European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00152.21Y.1025.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
1. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
2. Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidung desBerufungsgerichts wird im Umfang der Klagsabweisung gegenüber dem Drittbeklagten sowie dem Viert- und dem Fünftbeklagten als Teilurteil bestätigt. Im Übrigen werden die Urteile der Vorinstanzen in Ansehung des Erst‑ und der Zweitbeklagten aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
3. Die Entscheidungen über die Kosten des Rekurs- und des Revisionsverfahrens bleiben dem Erstgericht vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist ein Eisenbahnunternehmen. DerDrittbeklagte ist Halter einer Forststraße, die auf einem Hang oberhalb der Bahnlinie parallel zu dieser verläuft. Der Erstbeklagte wurde vom Drittbeklagten mit Planung, Projektierung und der Bauaufsicht bei der Errichtung dieser Forststraße beauftragt. Die Zweitbeklagte wurde vom Drittbeklagten mit den Erdbauarbeiten für die Errichtung der Forststraße beauftragt; Viert‑ und Fünftbeklagte sind Geschäftsführer und Gesellschafter der Zweitbeklagten.
[2] Seit 1998 verlief bereits eine Forststraße einer Bringungsgenossenschaft auf dem Hang oberhalb der Bahnlinie. Sie wurde damals von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (BH) bewilligt; die Klägerin wurde damals dem Verfahren beigezogen. Der Drittbeklagte beantragte bei derselben BH am 3. 11. 2009 eine forstrechtliche Errichtungsbewilligung gemäß § 62 Forstgesetz 1975 für die Erschließung der weiter bergwärts gelegenen Waldflächen anschließend an die bereits bestehende Forststraße.
[3] Nach einer Verhandlung vor Ort wurden dem Drittbeklagten mit Bescheid vom 21. 12. 2009 von der BHdie forstrechtliche Bewilligung für die beantragte weitere Erschließung unter anderem folgenden Auflagen erteilt:
* Die Bauarbeiten sind so auszuführen, dass das umliegende Gelände und der Bewuchs nicht beschädigt werden. Im Steilgelände, das ist jedenfalls ab einer Hangneigung von 70 %, ist ein Querausgleich nicht gestattet und ist das anfallende Material im Längstransport abzufrachten und an geeigneten Stellen zu deponieren.
* Die im Zuge der Bauarbeiten herzustellenden Böschungen sind steinsicher anzulegen und bergseitig gegen das natürliche Gelände unter Vermeidung von Überhängen auszurunden.
* Zur Sicherung der Böschungen sind erforderlichenfalls Grobsteinschlichtungen zu errichten.
* Die Ableitung der Oberflächen‑ und Hangwässer hat vorbehaltlich der Vorschreibungen eines allenfalls durchzuführenden wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens mit offenen Spitzgräben und Querausleitungen mit Rohrdurchlässen mit einem Mindestdurchmesser von 40 cm bei einem Regelabstand von 50 m unter Anpassung an die jeweiligen Geländeverhältnisse mit durch Steinsätzen gesicherten Ein‑ und Ausläufen unter Vermeidung einer Wasserkonzentration zu erfolgen.
* Entsprechend der abgeänderten maximalen Fahrbahnbreite von 2,5 m, die nicht überschritten werden darf, ist ein Bagger mit entsprechender Spurbreite einzusetzen.
[4] Die Klägerin wurde diesem Verfahren nicht beigezogen.
[5] Im Jahr 2012 beantragte der Drittbeklagte eine Erweiterung der Forststraße. Dazu fand am 19. 7. 2012 eine Verhandlung vor Ort statt, zu der die nunmehrige Klagevertreterin für die Klägerin beigezogen war und auf eine Gefährdung der darunterliegenden Eisenbahnanlage hingewiesen hat.
[6] Am 20. 3. 2013 stellte die BH nach einer örtlichen Überprüfung desselben Tages mit Bescheid fest, dass die Vorschreibungen der erteilten Errichtungsbewilligung für die Errichtung der Forststraße eingehalten worden seien. Die erteilten Auflagen seien erfüllt worden und die Forststraße befinde sich in einem guten Zustand. Dieser Bescheid erging jedenfalls an den Drittbeklagten.
[7] Im Zuge eines massiven Starkregenereignisses („hundertjähriges Ereignis“) zwischen 1. und 3. 6. 2013 verlegte am 2. 6. 2013 eine Mure die Gleise der Bahnstrecke der Klägerin.
[8] Im Zuge dieser Ereignisse wurde festgestellt, dass die Übersteilung des Hangs, die Schüttungen und die Geländeabtragungen im Bereich der Forststraße zu einer lokal geringeren Stabilität führen. Der Klägerin wurde daher eine Entfernung von abrutschgefährdeten Bereichen und eine Reihe von baulichen Sicherungsmaßnahmen empfohlen, die sie beauftragte und bezahlte.
[9] Die Klägerin beantragte die Zustellung des forstrechtlichen Bewilligungsbescheids aus 2009 und die Zuerkennung von Parteistellung im Bewilligungsverfahren; diese Anträge wies die BH ab. Das Landesverwaltungsgericht gab über Beschwerde der Klägerin dem Antrag auf Bescheidzustellung statt. Da die Forststraße im Gefährdungsbereich der Eisenbahn liege, sei das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt worden. Mit Erkenntnis vom 27. 4. 2015 wurde über Beschwerde der Klägerin letztlich der Bewilligungsbescheid ersatzlos behoben, weil eine eisenbahnrechtliche Bewilligung der Forststraße fehle, dafür sei – weil eine Hochleistungsstrecke betreffend – der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zuständig.
