OGH 4Ob5/19t

OGH4Ob5/19t26.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* K*, vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei * KG, *, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung sowie Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert 43.200 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. Dezember 2018, GZ 2 R 164/18b‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124655

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen der §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Rekursgericht gab dem Sicherungsbegehren des Klägers statt, der Beklagten einstweilen zu verbieten, von ihm hergestellte, bei der Nationalratswahl 2017 kandidierende Politiker zeigende Karikaturen, davon hergestellte Bearbeitungen (Masken) und/oder gleichartige Werke ohne auf den Kläger lautende Urheberbezeichnung und ohne Angabe seiner Domain zu verwerten.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1. Gemäß § 20 Abs 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, die Urheberbezeichnung zu bestimmen: Er bestimmt, ob und mit welcher Urheberbezeichnung das Werk zu versehen ist, ob auf den Werkstücken und bei der öffentlichen Wiedergabe des Werks zum Ausdruck gebracht werden soll, wer es geschaffen hat, und ob das durch Angabe des wahren Namens oder eines Decknamens oder – bei Werken der bildenden Künste – bloß durch ein Künstlerzeichen geschehen soll (RIS‑Justiz RS0077633). Ob und wie der Urheber bezeichnet werden soll, kann Gegenstand einer – ausdrücklichen oder schlüssigen – Vereinbarung zwischen Urheber und Verwerter des Werks sein (RIS‑Justiz RS0116597 [T1]).

Das Recht auf Namensnennung ist verzichtbar. Wenn auch in bestimmten – hier zudem nicht vorliegenden – Bereichen ein Verzicht auf die Namensnennung als Urheber anzunehmen ist, kann dies nicht dazu führen, dass eingerissene Unsitten der Verschweigung des Urhebernamens zur branchenüblichen und damit als stillschweigend vereinbart geltenden Verkehrssitte wird (vgl RIS‑Justiz RS0116163). Von einem schlüssig vereinbarten Nennungswegfall ist nur in Fällen auszugehen, in denen sich die vertragliche Nutzungsbefugnis auf Formen erstreckt, bei denen eine Urheberbezeichnung technisch nicht möglich oder zweifelsfrei sozial inadäquat wäre (RIS‑Justiz RS0116163 [T1]).

Die Entscheidung des Urhebers, ob und mit welcher Bezeichnung das Werk zu versehen ist, muss nicht durch förmliche Erklärung erfolgen. Der Urheber kann diese Entscheidung auch nach Veröffentlichung des Werks (oder Übergabe eines Werkstücks) treffen, soweit er nicht gegenüber bestimmten Dritten wirksam darauf verzichtet hat (4 Ob 13/10f = RIS‑Justiz RS0126095).

Die Beurteilung der Konkludenz von Willenserklärungen im Einzelfall ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0043253 [insbes T1]). Im Übrigen ist bei der Annahme der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen gemäß § 863 ABGB Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0014157; RS0013947; RS0014420; RS0014146).

1.2. Die Vorinstanzen haben den festgestellten Sachverhalt dahin beurteilt, dass der Kläger und die im Auftrag der Beklagten einschreitende Werbeagentur eine Vereinbarung über die Nennung des Klägers als Urheber für Karikaturen „als Vorlagen für die Herstellung von Masken“ getroffen haben. In der Folge wies der Kläger auf die fehlende Urhebernennung bei der tatsächlichen Verwendung der Karikaturen (Schauspieler trugen die nach den Karikaturen angefertigten Masken in Werbespots im Fernsehen und Internet) hin und fragte an, wie er (anders als in der von ihm gedachten Form eines Hinweises auf den als Werbemittel zu verteilenden Papiermasken) als Urheber genannt werden solle. Darüber wurde ihm eine konkrete Vereinbarung über die Nennung in Aussicht gestellt, die jedoch nicht zustande kam.

Die Beurteilung einer solchen Vereinbarung (auch im Sinn des § 863 Abs 1 ABGB) sowie deren Auslegung ist von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig und wirft daher – vom hier nicht vorliegenden Fall einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung abgesehen – keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl 4 Ob 259/14p).

