OGH 2Ob32/87

OGH2Ob32/8711.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** B***,

vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei DER A*** Allgemeine Versicherungs-AG, Wien 1., Hoher Markt 10-11, vertreten durch Dr. Oswald Karminski-Pielsticker, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 49.180,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Oktober 1986, GZ 16 R 229/86-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Juni 1986, GZ 28 Cg 739/84-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 3.309,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 480,-- und die Umsatzsteuer von S 257,25) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 4. Oktober 1982 um 13,16 Uhr fuhr der bei der Beklagten haftpflichtversicherte LKW mit dem polizeilichen Kennzeichen W 753.280 mit angehobenem Kranarm über die nicht öffentliche Eisenbahnkreuzung (Streckenkilometer 3069) der Bundesbahnlinie zwischen den Bahnhöfen Wien Brigittenau und Wien-Donauuferbahn. Dabei wurde auf Gleis 2 die Fahrleitung abgerissen und auf Gleis 1 die Fahrleitung stark beschädigt. Die Reparatur der Oberleitung erfolgte zunächst provisorisch am 4. Oktober und am 5. Oktober 1982, die endgültige Instandsetzung der Anlage fand am 25. und am 26. November 1982 statt.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten den Ersatz von zuletzt

S 49.180,-- s.A. Dieser Betrag errechne sich wie folgt zusammen:

1.) Personalkosten 171 Stunden, a S 300,-- S 51.300,--

2.) Reisekosten für diese Bediensteten S 1.791,25

3.) Katastrophenzulage S 3.143,50

4.) Bereitstellung von 2 Motorturmwagen

35 Stunden, a S 650,-- S 22.750,--

5.) Streckenbenützung durch Motorturmwagen

a) gefahrene Kilometer: 50, a S 28,80 S 1.440,--

b) gefahrene Tonnenkilometer S 80,--

c) Fahrzeit 31 Stunden, a S 1.570,-- S 48.670,--

(der Stundensatz für Fahrzeit umfasse die anteiligen unfallskausalen

Aufwendungen wegen Abnützung der Eisenbahnstrecke, Belegung der

Strecke während der Arbeitszeit und Bereitstellung der Strecke als

Zufahrtsweg für die Motorturmwagen)

6.) Bereitstellung eines PKWs samt Lenker S 2.002,50

7.) Vergütung für Kurzschlußabschaltung S 297,--

8.) Betriebserschwernisse

(Güterzug anhalten etc) S 2.425,80

9.) Materialkosten S 27.823,74

abzüglich Materialrückgewinn - S 680,--

Gesamtschaden S 161.043,79

davon sei eine Teilzahlung von S 96.553,--

abzuziehen, was den ursprünglichen

Klagebetrag von S 64.490,70

ausmache.

In der Tagsatzung vom 15. Jänner 1986 schränkte die Klägerin wegen einer weiteren Zahlung von S 18.372,-- das Klagebegehren auf S 49.180,-- (richtig S 46.118,79 s.A.) ein.

Die Beklagte bestritt das noch offene Klagebegehren, das ausschließlich in dem Ersatz nach Punkt 5.) lit c) besteht. Es sei verfehlt, die Beklagte anteilsmäßig mit den Herstellungskosten des gesamten Streckennetzes der Ö*** B*** in bezug auf

die Errichtung der Gleisanlagen (Unterbau, Oberbau und Hochbau) zu belasten. Außerdem sei der Stundensatz von S 1.570,-- in keiner Weise nachvollziehbar; er werde daher bestritten.

Das Erstgericht gab dem restlichen Klagebegehren mit S 45.608,79 s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 3.571,21 s.A. ab. Zu der allein noch wesentlichen Schadenspost 5.) lit c) (Streckenbenützung durch Motorturmwagen - Fahrzeit) stellte das Erstgericht folgendes fest:

Die Einsatzzeit der beiden Motorturmwagen mit 31 Stunden entspricht dem tatsächlichen Einsatz im Arbeitsverlauf. Der Stundensatz von S 1.570,-- ist ein Durchschnittssatz gemäß Kostenstellenrechnung. Er basiert auf der durchschnittlichen Fahrzeit auf den Gleisen der Ö*** B*** pro Jahr.