[10] Dem Drittbeklagten wurde auf Antrag der Klägerin jeweils die Duldung der Beseitigung der Folgen der durch ein Naturereignis am 3. 6. 2013 eingetretenen Gefährdung der Eisenbahn wegen Gefahr in Verzug und in einem weiteren Verfahren die Beseitigung eines Teils der Forststrecke aufgetragen.
[11] Die Klägerinbegehrt vom Erst‑ und Drittbeklagten 8.827,25 EUR sA an Kosten aus den Verwaltungsverfahren betreffend die Erlangung ihrer Parteistellung, weiters nur vom Drittbeklagten die Zahlung von 15.827,82 EUR sA an Kosten des Verfahrens betreffend die Duldung der Beseitigung (§ 45 EisbG) und 10.146,24 EUR sA von sämtlichen Beklagten für die Betreibung der Beseitigung gemäß § 44 EisbG.
[12] 998.207,98 EUR sA von allen Beklagten begehrt die Klägerin für die Leistungen, die – zu einem geringen Teil – im Zuge der Beseitigung der Mure und zum überwiegenden Teil im Zuge der Maßnahmen zur Hangabsicherung an Beratungs‑ und Baukosten angefallen sind. Sie begehrt weiters die Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Die Haftung sämtlicher Beklagter stützt sie – soweit noch relevant – auf den Schutzcharakter der Bestimmungen des § 61 Abs 4 Forstgesetz 1975, der §§ 43, 44 und 45 EisbG und der Auflagen im Bewilligungsbescheid, hinsichtlich Erst- bis Drittbeklagtem auch auf § 1319 ABGB. Die Klägerin stützt sich weiters auf § 364a ABGB (analog) und § 364b ABGB, Verkehrssicherungspflichten und Geschäftsführung ohne Auftrag. Für die Haftung des Erst‑ und der Zweitbeklagten stützt sie sich auf einen Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter und die nicht sach‑ und fachgerechte Ausführung der Forststraße.
[13] DieBeklagtenberufen sich neben dem mangelnden Schutzzweck der angezogenen Vorschriften auf ihr mangelndes Verschulden an deren Verletzung, weil sie sich auf das Verhalten der Behörde haben verlassen dürfen. Von sämtlichen Beklagten wird auch die Unzulässigkeit des Rechtswegs hinsichtlich der Kosten der Verwaltungsverfahren eingewendet. Erst‑, Zweit‑, Viert‑ und Fünftbeklagte bestreiten die Passivlegitimation für die nachbarrechtlichen Ansprüche und bringen vor, es mangle ihnen am Fremdgeschäftsführungswillen. Erst- und Zweitbeklagte führen überdies die sachgerechte Ausführung der Forststraße ins Treffen.
[14] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Ausmaß von 15.827,82 EUR sA (Kosten der Durchsetzung der Duldung der Beseitigung nach dem EisbG) gegen den Drittbeklagten statt und wies das Klagebegehren von 8.827,25 EUR sA (Kosten der Erlangung der Parteistellung) gegen Erst- und Drittbeklagten sowie das gesamte übrige Klagebegehren gegen alle Beklagten ab.Die Forststraße sei nach dem Stand der Technik geplant worden und für den Abgang der Mure nicht kausal gewesen; die Unkenntnis eisenbahnrechtlicher Vorschriften sei den Beteiligten nicht vorwerfbar.
[15] Das Berufungsgerichthob aus Anlass der Berufung der Klägerin und des Drittbeklagten mit Beschluss die Zahlungsverpflichtung des Drittbeklagten von 15.827,82 EUR sA und die Klagsabweisungen hinsichtlich der Teilbegehren von 10.146,24 EUR betreffend sämtliche Beklagte (Beseitigung nach § 44 EisbG) und 8.827,25 EUR betreffend den Erst‑ und Drittbeklagten sowie die diesbezüglichen Verfahrensteile als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Im Übrigen gab es der Berufung der Klägerin keine Folge.
[16] Die selbständige Geltendmachung von Verwaltungsverfahrenskosten im ordentlichen Rechtsweg sei generell nicht zulässig, Ausnahmefälle lägen hier nicht vor.
[17] Grundsätzlich sei zwischen Schäden aus dem Murenabgang und Sicherungsmaßnahmen wegen Rutschgefahr aufgrund der Forststraße an sich zu unterscheiden. Zu letzterem Bereich habe das Erstgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Ansprüche der Klägerin seien aber unabhängig davon nicht berechtigt. Der Verstoß gegen die Bestimmung des § 43 EisbG sei keinem der Beklagten vorzuwerfen, habe doch auch die Behörde diese Bestimmung nicht beachtet. Eine Geschäftsführung im Notfall habe nicht vorgelegen, weil die Klägerin verpflichtet gewesen sei, tätig zu werden. Hinsichtlich § 1319 ABGB wäre lediglich der Drittbeklagte passiv legitimiert, dem eine (allfällige) nicht ordnungsgemäße Errichtung der Forststraße nicht erkennbar und keinesfalls vorwerfbar gewesen sei. Nachbarrechtliche Ansprüche gemäß § 364a ABGB analog verneinte das Berufungsgericht, weil die Klägerin früher hätte tätig werden können.