Der Revisionsrekurs zeigt auch nicht auf, dass die Rechtsansicht des Rekursgerichts korrekturbedürftig wäre, wonach kein späterer Verzicht des Klägers auf die Urheberbezeichnung ableitbar ist, er nicht zu einem einseitigen Verzicht bereit war, sondern nur im Abtausch mit einer Gegenleistung (einem höheren Entgelt) einen Verzicht auf die Nennung in Erwägung gezogen hätte; dass eine Vereinbarung dieser Art sodann geschlossen worden wäre, ist weder festgestellt noch vorgebracht.

2.1. Nach § 20 Abs 2 UrhG darf eine Bearbeitung mit der Urheberbezeichnung nicht auf eine Art versehen werden, die der Bearbeitung den Anschein eines Originalwerks gibt; nach Abs 3 leg cit darf Vervielfältigungsstücke von Werken der bildenden Künste durch die Urheberbezeichnung nicht der Anschein eines Urstücks verliehen werden.

Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656).

2.2. Der Revisionsrekurs zeigt mit seiner Behauptung, dass die vom Kläger verlangte Urheberbezeichnung einen Verstoß gegen § 20 Abs 2 und 3 UrhG bewirken werde, weil der Eindruck entstehe, bei den dreidimensionalen Masken handelte es sich um Originalwerke des Klägers, keine erhebliche Rechtsfrage auf. § 20 Abs 2 und 3 UrhG beseitigen nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht das Recht des Klägers auf eine Urheberbezeichnung, sondern treffen die Einschränkung, dass durch die Art der Urheberbezeichnung der im Gesetz genannte falsche Eindruck nicht entstehen darf. Das Unterlassungsbegehren des Klägers wendet sich aber nur gegen die Verwendung seiner Vorlagen ohne jede Urheberbezeichnung. Dem stehen § 20 Abs 2 und 3 UrhG nicht entgegen.

3.1. Nach § 5 Abs 1 UrhG werden Übersetzungen und andere Bearbeitungen, soweit sie eine eigentümliche geistige Schöpfung des Bearbeiters sind, unbeschadet des am bearbeiteten Werke bestehenden Urheberrechts wie Originalwerke geschützt. Die Benutzung eines Werks bei der Schaffung eines anderen macht dieses nach Abs 2 leg cit nicht zur Bearbeitung, wenn es im Vergleich zum benutzten Werk ein selbständiges neues Werk darstellt.

An das Vorliegen einer freien Benützung im Sinn des § 5 Abs 2 UrhG sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl 4 Ob 221/03h mwN; RIS‑Justiz RS0076496). Für die „freie Benützung“ nach § 5 Abs 2 UrhG ist kennzeichnend, dass trotz des Zusammenhangs mit einem anderen Werk ein von diesem verschiedenes, selbständiges Werk vorliegt, dem gegenüber das Werk, an das es sich anlehnt, vollständig in den Hintergrund tritt. An einer solchen Freischöpfung besteht daher kein abhängiges, sondern ein selbständiges Urheberrecht, zu dessen Verwertung es keiner Einwilligung des Urhebers des benützten Werks bedarf. Angesichts der Eigenart des neuen Werks müssen die Züge des benützten Werks verblassen. Für die Abhängigkeit einer Nachschöpfung ist daher entscheidend, dass in ihr das Originalwerk in wesentlichen Zügen wiederkehrt; Bearbeitungen und sonstige abhängige Nachschöpfungen grenzen sich dadurch von selbständigen Schöpfungen ab (vgl RIS‑Justiz RS0076521, RS0076406).

Ob sich eine Schöpfung aufgrund ihrer Originalität hinreichend deutlich von ähnlichen Schöpfungen unterscheidet und daher ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung (RIS‑Justiz RS0122254).

In der Rechtsprechung des Senats wurden etwa Werbeverpackungen, die in Form und Gestaltung wesentliche Züge einer urheberrechtsgeschützten Vorlage übernahmen (4 Ob 182/04z), oder Aquarelle, die nach der Vorlage geschützter Lichtbilder angefertigt wurden (4 Ob 221/03h), als abhängige Bearbeitungen gewertet (vgl Schumacher in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 5 UrhG [2017] Rz 48 mwN aus der Rsp).

3.2. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass sich die von der Beklagten verwendeten Masken nicht in der von der Rechtsprechung geforderten – individuellen und eigentümlichen (vgl RIS‑Justiz RS0076397) – Weise von den Karikaturvorlagen des Klägers so deutlich Abstand wahrend unterschieden, dass diese gegenüber jenen gänzlich in den Hintergrund träten, wendet die aufgezeigten Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Bearbeitung und freier Nachschöpfung im Rahmen des zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraums fehlerfrei auf den Einzelfall an.

