OGH 8Ob66/14k

OGH8Ob66/14k23.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Johannes S*****, vertreten durch Dr. Werner Paulinz, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen Leistung und Feststellung (Streitwert 14.176,99 EUR), über die Revisionen der klagenden Partei sowie der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 15. April 2014, GZ 21 R 55/14g‑23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 28. November 2013, GZ 18 C 350/13x‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO);

II. zu Recht erkannt:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

III. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte, ein Versicherungsmakler und Vermögensberater, bewarb auf Informationsveranstaltungen unter anderem ein Anlageprodukt, bei dem der Versicherungsnehmer die Prämien für eine staatlich geförderte Lebensversicherung durch die Aufnahme kurzfristiger Privatkredite finanzieren sollte. Er verwendete für dieses Anlagemodell das Schlagwort „Sparen ohne eigenes Geld“. Die Anlegerin nahm an einer solchen Informationsveranstaltung teil. In der Folge fand am 18. 4. 2008 ein Beratungsgespräch im Büro des Beklagten statt, das von einer Mitarbeiterin des Beklagten geführt wurde. Die Beraterin stellte sich als Mitarbeiterin des Beklagten vor und erklärte unter anderem, dass die Beratungstätigkeit in dessen Namen erfolge. Die Lebensversicherungsverträge sollten eine Laufzeit von mindestens 15 Jahren haben und durch den Abschluss von Kreditverträgen mit einer Laufzeit von jeweils zwei Jahren ausschließlich fremdfinanziert werden. Der Anlegerin wurde dabei ein Gewinn von ca 3.000 EUR je Polizze zugesagt. In der Folge unterfertigte die Anlegerin die Anträge auf Annahme geförderter Lebensversicherungsverträge (mit Kapitalgarantie), und zwar für sich sowie für ihren damals zweijährigen Sohn. Zudem unterfertigte sie zwei Kreditvermittlungsaufträge und eine Reihe von Blankokreditanträgen. In Ausführung der Kreditvermittlungsaufträge vermittelte der Beklagte der Anlegerin und deren Sohn mehrere Kreditverträge mit einer Laufzeit von jeweils 2 Jahren mit einer Valuta von je 2.164 EUR. Entgegen den Erklärungen wurde der Anlegerin in der Folge die Bezahlung von Kreditzinsen und Teiltilgungsbeträgen vorgeschrieben. Im Juni 2010 erkundigte sie sich daher im Büro des Beklagten, ob sie die Zahlungen leisten müsse. In diesem Zusammenhang erklärte der Beklagte, dass er die Anlegerin pfänden lassen werde. Mit 1. 6. 2012 erreichte die Anlegerin die Beitragsfreistellung zu den Lebensversicherungen, um weitere Belastungen mit Kreditzinsen zu vermeiden. Die Anlegerin sowie deren Sohn traten sämtliche Ansprüche aus der fehlerhaften Anlageberatung und Anlagevermittlung im Zusammenhang mit den Lebensversicherungsverträgen und den Kreditverträgen an den Kläger zum Inkasso ab. Die Abtretung der Ansprüche des Kindes wurde pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Mit der am 17. 5. 2013 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger zunächst die Feststellung, dass mit Wirkung zwischen ihm einerseits und dem Beklagten andererseits festgestellt werde, dass der Beklagte für jeden Schaden hafte, der aus der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss der Lebensversicherungen betreffend die Anlegerin und ihren Sohn sowie mit den damit zusammenhängenden Kreditverträgen bisher entstanden, aber noch nicht bezifferbar sei und/oder in Zukunft noch entstehen werde. In der Tagsatzung vom 24. 10. 2013 stellte der Kläger ‑ aus prozessualer Vorsicht ‑ dem Feststellungsbegehren ein Leistungs-Hauptbegehren sowie ein Leistungs-Eventualbegehren voran. Danach begehrte der Kläger die Zahlung der Kreditsummen und der von der Anlegerin geleisteten Kreditzinsen „Zug um Zug gegen die Verpflichtung des Klägers, dem Beklagten den Betrag aus den Lebensversicherungen am Ende ihrer Laufzeit zu erstatten“, in Kombination mit einem Feststellungsbegehren für schon entstandene, aber noch nicht bezifferbare und/oder in Zukunft noch entstehende Schäden. Das Leistungs‑Eventualbegehren bezieht sich auf die bisherigen Kreditzinszahlungen in Kombination mit dem Begehren auf Freistellung von den Verpflichtungen aus den abgeschlossenen Kreditverträgen.