[18] Die Verträge des Drittbeklagten mit dem Erstbeklagten über die Planung und mit der Zweitbeklagten über den Bau der Forststraße hätten keine Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin entfaltet, weil die Gefährdung der Eisenbahn für die Beteiligten nicht evident gewesen sei.
[19] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu den (als Hilfsbegründung herangezogenen) Themen zu, ob § 45 EisbG einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Kosten für sämtliche Beseitigungsmaßnahmen verpflichtend auferlege und damit ein Ersatzanspruch nach Schadenersatz und/oder Immissionsrecht jedenfalls ausgeschlossen sei und obnach § 1319 ABGB ein Ersatzanspruch für Sicherungsmaßnahmen auf fremdem Grund zwecks Abwehr drohender Schäden bestehe.
[20] Gegen die Klagszurückweisung wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Aufhebung der Klagszurückweisung und Wiederherstellung der Klagsstattgebung des Erstgerichts, im Übrigen Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht.
[21] Gegen die Klagsabweisung im gesamten Umfang richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung des Urteils im klagstattgebenden Sinn, hilfsweise werden jeweils Aufhebungsanträge gestellt.
[22] Erst- bis Fünftbeklagte und die Nebenintervenientin beantragen in ihrer jeweiligen Rekurs- und Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben sowie dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Dazu hat der erkennende Fachsenat erwogen:
Zum Rekurs:
Rechtliche Beurteilung
[23] 1. Da sich das Berufungsgericht mit dem zur Klagszurückweisung führenden Nichtigkeitsgrund erstmals auseinandergesetzt hat, ist der Vollrekurs nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
[24] 2. Grundsätzlich ist nach ständiger Rechtsprechung der ordentliche Rechtsweg für die selbständige Geltendmachung von Verwaltungsverfahrenskosten ausgeschlossen (RS0022786).
[25] 2.1. Ausnahmen davon gab es nach älterer Rechtsprechung im Fall der Übertretung einer privatrechtlichen Vereinbarung (3 Ob 77/54). Anerkannt ist weiters, dass der Klagsweg nach einer Verweisung auf den Zivilrechtsweg durch die Verwaltungsbehörde zulässig ist (vgl 6 Ob 17/70 mwN). Derartiges liegt hier nicht vor.
[26] 2.2. Auch aus der in der Revision angesprochenen Rechtsprechung zum Rettungsaufwand (RS0023516) ist für die Klägerin nichts zu gewinnen. Soweit unter diesem Titel in einem Verwaltungsverfahren entstandene Kosten als ersatzfähig angesehen wurden, lagen dem rechtswidrige und schuldhaft falsche Angaben gegenüber einer Verwaltungsbehörde zugrunde, die die Vertretungskosten einer Partei verursacht haben.
[27] 2.2.1. In dem der Entscheidung 4 Ob 37/16v zugrundeliegenden Fall wandte sich der dortige Kläger – nach den Feststellungen auch gerade um der Beklagten zu schaden – an die Gebietskrankenkasse und gab dort an, er sei ein Dienstnehmer der Beklagten gewesen und wies (wahrheitswidrig) auf erhaltene Zahlungen hin. In der Entscheidung 6 Ob 94/20x hatte eine ganz offensichtlich unbegründete Anzeige wegen Fahrerflucht Rechtsverteidigungskosten ausgelöst.
[28] 2.2.2. Ein vergleichbarer Vorwurf kann hier keinem der Beklagten gemacht werden. In Bezug auf die Kosten für die Erlangung der Parteistellung und die Bekämpfung des Bescheids gibt es überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, dass einer der Beteiligten vorsätzlich diese Kosten für die Klägerin herbeigeführt hätte. Die bloße Rechtsverteidigung des Drittbeklagten im Rahmen der Duldungs‑ und Beseitigungsbescheide nach dem EisbG hat auch keinen vergleichbaren Charakter.
[29] 2.3. Soweit die Klägerin mit ihrem Hinweis darauf, es handle sich um ersatzfähigen Rettungsaufwand zur Vermeidung weiterer Schäden auf die Rechtsprechung im Amtshaftungsverfahren (etwa 1 Ob 231/16a) Bezug nimmt, ist die Situation eine gänzlich andere. Kosten, die zur Abwehr eines Schadens aufgrund eines unvertretbaren Vorgehens einer Behörde entstehen, können im Wege der Amtshaftung als ersatzfähiger Rettungsaufwand geltend gemacht werden. Daraus ist ein Schadenersatzanspruch gegen eine andere Partei des Verwaltungsverfahrens nicht abzuleiten.
Zur Revision:
[30] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Bezug auf den Erst- und die Zweitbeklagte im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[31] Vorweg ist festzuhalten, dass die Revision zu einzelnen in erster und zweiter Instanz herangezogenen Anspruchsgrundlagen gegenüber einzelnen Beklagten keine oder keine für eine gesetzmäßige Rechtsrüge ausreichenden Ausführungen (vgl RS0043605, RS0043654) enthält, weshalb im Folgenden bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen lediglich auf jene Beklagten eingegangen wird, auf die die Revision in gesetzmäßiger Ausführung der Rechtsrüge zurückkommt.
1. Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter (Erstbeklagter und Zweitbeklagte):
[32] 1.1. In der Rechtsprechung ist es grundsätzlich anerkannt, dass unter bestimmten Voraussetzungen Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis nicht nur zwischen den Vertragsparteien selbst, sondern auch gegenüber dritten Personen bestehen können, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maß gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Begünstigt sind im Allgemeinen solche Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluss vorhersehbar war und die der Vertragspartner (des Hauptleistungspflichtigen) entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte, an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (RS0020769). Ziel der Lehre vom Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist es, dem Geschädigten, dem sonst nur deliktische Ansprüche zustünden, auch Ersatzansprüche wegen Verletzung einer rechtlichen Sonderverbindung zu verschaffen. Ein Schuldner haftet bei Verletzung vertraglicher Schutzpflichten, die ihn gegenüber einem Dritten treffen, auch dem Dritten nach § 1313a ABGB für seinen Gehilfen (RS0017185; Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1295 Rz 53).
[33] 1.2. Dabei darf die Voraussehbarkeit der Kontaktmöglichkeit mit der Vertragsleistung und deren Auswirkungen nicht zu eng verstanden werden; es genügt, wenn dem Vertragspartner generell erkennbar sein muss, dass Dritte im unmittelbaren, besonderen Gefahrenbereich sein werden (RS0037785 [T39]; 8 Ob 132/14s mwN). Der begünstigte Personenkreis ist aufgrund einer objektiven Auslegung des Vertrags zu bestimmen (2 Ob 209/17z mwN). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon mehrfach ausgesprochen, dass Bauunternehmen vertragliche Nebenverpflichtungen treffen, Leitungen Dritter, die sich im unmittelbaren Gefahrenbereich befinden, nicht zu beschädigen (etwa 2 Ob 136/99k; 6 Ob 124/06p) und den Eigentümer des Nachbargrundstücks in den Schutzbereich einbezogen (7 Ob 306/04g; 1 Ob 153/07t mwN).
[34] 1.3. Die Klägerin wurde 1998 im Bewilligungsverfahren zur ersten Forststraße beigezogen. Auch im Rahmen der Bewilligung der hier gegenständlichen Forststraße wurden in der Bescheidbegründung Überlegungen zur Sicherheit der Bahnstrecke angestellt, daraus wurden lediglich unrichtige Schlüsse betreffend das weitere öffentlich-rechtliche Bewilligungsverfahren gezogen. Der räumliche Kontakt der Bahnstrecke mit der zur errichtenden Straße ist bereits aufgrund der örtlichen Gegebenheiten für alle Beteiligten erkennbar gewesen (RS0034594 [T11]; 1 Ob 150/13k). Die Argumentation des Berufungsgerichts, die Beteiligten hätten eine Beeinträchtigung der Bahnstrecke nicht in Erwägung ziehen müssen, weil das auch die Behörde nicht getan hätte, greift daher zu kurz. Ein zeitlicher, räumlicher und sachlicher Kontakt der Klägerin mit der vertraglichen Hauptleistung des Erstbeklagten (Planung und Bauaufsicht) und der Zweitbeklagten (Bautätigkeit) war vorhersehbar (vgl 2 Ob 36/14d; 8 Ob 53/14y).
[35] 1.4. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass für die Ansprüche der Klägerin gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte die Anspruchsgrundlage des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter grundsätzlich denkbar ist. Die Klägerin hat sich gegenüber diesen beiden Beklagten – unabhängig von der Kausalität der Forststraße für das Murenereignis – bereits in erster Instanz auf eine nicht sach‑ und fachgerechte Ausführung der Forststraße gestützt, insbesondere darauf, dass diese steiler als im Bescheid vorgesehen und entgegen dem Bescheid nicht im Volleinschnitt errichtet wurde und dabei zahlreiche Auflagen des Bewilligungsbescheids nicht eingehalten worden seien.
2. § 61 Abs 4 Forstgesetz 1975/Bewilligungsbescheid (sämtliche Beklagte):
[36] 2.1. Gemäß § 61 Abs 1 Forstgesetz 1975 dürfen Bringungsanlagen nur aufgrund einer Planung und unter der Bauaufsicht befugter Fachkräfte errichtet werden. § 61 Abs 4 Forstgesetz 1975 sieht vor, dass der Bauwerber, die für die Planung und Bauaufsicht befugten Fachkräfte und die mit der Durchführung des Baus Beauftragten die Bestimmungen über forstliche Bringungsanlagen einzuhalten haben. Die Erwähnten haben sich vor Beginn der Arbeiten zu unterrichten, ob und zutreffendenfalls unter welchen Bedingungen und Auflagen die Errichtung der Bringungsanlage zulässig ist.
[37] 2.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass öffentlich-rechtliche Bauvorschriften in erster Linie den Schutz der Allgemeinheit vor Schäden durch nicht fachgerechte Ausführung von Bauarbeiten bezwecken. Im Besonderen muss sich dieser Schutz auf die Bewohner und sonstige Benützer des Bauwerks sowie auf jene Personen erstrecken, die im Zusammenhang mit der Bauausführung besonderen Gefahren ausgesetzt sind (1 Ob 253/02s). Mit den hier relevanten Bestimmungen im Forstgesetz 1975 soll sichergestellt werden, dass die technisch schwierigen Aufgaben der Planung von forstlichen Bringungsanlagen und der dabei wahrzunehmenden Bauaufsicht nur dazu besonders befähigten Personen übertragen werden (1 Ob 33/94; 1 Ob 219/14h). Dass die mit der Ausführung und der Bauaufsicht Betrauten die Bestimmungen über forstliche Bringungsanlagen einzuhalten und sich über Auflagen zu informieren haben, verfolgt einen ebenso eindeutigen Zweck und stellt eine Schutznorm für die Allgemeinheit vor Schäden aus deren Verletzung dar.
