European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00131.22A.1018.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] P* ist Geschäftsführer der Klägerin und laut Markenregister Inhaber der Wortmarke AM 7138/2006 „Szigeti“ mit Registrierungsdatum 15. 12. 2006; er hat seine Markenrechte an die Klägerin übertragen (was irrtümlich nicht im Markenregister eingetragen wurde). Die Klägerin ist weiters Inhaberin der Wortmarke UM 016134108 „Szigeti“ mit Registrierungsdatum 8. 5. 2017 (beide unter anderem eingetragen für die Klasse 33 Alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Sekt, Schaum- und Perlwein, Weine).
[2] Die 2018 errichtete Beklagte (deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter, N*, der Bruder des Geschäftsführers der Klägerin ist und bis 2017 Hälftegesellschafter der Klägerin war) war Inhaberin der Wortbildmarke AM 311401 mit Anmeldedatum 28. 12. 2020 (eingetragen für die Klasse 33 Alkoholische Getränke, ausgenommen Bier; alkoholische Präparate für die Zubereitung von Getränken); diese Marke, unter der sie ihre Sektprodukte vertrieb, hat folgendes Aussehen:
[3] Die Vorinstanzen untersagten der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit Schaum- und Perlweinen diese unter Verwendung ihrer Wortbildmarke oder einer ähnlichen Bezeichnung, die als prägenden Teil die Wortmarke „Szigeti“ enthält und/oder einer hierzu verwechslungsfähig ähnlichen Bezeichnung zu vertreiben und/oder zu bewerben; weiters gaben die Vorinstanzen dem Rechnungslegungs- und dem Veröffentlichungsbegehren der Klägerin statt.
[4] Die dagegen von der Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Nach § 10 Abs 1 MSchG gewährt die eingetragene Marke vorbehaltlich der Wahrung älterer Rechte ihrem Inhaber das ausschließliche Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
1. ein mit der Marke gleiches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen (§ 10a MSchG), die mit denjenigen gleich sind, für die die Marke eingetragen ist;
2. ein mit der Marke gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen zu benutzen (§ 10a MSchG), wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
[6] Die Nutzung einer Marke als Firmenbestandteil ist zu unterlassen, wenn sie zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen erfolgt; nur gegen einen – hier unstrittig nicht gegebenen – rein firmenmäßigen Gebrauch wäre eine Marke grundsätzlich nicht geschützt (vgl 4 Ob 154/14x mwN).
[7] Als ein die Nutzung erlaubender Ausnahmetatbestand ist in § 10 Abs 3 MSchG unter anderem vorgesehen, dass die eingetragene Marke ihrem Inhaber nicht das Recht gibt, einem Dritten, wenn es sich bei diesem um eine natürliche Person handelt, zu verbieten, seinen Namen oder Adresse im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern dies den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht (Z 1). Diese Bestimmung ist als Ausnahme vom Markenrecht eng auszulegen (vgl RS0124426).
[8] 2.1. Wird eine (ältere) registrierte Marke – wie hier – vollständig in ein anderes Zeichen aufgenommen, so ist bei Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bzw -identität regelmäßig Verwechslungsgefahr anzunehmen und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind (RS0079033). Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779).
[9] Ob bei der gebotenen Gesamtbetrachtung Verwechslungsgefahr iSd § 10 Abs 1 MSchG anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (vgl RS0112739, RS0111880, RS0066779).
[10] 2.2. Vor dem Hintergrund, dass unstrittig weitgehende Identität der Waren beider Parteien vorliegt, bejahte das Berufungsgericht die Verwechslungsgefahr, weil angesichts der Warengleichartigkeit ein deutlicherer Abstand der Zeichen hätte bestehen müssen, um das einprägsame Element des Kennzeichens der Beklagten, die zur Gänze darin aufgenommene geschützte Wortmarke der Klägerin „Szigeti“, in den Hintergrund treten zu lassen. Unterschiedliche Etikettengestaltung beseitige die Verwechslungsgefahr schon deshalb nicht, weil der Wortbestandteil maßgebend sei. Das Argument der in der Weinbranche häufig vorkommenden Gleichnamigkeit sowie der Verweis auf die maßgeblichen Verkehrskreise überzeuge nicht, weil Verwechslungsgefahr schon für einen von mehreren angesprochenen Verkehrskreisen – hier durchschnittliche Kunden eines österreichischen Supermarkts – ausreiche.
