Spruch:
- 1. Die Revision der erstbeklagten Partei wird zurückgewiesen.
- 2. Der Revision der klagenden Parteien wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird. Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit EUR 4.037,40 (darin EUR 458,77 USt und EUR 1.284,80 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft und betreiben dort eine Landwirtschaft mit Schweinezucht. Der Wasserbedarf für die Landwirtschaft der Kläger wurde aus einem auf dem Hof gelegenen Brunnen, der auch in trockenen Jahren genügend Wasser zur Versorgung der Hofstelle hatte, gedeckt. Die erstbeklagte Gemeinde beauftragte die zweitbeklagte GmbH mit der Durchführung von Arbeiten zur Verlegung eines Kanals im Gemeindegebiet und die Nebenintervenientin unter anderem mit der Planung dieser Arbeiten. Im Bereich der Liegenschaft der Kläger wurde der Kanalstrang entlang eines dort situierten Gemeindewegs, der an das Grundstück der Kläger angrenzt, geführt. Der Kanal wurde in einer bis zu 6,20 m tiefen Künette verlegt; der Brunnen der Kläger liegt höher und ist rund 30 m von der Künette entfernt. Infolge der durch die Zweitbeklagte im Auftrag der Erstbeklagten durchgeführten Grabungsarbeiten sank der Wasserspiegel im Brunnen der Kläger nachhaltig ab, wodurch die Kläger wegen des verringerten Wasserstandes auf Wasserlieferungen der Freiwilligen Feuerwehr angewiesen sind. Auf Grund der besonderen Hydrogeologie des betroffenen Bereiches wäre eine mögliche Veränderung des Wassersystems wegen der Bauarbeiten im Vorhinein als Gefahrenpotential erkennbar gewesen. Durch geeignete Maßnahmen während der Grabungsarbeiten hätte das gestörte System auch wieder zur Ruhe gebracht werden können. In Ermangelung derartiger Maßnahmen kam es jedoch zur nachhaltigen Veränderung des gesamten Wassersystems und zum Absinken des Wasserspiegels im Brunnen der Kläger. Die Kläger begehrten von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von zuletzt EUR 1.485,30 für Wasserlieferungen und EUR 1.000 für damit im Zusammenhang stehende pauschale Unkosten sowie die Feststellung der Haftung der beiden Beklagten für alle zukünftigen Schäden aus der anlässlich der Durchführung von Kanalbauarbeiten im Jahr 2003 erfolgten Beeinträchtigung der Ergiebigkeit ihres Brunnens. Die Abdichtungen im Zuge der Kanalgrabungsarbeiten seien nicht fachgerecht ausgeführt und auf den Schutz des Brunnens sei nicht ausreichend Rücksicht genommen worden. Die Zweitbeklagte hafte, weil trotz des Auftretens von Wassereinbrüchen die Verlegung der Kanalrohre weitergeführt worden sei.
Die Erstbeklagte bestritt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Kanalbauarbeiten und dem angeblichen Schaden am Brunnen der Kläger. Der Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr zur Wasserversorgung sei nicht notwendig. Es fehle auch das rechtliche Interesse am Feststellungsbegehren, da bereits auf Leistung geklagt werden könne. Die Nebenintervenientin wandte im Wesentlichen ein, es sei keine Schädigung des Brunnens erfolgt. Das Sinken des Grundwasserspiegels im „Jahrhundertsommer" 2003 sei leicht nachvollziehbar, da laut Experten die Grundwasserstände 2004 extrem zurückgegangen seien. Die Messungen seien wenig aussagekräftig, weil ständig Wasserentnahmen erfolgt seien.
