Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 28.676,50 EUR samt Anhang zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 11.301,86 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin 1.780,56 EUR USt und 618,50 EUR Barauslagen) zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit insgesamt 6.044,18 EUR bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens (darin 599,03 EUR USt und 2.450 EUR Barauslagen) zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin schloss mit einer (mittlerweile liquidierten) Gastro GmbH im Juli 2010 einen Vertrag über die Einrichtung eines Restaurants und lieferte dieser unter Eigentumsvorbehalt unter anderem Stühle, Tische, ein Verkaufspult und Wandverbauten.
Die Beklagte war ab November 2011 allein vertretungsberechtigte Geschäftsführerin der Gastro GmbH.
Da die gelieferten Einrichtungsgegenstände nicht zur Gänze bezahlt wurden, brachte die Klägerin im Frühjahr 2012 Klage gegen die Gastro GmbH auf Herausgabe ihres Vorbehaltseigentums ein. Das über diese Klage ergangene Versäumungsurteil erwuchs in Rechtskraft.
Die Klägerin hatte geplant, die Demontage und Abholung des Mobiliars von einem ständig von ihr beauftragten Tischlerunternehmen durchführen zu lassen. Wegen der unmittelbar bevorstehenden Räumung des Lokals war ihr dies zeitlich aber nicht mehr möglich, weshalb ihr Geschäftsführer mit dem Vater der Beklagten vereinbarte, dass dieser die Einrichtungsgegenstände abbauen und für die Klägerin einlagern solle.
Der Vater der Beklagten, der weder Gesellschafter, noch Geschäftsführer der Gastro GmbH war, sowie vier von ihm beigezogene Helfer führten die Demontage in der Folge äußerst unprofessionell und unsachgemäß aus, wodurch ein Großteil des Mobiliars beschädigt und unbrauchbar wurde.
Die Klägerin begehrt, die Beklagte zum Ersatz des Schadens in Höhe des Klagsbetrags zu verpflichten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte habe in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der Gastro GmbH nicht dafür gesorgt, dass ihre Gehilfen iSd § 1313a ABGB das Eigentum der Klägerin sorgfältig behandeln. Sie hafte für den dadurch eingetretenen, in der Klage der Höhe nach richtig berechneten Schaden auch persönlich.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge.
Bei einem unberechtigten Eingriff in fremdes Eigentumsrecht werde der Grundsatz, dass ein Geschäftsführer einer GmbH den Gläubigern der Gesellschaft nicht unmittelbar hafte, durchbrochen. Die Schädigung eines absolut geschützten Rechtsguts führe zur deliktischen Haftung. Zwar habe keine Vertragsbeziehung zwischen der Beklagten und ihrem Vater bzw dessen Gehilfen bestanden, sodass die Klägerin ihre Forderung nicht auf § 1313a ABGB stützen könne. Die Haftung der Beklagten gründe sich aber auf § 1315 ABGB, weil die an der Demontage beteiligten Personen keine Fachkräfte gewesen seien und sich angesichts des Schadensbildes als habituell untüchtig erwiesen hätten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich vom Berufungsgericht zur Klärung der Frage, inwieweit der Geschäftsführer einer GesmbH für Besorgungsgehilfen hafte, zugelassene Revision der Beklagten. Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil der Entscheidungsbegründung des Berufungsgerichts Widersprüche anhaften, die im Sinne der Rechtseinheit und Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfen. Die Revision ist auch berechtigt.
1. Nach § 25 GmbHG haften Geschäftsführer nur für eigenes, schuldhaftes Verhalten und grundsätzlich nur der Gesellschaft, nicht aber einzelnen Gesellschaftern oder Gläubigern (ua Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer , Österreichisches Gesellschaftsrecht Kap 4.1 Rz 234 mwN).