[38] 2.3. Schutzgesetz ist nicht nur ein Gesetz im formellen Sinn, sondern jede Rechtsnorm, die bestimmte Personen oder Personengruppen vor der Verletzung ihrer Rechtsgüter schützen soll. Als Schutzgesetze kommen generelle und individuelle hoheitliche Anordnungen in Betracht (RS0027500; RS0027415). Auch der Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB sein, insbesondere die in einem Bescheid enthaltenen Auflagen (vgl RS0027415 [T1, T2, T11, T12, T13 und T18]). Daran vermag auch die spätere Behebung dieses Bescheids nichts zu ändern, haben doch die erteilten Auflagen unmittelbar dem Schutz vor einer Abrutschung oder Instabilität gedient und führen die Vorschriften des Eisenbahngesetzes, die letztlich zur Behebung des Bescheids führen mussten, nicht rückwirkend dazu, dass die der Sicherheit unter anderem der Eisenbahn dienenden Auflagen damit unbeachtlich gewesen wären.
[39] 2.4.1. Der Bescheid richtet sich an den Drittbeklagten. Aufgrund der Bestimmung des § 61 Abs 4 Forstgesetz 1975 ist er aber auch vom Erstbeklagten als Planer und Bauaufsicht und von der Zweitbeklagten als ausführendem Unternehmen unmittelbar zu beachten.
[40] 2.4.2. Hinsichtlich der Folgen einer allfälligen Verletzung der im Bescheid erteilten Auflagen ist zwischen dem Drittbeklagten als Bauwerber und den gemäß § 61 Abs 2 Z 2 Forstgesetz 1975 für die Bauaufsicht befugten Fachkräften (vgl § 105 Abs 1 Z 1 und 2 Forstgesetz 1975, hier dem Erstbeklagten) sowie dem durchführenden Bauunternehmen (hier der Zweitbeklagten) zu differenzieren. Zwar richtet sich die Bestimmung des § 61 Abs 4 Forstgesetz 1975 auch an den Bauwerber; dabei ist aber auch der Fertigstellungsbescheid vom 20. 3. 2013 zu berücksichtigen. Damit wurde dem Drittbeklagten von der BH mitgeteilt, dass die erteilten Auflagen erfüllt wurden und sich die Forststraße in einem guten Zustand befindet. Darauf durfte der Drittbeklagte als Laie sich verlassen. Anderes gilt für den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte, sie schulden – unabhängig von der Beurteilung der Behörde im Verwaltungsverfahren – zivilrechtlich für die von ihnen übernommenen Aufgaben den Sorgfaltsmaßstab gemäß § 1299 ABGB.
[41] 2.5. Viert- und Fünftbeklagte als Gesellschafter und Geschäftsführer der Zweitbeklagten trifft hier keine Außenhaftung. Nach § 25 GmbHG haften Geschäftsführer nur für eigenes, schuldhaftes Verhalten und grundsätzlich nur der Gesellschaft, nicht aber einzelnen Gesellschaftern oder Gläubigern. Die gesetzliche Ausgangslage spricht im Allgemeinen dagegen, Geschäftsführer Dritten gegenüber haftbar zu machen, wenn sie nur im Rahmen ihres gesellschaftsrechtlichen Verantwortungsbereichs agiert haben, vielmehr ist für eine Dritthaftung die Verletzung einer eigenen, nicht nur der Gesellschaft obliegenden Pflicht zu fordern (8 Ob 62/16z mwN). Die einzige hier in Betracht kommende Ausnahme von diesem Grundsatz besteht in der schuldhaften Verletzung eines Schutzgesetzes. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der eine auf die Wahrung der Interessen der Gläubiger gerichtete Schutznorm übertritt, den Gläubigern der Gesellschaft unmittelbar haftet (7 Ob 610/85). Eine solche die Gläubigerinteressen wahrende Schutznorm ist etwa § 69 IO (vgl RS0106152; RS0027441). Eine vergleichbare Schutznorm, die speziell die Wahrung der Gläubigerinteressen durch die Geschäftsführer zum Ziel hat, liegt hier nicht vor.
[42] 2.6. Zusammenfassend kommt damit eine Haftung aus einer Schutzgesetzverletzung lediglich für den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte in Frage.