Der Stundensatz erfaßt den zeitabhängigen Teil der Anschaffungs- und Erhaltungskosten von Unterbau, Oberbau und Hochbau (Abschreibungen und Betriebskosten auf Vollkostenbasis). Die größenordnungsmäßige Richtigkeit des Stundensatzes von S 1.570,-- kann festgestellt werden. Es ergibt sich für 31 Stunden a S 1.570,-- ein Betrag von S 48.670,--. Der Stundensatz für einen Einsatz ist derselbe, ob er etwa in Klagenfurt stattfindet oder an der Wiener Unfallstelle. Ein wesentlicher Unterschied liegt in den Fahrzeiten.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß der Geschädigte berechtigt sei, den Ersatz der Aufwendungen für die Wiederherstellung des vorigen Zustandes zu begehren. Würden hiefür Betriebsmittel eingesetzt, die auch anderweitig verwendet würden, so sei der Geschädigte verpflichtet, anteilsmäßig deren Kosten der Amortisation zu ersetzen. Bei dem Stundensatz handle es sich um einen Durchschnittssatz, der von der Eisenbahnbetriebswissenschaft ermittelt worden sei. Die Abweisung des Mehrbegehrens ergebe sich aus einem offenbaren Rechenfehler.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es - unter Berücksichtigung der bereits rechtskräftig gewordenen Teilabweisung - auch das restliche Klagebegehren abwies. Die Revision wurde für zulässig erklärt, weil eine Rechtsprechung über den Ersatz von Amortisationskosten bei Vornahme der Reparatur durch den Geschädigten selbst fehle. Die Höhe des festgestellten Stundensatzes für den zeitabhängigen Teil der Anschaffungs- und Erhaltungskosten von Unterbau, Oberbau und Hochbau sei nicht zu beanstanden. Sie sei durch das Sachverständigengutachten im Zusammenhalt mit § 273 Abs 1 ZPO gedeckt. Die Zeit der Streckenbenützung durch den Motorturmwagen sei jedoch kein Vermögensschaden der Klägerin. Wie sich aus den Feststellungen ergebe, handle es sich bei dieser "Schadenspost" um eine rechnerische Größe, die einen Schaden der Klägerin nicht erkennen lasse. Ein solcher wäre nur denkbar, wenn durch die zusätzliche Benützung der Strecke durch die Reparaturfahrzeuge eine Abnützung entstanden wäre, die einen erhöhten Aufwand an Erhaltungskosten oder eine frühzeitige Erneuerung der Betriebsanlagen erfordert hätte. Dies habe aber die Klägerin gar nicht behauptet; es sei nicht denkbar, daß die zusätzliche Benützung der Strecke zu Reparaturzwecken tatsächlich zu einem meßbaren Mehraufwand auf Unterbau, Oberbau oder Hochbau geführt hätte. Die Strecke, an der der Fahrdraht beschädigt wurde, sei nach den Behauptungen in der Klage eine Betriebsstrecke, auf der - dies könne als gerichtsbekannt angesehen werden - vornehmlich und weitaus überwiegend normaler Eisenbahnbetrieb abgewickelt wird; der Vergleich mit den Kosten einer Reparaturwerkstätte (die ausschließlich der Vornahme von Reparaturen dient) sei daher nicht zielführend. Es könnten aber auch nicht Überlegungen über die Ersatzhaltung von Betriebsmitteln angestellt werden, weil Kosten von Betriebsanlagen damit nichts zu tun haben.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin stellt sich in der Revision auf den Standpunkt des Erstgerichtes, wonach ihr die durch die Bereitstellung der Strecke als Zufahrtsweg der Turmwagen und die Belegung der Geleise während der Reparaturzeit entstandenen Nachteile "bzw. Aufwendungen" als Schade von der Beklagten zu ersetzen seien. Ihrer Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden:

Voraussetzung eines Schadenersatzanspruches ist gemäß

§ 1293 ABGB ein dem Geschädigten entstandener Nachteil. Dieser ist

gemäß § 1323 ABGB primär dadurch zu beheben, daß alles in den

vorigen Stand zurückversetzt wird. Das Gesetz steht damit

grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß der Ersatz eines verursachten