Die Zweitbeklagte bestritt ebenfalls einen Zusammenhang der Kanalbauarbeiten mit dem Absinken des Wasserstandes und wies auf die geringen Niederschläge im Jahr 2003 hin. Sie habe die Kanalbauarbeiten entsprechend den Vorgaben der Erstbeklagten und der von ihr beauftragten Nebenintervenientin sach- und fachgerecht durchgeführt. Es sei ihr in keiner Weise erkennbar gewesen, dass die Künette zur Beeinträchtigung des Brunnens der Kläger führen könnte. Das Erstgericht verpflichtete die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von EUR 1.621,30, während das Mehrbegehren von EUR 864 (unbekämpft) abgewiesen wurde. Weiters stellte es die Haftung beider Beklagten für alle künftigen Schäden aus der anlässlich der Durchführung der Kanalbauarbeiten erfolgten Beeinträchtigung der Ergiebigkeit des Brunnens der Kläger fest. Den Nachbarn stehe, auch wenn ein Kanalstrang im Sinne des § 364a ABGB eine behördlich genehmigte Anlage darstelle, ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch anstelle des Unterlassungsanspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB zu, wenn die Beeinträchtigung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt sei. Dies träfe auf die Absenkung (oder Ablenkung) des Grundwasserspiegels und damit die Reduktion des Zuflusses zu einem Brunnen zu. Die Erstbeklagte hafte daher verschuldensunabhängig für die bei den Klägern eingetretenen Schäden in Gestalt der Kosten der notwendig gewordenen Wasserlieferungen. Für die Organisation der Überwachung der wöchentlichen Wasserlieferungen sei lediglich eine Entschädigung von EUR 300 anstatt der begehrten EUR 1.000 angemessen. Da unsicher sei, welche Form der Maßnahmen den vorherigen Zustand im Sinne einer Naturalrestitution wiederbringen könnte, laufe ein auf eine bestimmte Maßnahme gerichtetes Leistungsbegehren Gefahr, ins Leere zu gehen. Daher sei den Klägern ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten zuzugestehen. Der zwischen den Beklagten bestehende Werkvertrag entfalte auch Schutzwirkungen zugunsten Dritter, die der vertraglichen Leistung nahe stehen. Die Erstbeklagte habe eine nachbarrechtliche Fürsorgepflicht gegenüber den Klägern, die somit von der Schutzwirkung des zwischen den Beklagten bestehenden Werkvertrags umfasst seien. Die Zweitbeklagte bzw ihre Erfüllungsgehilfen hätten „die durch die erkennbaren Gefahren notwendige Sorgfalt" in Bezug auf den Wassereintritt in der Künette nicht walten lassen, sodass sie eine Verletzung der Schutzpflichten aus dem Werkvertrag und somit auch eine Haftung gegenüber den Klägern träfe.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Erstbeklagten und der Nebenintervenientin nicht Folge. Der Berufung der Zweitbeklagten wurde hingegen Folge gegeben und das Ersturteil dahin abgeändert, dass die Klage gegenüber der Zweitbeklagten abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil derzeit noch nicht bezifferbar sei, welche Kosten den Klägern in Hinkunft auf Grund von Wasserlieferungen entstünden. Es sei weder bekannt, in welchem Umfang die Kläger Wasser benötigen, noch welche Kosten dafür anfallen würden. Zur Haftung der Zweitbeklagten argumentierte das Berufungsgericht, dass der Kreis der geschützten Personen, denen anstatt deliktischer auch vertragliche Schadenersatzansprüche zugebilligt werden, eng gezogen werden müsse. Grundvoraussetzung für die Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrags sei ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers. Eine extensive Auslegung des Parteiwillens der Vertragsparteien (hier also der beiden Beklagten) dahin, dass auch Dritte (also die Kläger) geschützt werden sollten, sei immer nur dann gerechtfertigt, wenn ansonsten ein Rechtsschutzdefizit vorläge. Der Oberste Gerichtshof verneine daher in ständiger Rechtsprechung ein Schutzbedürfnis des Dritten, wenn dessen Interesse bereits durch andere vertragliche Ansprüche abgedeckt sei oder er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz habe. Den Klägern drohe bei Verweigerung der Aufnahme in den Schutzbereich des zwischen den Beklagten abgeschlossenen Werkvertrags kein Rechtsschutzdefizit, da ihnen ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch gegen die Erstbeklagte zustehe. Den Klägern sei bei dieser Konstellation ein schutzwürdiges Interesse an einer Aufnahme in den Schutzbereich des zwischen den Beklagten geschlossenen Werkvertrags nicht zuzugestehen, weshalb dieser Vertrag keine Grundlage für eine Haftung der Zweitbeklagten bilde. Davon abgesehen bestehe auch keine nachbarrechtliche Haftung der Zweitbeklagten. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage, ob das Bestehen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs gegenüber der Erstbeklagten den Klägern das schutzwürdige Interesse an der Einbeziehung in den Schutzbereich des zwischen den Beklagten abgeschlossenen Werkvertrags nehme, bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht abschließend beantwortet worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von den Klägern erhobene Revision ist zulässig und berechtigt; jene der Erstbeklagten ist nicht zulässig. Die Erstbeklagte stützt ihre Revision auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Ausführungen zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens betreffen überwiegend angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht bereits (begründet) verneint hat; diese können im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (vgl RIS-Justiz RS0042963). Der Vorwurf, das Berufungsgericht hätte sich mit bestimmten Beweisrügen nicht oder nicht ausreichend auseinandergesetzt, ist - soweit überhaupt erkennbar ist, welche Feststellungen angestrebt werden - unberechtigt (§ 510 Abs 3 ZPO).
Soweit die Erstbeklagte in ihrer Rechtsrüge geltend macht, die Feststellungsklage hätte mangels Feststellungsinteresse zurückgewiesen werden müssen, weil das Klagebegehren auf „Wiederherstellung der ursprünglichen Ergiebigkeit des Brunnens" gerichtet sei, liegt eine krasse Aktenwidrigkeit der Revisionsausführungen vor. Aus den Ausführungen der Erstbeklagten geht nicht hervor, inwieweit darüber hinaus eine sie betreffende unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht vorliegen sollte. Ob den Klägern ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung in den Schutzbereich des zwischen den Beklagten abgeschlossenen Werkvertrags zuzuerkennen ist, betrifft nur deren Verhältnis zur Zweitbeklagten.
