OGH 1Ob200/20y

OGH1Ob200/20y27.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin G* H*, vertreten durch Mag. Wolfgang Friedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Mag. M* H*, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. September 2020, GZ 43 R 251/20k‑143, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 7. Mai 2020, GZ 8 Fam 3/17d‑134, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130314

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzung des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] 1. Die nach dem Grundsatz der Billigkeit vorzunehmende Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn dargetan wird, dass die zweite Instanz bei der Beurteilung dieses Einzelfalls von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen ist und so den Ermessensspielraum überschritten hat, oder dass ihr in anderer Weise eine fehlerhafte Ermessensübung unterlaufen ist, die im Interesse der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf (RIS‑Justiz RS0113732 [T2]). Geht es um die Höhe einer Ausgleichszahlung sind sogar eine unrichtig angewandte Ermittlungsart oder eine unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente so lange zu vernachlässigen, als sich der ausgemittelte Ausgleichsbetrag innerhalb dieses Spielraums bewegt (RS0108755).

Rechtliche Beurteilung

[2] Der Mann strebt in seinem außerordentlichen Rechtsmittel erkennbar die Abweisung der der Frau zuerkannten Ausgleichszahlung an, kann mit seinen Argumenten aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen:

[3] 2. Ein nicht unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG fallender, entweder vom Rekursgericht verneinter (RS0030748; RS0050037) oder vom Rekurswerber gar nicht an dieses herangetragener (RS0030748 [T8]) Mangel des Außerstreitverfahrens erster Instanz bildet keinen Revisionsrekursgrund. In der – kritisierten – unterlassenen Erörterung eines Gutachtens und der unterbliebenen Einvernahme eines Zeugen liegen daher keine vom Obersten Gerichtshof aufgreifbaren Verfahrensmängel, weil ersteres im Rekurs gar nicht bemängelt und letzteres vom Rekursgericht nicht als Verfahrensmangel beurteilt wurde.

[4] 3. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Verfahren außer Streitsachen nicht Tatsacheninstanz (RS0007236 [T3]), weshalb die im Rechtsmittel erörterten Fragen der Beweiswürdigung nicht überprüft werden können (RS0007236 [T4]). Das betrifft insbesondere die vom Mann bekämpfte Feststellung über den noch vorhandenen Teil der erhaltenen Abfertigungszahlung im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft und die – unrichtig als vermeintlicher „wesentlicher Verfahrensfehler“ – bekämpfte Feststellung zum Wert der Wohnung in Spanien.

[5] 4. Die Ausführungen zum Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu den Punkten „Aufteilungsquote“ und „Aufteilungszeitpunkt“ weichen über weite Strecken von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ab und können insoweit nicht behandelt werden (vgl RS0043312 [T12]). Die Rechtsrüge ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043312 [T14]).

[6] 5. Bei der Aufteilung ist in erster Linie auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur ehelichen Errungenschaft (der Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und Ansammlung der ehelichen Ersparnisse) Bedacht zu nehmen (§ 83 Abs 1 EheG; vgl RS0057923). Eine Aufteilung im Verhältnis 1:1 entspricht bei gleichwertigen Beiträgen regelmäßig der Billigkeit, wenn nicht gewichtige Umstände im Einzelfall die Aufteilung in einem anderen Verhältnis angezeigt erscheinen lassen (RS0057501 [T3]).

[7] Die Vorinstanzen gingen von einer Gleichwertigkeit der Beiträge der früheren Ehegatten zum Erwerb des aufzuteilenden Vermögens aus, habe sich doch die Frau überwiegend um Haushalt und Kinder gekümmert und in der Folge Teilzeit gearbeitet, während dies dem Mann über viele Jahre die Möglichkeit gegeben habe, sehr viel zu arbeiten, Karriere zu machen und ein sehr gutes Einkommen zu erzielen. Abgesehen davon, dass der Revisionsrekurswerber in diesem Zusammenhang weitgehend nicht von den getroffenen Feststellungen ausgeht, versucht er seinen eigenen Beitrag zur Vermögensbildung durch seine Berufstätigkeit herauszustreichen und die Beiträge der Frau, deren Erwerbstätigkeit er – nach den Feststellungen – als nicht notwendig angesehen hatte, und die sich weitgehend um den Haushalt und den Alltag der Kinder kümmerte, kleinzureden. Damit übergeht er, dass nach § 83 Abs 2 EheG als – in der Regel gleichwertiger (RS0057923 [T6]; RS0057969) – Beitrag auch die Führung des gemeinsamen Haushalts, die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder und jeder sonstige eheliche Beistand zu werten ist (1 Ob 245/15h [3.2.] mwN). Da im vorliegenden Fall das Gewicht der Beiträge der beiden Ehegatten nicht erheblich von der verbreiteten Aufgabenverteilung in einer Familie mit minderjährigen Kindern abweicht, bedarf die Aufteilung im Verhältnis 1:1 keiner Korrektur.