3. Nachbarrecht (Drittbeklagter):
[43] 3.1. § 364b ABGB begründet an sich nur einen Unterlassungsanspruch. Im Fall von Schäden besteht aber ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch, wenn der Eingriff in die bodenphysikalische Beschaffenheit des Nachbargrundes durch eine genehmigte Anlage iSv § 364a ABGB verursacht wurde oder eine Analogie zu dieser Bestimmung angezeigt ist (5 Ob 130/00d mwN; Kerschner/Wagner in Klang 3 § 364b Rz 22 ff). Die Rechtsprechung bejaht in Fällen des § 364 Abs 2 ABGB und § 364b ABGB einen vom Verschulden unabhängigen Ausgleichsanspruch nur dann, wenn sich aus der Interessenlage ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu § 364a ABGB ergeben (5 Ob 21/19b mwN). Das gilt jedenfalls dann, wenn aufgrund einer die Unterlassungsklage nicht ausschließenden Genehmigung der Anschein der Gefahrlosigkeit und damit der Rechtmäßigkeit der bewilligten Maßnahme besteht und dadurch die Abwehr zwar nicht rechtlich ausgeschlossen, aber faktisch derart erschwert wird, dass der Nachbar die Maßnahme praktisch hinnehmen muss (2 Ob 1/19i mwN).
[44] 3.2. Das war hier aus Sicht der Klägerin gerade nicht der Fall. Hier steht fest, dass eine Verhandlung (auch) zur Überprüfung des Zustands der Forststraße und Beauftragung zur Herstellung des dem Stand der Technik entsprechenden Zustands in Anwesenheit von Vertretern der Klägerin bereits 2012 an Ort und Stelle stattfand. Unabhängig von den in der Revision angeführten langwierigen Verfahrensabläufen im Rahmen der Erlangung der Parteistellung im forstrechtlichen Bewilligungsverfahren ist nicht ersichtlich, wieso ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch hier faktisch erschwert gewesen wäre.
[45] 3.3. Den Drittbeklagten trifft daher auch keine nachbarrechtliche Ersatzpflicht für den Rettungsaufwand der Klägerin. Von einer nachbarrechtlichen Haftungsgrundlage gegenüber einem der übrigen Beklagten geht die Revision zu Recht nicht mehr aus.
4. Gebäudehalterhaftung/Verkehrssicherungspflichten (Drittbeklagter):
[46] 4.1. § 1319 ABGB stellt auf einen objektiven Sorgfaltsbegriff ab und normiert eine Gefährdungshaftung (RS0116783 [T1]). Von dieser kann sich der Halter durch den Beweis befreien, alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet und alle Vorkehrungen getroffen zu haben, die vernünftigerweise nach den Umständen bzw der Auffassung des Verkehrs erwartet werden können (RS0030035 [T9]). Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt jedenfalls die Erkennbarkeit oder doch Vorhersehbarkeit der drohenden Gefahr voraus (RS0030035 [T12], RS0030204).
[47] 4.2. Auch für das Ausmaß von Verkehrssicherungspflichten ist entscheidend, ob eine naheliegende und voraussehbare Gefahrenquelle bestand und in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann (RS0023487 [T6, T11]). Diese Erkennbarkeit für den Drittbeklagten war schon unter Berücksichtigung des Inhalts des Fertigstellungsbescheids nicht gegeben, weshalb eine Haftung des Drittbeklagten nach § 1319 ABGB oder aufgrund von Verkehrssicherungspflichten ausscheidet.
[48] 4.3. Auf die vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage, ob nach § 1319 ABGB ein Ersatzanspruch für Sicherungsmaßnahmen auf fremdem Grund zwecks Abwehr drohender Schäden besteht, kommt es daher nicht an.
[49] 4.4. Auf welcher Grundlage der Erst- und die Zweitbeklagte gemäß § 1319 ABGB als Halter haften sollen, vermag die Revision nicht darzustellen. Zu allgemeinen Verkehrssicherungspflichten ist die Rechtsrüge in der Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043605, RS0043654).
5. Geschäftsführung ohne Auftrag (alle Beklagten):
[50] 5.1. Die von der Revisionswerberin geltend gemachte Geschäftsführung ohne Auftrag setzt begrifflich die Absicht voraus, ausschließlich ein fremdes Geschäft zu führen (RS0085741). Dem hat bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass die Klägerin im vorliegenden Fall sowohl eigene als auch öffentliche Interessen zur Sicherung der Bahnstrecke verfolgte. Dass der Geschäftsführer auch eigene Interessen verfolgt, schadet – entgegen älterer Rechtsprechung (RS0023484) – zwar grundsätzlich noch nicht, weil Geschäftsführung ohne Auftrag auch in Fällen des Zusammentreffens von Eigen- und Fremdinteressen bejaht wird. Ist der für die Verfolgung fremder Interessen getätigte Aufwand aber von der eigenen Sphäre des Geschäftsführers nicht abtrennbar, scheidet Geschäftsführung ohne Auftrag aus (1 Ob 90/11h mwN; RS0112478 [T4]; Koziol/Spitzer in KBB6 § 1035 Rz 5 mwN). Unter den „eigenen Interessen“ versteht die Rechtsprechung Sachverhalte, in denen ein Aufwand unmittelbar zu einem Nutzen der handelnden Person führt (vgl ausführlich dazu 3 Ob 228/13w mwN). Das ist hier zweifellos der Fall, hat doch die Klägerin einen unmittelbaren Nutzen aus ihren Sicherungsmaßnahmen. Auch die mangelnde Abtrennbarkeit von den öffentlichen Interessen im Eisenbahngesetz – und damit solchen der Allgemeinheit – muss zur Folge haben, dass die Handlungen nicht als eine alleinige Verfolgung von Interessen der Beklagten betrachtet werden können.
