OGH 5Ob129/11y

OGH5Ob129/11y25.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt R*****, vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Bernhard B*****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 27.554,64 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 16. März 2011, GZ 22 R 92/11z-22, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 29. November 2010, GZ 23 C 810/09p-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.538,28 EUR (darin 256,38 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte gegenüber dem - im Anlassfall als Vertriebspartner auf Provisionsbasis im Namen und auf Rechnung der A***** AG (folgend: A AG) tätig gewesenen - Beklagten wegen vermeintlich unvollständiger und unrichtiger Beratung die Feststellung der Haftung für sämtliche Schäden und Nachteile, die dem Kläger dadurch entstehen, dass

a) die A AG ihre Genussscheine nicht zu näher bezeichneten Konditionen zurückgekauft hat;

b) der Beklagte anlässlich des Erwerbs der Genussscheine behauptet habe, es handle sich dabei um eine absolut sichere Anlageform und es sei eine jährliche Rendite von 9 % garantiert, und

c) keine Aufklärung über die Risikoträchtigkeit und die Möglichkeit eines gänzlichen oder teilweisen Totalverlustes der Anlageform erfolgt sei.

Hilfsweise begehrte der Kläger vom Beklagten die Zahlung von 27.849,45 EUR sA Zug um Zug gegen Überlassung der Genussscheine.

Das Erstgericht wies Haupt- sowie Eventualbegehren ab und war dabei rechtlich der Ansicht, dass dem Beklagten kein schuldhafter Beratungsfehler anzulasten sei.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge; es war im Wesentlichen der Rechtsmeinung, dass zwischen den Parteien weder schlüssig ein Auskunftsvertrag (Beratungsvertrag) zustandegekommen sei noch die Voraussetzungen für die - eine seltene Ausnahme bildende - Eigenhaftung des Vertreters vorlägen, womit es an der Passivlegitimation des Beklagten fehle.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Wenngleich die Frage der Haftung des Anlageberaters stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhänge und daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage darstelle, deren Bedeutung über den konkreten Einzelfall hinausreiche, sei doch zu berücksichtigen, dass der A*****-Skandal eine große Zahl von Anlegern betreffe, sodass der vorliegende Fall, wenngleich naturgemäß nur das konkrete Verhältnis zwischen dem Kläger und dem einzelnen Anlageberater beurteilt werden könne, doch auch für andere Geschädigte Bedeutung haben könne. Die Revision sei daher im Interesse der Rechtssicherheit zuzulassen. Im Übrigen fehle höchstgerichtliche Judikatur zu den erheblichen Rechtsfragen, (1.) ob ein konkludenter Auskunftsvertrag iSd § 1300 ABGB dadurch ausgeschlossen werde, dass sich ein in Wertpapierangelegenheiten erfahrener Interessent vor der Kapitalanlage bei anderen Quellen über die konkrete Anlagemöglichkeit informiere, und (2.) ob eine langjährige Beratertätigkeit verbunden mit einer Freundschaft zwischen den Frauen des Anlageberaters und des Interessenten, die auch zu privaten Kontakten führe, ein besonderes Vertrauensverhältnis im Sinn der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Eigenhaftung des Vertreters begründe.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO kurz zu begründen ist:

1. Der Umstand alleine, dass (allenfalls) aufgrund der Tätigkeit eines bestimmten Unternehmens eine größere Anzahl von Geschäftsfällen Gerichtsverfahren nach sich ziehen (könnten), bewirkt allein nicht die Erheblichkeit einer bestimmten, in einem einzelnen Verfahren zu lösenden Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0042816). Dies zeigte sich auch schon im vorliegenden Zusammenhang, war doch der Oberste Gerichtshof betreffend den Verkauf von Genussscheinen der A AG bereits mit Fällen befasst, in denen durchaus unterschiedliche, jedoch nicht erhebliche Rechtsfragen an ihn herangetragen wurden (vgl 2 Ob 53/10y RdW 2011/20 = ÖBA 2011/1707; 6 Ob 221/10h ÖBA 2011/1696).

2. Der Kläger verweist auf Geschäftskontakte mit dem Beklagten von 2005 bis 2007 im Zusammenhang mit der Änderung von Versicherungen, dem Erwerb von Fondsanteilen und die Umschuldung von Krediten betreffend Lokale des Klägers und will daraus einen schlüssig unmittelbar mit dem Beklagten persönlich zustande gekommenen Beratungsvertrag ableiten. Dabei verkennt der Kläger allerdings, dass der Beklagte alle diese Geschäftsfälle (ebenfalls) nicht im eigenen Namen persönlich, sondern im Namen und auf Rechnung der F***** GmbH betreut und abgewickelt hat. Zusagen des Beklagten im Sinn einer Renditegarantie stehen nicht fest. Die Behauptung des Klägers, dass er sich an den Beklagten gewandt habe, weil er dessen Kenntnisse, Erfahrungen und Verbindungen in versicherungsrechtlicher und finanzieller Hinsicht habe nutzen wollen, ist eine durch den festgestellten Sachverhalt nicht gedeckte Schlussfolgerung, beschränkte sich die Tätigkeit des Beklagten im vorliegenden Kontext doch hauptsächlich auf die Vorlage und Erklärung einzelner Punkte des Ausgabeprospekts und einer Liste der größeren Unternehmen, in die die A AG investiert habe. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen das - ohnehin nur unter größter Vorsicht und nach einem strengen Maßstab anzunehmende (RIS-Justiz RS0013947) - Vorliegen eines unmittelbar zwischen den Parteien schlüssig zustande gekommenen Beratungsvertrags verneinte, liegt darin keine als unvertretbar aufzugreifende Fehlbeurteilung.

3. Zu den vom Berufungsgericht und vom Kläger relevierten Voraussetzungen für die Eigenhaftung eines Vertreters existieren bereits zahlreiche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0019726). Demnach kann es dann zu einer eigenen Haftung des Erfüllungsgehilfen kommen, wenn sein Verhalten keinem Geschäftsherrn zugerechnet werden kann, wenn er ein ausgeprägtes eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrags hatte oder wenn er bei den Vertragsverhandlungen im besonderen Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nahm. Stets muss die Eigenhaftung des Vertreters jedoch die seltene Ausnahme bleiben (9 Ob 5/10s EvBl 2011/54 [Brunner] = ecolex 2011/122). Der Beklagte behauptet insoweit ein spezielles Vertrauensverhältnis, weil ihm der Beklagte „Jahre hindurch umfassende auch werbende Informationen in einzelnen Angelegenheiten erteilt … (und) eine jahrelang bestehende Freundschaft“ vorgelegen sei. Auch diese Behauptung ist durch die Feststellungen des Erstgerichts nicht gedeckt, gehen doch daraus trotz mehrjähriger Kontakte der Parteien nur wenige Geschäftsfälle hervor und das „freundschaftliche Verhältnis“ betrifft vornehmlich jenes zwischen der Lebensgefährtin des Klägers und der Ehefrau des Beklagten. Dass der Beklagte schließlich gerade bei den Vertragsverhandlungen im besonderen Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und vom Beklagten auch zugebilligt bekommen habe, ist dem festgestellten Sachverhalt auch nicht andeutungsweise zu entnehmen. Immerhin erkundigte sich der Kläger auch „eine Zeit lang bei anderen Quellen“ über die A AG. Auch die Verneinung der Voraussetzungen für die Eigenhaftung des bekanntermaßen im Namen und auf Rechnung der A AG tätig gewesenen Beklagten durch das Berufungsgericht ist somit im vorliegenden Fall keine unvertretbare Rechtsansicht.

4. Hat das Berufungsgericht das (schlüssige) Zustandekommen eines Beratungsvertrags unmittelbar zwischen den Parteien und die Eigenhaftung des Beklagten als Vertreter ohne aufzugreifende Verkennung der Sach- und Rechtslage verneint, so fehlt es aber, wie vom Berufungsgericht richtig erkannt, an der Passivlegitimation des Beklagten. Auf allfällige, dann nicht dem Beklagten zuzurechnende Beratungsfehler muss daher nicht eingegangen werden. Auch die - nur am Rande und überdies losgelöst vom festgestellten Sachverhalt - angesprochene Frage der Irrtumsanfechtung stellt sich im Verhältnis der Streitteile nicht.

Da der Kläger somit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist seine Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und deshalb zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).

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