[8] 6. Voraussetzung für die Zugehörigkeit einer Sache zum Aufteilungsvermögen ist, dass sie zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zum ehelichen Gebrauchsvermögen oder zu den ehelichen Ersparnissen gehört (§ 81 Abs 2 und 3 EheG; RS0057331). Beim Begriff der „ehelichen Lebensgemeinschaft“ handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der nicht bloß die räumliche Gemeinschaft der Ehegatten, sondern – eben anders als die häusliche Gemeinschaft im Sinn des § 55 EheG – die in § 90 ABGB umschriebene Ehegemeinschaft als Inbegriff der häuslichen, geistigen, seelisch‑körperlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Gemeinsamkeit der Ehegatten begreift (RS0057316 [T1]; vgl RS0009432 [T1, T2]). Von deren Aufhebung kann bereits dann ausgegangen werden, wenn bei einem Partner der Wille zum ehelichen Zusammenleben endgültig erlischt oder die geistige, seelische, körperliche und wirtschaftliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben ist; in einem solchen Fall gilt die eheliche Lebensgemeinschaft als aufgehoben, auch wenn eine bloß gemeinsame Wohnungsbenützung fortbesteht und keine darüber hinausgehende Gemeinschaft mehr zwischen den Ehegatten gegeben ist (1 Ob 169/18m [6.4.] mwN = RS0009432 [T3] = RS0057316 [T2]).

[9] Abgesehen davon, dass im Scheidungsurteil nach § 49 EheG keine Feststellungen zur Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft getroffen wurden, sind für die Beurteilung des Zeitpunkts der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft allein die Feststellungen im Aufteilungsverfahren maßgeblich. Dort kann es auch zu einem anderen Ergebnis als im Scheidungsprozess kommen (1 Ob 169/18m [6.3.] mwN).

[10] Die Vorinstanzen gingen von der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Herbst/Winter 2016 aus. Die Frau erhob die Scheidungsklage Anfang Juli 2016 und der Mann verließ die Ehewohnung im Februar/März 2017. Der Mann bestritt bis dahin auch alle Aufwendungen wie Miete, Versicherungen, Strom, Gas etc für die Wohnung. Mit der Behauptung, die Frau habe sich im April 2011 an der Finanzierung einer Wohnung in Spanien und damit der Schaffung eines wesentlichen ehelichen Vermögenswerts nicht beteiligt, sodass bereits zu diesem Zeitpunkt die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben worden sei, vermag der Mann keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzuzeigen. Nach den Feststellungen erwarb er diese Wohnung zwar gegen den Willen seiner Frau, ohne dass es aber Anhaltspunkte dafür gäbe, dass die eheliche Lebensgemeinschaft bereits zu diesem Zeitpunkt aufgehoben worden sein könnte. Soweit der Mann in diesem Zusammenhang mit einem Sachverhalt argumentiert, der nicht feststeht, führt er den Revisionsrekurs nicht gesetzmäßig aus.

[11] 7. Aufzuteilen ist das während der aufrechten ehelichen Gemeinschaft Erarbeitete oder Ersparte, wenn es zum Zeitpunkt der gerichtlichen Anordnung noch vorhanden oder dessen Wert nach der Bestimmung des § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen ist (RS0057299; RS0057913 [T1]). Hat ein Ehegatte ohne ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des anderen frühestens zwei Jahre vor Einbringung der Klage auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe oder, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft vor Einbringung der Klage aufgehoben worden ist, frühestens zwei Jahre vor dieser Aufhebung eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse in einer Weise verringert, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten während der ehelichen Lebensgemeinschaft widerspricht, so ist der Wert des Fehlenden nach § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen.

[12] Der Mann tätigte zwei Monate vor der Einbringung der Scheidungsklage bedeutende Barabhebungen von seinem Gehaltskonto, wobei die Vorinstanzen die Hälfte (rund 18.000 EUR) dieser Abhebungen bei der Aufteilung als eheliche Ersparnis berücksichtigten. Wenn der Mann – ohne jede Konkretisierung – behauptet, er habe (auch) diesen Betrag verbraucht, übergeht er die Bestimmung des § 91 Abs 1 EheG, der verhindern will, dass ein Ehegatte dadurch benachteiligt wird, dass der andere – wie hier – in einem Zeitraum, in dem sich die Krise der Ehe bereits abzuzeichnen begonnen hat, eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse einseitig zum Nachteil seines Ehepartners vermindert (RS0057927; vgl RS0057919).

[13] Im Zusammenhang mit der Annahme der Vorinstanzen, die vom Mann 2014 erhaltene Abfertigung sei bei der Trennung noch (als Ersparnis) vorhanden gewesen, unternimmt er neuerlich den unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung zu bekämpfen.