[51] 5.2. Aus der von der Revision dazu ins Treffen geführten Entscheidung 2 Ob 32/87 (vgl auch RS0019826) ist für die Klägerin nichts zu gewinnen, weil der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung lediglich ausgesprochen hat, dass Selbstherstellung durch den Geschädigten dann zulässig ist, wenn der Schädiger sich seiner Pflicht zur Leistung des Naturalersatzes entzieht oder der Schädiger infolge eines komplizierten Schadensbehebungsvorgangs im Gegensatz zum entsprechend ausgerüsteten Geschädigten selbst nicht in der Lage ist, dies zu tun. Diese Konstellation geht aber von einer bereits feststehenden Pflicht zum Ersatz des Schadens aus; das ist im Bezug auf die Beklagten nicht der Fall.
6 . Vorschriften des Eisenbahngesetzes (alle Beklagte):
[52] 6.1. Gemäß § 43 Abs 1 EisbG ist in der Umgebung von Eisenbahnanlagen (Gefährdungsbereich) die Errichtung von Anlagen oder die Vornahme sonstiger Handlungen verboten, durch die der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Führung des Betriebs der Eisenbahn und des Betriebs von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge, gefährdet wird. § 43 Abs 3 EisbG ermöglicht eine Ausnahmebewilligung für Anlagen im Gefährdungsbereich, § 43 Abs 4 EisbG sieht die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Einigung vor.
[53] 6.2. Gemäß § 44 EisbG hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Beseitigung eines durch verbotswidriges Verhalten oder entgegen einer zivilrechtlichen Einigung herbeigeführten Zustands anzuordnen. Gemäß § 45 EisbG sind die innerhalb des Gefährdungsbereichs durch Naturereignisse (wie Lawinen, Erdrutsch, natürlicher Pflanzenwuchs) eingetretenen Gefährdungen der Eisenbahn (§ 43 Abs 1 EisbG) vom Eisenbahnunternehmen zu beseitigen. Wenn der Verfügungsberechtigte hiezu seine Zustimmung verweigert, so hat ihm die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Duldung der Beseitigung aufzutragen.
[54] 6.3. Die „Anrainerbestimmungen“ im EisbG ua über den Gefährdungsbereich (§ 43 EisbG) mit den dazu korrespondierenden Beseitigungsregelungen in § 44 EisbG und § 45 EisbG normieren Regelungen für den räumlichen Nahebereich schon bestehender Eisenbahnanlagen. Sie statuieren ein Verbot der Errichtung bahnfremder Anlagen im Bauverbotsbereich, verbieten zudem (generalisierend) nicht nur die Errichtung von Anlagen, sondern allgemein die Vornahme sonstiger gefährdender Handlungen im Gefährdungsbereich und statuieren schließlich Regelungen zur Durchsetzung dieser Vorschriften (Ra 2022/03/0044 Rz 20).
[55] 6.4. Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen Verletzungen von Rechtsgütern zu schützen (RS0027710). § 43 Abs 1 EisbG hat einen klar definierten Schutzbereich (vgl RS0008775), von dem jedenfalls die Klägerin umfasst ist, und soll Ereignisse, wie die hier gegenständliche Gefährdung der Eisenbahnlinie durch Hangabrutschungen verhindern.
[56] 6.5. Die Unkenntnis verwaltungsrechtlicher Vorschriften begründet ein Schadenersatzansprüche auslösendes Verschulden nur dann, wenn sie auf der Außerachtlassung der im besonderen Fall gebotenen Aufmerksamkeit beruht (RS0008651 [T3]). In der Leitentscheidung des Rechtssatzes RS0008651 2 Ob 194/79 = ZVR 1980/344 hatte ein Landwirt ohne Genehmigung der zuständigen Behörde am Straßenbankett eine Milchladerampe aufgestellt, für die ihm vom Bürgermeister der Gemeinde die Bewilligung erteilt worden war. Tatsächlich wäre die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig gewesen. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, dass dem Beklagten die Unkenntnis der die Unzuständigkeit des Bürgermeisters zur Erteilung einer Bewilligung nach § 82 StVO begründenden Vorschriften nicht als Außerachtlassung der nach den Umständen dieses Falles gebotenen Aufmerksamkeit angelastet werden könne. Diese Rechtsprechung stellt darauf ab, dass ein Rechtsirrtum jedenfalls immer dann entschuldbar ist, wenn ein deckungsgleicher Rechtsirrtum einer Behörde vorliegt oder eine Auskunft oder ein Rechtsakt einer Behörde Grundlage für den Rechtsirrtum ist. Für diesen Fall ist von der Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt nicht auszugehen. Sie wurde in mehreren Entscheidungen (etwa 2 Ob 53/99d; 4 Ob 1556/93, 7 Ob 1047/94, 6 Ob 155/01i) fortgeschrieben. Durch die Bewilligung eines bestimmten Verhaltens durch eine – wenn auch unzuständige – Behörde entfällt die Sorgfaltswidrigkeit (Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 2 ABGB Rz 17 mit Hinweis auf die dargestellte Rechtsprechung).
[57] 6.6. Den Beklagten kann hier die Unkenntnis des Erfordernisses einer eisenbahnrechtlichen Bewilligung deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil die bescheiderlassende Behörde demselben Rechtsirrtum unterlag und die Beteiligten auf die Bewilligung der BH vertrauen durften, auch wenn sie sich später als unrichtig herausstellen sollte. Dabei ist im konkreten Fall auch zu berücksichtigen, dass die Behörde sich in ihrer Begründung des Bewilligungsbescheids mit einer möglichen Gefährdung der Bahnstrecke auseinandersetzt, weshalb die Beteiligten hier davon ausgehen durften, dass die Behörde sich des Themas bewusst ist.