[11] 2.3. Diese Auffassung hält sich im Rahmen von Gesetz und Rechtsprechung sowie des den Gerichten im Einzelfall zukommenden Ermessensspielraums.
[12] Die Revision zeigt dagegen keine erhebliche Rechtsfrage auf, indem sie neuerlich Personen als Adressaten ins Treffen führen will, die eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag legen würden, weil sie Sekt zu feierlichen Anlässen konsumierten. Worauf sich diese Ansicht stützen will und warum die Ansicht des Berufungsgerichts, Anlässe des Konsums würden nichts über Zusammensetzung und Aufmerksamkeit des Zielpublikums aussagen, unrichtig sein sollte, zeigt die Revision nicht nachvollziehbar auf.
[13] Im Einzelfall vertretbar ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass in einer Gesamtwürdigung auch die Hinzufügung eines Vornamens hier nichts an der Verwechslungsgefahr ändert, zumal das Publikum angesichts der Verwendung der als prägend erachteten (vgl 4 Ob 8/22p Rz 8 f) klägerischen Wortmarke nicht regelmäßig davon ausgehen wird, dass die Anfügung von „Norbert“ mehr ist als bloß eine Marketingmaßnahme zur Differenzierung gleichartiger Produkte, welche aber vom selben Hersteller oder zumindest von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl RS0079033 [T26]).
[14] 3.1. Bei der Beurteilung, ob eine Angabe den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel iSd § 10 Abs 3 MSchG entspricht, kommen als Unlauterkeitskriterien vor allem Rufausbeutung, Rufschädigung, Aufmerksamkeitsausbeutung und Verwässerung oder das Vortäuschen einer vertraglichen Beziehung in Betracht (vgl 4 Ob 138/20b Rz 39 mwN; RS0119401).
[15] Ebenso wie bei identischer Verwendung eines bekannten Kennzeichens die Unlauterkeit häufig zu vermuten sein wird, liegt es auch bei Verwendung eines einer weithin bekannten Marke ähnlichen Zeichens nahe, unlautere Motive zu vermuten, da die Möglichkeit einer Rufausbeutung auf der Hand liegt (vgl 4 Ob 138/20b Rz 51 mwH). Dementsprechend wird zu § 9 UWG judiziert, dass der prioritätsjüngere Firmeninhaber bei der Neubildung seines Firmennamens alles Zumutbare vorkehren muss, um die Gefahr von Verwechslungen nach Möglichkeit auszuschalten; er muss vorhandene Ausweichmöglichkeiten benützen oder nach Möglichkeit unterscheidende Zusätze verwenden (RS0078864; vgl RS0009338, RS0009440). Dem entspricht im Grundsätzlichen auch markenrechtliche Rechtsprechung des EuGH, wonach bei der Beurteilung der „anständigen Gepflogenheiten“ zu berücksichtigen ist, inwieweit zum einen die Verwendung des Namens von den beteiligten Kreisen als Hinweis auf eine Verbindung zwischen dem Markeninhaber und den Waren oder Dienstleistungen des Namensträgers aufgefasst wird, und zum anderen, inwieweit der Namensträger sich dessen hätte bewusst sein müssen (vgl 4 Ob 154/14x mwN).
[16] 3.2. Die Beklagte trägt den Firmennamen „A* GmbH“, den sie nach den Feststellungen jedoch weder im Ganzen noch in seinem phantasiegeprägten und nicht beschreibenden (vgl 4 Ob 230/01d mwN; RS0066456), zudem in Großbuchstaben registrierten Teil nicht zur Kennzeichnung ihrer Waren verwendete, sondern nur den Teil, der auch dem Namen ihres Geschäftsführers und Alleingesellschafters entspricht und der wiederum im Familiennamen – wie dargelegt – mit der prioritätsälteren Wortmarke der Klägerin ident ist. Die Beklagte hat sich damit von ihrem eigenen Namen entfernt und sich der klägerischen Marke angenähert, um ihre gleichartigen Waren zu kennzeichnen.