Der Kläger brachte vor, dass der Beklagte als selbständiger Versicherungsmakler die Anlegerin fehlerhaft beraten habe. Der Anlegerin sei das Modell „Sparen ohne Eigenmittel“ angeboten und ihr versichert worden, dass sie keine Eigenmittel aufwenden müsse. Das Anlagemodell sei bereits im Ansatz nicht dazu geeignet gewesen, den Interessen der Anlegerin und ihres Sohnes zu entsprechen. Der Schaden sei schon darin gelegen, dass die Anlegerin das Anlageprodukt bei Kenntnis der wahren Tatsachen nicht erworben hätte.

Der Beklagte entgegnete, dass er selbst keinen Einfluss auf den Abschluss der Lebensversicherungsverträge gehabt habe. Vielmehr sei die Beratung durch eine selbständige Finanzdienstleistungsassistentin erfolgt. Er habe nur die Kreditvermittlung vorgenommen. Ein allfälliger Vermögensnachteil sei darauf zurückzuführen, dass die Versicherungsverträge vor Ablauf der Mindestlaufzeit beitragsfrei gestellt worden seien. Vor Ablauf von 15 Jahren sei aufgrund der staatlichen Förderung eine Auflösung der Versicherungsverträge nicht vorgesehen. Schließlich seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt.

Das Erstgericht wies die Leistungsbegehren (Hauptbegehren und Eventualbegehren) ab, gab dem Feststellungsbegehren aber statt. Die Finanzdienstleistungsassistentin sei Erfüllungsgehilfin des Beklagten gewesen. Ob sie als selbständige Unternehmerin oder unselbständig gehandelt habe, sei nicht entscheidend. Die Beratung der Anlegerin sei mangelhaft gewesen, zumal dieser trotz völliger Fremdfinanzierung ein Gewinn zugesichert worden sei. Auf das Verlustrisiko, das trotz Kapitalgarantie zufolge der erheblichen Finanzierungskosten bestanden habe, sei sie nicht hingewiesen worden. Davon abgesehen sei die Fremdfinanzierung über die gesamte Vertragslaufzeit nicht gesichert gewesen. Der Schaden bestehe darin, dass der Anlegerin und ihrem Sohn ein Anlageprodukt vermittelt worden sei, das diese bei Kenntnis der wahren Tatsachen nicht erworben hätten. Da der rechnerische Schaden nicht bezifferbar sei, sei das rechtliche Interesse für die Feststellungsklage gegeben. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die Anlegerin erst durch weitere Recherchen ab Juni 2010 hätte erkennen können, dass sie mit dem Anlageprodukt getäuscht worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Als bereits entstandener Schaden könne nicht einfach eine beliebige Kreditsumme genannt werden. Im Anlassfall komme hinzu, dass die Kreditaufnahmen nicht als Schaden isoliert betrachtet werden könnten. Vielmehr seien den Kreditaufwendungen die Versicherungsguthaben gegenüberzustellen, zumal die aufgenommenen Kredite und die Versicherungsverträge eine Einheit bildeten. Die Frage, ob die Wertentwicklung der Versicherungsguthaben ausreiche, um die Kredite abzudecken, könne erst in Zukunft beurteilt werden. Für die Fehlberatung durch die Finanzdienstleistungsassistentin habe der Beklagte einzustehen. Er habe nicht nur die Informationsveranstaltungen zum fraglichen Anlageprodukt abgehalten, sondern unter anderem auch die Beratungsprotokolle persönlich unterschrieben. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist könne nämlich nicht beginnen, solange der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgebenden Zusammenhänge habe. Die Anlegerin habe erst nach den ergänzenden Gesprächen im Jahr (richtig) 2010 Zweifel an der Einhaltung der Zusagen bekommen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Judikatur zur Frage der Zulässigkeit von Feststellungsbegehren im Zusammenhang mit Schäden aus einer Anlageberatung uneinheitlich sei. Dies gelte auch für die Fragen, „ob im konkreten Fall die Finanzdienstleistungsassistentin als Erfüllungsgehilfin tätig geworden sei und ob Verjährung vorliege“.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien. Der Kläger begehrt, dem Leistungs‑Hauptbegehren, in eventu, dem Leistungs-Eventualbegehren stattzugeben. Die Revision des Beklagten zielt auf eine gänzliche Klagsabweisung ab.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, der Revision des Klägers den Erfolg zu versagen. Der Kläger begehrt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen, in eventu, dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist ‑ entgegen den nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts ‑ mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Hingegen ist die Revision des Klägers zulässig, weil zum Verhältnis von Leistungsbegehren und Feststellungsbegehren bei Schäden aus einer Anlageberatung eine weitere Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Die Revision des Klägers ist aber nicht berechtigt.

1. Das Vorliegen eines Beratungsfehlers im Zusammenhang mit dem der Anlegerin und deren Sohn vermittelten Anlagemodell wird vom Beklagten nicht mehr bestritten. Der Anlegerin wurde unrichtig zugesichert, dass sie für die Ansparung der Lebensversicherung keine Eigenleistungen erbringen müsse und nach Auslaufen der Lebensversicherungen bei vollständiger Fremdfinanzierung ein Gewinn von ca 3.000 EUR je Polizze erwirtschaftet werde. Auf ein Verlustrisiko im Zusammenhang mit den Kosten aus der Fremdfinanzierung wurde sie nicht hingewiesen. Mit diesem Anlagemodell des Beklagten wurde die Anlegerin getäuscht. An einer fehlerhaften Anlageberatung kann kein Zweifel bestehen.

2.1 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist geklärt, dass ein Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung bereits durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts eingetreten ist. Der Anleger ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt, ihn also richtig aufgeklärt hätte. In diesem Fall hätte der Anleger das nicht gewollte Finanzprodukt nicht erworben. Der reale Schaden besteht grundsätzlich im Erwerb der falschen anstatt der richtigen Anlage.

Nach der Rechtsprechung besteht in einem solchen Fall grundsätzlich ein regelmäßig als „Naturalrestitution“ bezeichneter Anspruch, der auf Rückzahlung des Kaufpreises (Ankaufsfall) bzw auf Ersatz des entgangenen Verkaufserlöses (Verkaufsfall), allerdings Zug um Zug gegen die (Rück‑)Übertragung des Finanzprodukts, gerichtet ist. Dieser Anspruch besteht auch gegenüber dem bloßen Anlageberater (vgl dazu etwa 8 Ob 129/10v; 6 Ob 28/12d jeweils mwN).

Im gegebenen Zusammenhang wird diskutiert, ob und wie der hypothetische Erfolg einer Alternativveranlagung zu berücksichtigen ist. Wenn der Anleger bei richtiger Beratung eine risikolose Anlage gewählt hätte, hätte er jedenfalls das eingesetzte Kapital behalten (4 Ob 67/12z). Sonst ist der Anspruch auf „Naturalrestitution“ auf die Zurverfügungstellung jener Papiere bzw Vermittlung jener Anlagen gerichtet, die der Anleger bei richtiger Beratung erworben hätte. Dies bedeutet, dass die Entwicklung der alternativen Veranlagung zu berücksichtigen ist (2 Ob 17/13h).

2.2 Die Klage auf „Naturalrestitution“ bzw „Naturalersatz“ (Rückforderung des Kaufpreises gegen Übergabe der Papiere oder Austausch der Risikopapiere gegen sichere Wertpapiere) ist somit ab Erhalt des ungewollten Anlageprodukts möglich und setzt eine Bezifferbarkeit des (rechnerischen) Schadens nicht voraus. Davon ist die reine Geldersatzklage zu unterscheiden, mit der der nach der Differenzmethode zu ermittelnde rechnerische Schaden geltend gemacht wird (vgl dazu Prückner , Zum Feststellungsanspruch des geschädigten Anlegers: Feststellungsklage trotz möglicher Leistungsklage? Zak 2012/624, 328).

Der Begriff „Naturalrestitution“ iSd § 1323 ABGB bezieht sich auf die Sachbeschädigung und meint die Schadensbehebung im Sinn einer Naturalherstellung, also die Wiederherstellung des vorigen Zustands. Der Anlegerschaden ist freilich nicht mit der Reparatur einer Sache vergleichbar. Vielmehr soll mit dem Anspruch auf den „Naturalersatz“ eine ungerechtfertigte Bereicherung des Geschädigten dadurch vermieden werden, dass er Zug um Zug zur (Rück‑)Übertragung des Finanzprodukts verpflichtet wird. Damit wird dem Kläger in Wirklichkeit Geldersatz Zug um Zug gegen Rückstellung der Wertpapiere zuerkannt. Die „Naturalrestitution“ bzw der „Naturalersatz“ ist beim Anlegerschaden somit eine besondere (Berechnungs-)Form des Geldersatzes.

3.1 In diesem Zusammenhang wird in der Rechtsprechung nun die Frage der Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens diskutiert.

Allgemein fehlt das Feststellungsinteresse dann, wenn der Kläger bereits eine Leistungsklage erheben kann, deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigt. Während in der früheren Rechtsprechung bei fehlerhafter Anlageberatung davon ausgegangen wurde, dass vor dem Verkauf der Wertpapiere der Ersatzanspruch des Geschädigten noch nicht beziffert werden könne (5 Ob 53/03i) und der Geschädigte, sofern er nicht Naturalrestitution begehre oder die Wertpapiere verkaufe, auf einen Feststellungsanspruch verwiesen sei (8 Ob 123/05d), hat der Oberste Gerichtshof in weiterer Folge ‑ den Grundsatz der Subsidiarität des Feststellungsbegehrens betonend ‑ die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens des Anlegers mit der Begründung verneint, dass diesem die Möglichkeit einer Leistungsklage in Form der „Naturalrestitution“ offenstehe, sodass ihm das nach § 228 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an einem Feststellungsurteil fehle (vgl etwa 5 Ob 129/11y; 1 Ob 208/11m; 6 Ob 28/12d).

3.2 In der Entscheidung 1 Ob 251/11y stellte der Senat 1 des Obersten Gerichtshofs die Überlegung an, dass es nicht sachgerecht sei, den Anleger ausschließlich auf eine Art des Schadenersatzes zu verweisen („Naturalrestitution“), die für ihn gegenüber der anderen (Feststellungsbegehren) aufgrund der Zug‑um‑Zug-Rückabwicklung schwieriger und damit untunlich sei. Davon ausgehend gelangte der Senat 1 zum Ergebnis, dass der Anleger wegen Fehlberatung Geldersatz verlangen könne, wenn der Berater den Naturalersatz ablehne oder Schadenersatz überhaupt verweigere. Wenn der rechnerische Schaden nicht bezifferbar sei, weil der Anleger das Erworbene noch habe, könne er ein auf Feststellung der Geldersatzpflicht gerichtetes Feststellungsbegehren erheben.

Diese Entscheidung spricht jedenfalls nicht klar für die Bejahung eines allgemeinen Wahlrechts des geschädigten Anlegers zwischen einem Leistungsbegehren in Form der „Naturalrestitution“ und einem Feststellungsbegehren (vgl Prückner aaO 330). Vielmehr wird auf Fälle der Untunlichkeit der „Naturalrestitution“ Bezug genommen. Außerdem wird in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass dem Senat 1 die rechtsdogmatische Diskussion noch nicht abgeschlossen erscheine.

Davon abgesehen sind die Aussagen zu hinterfragen, dass der Schaden nicht bezifferbar sei, wenn der Anleger das Erworbene noch habe, sowie dass das Feststellungsinteresse nicht verneint werden könne, zumal dem Anleger das Wahlrecht zwischen „Naturalersatz“ und Differenzanspruch in Geld zustehe. Beim Begehren auf „Naturalersatz“ muss der rechnerische Schaden gerade nicht bezifferbar sein. Sind die Wertpapiere noch nicht verkauft, so besteht beim Anlegerschaden gerade kein Wahlrecht zwischen „Naturalersatz“ und Differenzanspruch. Aus diesem Grund besteht auch kein Vorrang der „Naturalrestitution“ gegenüber dem reinen Geldersatz, der kritisch in Frage gestellt werden müsste.

3.3 Ganz allgemein gilt, dass der Feststellungskläger sein rechtliches Interesse zu behaupten und zu beweisen hat (RIS‑Justiz RS0109832; RS0106638). Davon ausgehend ist unstrittig, dass ein Feststellungsbegehren für nicht bezifferbare Folgeschäden sowie für potentielle künftige Schäden, sofern sie nicht auszuschließen sind, gerechtfertigt ist ( Prückner aaO 330). Ein Feststellungsinteresse resultiert aber nicht schon allein aus den mit einer „Naturalrestitution“ („Naturalersatz“) allenfalls verbundenen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Zug‑um‑Zug‑Rückabwicklung oder der Ermittlung der Alternativveranlagung.

Demnach ist ein Feststellungsbegehren im gegebenen Zusammenhang dann zulässig, wenn der Kläger ein besonderes Feststellungsinteresse behauptet und nachweist. Ein solches kann in der Uneinbringlichkeit der Ersatzforderung etwa wegen Zahlungsunfähigkeit des Beklagten (1 Ob 251/11y) oder in der Untunlichkeit der „Naturalrestitution“ bestehen. Eine solche Untunlichkeit ist im Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der sofortigen Rückabwicklung etwa wegen der Beteiligung Dritter zu bejahen, zB bei einer Kombination von fondsgebundener Lebensversicherung und Kreditvertrag (3 Ob 49/12p) oder von Fremdwährungskredit und Tilgungsträger (vgl Prückner aaO 331), bei der Rückabwicklung eines Bauherrenmodells durch die Übertragung von Miteigentumsanteilen (1 Ob 208/11m) oder bei der Rückübertragung einer Kommanditeinlage an einer GmbH & Co KG (vgl 8 Ob 135/10a). Daneben kommt ein Feststellungsbegehren ‑ zusätzlich zu einem Leistungsbegehren in Form der „Naturalrestitution“ ‑ insoweit in Betracht, als der Kläger behauptet und nachweist, dass ihm zusätzlich künftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden entstehen können (8 Ob 39/12m).

4.1 Im Anlassfall stellt sich nun nicht die Frage, nach einem ‑ in allgemeiner Form abzulehnenden ‑ Wahlrecht zwischen einem Leistungsbegehren (auf „Naturalrestitution“) und einem Feststellungsbegehren. Vielmehr beharrt der Kläger auf der Subsidiarität des Feststellungsbegehrens und beruft sich damit auf die Stattgebung der Leistungsbegehren.

Diesem Ansatz könnte von vornherein nur dann Erfolg beschieden sein, wenn der Kläger ein zulässiges Leistungsbegehren erhoben hätte. Dies ist allerdings nicht der Fall.

Ausgangspunkt der in der Rechtsprechung anerkannten Leistungsklage auf „Naturalersatz“ ist die Rückforderung des Kaufpreises gegen Übergabe der Wertpapiere oder Austausch der Risikopapiere gegen sichere Wertpapiere. Demgegenüber begehrt der Kläger mit seinem Leistungs-Hauptbegehren den Betrag zur Tilgung der Kredite (Kreditsummen und geleistete Kreditzinsen) in Kombination mit einem Feststellungsbegehren für weitere (schon entstandene und künftige) Schäden aus den Lebensversicherungen und Kreditverträgen, wobei sich die Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung auf die Auszahlungsbeträge aus den Lebensversicherungen zum Ende der Vertragslaufzeit beziehen soll. Das Leistungs‑Eventualbegehren bezieht sich auf die bisherigen Kreditzinszahlungen der Anlegerin in Kombination mit dem Anspruch auf Freistellung von der Leistungspflicht aus den abgeschlossenen Kreditverträgen.

Derartige Ansprüche werden im Rahmen des „Naturalersatzes“ bei Anlegerschäden von der Judikatur nicht zugelassen.

4.2 Überlegenswert wäre allenfalls, ob unter bestimmten Voraussetzungen auch im Fall, dass der Anleger das Anlageprodukt noch hält, eine endgültige Schadensberechnung im Sinn eines echten Geldersatzbegehrens in Betracht kommen kann. Dazu könnte die Überlegung ins Treffen geführt werden, dass der Geschädigte naheliegende zweckmäßige Maßnahmen ergreifen muss, um eine Bezifferung des (rechnerischen) Schadens zu ermöglichen und somit die Voraussetzungen für eine echte Geldersatzklage zu schaffen (RIS‑Justiz RS0118968; vgl auch Trenker, Die hypothetische Alternativveranlagung, ÖJZ 2013/2, 11). Gibt der Geschädigte somit zu erkennen, die ungewollten Wertpapiere nicht mehr haben und den Schaden endgültig liquidieren zu wollen, so könnte rein rechnerisch der Verkauf der Wertpapiere unterstellt und deren Kurswert zum maßgebenden Zeitpunkt angerechnet werden. Durch die Verpflichtung zur Zug‑um‑Zug‑Herausgabe der Wertpapiere könnte eine Bereicherung des Geschädigten vermieden werden.

Auch einen solchen Weg hat der Kläger allerdings nicht beschritten.

4.3 Entgegen der Ansicht des Klägers liegt hier - ähnlich wie zu 3 Ob 49/12w ‑ ein Fall vor, in dem der Anleger nicht bloß ein Anlageprodukt (zB Aktien oder sonstige Wertpapiere) erworben hat, das im Rahmen einer Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung zurückgegeben werden könnte. Vielmehr wurden mehrere Verträge mit verschiedenen Vertragspartnern abgeschlossen, weshalb zufolge der Beteiligung Dritter die Naturalrestitution als untunlich angesehen werden muss.

5.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Bei einer fehlerhaften Anlageberatung tritt der (reale) Schaden des Anlegers bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte ein. In diesem Fall gebührt dem Anleger grundsätzlich ein Anspruch auf „Naturalersatz“ in der Form, dass ihm Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere der zu deren Erwerb gezahlte Kaufpreis abzüglich erhaltener Zinsen bzw Dividenden zurückzuzahlen (Ankaufsfall) bzw der entgangene Verkaufserlös zu ersetzen ist (Verkaufsfall). Im Allgemeinen ist zudem die Entwicklung der gewünschten alternativen Veranlagung zu berücksichtigen. Der „Naturalersatz“ ist beim Anlegerschaden eine besondere Form des Geldersatzes. Eine Feststellungsklage des Anlegers ist dann zulässig, wenn dieser behauptet und nachweist, dass die „Naturalrestitution“ untunlich ist. Zusätzlich zu einem Leistungsbegehren in Form der „Naturalrestitution“ kommt ein Feststellungsbegehren insoweit in Betracht, als der Anleger behauptet und nachweist, dass ihm künftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden entstehen können.

5.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang. Damit haben sie zu Recht nur dem Feststellungsbegehren des Klägers stattgegeben. Die Revision des Klägers erweist sich damit als nicht berechtigt.

6.1 Die Revision des Beklagten betrifft keine erhebliche Rechtsfrage.

Die Grundsätze für die Zurechnung einer Person als Erfüllungsgehilfe des haftpflichtigen Vertragspartners sind in der Rechtsprechung längst geklärt (s dazu 8 Ob 53/14y mwN). Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen nicht abgewichen.

Das Verhalten eines (auch) selbständigen Beraters ist einem Finanzdienstleister (zB Bank, Versicherungsmakler, Vermögensberater) iSd § 1313a ABGB dann zuzurechnen, wenn der Berater im Pflichtenkreis des Geschäftsherrn tätig wird und sich der Geschäftsherr zur Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Kunden des Gehilfen bedient. Ein Beratungsfehler ist also dann zuzurechnen, wenn dem Geschäftsherrn selbst eine entsprechende Beratungspflicht trifft, für deren Erfüllung er sich des Gehilfen bedient (8 Ob 104/12w; 8 Ob 25/14f). Selbst bei einem arbeitsteiligen Vertrieb durch einen kundennäheren (selbständigen) Berater und einem kundenferneren Finanzdienstleister wird das Verschulden des Beraters nach § 1313a ABGB dem Finanzdienstleister zugerechnet, wenn ein wirtschaftliches Naheverhältnis besteht und der Berater als ständiger Vertriebspartner fungiert (4 Ob 129/12t; 10 Ob 34/13t).

6.2 Im Anlassfall besteht überhaupt kein Zweifel, dass die „Finanzdienstleistungsassistentin“ dem Beklagten zuzurechnen ist, wenn der Beratungs‑ bzw Vermittlungsvertrag mit diesem zustande gekommen ist.

Auch daran besteht kein Zweifel. Nach den Feststellungen wurde das fragliche Anlagemodell durch den Beklagten beworben, fand die Beratung der Anlegerin im Büro des Beklagten statt, wo sich auch dieser aufhielt, stellte sich die Finanzdienstleistungsassistentin als Mitarbeiterin des Beklagten vor und erklärte, dass die Beratung in dessen Namen erfolge. Weiters hatte der Beklagte die Blankokreditanträge auszufüllen, die Beratungsprotokolle hat er persönlich unterfertigt.

Davon ausgehend ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die „Finanzdienstleistungsassistentin“ Erfüllungsgehilfin des Beklagten gewesen sei, keinesfalls korrekturbedürftig.

7. Die Grundsätze zur Beurteilung der Verjährung von Schadenersatzansprüchen nach § 1489 ABGB sind in der Rechtsprechung ebenfalls gesichert (RIS‑Justiz RS0034951; RS0034374; vgl auch 7 Ob 18/13t). Die Vorinstanzen haben auch diese Rechtslage beachtet.

Bei der Frage, wann die Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist gegeben sind, handelt es sich um eine typische Einzelfallbeurteilung. Die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass für die Anlegerin die durch das fragliche Anlagemodell erfolgte Täuschung erst im Zuge des weiteren Gesprächs im Juni 2010 erkennbar gewesen sei und ihr keine Verletzung der Erkundigungsobliegenheit angelastet werden könne, hält sich jedenfalls im Rahmen der Rechtsprechung.

Mangels erheblicher Rechtsfrage war die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten hingewiesen. Die wechselseitigen Kostenersatzansprüche im Revisionsverfahren sind gleich hoch, weshalb sie sich gegenseitig aufheben.

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