Kapitalgesellschaften sind aus sich selbst heraus nicht handlungsfähig, sondern nur über ihre Organe, deren Handeln und Unterlassen im Rahmen ihres organschaftlichen Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft zugerechnet wird. Die gesetzliche Ausgangslage spricht daher im Allgemeinen dagegen, Geschäftsführer Dritten gegenüber haftbar zu machen, wenn sie nur im Rahmen ihres gesellschaftsrechtlichen Verantwortungsbereichs agiert haben, vielmehr ist für eine Dritthaftung die Verletzung einer eigenen, nicht nur der Gesellschaft obliegenden Pflicht zu fordern ( Koppensteiner , Zur Außenhaftung von Geschäftsführern und Vorständen, GES 2015, 379 [379 f]).
Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen im Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung (zB § 56 Abs 3 GmbHG; § 64 Abs 1 GmbHG; § 9 BAO; § 67 Abs 10 ASVG), bei vorsätzlicher sittenwidriger Gläubigerschädigung, bei gerichtlich strafbaren Handlungen (§ 1295 Abs 2 ABGB; §§ 153c, 153d StGB) oder schuldhafter Verletzung eines Schutzgesetzes. Eine unmittelbare Haftung ist auch zu bejahen, wenn sich der Geschäftsführer neben der Gesellschaft selbst rechtsgeschäftlich verpflichtet hat, aber auch wenn er ein besonderes persönliches Vertrauen des Gläubigers in Anspruch genommen hat und die Vertragsverhandlungen dadurch beeinflusst wurden (RIS‑Justiz RS0019726; 6 Ob 210/15y), oder allgemein bei Handeln des Geschäftsführers im wirtschaftlichen Eigeninteresse (zu den Beispielen s Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Rauter , GmbHG § 25 Rz 260 ff).
Zur Abgrenzung, ob der Geschäftsführer – ausnahmsweise – als „Dritter“ aufgefasst werden kann, der auf den Willen der GmbH einwirkt, oder ob er – so der Regelfall – als Organ der GmbH nur deren Willen bildet und kein ihm selbst im Außenverhältnis zurechenbares Verhalten setzt, ist wesentlich, ob er Eigeninteressen oder Interessen außenstehender Dritter verfolgt, und ob ihm rechtswidrige Handlungen, die er als Organ in Vertretung der GmbH vorgenommen hat, zugleich auch als eigenes deliktisches Verhalten gegenüber dem Vertragspartner oder Gläubiger der GmbH zugerechnet werden können ( Reich‑Rohrwig aaO Rz 305 mwN).
2. Alle vorstehend genannten Haftungsgründe kommen im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.
Weder kann sich die Klägerin auf eine besondere gesetzliche Anordnung der Dritthaftung stützen, noch hat sie auch nur behauptet, dass die Beklagte ein Schutzgesetz verletzt bzw Handlungen oder Unterlassungen in Schädigungsabsicht begangen habe, oder dass sie ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen habe.
3. Die Verpflichtung zur Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt stehenden Gegenstände traf nicht die Beklagte persönlich, sondern die Gastro GmbH, mit der allein die Klägerin in Vertragsbeziehung stand und der sie ihre Ware anvertraut hatte.
Der „Herrschafts- und Organisationsbereich“ der verpflichteten Gesellschaft, dem der Vater der Beklagten nach Ansicht des Berufungsgerichts – die von der Revisionswerberin auch nicht bekämpft wird – kraft Anscheins zuzurechnen war, ist nicht dem „Herrschafts‑ und Organisationsbereich“ der Beklagten gleichzusetzen.
Das Berufungsgericht hat daraus auch richtig abgeleitet, dass die mit der Demontage beschäftigten Arbeiter nicht persönliche Gehilfen der Beklagten iSd § 1313a ABGB waren, weil sie an der Erfüllung einer der Gastro GmbH obliegenden Leistung mitgewirkt haben.
4. Nach § 1315 ABGB haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt.
Der Gehilfe ist auch iSd § 1315 ABGB nur dann ein solcher, wenn er mit Willen des Schuldners im Rahmen der dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit tätig wird (RIS‑Justiz RS0028566).