Schadens in Natur zu geschehen habe, nur wenn der Naturalersatz

unmöglich oder untunlich ist, muß der Schätzwert vergütet werden

(Wolff in Klang2 VI, 118 f; SZ 51/7 ua). Der Naturalersatz ist

grundsätzlich durch den Beschädiger zu leisten. Da der Schaden

häufig umso größer ist, je länger der durch die Beschädigung

herbeigeführte Zustand dauert, kann der Geschädigte unter Umständen

aus Gründen der Schadensminderungspflicht verpflichtet sein, selbst

alles zur Wiederherstellung Nötige zu tun (ZVR 1975/165;

SZ 41/154 ua). Die Selbstherstellung durch den Geschädigten ist dann

zulässig, wenn der Schädiger sich seiner Pflicht zur Leistung des

Naturalersatzes entzieht; sie muß aber auch dann berechtigt sein,

wenn der Schädiger infolge eines komplizierten

Schadensbehebungsvorganges im Gegensatz zum entsprechend

ausgerüsteten Geschädigten selbst nicht in der Lage ist, dies zu

tun. Trifft der Geschädigte solche Vorkehrungen, ist der

Geschäftsführer ohne Auftrag (§§ 1035 ff ABGB) für den

Haftpflichtigen (SZ 45/137; SZ 51/7; Koziol, Österreichisches

Haftpflichtrecht I 132 und in JBl 1972, 234; Wolff aaO 121). Der

Geschädigte hat somit Anspruch darauf, daß ihm der notwendig und

zweckmäßig gemachte Aufwand ersetzt werde (§ 1036 ABGB). Den Aufwand

bilden alle Werte, die zu diesem Zwecke verbraucht wurden (Auslagen,

Verbindlichkeiten, Zeitversäumnis udgl), demnach auch angemessene

Kosten einer Vorsorgehaltung für Schadensfälle (JBl 1986, 581 ua).

Die bloße Zurverfügungstellung von Gleisanlagen bedeutet aber

für sich allein noch keinen getätigten Aufwand, weil die Gleisanlage

bereits vorhanden war und keine zusätzlichen Vorrichtungen erforderlich waren, sie dem Reparaturvorgang dienlich zu machen. Auch Erwägungen der Vorsorgehaltung für Schadensfälle scheiden zur Anspruchsbegründung aus, weil der Bahnkörper nicht zur Durchführung von Reparaturen errichtet oder instandgehalten wurde, sondern um den Bahnverkehr zu ermöglichen; daß die Bahnanlagen unter Umständen auch für Reparaturfahrten zur Verfügung stehen, bedeutet noch nicht, daß sie der möglichst kostengünstigen Schadensbehebung im Sinne der oben genannten Vorsorgehaltung für Schadensfälle zu dienen hätten. Somit könnte der Anspruch nur insoweit berechtigt sein, als eine Abnützung der Anlage erfolgte. Es ist jedoch verfehlt, den für die Abnützung zustehenden Schadenersatzbetrag aus der durchschnittlichen Fahrzeit auf den Geleisen der ÖBB pro Jahr abzuleiten. Entscheidend wäre der Nachteil, der während einer Fahrt eines Turmwagens auf einer Strecke von 50 km tatsächlich an der Gleisanlage entstand. Darüber hat das Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Da die Klägerin hiezu auch nichts Konkretes vorbrachte, sondern sich bloß auf interne betriebswirtschaftliche Perspektiven berief, kann dem Ersatzbegehren der Klägerin auch unter diesem Gesichtspunkt kein Erfolg beschieden sein.

Die Klägerin hat im Verfahren erster Instanz im relevanten Belang nicht behauptet, daß sie die Strecke - wäre sie nicht durch Reparaturarbeiten besetzt gewesen - für andere Zwecke verwendet hätte. Soweit sie daher erst in der Revision - im übrigen ebenfalls ohne konkrete Anhaltspunkte hiefür zu geben - von der Unmöglichkeit anderer, gewinnbringender Verwendung spricht, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot, weshalb darauf nicht näher eingegangen werden kann. Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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