[58] 6.7. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Haftung sämtlicher Beklagter für eine Verletzung der Vorschrift des § 43 Abs 1 EisbG aufgrund eines unverschuldeten Rechtsirrtums ausscheidet (abschließend erledigter Streitpunkt).
[59] 6.8. Die von der Behörde auf Antrag des Eisenbahnunternehmens aufzutragende Duldung (§ 45 EisbG zweiter Satz) verfolgt den Zweck, durch sichere und nachhaltige Hintanhaltung bzw Beseitigung von Gefährdungen der Eisenbahn den sicheren Bestand der Eisenbahn sowie eine regelmäßige und sichere Betriebs- und Verkehrsführung zu gewährleisten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat das Eisenbahnunternehmen zur Erreichung dieses Ziels die Beseitigungsmaßnahmen auf eigene Kosten (Ra 2017/03/0030 mwN, Ra 2022/03/0044) vorzunehmen. Dass damit ein Ersatzanspruch nach – im Einzelfall zu prüfenden – zivilrechlichen Anspruchsgrundlagen von vornherein ausscheiden würde, lässt sich dieser Rechtsprechung nicht entnehmen.
[60] 7. Der Erstbeklagte erhob in erster Instanz eine Verjährungseinrede gestützt darauf, dass die Klägerin bereits im Sommer 2012 im Zuge der Verhandlung vor Ort betreffend eine Erweiterung der Forststraße eine Gefährdung der Eisenbahnanlage wahrgenommen habe.
[61] 7.1. Die für den von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzanspruch maßgebliche kurze Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RS0034524, RS0034374, RS0034951). Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten Verhalten des Schädigers, in Fällen der Verschuldenshaftung auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RS0034524 [T27, T29], RS0034374 [T13], RS0034951 [T5, T7]). Um mit Erfolg Klage erheben zu können, benötigt der Geschädigte sohin bei der Verschuldenshaftung Kenntnis von der Schadensursache (RS0034951), dem maßgeblichen Kausalzusammenhang (RS0034366) und dem Verschulden des Schädigers (RS0034322). Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch soweit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Anspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RS0034524 [T24, T25]). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände können nicht mit der tatsächlichen Kenntnis der relevanten Umstände gleichgesetzt werden und genügen daher nicht (RS0034524 [T6, T18]).
[62] 7.2. Tatsächlich wurde die Klägerin nach den Feststellungen aus Anlass der Verhandlung im Sommer 2012 auf ein mögliches Problem für die Eisenbahnstrecke ausgehend von der Forststraße zwar ganz allgemein aufmerksam, einen bestimmten Verursacher oder ein rechtswidriges Verhalten musste sie zu dem Zeitpunkt – gemessen auch an den damals bestehenden aufrechten forstrechtlichen Bewilligungen – aber nicht kennen. Daran vermag es auch nichts zu ändern, dass der Erstbeklagte bei der damaligen Verhandlung vor Ort war. Das lässt noch keinen gesicherten Rückschluss auf seine Verantwortlichkeit zu.
[63] 7.3. Der Geschädigte darf sich aber nicht rein passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von den die Ersatzpflicht begründenden Umständen eines Tages zufällig Kenntnis erhält (RS0065360 [T3]). Die Klägerin hat die Wahrnehmungen im Rahmen der Verhandlung vor Ort zum Anlass genommen, Parteistellung in dem – zur Erweiterung noch laufenden – Bewilligungsverfahren zu beantragen. Ausgehend von den weiteren Feststellungen, wonach dieser Antrag im Jänner 2013 zurückgewiesen wurde und im März 2013 die BH Zell am See mit Bescheid festgestellt hat, dass aufgrund der örtlichen Überprüfung die Vorschreibungen der erteilten Errichtungsbewilligung für die Forststraße eingehalten worden seien, ist von einer die Verjährungsfrist auslösenden Kenntnis der für einen Schadenersatzanspruch maßgeblichen Tatsachen vor dem im Juni desselben Jahres aufgetretenen Murenereignis nicht auszugehen. Allfällige Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen den Erst- und die Zweitbeklagte sind daher nicht verjährt (abschließend erledigter Streitpunkt).
[64] 8. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren für die Beurteilung einer möglichen schadenersatzrechtlichen Haftung des Erst- und der Zweitbeklagten zunächst präzise und widerspruchsfreie Feststellungen zu der von der Klägerin behaupteten mangelhaften Errichtung der Forststraße und einer mangelnden Einhaltung der Auflagen im Bewilligungsbescheid zu treffen haben. Die bisher getroffenen Feststellungen sind nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Schutz‑ und Sorgfaltspflichten oder § 61 Abs 4 Forstgesetz 1975 (Punkte 1. und 2.) abschließend zu beurteilen.
[65] Das Erstgericht wird insbesondere auch Feststellungen zu treffen haben, ob die von der Klägerin gesetzten Präventivmaßnahmen zur Abwehr eines drohenden Schadens objektiv notwendig waren (Kausalität des von der Klägerin geltend gemachten Rettungsaufwands).
[66] 9. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 3 ZPO.
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