[14] 8. Ohne Fehlbeurteilung ging das Rekursgericht davon aus, dass die vom Mann im Zusammenhang mit den Schönheitsoperationen der Frau getätigten Auslagen nicht in der nachehelichen Vermögensaufteilung zu berücksichtigen sind. Welchen Zusammenhang die von ihm geleisteten Zahlungen für das Gesichtslifting der Frau mit der Aufteilungsmasse haben, vermag er nicht aufzuzeigen.

[15] Schmuck, der während der ehelichen Lebensgemeinschaft angeschafft wurde, ist dann keine Wertanlage im Sinn des § 81 Abs 3 EheG, sondern unterliegt gemäß § 82 Abs 1 Z 2 EheG nicht der Aufteilung, wenn er dem persönlichen Gebrauch der Frau allein diente. Das ist dann der Fall, wenn der Schmuck zum Tragen und nicht für eine spätere Verwertung bestimmt war (1 Ob 699/84 = EFSlg 48.929; 7 Ob 514, 515/88). Erkennbar dieser Rechtsprechung folgend bezog das Rekursgericht den der Frau (nach den Behauptungen des Mannes) geschenkten Schmuck (im behaupteten Wert von 4.000 EUR) nicht in die Aufteilung ein. Mit der bloßen Behauptung, der Wert des geschenkten Schmucks sei in die Aufteilungsmasse einzubeziehen, vermag er im Hinblick auf § 82 Abs 1 Z 2 EheG keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts aufzuzeigen.

[16] 9. Der Mann war zur Zeit der Eheschließung noch Student, während die Frau bereits in Vollzeit arbeitete. Später arbeitete er bei Banken und erzielte ein sehr gutes Einkommen. Im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft verfügte er über ein Wertpapierdepot mit einem Guthabensstand von über 36.000 EUR, das die Vorinstanzen als eheliche Ersparnis in die Aufteilung einbezogen.

[17] Mit dem Verweis auf einen behaupteten Depotauszug seines Kontos, der vor der Eheschließung einen Saldostand von 240 ATS (17,44 EUR) ausweist, vermag der Mann nicht aufzuzeigen, dass er nennenswerte Teile der zuletzt vorhandenen Wertpapiere in die Ehe mitgebracht hätte.

[18] 10. Dem Einwand des Mannes, ihm sei als überwiegend schuldlos geschiedener Ehepartner die Leistung einer Ausgleichszahlung von 70.000 EUR nicht zumutbar, sodass die Frau bedeutend weniger erhalten solle, ist entgegenzuhalten, dass für eine solche Benachteiligung im Aufteilungsverfahren kein Raum besteht, weil die Aufteilung des ehelichen Vermögens kein Instrument der Bestrafung bzw Belohnung für ehegerechtes oder ehewidriges Verhalten ist (vgl RS0057387). Das Rekursgericht erachtete die vom Mann zu leistende Ausgleichszahlung für zumutbar, verfüge er doch über ein ausreichend hohes laufendes Einkommen, auch wenn er materielle Einschränkungen in Kauf nehmen und allenfalls einen Kredit aufnehmen müsse. Das Rekursgericht hat damit den „Wohlbestehensgrundsatz“ berücksichtigt. Wenn der Mann, nachdem er zunächst nicht abstreitet, wieder über ausreichendes Einkommen zu verfügen, „ergänzend anmerkt“, er sei „zum 30. 9.“ (ohne Jahresangabe) gekündigt worden, verstößt dieses Vorbringen gegen das Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG). Soweit er die vermeintliche Unzumutbarkeit der Ausgleichszahlung mit dem Argument dartun will, seine Barmittel seien erschöpft, übergeht er vor allem, dass er nach den maßgeblichen Feststellungen noch bei der Trennung über liquide Vermögenswerte von mehr als 80.000 EUR verfügt hat.

[19] Seine Behauptung, die Vorinstanzen hätten den im Scheidungsverfahren geschlossenen Vergleich im Aufteilungsverfahren nicht berücksichtigt, übergeht, dass schon das Erstgericht sowohl das Guthaben auf einem Bankkonto, das der Frau verbleibt, als auch Zahlungen des Mannes über 1.500 EUR und den Wert der Ehewohnung bei der Bemessung der Ausgleichszahlung zu Lasten der Frau berücksichtigte. Eine ihn belastende unzutreffende Ausmittlung der Ausgleichszahlung vermag er auch deshalb nicht aufzuzeigen, weil sogar zum Nachteil der Frau – zu Unrecht – der Wert der Ehewohnung in voller Höhe von 30.000 EUR abgezogen und nicht entsprechend der Aufteilungsquote von 1 : 1 nur zur Hälfte berücksichtigt wurde.

[20] 11. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte