OGH 8Ob109/16m

OGH8Ob109/16m29.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M*****, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei *****bank ***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei C***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch die Wess Kispert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 353.688,79 EUR sA und Feststellung (20.000 EUR), über die Revisionen der beklagten Partei sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Juli 2016, GZ 5 R 198/15x‑18, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. September 2015, GZ 62 R 104/14b‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00109.16M.0629.000

 

Spruch:

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Der Kläger (ein Arzt) wollte Ende 2006 einen Teil seines Vermögens investieren. Er war seit 20 Jahren Kunde bei der beklagten Bank und sprach seinen Berater auf die in einer Anzeigetafel genannte Immobilieninvestition an. Es folgten zwei ausführliche Beratungsgespräche im Jänner 2007, nach denen sich der Kläger entschied, 350.000 EUR in den „Sachwert Rendite-Fonds Holland 68“ der MPC ***** AG (im Folgenden: MPC) zu investieren. Der Berater teilte ihm mit, dass eine Provision an die Bank zu zahlen sei („Agio“), aufgrund der langjährigen Kundenbeziehung reduziere die Bank als Sonderkondition das Agio auf 3 % (statt 5 %). Der Berater wies den Kläger aber nicht darauf hin, dass die Beklagte für den Abschluss dieses Geschäfts weitere Provisionszahlungen kassiere. Der Kläger unterfertigte eine „Beitrittserklärung“ zur „Sachwert Rendite Fonds Holland GmbH & Co KG“, wonach er mittelbar über die TVP Treuhand- u. Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH eine Kommanditbeteiligung erwarb, sowie ein Anlegerprofil und eine Vollmachts- und Auftragserteilung zur Erstellung und Einreichung der Steuererklärung in den Niederlanden. In keiner der dem Kläger zur Verfügung gestellten Unterlagen war ein Hinweis darauf enthalten, dass die Beklagte über die offengelegten 3 % Agio weitere Zahlungen aus der geleisteten Investitionssumme erhalte. Der Kläger traf seine Anlageentscheidung auf Grundlage der Beratungsgespräche. Nach Unterfertigung der Unterlagen leistete der Kläger die vereinbarte Investitionssumme sowie die Provision an die Beklagte. In weiterer Folge flossen weitere 3 % der vom Kläger geleisteten Investitionssumme von der MPC an die Beklagte zurück. Wenn der Kläger von dieser weiteren Provisionszahlung gewusst hätte, hätte er nicht dieses Produkt gekauft, sondern stattdessen in eine Vorsorgewohnung investiert. Bei dieser Geldanlageform wäre das eingesetzte Kapital erhalten geblieben. Erst im Zuge der Beratung durch den Klagevertreter im Jahr 2014 wurde dem Kläger bekannt, dass aus dem von ihm geleisteten Kapital weitere Zahlungen an die Beklagte geflossen sind.

Der Kläger begehrte von der Beklagten Zahlung von 353.688,79 EUR sA, Zug um Zug gegen die Abgabe des Angebots, ihr die Ansprüche betreffend die Kommanditanteile aus dem Treuhandvertrag abzutreten, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Ansprüche, die gegen ihn im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft noch geltend gemacht werden.

Der Beklagten seien (näher aufgezählte, im Revisionsverfahren aber nicht relevante) Beratungsfehler unterlaufen, der Verkaufsprospekt enthalte irreführende Informationen. Insbesondere habe ein nicht offengelegter Interessenkonflikt bestanden, weil die Beklagte für die Vermittlung der Beteiligung „Kick-back“-Zahlungen erhalten habe, die nicht nur aus dem Ausgabeaufschlag, sondern auch aus dem Fondsvermögen bezahlt worden seien. Erst im Juli 2014 habe der Kläger erkennen müssen, dass das eingesetzte Kapital einem Totalverlustrisiko ausgesetzt sei.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, sie habe die Beteiligung nur vermittelt, weshalb sie keine Informationspflichten getroffen hätten; der Kläger sei aber richtig und ausführlich über das Wesen der Veranlagung informiert worden. Der Kläger habe die Urkunden unterfertigt und damit bestätigt, in Kenntnis aller relevanten Umstände zu sein. Allfällige Ansprüche seien verjährt, weil der Kläger weit mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung Kenntnis davon erlangt hätte, dass die Beteiligung nicht seinen Vorstellungen entspreche. Außerdem treffe den Kläger ein Mitverschulden, weil ihm die angeblich fehlerhafte Beratung aufgrund der von ihm unterfertigten Unterlagen hätte auffallen müssen.