Die Revision der Erstbeklagten ist somit zurückzuweisen, weil darin keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert wird. Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts wurde die Frage, ob das Bestehen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs gegenüber dem Nachbarn den Geschädigten ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung in den Schutzbereich des zwischen dem Nachbarn und einem Bauunternehmer abgeschlossenen Werkvertrags nehme, vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach beantwortet.
Nach ständiger Rechtsprechung bestehen Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht nur zwischen den Vertragspartnern, sondern auch gegenüber Dritten, die zwar aus dem Vertrag nicht unmittelbar berechtigt sind, aber der vertraglichen Leistung nahe stehen. Begünstigte Personen sind in diesem Sinne Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Leistung bei Abschluss des Vertrags vorhersehbar war und „die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist" (Harrer in Schwimann, ABGB3, Rz 108 zu § 1295; SZ 54/65; SZ 72/89; 7 Ob 277/98f; RIS-Justiz RS0037785, RS0034594). In diesen Fällen wird dem Dritten das Recht zur Geltendmachung eines eigenen Schadens aus fremdem Vertrag zuerkannt (SZ 51/169; RIS-Justiz RS0037785).
Schon in der Entscheidung 8 Ob 565/84 bejahte der Oberste Gerichtshof ausdrücklich, dass neben der Haftung aus Nachbarrecht (§ 364a ABGB) auch eine Haftung auf Grund eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter treten kann. Mittlerweile entspricht es ständiger Judikatur, dass die Haftung des ausführenden Werkunternehmers, also des faktischen Schädigers, bei Emissionen (§ 364a ABGB) oder Grundstückssetzungen (§ 364b ABGB) neben die Haftung des „Mittelsmannes" (Grundstückseigentümers) tritt (Judikaturhinweise bei Schmaranzer, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 94f). Auch der Entzug von Grundwasser wird der genannten Normen des Nachbarrechts unterstellt (SZ 69/220). Zu 2 Ob 136/99k (= NZ 2002/17) sprach der zweite Senat aus, dass den Bauunternehmer Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber den Eigentümern der Nachbargründe des Baugeschehens treffen (vgl auch 7 Ob 277/98f). Auch in der Entscheidung 7 Ob 306/04g wurde an dieser Auffassung festgehalten. Auf Grund der getroffenen Feststellungen steht fest, dass eine Veränderung des Wassersystems durch die Bauarbeiten im Vorhinein als Gefahrenpotential zu erkennen gewesen wäre. Die Zweitbeklagte hätte daher besondere Vorsicht walten lassen und geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer Veränderung des Wassersystems treffen müssen. Durch die Unterlassung derartiger Maßnahmen hat die Zweitbeklagte Schutz- und Sorgfaltspflichten, zu deren Einhaltung sie als Nebenverpflichtung aus dem mit der Erstbeklagten geschlossenen Werkvertrag verpflichtet gewesen wäre, gegenüber den Klägern als geschädigten Dritten verletzt.
Das zutreffende Urteil des Erstgerichts ist daher zur Gänze wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2 und 50 ZPO. Hinsichtlich der Kosten der Kläger im Verfahren erster Instanz wird die Kostenentscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt; schon die Vorinstanzen haben die Schriftsätze der Kläger ON 51, 53 sowie jenen vom 14. 12. 2004 (bei ON 42) zutreffend nicht berücksichtigt, wobei auf die Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden kann. Für das Berufungsverfahren haben die Kläger gegenüber der Zweitbeklagten Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Berufungsbeantwortung zur Berufung der Zweitbeklagten, wobei jedoch lediglich ein Streitgenossenzuschlag von 10 % gerechtfertigt ist, weil die Berufungsbeantwortung nur gegen die Berufung einer ihnen im Prozess gegenüberstehenden Person - der Zweitbeklagten - gerichtet ist (§ 15 RATG). Die vom Berufungsgericht gegen die Erstbeklagte im Berufungsverfahren gefällte Kostenentscheidung (Punkt III. erster Absatz) bleibt infolge Zurückweisung der Revision der Erstbeklagten aufrecht. Da das Berufungsurteil von den Klägern nur insoweit angefochten wird, als die Klage gegenüber der Zweitbeklagten abgewiesen wurde, und die Revision der Kläger daher inhaltlich nur gegen die Zweitbeklagte gerichtet ist, gebührt lediglich ein Streitgenossenzuschlag von 10 %. Die Pauschalgebühr für das Revisionsverfahren beträgt unter Berücksichtigung eines Streitgenossenzuschlags von 10 % (§ 19a GGG) EUR 1.284,80.
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