[17] 3.3. Das Berufungsgericht qualifizierte diese vollständige Übernahme der Wortmarke der Klägerin als prägenden Bestandteil der Produktbezeichnung als unlauter und nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entsprechend, weil es dadurch gegenüber dem wegen des Vertriebs beider Produkte unter anderem in Lebensmittelmärkten potenziell angesprochenen Durchschnittskonsumenten zu einer Aufmerksamkeitsausbeutung der Marke komme.
[18] Dies ist im Einzelfall vertretbar, zumal auch schon aus der sich von der Marke ebenso wie der Firma der Klägerin abhebenden (Firmen-)Namensgebung der Beklagten deutlich wird, dass diese sich des Umstands der prekären Kennzeichennähe zur Klägerin bewusst war, und im Sinne des oben Gesagten zudem auch eine Rufausbeutung naheliegen würde.
[19] 3.4. Entgegen der Revision folgt daraus keineswegs, dass die Nutzung einprägsamer Nachnamen niemals lauteren Gepflogenheiten entspräche. Was die Beklagte daran gehindert hätte, etwa ihren ganzen Firmennamen zu verwenden oder den sich nicht mit der Marke der Klägerin überschneidenden Teil in geeigneter Weise zur Kennzeichnung hervorzuheben, vermag ihre Revision nicht nachvollziehbar darzulegen.
[20] 3.5. Da somit die konkrete Verwendung im Einzelfall jedenfalls vertretbar als unlauter qualifiziert wurde, kann hier – worauf schon das Berufungsgericht zur Begründung der Nichtzulassung der ordentlichen Revision zu Recht hingewiesen hat – dahingestellt bleiben, ob überhaupt, unter welchen konkreten Voraussetzungen und wie weitgehend auch eine Kapitalgesellschaft wie die Beklagte mit einem sich zudem vom bloßen bürgerlichen Namen ihres Alleingesellschafters abhebenden Firmennamen sich auf § 10 Abs 3 Z 1 MSchG berufen könnte.
[21] 4.1. Bei der Beurteilung von Handlungen auf ihren konkludenten Aussagegehalt ist zu bedenken, dass dieser iSd § 863 ABGB eindeutig in eine bestimmte Richtung weisen muss und kein vernünftiger Grund übrig sein darf, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt (RS0013947; RS0014150); dabei sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen, womit sich im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO stellt (vgl RS0043253 [insb T1], RS0109021 [T5, T6], RS0014150 [T8]).
[22] 4.2. Im Abtretungsvertrag, aufgrund dessen der Geschäftsführer der Beklagten im Jahr 2017 aus der Klägerin ausschied, hatte jener seine ausdrückliche Einwilligung erklärt, dass diese „die bisherigen Bezeichnungen uneingeschränkt weiterführen darf“.
[23] Wie vor diesem Hintergrund die Revision aus dem Umstand, dass die Klägerin ihrem scheidenden Gesellschafter, dem nunmehrigen Geschäftsführer der Beklagten, die Nutzung der Marke nicht ausdrücklich untersagt habe, auf eine konkludente Zustimmung zur Markennutzung durch die Beklagte schließen will, ist schlichtweg nicht nachvollziehbar. Ohne – hier nicht vorliegende und auch nicht behauptete – zusätzliche Umstände hält sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass keine Anhaltspunkte für eine Zustimmung zur Markennutzung vorliegen, im Rahmen der Rechtsprechung; eine erhebliche Rechtsfrage ist nicht erkennbar.
[24] 5.1. Ein Unterlassungsgebot hat sich zwar in seinem Umfang am konkreten Verstoß zu orientieren (RS0037645), eine allgemeinere Fassung ist aber zulässig und erforderlich, um eine Umgehung zu verhindern (RS0037733, RS0037607) und den Kern der Verletzungshandlung so zu erfassen, dass unter den Schutzumfang des Unterlassungsanspruchs nicht nur völlig gleichartige Handlungen, sondern auch alle anderen fallen, die diesen Kern unberührt lassen (vgl RS0037733 [T1]).
[25] 5.2. Die Fassung des Unterlassungsgebots, bei der immer auf die Umstände des einzelnen Falls abzustellen ist (RS0037671), ist hier nicht zu beanstanden, zumal die Revision bloß neuerlich in Frage stellt, dass die Marke der Klägerin prägend ist und diese in ihrem Kennzeichen unlauter verwendet wurde. Auch insofern stellt sich damit keine erhebliche Rechtsfrage.
[26] 6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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