Das Berufungsgericht hat in seinen Rechtsausführungen festgehalten, dass die Beklagte „als Geschäftsführerin“ der GmbH ihren Vater mit Demontage und Einlagerung beauftragt habe. Abgesehen davon, dass ein solcher Auftrag nach den erstgerichtlichen Feststellungen gar nicht stattgefunden hat (sondern der Vater eigenmächtig mit dem Geschäftsführer der Klägerin verhandelt hat), ist der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen, weshalb es in Widerspruch zu seiner eigenen Annahme einer Vertretungshandlung – und in Widerspruch zu seinen Ausführungen iZm § 1313a ABGB – davon ausgegangen ist, dass der Vater und dessen Helfer nicht Angelegenheiten der GmbH, sondern eigene Angelegenheiten der Beklagten besorgt hätten. Diese Beurteilung ist in den Feststellungen nicht gedeckt. Mangels einer Gehilfenstellung des Vaters und seiner Leute im Verhältnis zur Beklagten besteht auch keine Rechtsgrundlage für deren Haftung nach § 1315 ABGB.
5. Das Berufungsgericht hat eine unmittelbare Haftung der Beklagten als Geschäftsführerin auch deswegen bejaht, weil die Schädigung der Klägerin durch einen Eingriff in ihr Eigentumsrecht verwirklicht worden sei.
Es hat sich dabei auf die herrschende Lehre und Rechtsprechung bezogen, wonach Geschäftsleiter, die im Rahmen ihrer Organfunktionen tätig werden, neben der Gesellschaft auch persönlich haften, wenn sie dabei absolute Rechte eines anderen, zB dessen körperliche Integrität oder dessen Eigentum, verletzen. Dieser Auffassung, die in der Lehre kontrovers diskutiert wird ( Koppensteiner aaO, 385 f mwN), liegt der Modellfall zugrunde, dass mit einer Handlung bzw Unterlassung des Organs nicht bloß eine die Gesellschaft treffende Verpflichtung, sondern eine jedermann angehende Pflicht (Achtung fremden Eigentums, Achtung der körperlichen Integrität) missachtet wurde. Der in seinen Rechten Verletzte soll dann nicht nur auf die Gesellschaft, sondern auf das schädigende Organ unmittelbar zugreifen können, wenn dieses ihm gegenüber auch eine individuelle Verfehlung begangen hat ( Koppensteiner , aaO mwN) .
Grundlage für die Außenhaftung ist in diesen Fällen aber immer ein eigenes, rechtswidriges Handeln des Geschäftsführers.
Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Nach dem für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellten Sachverhalt war die Beklagte in die Vereinbarung zwischen ihrem Vater und der Klägerin über die Selbstdemontage und Einlagerung der Einrichtungsgegenstände überhaupt nicht eingebunden. Weder hat der Geschäftsführer der Klägerin mit ihr gesprochen, noch steht fest, dass sie ihrem Vater einen Auftrag erteilt hat.
Auch für eine Schädigung durch rechtswidrige Unterlassung – die voraussetzen würde, dass die Beklagte die ohne ihre Mitwirkung getroffene Vereinbarung sowie die mangelnde fachliche Eignung ihres Vaters und seiner Helfer vorweg gekannt und sie eine Warn‑ bzw Verhinderungspflicht getroffen hätte – besteht kein Anhaltspunkt. Andere haftungsbegründende Umstände wurden von der klagenden Partei nicht vorgebracht.
Der Revision war daher Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Die klagende Partei hat in ihren Einwendungen gegen das in erster Instanz gelegte Kostenverzeichnis der Beklagten richtig darauf hingewiesen, dass für den Antrag auf Verlegung eines Augenscheinstermins kein Kostenersatz gebührt (RIS‑Justiz RS0121621), weil der Anlass dafür im Bereich der Beklagten gelegen war. Ebenso berechtigt ist die Einwendung, dass für die Stellungnahme vom 12. 12. 2014, mit der lediglich eine Aufschlüsselung der verzeichneten Sachverständigengebühr und die Erstreckung einer Frist begehrt wurden, Kostenersatz nur nach TP 2 RATG zusteht. Für die Einwendungen selbst gebührt nach § 54 Abs 1a ZPO kein Kostenersatz.
An Sachverständigenkosten hatte die Beklagte in erster Instanz 606,50 EUR zu tragen.
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