Die Nebenintervenientin schloss sich dem Vorbringen der Beklagten an.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

§ 39 Abs 1 WAG 2007 sei auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar; allerdings seien auch die Bestimmungen der §§ 11 ff WAG 1996 so auszulegen, dass bei der Erbringung der Dienstleistung Interessenkonflikte vermieden werden sollten und daher dem Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen seien. Daher seien auch nach der hier anwendbaren Rechtslage insbesondere Retrozessionsvereinbarungen offen zu legen gewesen. Nach der Rechtsprechung liege bereits im Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts der Schaden; daher sei zu prüfen, wie der ordnungsgemäß informierte Anleger disponiert hätte. Im konkreten Fall sei dem Kläger der Beweis gelungen, dass er in Kenntnis der Umstände die Beteiligung nicht gezeichnet, sondern in eine Vorsorgewohnung investiert hätte, wodurch das eingesetzte Kapital erhalten geblieben wäre. Da bereits aufgrund der dem Kläger nicht offengelegten Geldflüsse („Innenprovision“) das Klagebegehren berechtigt sei, seien zu den anderen geltend gemachten Beratungsfehlern keine Feststellungen erforderlich gewesen. Ein Mitverschulden des Klägers sei nicht gegeben; die Zusatzprovisionen seien aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Der Verjährungseinwand sei nicht berechtigt, weil der Kläger über den Schaden und den anspruchsbegründenden Sachverhalt erst im Jahr 2014 Kenntnis erlangt habe. Aus der Kenntnis über bestimmte Aufklärungsmängel könne keine Verpflichtung des Geschädigten dahin abgeleitet werden, Nachforschungen zu möglichen weiteren Beratungsfehlern zu tätigen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung.

Nach der Rechtsprechung zu § 13 WAG 1996 ergebe sich die Verpflichtung, dem Kunden auch „Kick-back“-Vereinbarungen offenzulegen, bereits aus der Verpflichtung, alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen. Mit § 15 Abs 1 WAG 1996 sei eine ausdrückliche Haftungsnorm geschaffen worden, die auch bei leichter Fahrlässigkeit greife. Die Verpflichtung zur Offenlegung bestehe nicht nur im Bereich der Vermögensverwaltung, sondern auch im Verhältnis zwischen beratender Bank und Anleger. Der Kläger habe aufgrund des vereinbarten Agios mit weiteren Zahlungsflüssen an die Beklagte nicht rechnen müssen. Ein Interessenkonflikt liege bereits vor, wenn ein Rechtsträger ein eigenes Absatzinteresse an bestimmten Wertpapieren habe; eine Differenzierung zwischen Rückflüssen aus offengelegten Provisionen, Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren sowie versteckten Provisionen sei nicht vorzunehmen. Durch die versteckte Vertriebsprovision sei ein Eigeninteresse der Bank am Absatz und damit ein Interessenkonflikt begründet worden; nicht maßgeblich sei hingegen die Frage, ob durch die Innenprovision die wirtschaftliche Werthaltigkeit der Veranlagung beeinträchtigt sei. Die Beklagte treffe an der Verletzung der Aufklärungspflicht auch ein Verschulden, weil im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs keine gesicherte rechtliche Grundlage dafür vorgelegen sei, dass versteckte Innenprovisionen von der allgemeinen Aufklärungspflicht ausgenommen gewesen wären. Die Ansprüche seien nicht verjährt, weil der hier geltend gemachte Beratungsfehler auf einen eigenständigen, von anderen Pflichtverletzungen abgrenzbaren Umstand gegründet und daher die Verjährung gesondert zu beurteilen sei. Der Schaden liege im Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte. Die begehrte Naturalrestitution sei weder rechtlich noch faktisch unmöglich.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Aufklärungspflicht über aus dem Anlagevermögen geleistete Vertriebsprovisionen nach dem WAG 1996 sowie zur Frage des Umfangs daraus resultierender Schadenersatzpflichten keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wenden sich die Revisionen der Beklagten sowie der Nebenintervenientin jeweils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung je mit dem Antrag, das Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern, hilfsweise die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen, hilfsweise, ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind im Sinn ihrer jeweiligen Aufhebungsanträge berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat sich zuletzt anhand eines weitgehend vergleichbaren Falls in der Entscheidung vom 29. März 2017, 2 Ob 99/16x, eingehend mit der Frage nach der Aufklärungspflicht der Bank über Innenprovisionen und mit den Folgen des Unterbleibens einer solchen Aufklärung auseinandergesetzt. Der erkennende Senat schließt sich den Ausführungen dieser Entscheidung an:

2. Wie in 2 Ob 99/16x ausführlich dargelegt, leiteten bereits frühere höchstgerichtliche Entscheidungen aus den allgemeinen Bestimmungen des § 13 Z 2 und Z 4 WAG 1996 – für die Vermögensberatung – die Verpflichtung ab, dem jeweiligen Kunden allfällige „Kick-back“-Vereinbarungen (Retrozessionen) offenzulegen (siehe die Nachweise in 2 Ob 99/16x). Denn durch solche Vereinbarungen entstehe ein Anreiz für den Wertpapierdienstleister, sowohl bei der Auswahl der Bankverbindung als auch hinsichtlich der Anzahl und des Umfangs der für den Kunden über die Bank abzuwickelnden Geschäfte nicht allein das Interesse des Kunden, sondern auch das eigene Interesse an möglichst umfangreichen Vergütungen zu berücksichtigen. Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung des 2. Senats, dass diese für die Vermögensberatung entwickelte Rechtsprechung jedenfalls dann für die bloße Anlageberatung (Vermittlung) zu übernehmen ist, wenn der Kunde für die Beratung und Vermittlung der Anlage selbst ein Entgelt (Provision) leistet, weil er in diesem Fall nicht annehmen muss, dass der Wertpapierdienstleister bei Auswahl bestimmter Produkte zusätzlich Vergütungen von anderer Seite erhält und dadurch die Gefahr entsteht, dass der Dienstleister nicht ausschließlich in seinem Interesse tätig wird (näher 2 Ob 99/16x mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger der Beklagten mit dem – hier als Sonderkondition wegen langjähriger Kundenbeziehung von 5 % auf 3 % reduzierten – Agio ein Entgelt für die Vermittlung der Anlage und die damit zusammenhängende Beratung geleistet. Daher durfte er grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Beklagte nicht darüber hinaus auch noch vom Emittenten oder dessen Vertriebspartner eine Provision erhält. Unter diesen Umständen war die Beklagte verpflichtet, auf weitere – einen möglichen Interessenkonflikt herbeiführende – Provisionen hinzuweisen. Insofern ist auch ein Verschulden des Beraters gegeben, weil er nicht damit rechnen durfte, dass dem Kläger die (zusätzlichen) Innenprovisionen bewusst oder bekannt waren.

3. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Verletzung dieser Aufklärungspflicht einen Schaden beim Kläger verursacht.

Nach der Rechtsprechung tritt der (reale) Schaden des Anlegers bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte ein (8 Ob 66/14k = EvBl 2015/25 [ Leupold ], RIS-Justiz RS0129706; zuletzt etwa 3 Ob 112/15i, ÖBA 2016, 207 [ Klausberger / Lenz ], und 1 Ob 118/16h).

Im konkreten Fall haben die Vorinstanzen festgestellt, dass der Kläger die strittigen Beteiligungen nicht erworben hätte, wenn der Berater ihn über die (zusätzlichen) Provisionen informiert hätte. Damit steht die Verursachung für den Obersten Gerichtshof bindend fest.

4. Hingegen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Schaden auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung steht.

4.1. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene verursachten Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck verhindern sollte (RIS-Justiz RS0022933; Karner in KBB 5 § 1295 Rz 9 mwN). Speziell für die Anlageberatung hat der Oberste Gerichtshof das dahin präzisiert, dass bei Realisierung eines Anlagerisikos, vor dem der Berater mangels Erkennbarkeit nicht warnen musste, der Rechtswidrigkeitszusammenhang mit einer aus anderen Gründen mangelhaften Beratung dennoch zu bejahen ist, wenn diese Beratung und die darauf beruhende Veranlagung die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des tatsächlich eingetretenen Risikos nicht bloß unerheblich erhöhte (4 Ob 62/11p, EvBl 2011/146 [ Völkl ] = ÖBA 2011, 892 [ Ramharter ] = wbl 2012, 44 [ van Husen ]; RIS-Justiz RS0127012; zuletzt 10 Ob 62/15p und 2 Ob 99/16x).

4.2. Zweck der im konkreten Fall verletzten Informationspflicht war die Aufklärung über eine allfällige Interessenkollision auf Seiten der Beklagten. Lag eine solche Interessenkollision vor, so erhöhte sie das Risiko, dass der Kläger aufgrund der Beratung eine Anlage erwarb, die nicht seinen konkreten Wünschen und Bedürfnissen entsprach. Damit wäre der Rechtswidrigkeitszusammenhang zu bejahen. Bestand hingegen keine Interessenkollision, so stehen andere Risiken, die sich im konkreten Fall verwirklichten, aber aus verschiedenen Gründen keine Haftung der Beklagten begründen, nicht mehr im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Pflicht.

4.3. Eine Interessenkollision wäre im konkreten Fall dann zu verneinen, wenn die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür (abgesehen vom offen gelegten Ausgabeaufschlag) keine Vergütungen von ihrem Vertriebspartner erhalten hätte. Sollte dies der Fall sein, so wäre kein unzulässiges besonderes Eigeninteresse der Beklagten am Vertrieb (gerade) dieser Beteiligung vorgelegen. Die Beweislast für diesen Umstand trifft die Beklagte. Dabei kann offen bleiben, ob die für das Fehlen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs maßgebenden Tatsachen – wie etwa beim rechtmäßigen Alternativverhalten (RIS-Justiz RS0111707) – ganz allgemein vom Schädiger zu beweisen sind (so Wendehorst, Anlageberatung, Risikoaufklärung und Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖBA 2010, 252 [571]). Die Beweisführung könnte vom Kläger nicht erwartet werden, weil es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre der Gegenseite liegen und daher nur dieser bekannt und damit auch nur durch sie beweisbar sind (zu alledem 2 Ob 99/16x; RIS-Justiz RS0040182, RS0013491 [T1]).

4.4. Nach Auffassung des Klägers besteht der Rechtswidrigkeitszusammenhang bereits deswegen, weil die Belastung der Anlage mit der Innenprovision (dh die im Ergebnis unterbliebene Veranlagung des der Innenprovision entsprechenden Betrags) das Risiko des Scheiterns dieser Anlagen sowie insbesondere das Haftungsrisiko des Klägers aus der Kommanditbeteiligung erhöht habe. Schon deshalb habe darüber aufgeklärt werden müssen.

Damit macht der Kläger aber einen anderen Zweck der verletzten Informationspflicht geltend, den diese im konkreten Fall nicht hatte, denn ein Anleger muss grundsätzlich mit Vertriebskosten („Weichkosten“) rechnen. Insofern entsteht eine von der drohenden Interessenkollision unabhängige Informationspflicht erst dann, wenn diese Kosten eine erhebliche Höhe erreichen (3 Ob 190/16m). Der BGH nimmt in diesem Zusammenhang (bei Vertriebsprovisionen) eine Grenze von etwa 15 % an (III ZR 359/02, BGHZ 158, 110; zuletzt etwa XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310 mwN). Dies trifft hier in Bezug auf die Innenprovisionen selbst dann nicht zu, wenn man auch den zusätzlich gewährten Ausgabeaufschlag berücksichtigt (hier ergeben sich insgesamt 6 %). Eine unterbliebene Information über die insgesamt anfallenden Weichkosten steht nicht fest.

4.5. Entscheidend ist daher im konkreten Fall tatsächlich nur das Vorliegen einer Interessenkollision. Insofern ist aber noch keine abschließende Beurteilung möglich. Denn auch der Oberste Gerichtshof darf die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen, die sie bisher nicht beachtet hatten und die auch nicht erörtert wurde (RIS-Justiz RS0037300 [T9]). Ein solcher Fall liegt hier vor, denn zum Fehlen einer Interessenkollision hat die Beklagte bisher kein konkretes Vorbringen erstattet. Aber auch der Kläger hat zu dieser Frage nicht Stellung genommen, und von den Vorinstanzen wurde sie ebenfalls nicht erörtert. Da das Begehren – wie im Folgenden zu zeigen ist – auch nicht aus anderen Gründen abzuweisen ist, ist jedenfalls eine Ergänzung des Verfahrens erforderlich.

5. Andere Gründe für eine (teilweise) Abweisung des Klagebegehrens, soweit dieses auf den hier erörterten Aufklärungsmangel gestützt wurde, vermögen die Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin nicht aufzuzeigen:

5.1. Allfällige Ansprüche sind nicht verjährt.

Da sich die Verjährung auf den jeweils geltend gemachten Anspruch bezieht, der – wie der Streitgegenstand (RIS-Justiz RS0039255) – durch die zu seiner Begründung vorgebrachten Tatsachen konkretisiert wird, liegen dann, wenn der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten stützt, mehrere Ansprüche vor, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind (3 Ob 112/15i mwN). Daher ist auch in Anlegerhaftungsfällen die Verjährung für jeden Beratungsfehler getrennt zu beurteilen, wenn bei mehreren spezifischen Risiken jeweils eine gesonderte Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt (2 Ob 99/16x mwN). Eine gesonderte Prüfung setzt voraus, dass der behauptete Beratungsfehler tatsächlich eine eigenständige, den geltend gemachten Anspruch begründende Pflichtverletzung bildet; an dieser Auffassung hat zuletzt auch der zehnte Senat des Obersten Gerichtshofs in ausführlicher Auseinandersetzung mit kritischen Anmerkungen im Schrifttum festgehalten (10 Ob 70/15i mwN), der zweite Senat hat sich zu 2 Ob 99/16x dem angeschlossen.

Auch der hier erkennende Senat sieht keinen Grund, von dieser Rechtsansicht abzugehen.

Im konkreten Fall hat der Kläger erst 2014 von den Innenprovisionen an die Beklagte erfahren. Das Verschweigen der Provisionen ist von den – angeblich oder tatsächlich – unterbliebenen Informationen über den Inhalt der Veranlagung unabhängig. Auch eine Erkundigungsobliegenheit ist zu verneinen. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger von der unterbliebenen Information über den Charakter der Ausschüttungen und die damit möglicherweise verbundene Rückzahlungspflicht schon früher Kenntnis hatte (dazu wurde allerdings bisher kein Beweisverfahren geführt), so hätte dies noch keinen Anlass dafür geboten, auch an eine durch eine Innenprovision verursachte Interessenkollision zu denken. Die Verjährungsfrist für den darauf gestützten Schadenersatzanspruch begann daher erst mit Kenntnis der Innenprovisionen und der insofern unterbliebenen Aufklärung zu laufen.

5.2. Für ein Mitverschulden des Klägers im Hinblick auf den auf das Unterbleiben der Aufklärung über die Innenprovision gestützten Schadenersatzanspruch bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte:

Nach dem Sachverhalt war in den Unterlagen, die der Kläger beim Vertragsabschluss von der Beklagten erhielt, kein Hinweis auf die hier gegenständliche Innenprovision enthalten. Aus welchen Gründen dem Kläger, dem – ohne entsprechendes Vorbringen – weder aufgrund seiner Berufstätigkeit noch aus anderen Gründen besondere Fachkenntnisse im Bereich der Vermögensveranlagung unterstellt werden können, (sonst) ein Mitverschulden am hier wegen der unterbliebenen Information über die Innenprovision geltend gemachten Schaden zuzumessen sein sollte, vermochte die Beklagte nicht zu konkretisieren.

Andere, bisher nicht geprüfte Aspekte des Sachverhalts sind derzeit noch nicht zu beurteilen.

5.3. Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Naturalrestitution liegt, wie der Oberste Gerichtshof bereits in den – ebenfalls „Holland-Fonds“ betreffenden – Entscheidungen 10 Ob 70/15i und 2 Ob 99/16x dargestellt hat, nicht vor:

Entschließt sich der Geschädigte, die unerwünschte Anlage vorläufig zu behalten, besteht ein vereinfacht als „Naturalrestitution“ bezeichneter Anspruch, der auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger gerichtet ist (RIS-Justiz RS0108267 [T15], RS0120784 [T22]; zuletzt 6 Ob 7/15w).

Da die Alternativanlage des Klägers (Vorsorgewohnung) nach den Feststellungen das Kapital erhalten hätte, bestehen keine Bedenken dagegen, den Kaufpreis und nicht etwa die Verschaffung der Alternativanlage zuzusprechen.

Der Kläger hat der Beklagten nach den Entscheidungen der Vorinstanzen Zug um Zug die Abtretung aller Rechte aus den Beteiligungen anzubieten. Nimmt die Beklagte dieses Angebot an, stehen ihr sämtliche Erlöse der Beteiligungen (auch Liquidations- oder Abschichtungserlöse) zu. Insofern ist nicht erkennbar, dass der Abtretung Gründe des Gesellschaftsrechts entgegenstünden. Hingegen könnte es zutreffen, dass eine Übernahme der Gesellschafterstellung der Zustimmung der übrigen Gesellschafter bedarf. Unmöglichkeit der Naturalrestitution (im Sinn eines dauerhaften Hindernisses, vgl RIS-Justiz RS0109496) läge aber nur dann vor, wenn die anderen Gesellschafter ihre Zustimmung bereits verweigert hätten oder schon feststünde, dass sie diese nicht erteilen würden (2 Ob 99/16x; 10 Ob 70/15i).

Abgesehen davon wäre der Kläger nach Annahme des Abtretungsangebots durch die Beklagte jedenfalls aufgrund ergänzender Vertragsauslegung verpflichtet, erforderlichenfalls auf Verlangen (und Rechnung) der Beklagten gegenüber den Gesellschaften oder dem Treuhänder alle zur Verwertung der Anteile oder Erträge erforderlichen Erklärungen abzugeben und einen ihm allenfalls zufließenden Erlös an die Beklagte herauszugeben. Schon das steht der Unmöglichkeit der Naturalrestitution entgegen (so schon 2 Ob 99/16x).

6. Zu den anderen vom Kläger zur Begründung seines Begehrens geltend gemachten Beratungsfehlern hat das Erstgericht bisher (noch) kein Beweisverfahren geführt und keine Feststellungen getroffen. Sollte sich daher im fortzusetzenden Verfahren herausstellen, dass eine Haftung wegen der verletzten Aufklärungspflicht über die Innenprovision hier nicht in Betracht kommt, so wären auch zu diesen Behauptungen entsprechende Feststellungen zu treffen.

7. Der Einwand der Revisionswerber, das Feststellungsbegehren des Klägers sei schon jetzt mangels eines Feststellungsinteresses abzuweisen, trifft nicht zu. Auch zu dieser Frage hat der 2. Senat zu 2 Ob 99/16x bereits Stellung genommen und darauf verwiesen, dass wegen der Rechtsstellung des Anlegers als Kommanditist und den bereits erfolgten Ausschüttungen eine Inanspruchnahme des Anlegers trotz Naturalrestitution in Zukunft nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0038976). Warum dies hier nicht gelten soll, ist dem Vorbringen der Revisionswerber bislang nicht zu entnehmen.

8. Aus den oben dargelegten Gründen ist es daher erforderlich, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

9. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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