.
[52] III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Die Streitteile sind in Bezug auf drei Klauseln jeweils mit einer und einer „halben“ Klausel durchgedrungen, weshalb die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz gegeneinander aufzuheben und die Barauslagen im Ausmaß des tatsächlichen Obsiegens von 50 % zu bestimmen und danach zu saldieren waren.
[53] In dritter Instanz hat die Beklagte mit einem Viertel ihres Revisionsinteresses obsiegt. Der Kläger ist im Revisionsverfahren zur Gänze unterlegen. Nach Saldierung ergibt sich der im Spruch ausgewiesene Kostenersatzanspruch der Beklagten, wobei ein geringfügiger Rechenfehler der Beklagten zu korrigieren war.
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