4.1. Eine Unterlassungsklage setzt ganz allgemein ein (materielles) „Rechtsschutzbedürfnis“ im Sinn eines materiell‑rechtlichen schutzwürdigen Interesses (RIS Justiz RS0012064) und im Besonderen Wiederholungsgefahr voraus (RIS Justiz RS0080143; RS0037664), die nach einer erfolgten Verletzungshandlung grundsätzlich vermutet wird (4 Ob 102/18f). Als Indiz für das Vorhandensein einer Wiederholungsgefahr ist es zu werten, wenn der Beklagte im Prozess seine Unterlassungspflicht bestreitet und keine Gewähr dafür besteht, dass er Eingriffe in das Eigentum des Klägers in absehbarer Zeit unterlässt (RIS‑Justiz RS0012055). Die Wiederholungsgefahr ist daher im Allgemeinen nur dann ausgeschlossen, wenn ausreichende Anhaltspunkte für eine ernstliche Willensänderung des Beklagten bestehen (vgl RIS‑Justiz RS0079894). Dies wird vor allem im Fall des Anbots eines umfassenden vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0079962; RS0079898). Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr muss der Beklagte dem Kläger auch die (berechtigte) Ermächtigung zur Veröffentlichung des Vergleichs auf seine Kosten in angemessenem Umfang anbieten (RIS‑Justiz RS0079921; RS0079180).

Die Berechtigung des Begehrens auf Urteilsveröffentlichung hängt zunächst davon ab, ob ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß besteht (RIS Justiz RS0079737). Bei dieser Beurteilung ist zudem zu berücksichtigen, dass der Urteilsveröffentlichungsanspruch ein vom Unterlassungsbegehren abhängiger Nebenanspruch ist (RIS‑Justiz RS0079531; vgl RS0079596).

Ob nach den im Einzelfall gegebenen Umständen Wiederholungsgefahr besteht, ist ebenso wenig eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042818, RS0031891, RS0044208) wie die Frage, ob das Veröffentlichungsbegehren nach den im Einzelfall gegebenen Umständen gerechtfertigt ist und ein das Veröffentlichungsbegehren nicht oder nicht zur Gänze berücksichtigendes Vergleichsangebot daher die Vermutung der Wiederholungsgefahr beseitigt (RIS‑Justiz RS0079921 [T6, T9]; vgl RS0042967).

4.2. Nach den Feststellungen ist die beanstandete Veröffentlichung der nach einem Werk des Klägers angefertigten Masken im Fernsehen und im Internet auf der Website der Beklagten erfolgt. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die Wiederholungsgefahr fortbestehe, weil die Aufforderung zur Veröffentlichung einer Verpflichtungserklärung in der vom Kläger verlangten Weise von der Beklagten nicht angenommen wurde und die Veröffentlichung (nur) in Form eines Link zu einer Klarstellung auf der Website der von der Beklagten beauftragten Werbeagentur nicht ausreichend sei (vgl 4 Ob 47/07a), hält sich im Rahmen des den Gerichten bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr eingeräumten Ermessensspielraums.

5.1. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0042828).

5.2. Dass das Rekursgericht keine Behauptung der Beklagten erkannte, wonach die Nennung von Namen und Domain in einem Film – etwa in einem Vor- oder Nachspann oder durch eine (sogar von ihr selbst angesprochene) Einblendung – technisch unmöglich sei, ist keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die in diesem Zusammenhang behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 510 Abs 3 ZPO).

6.1. Bei der Entscheidung über einen Revisionsrekurs ist der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Rechtsinstanz und nicht Tatsacheninstanz und hat von dem Sachverhalt auszugehen, den das Rekursgericht als bescheinigt angesehen hat (RIS‑Justiz RS0002192).

6.2. Dass sich die ursprüngliche Vereinbarung auf die Veröffentlichung der Karikaturen beschränkt habe, entfernt sich ebenso vom festgestellten Sachverhalt wie die Behauptung, dass eine anderweitige Veröffentlichung auf Initiative des Klägers ebenfalls ohne Urhebernennung erfolgt sei. Dasselbe gilt für spekulative Überlegungen im Revisionsrekurs, was geschehen wäre, hätte der Kläger bedacht, dass die Karikaturen für dreidimensionale Politikermasken in TV‑Spots verwendet werden.

7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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