OGH 3Ob49/12w

OGH3Ob49/12w14.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** R*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 30.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2012, GZ 4 R 531/11d-27, womit über die Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 22. Juli 2011, GZ 20 Cg 267/09i-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Vertretungskosten in den Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 648 EUR bestimmten Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Dezember 2005 schloss der Kläger nach Beratung durch einen ihm bereits persönlich bekannten Anlageberater Verträge über das fremdfinanzierte Pensionsvorsorgemodell „L*****“ ab.

Dieses Pensionsvorsorgemodell ist eine Konstruktion, die auf einer von einer Versicherungsgesellschaft angebotenen Garantiepension (Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung aufgrund eines Einmalerlags) beruht. Der Einmalerlag wird durch einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken von einer österreichischen Bank finanziert. Dieser Kredit ist nach 18 Jahren endfällig, die laufenden Zinszahlungen werden aus den sofort fälligen monatlichen Rentenzahlungen aus der Lebensversicherung beglichen. Die darüber hinausgehenden Mittel aus den monatlichen Rentenzahlungen dienen für die ersten 15 Jahre zur Dotierung eines aktienbasierten Tilgungsträgers einer weiteren Versicherungsgesellschaft, mit dem der endfällige Kredit zurückgezahlt werden soll. Gleichzeitig dient die sofort fällige Rentenversicherung mit Einmalerlag als Besicherung für den Fremdwährungskredit. In den ersten 15 Jahren sind die monatlichen Raten aus der Rentenversicherung fest, danach richten sie sich nach der tatsächlich im vorangegangenen Zeitraum erzielten Performance.

Der dem Kläger bereits von früheren Geschäften bekannte Anlageberater erklärte, für die Beklagte tätig zu werden und verfügte über entsprechende Visitkarten und eine E-Mail-Adresse der Beklagten. Er war für sie als selbständiger Vermögensberater tätig. Neben einem Provisionsvertrag für Wertpapierverkäufe, der eine Provisionsteilung zwischen dem Anlageberater und der Beklagten vorsah, bot die Beklagte dem Anlageberater auch andere Produkte zum Vertrieb an, unter anderem auch das hier gegenständliche Pensionsvorsorgemodell. Die Beklagte war der ausschließliche Vertriebspartner jener Gesellschaft, die das Pensionsvorsorgemodell entwickelt hatte. Der Anlageberater stand in keiner Vertragsbeziehung zu dieser Gesellschaft.

Der Anlageberater stand nicht nur mit dem Kläger sondern auch mit dessen Geschäftspartner (Miteigentümer des gemeinsamen Unternehmens) in Geschäftsbeziehung. Dabei erwähnte er auch das hier gegenständliche Vorsorgemodell. Dabei erläuterte er die Struktur dieses Produkts, wobei beim Fremdwährungskredit auch das Währungs- und Zinsrisiko zur Sprache kamen. Er schilderte diese Risken dem Kläger jedoch als gering. Dass Währungsschwankungen bis 20 % auftreten können, erläuterte er ihm nicht, weil er dies selbst nicht für möglich hielt. Darüber hinaus meinte er, in diesem Modell seien ausreichende Liquiditätsreserven enthalten. Der Kläger teilte dem Anlageberater mit, dass er eine „sichere“ Veranlagung wünsche und keine Eigenleistung dafür erbringen wolle. Zur Steigerung der Sicherheit des Modells und früheren Tilgung des Kredits vereinbarte der Kläger mit dem Anlageberater dennoch eine Eigenleistung von 50 EUR monatlich.

In der Folge unterzeichnete der Kläger einen „Zeichnungsschein“, mit dem er um Vorbereitung sämtlicher produktspezifischer Anträge und sonstigen Unterlagen für das Pensionsvorsorgemodell ersuchte. Darin sind unter anderem die Höhe der fremdfinanzierten Rentenversicherung mit 300.000 EUR sowie die Voraussetzung für einen Abschluss des Pensionsvorsorgemodells in Form der Gewährung der erforderlichen Gesamtfinanzierung in Höhe von 318.000 EUR mit einer Laufzeit von 18 Jahren in Schweizer Franken sowie die monatliche Eigenleistung des Klägers von 50 EUR erwähnt. Diesen Zeichnungsschein leitete der Anlageberater an die Beklagte weiter, die ihn an die Gesellschaft übermittelte, die das Pensionsvorsorgemodell auf den Markt gebracht hatte. Nach Bearbeitung der Unterlagen und Zuweisung einer finanzierenden Bank schickte diese Gesellschaft ein Konvolut von Unterlagen (Versicherungsanträge, Kreditanträge, Auszahlungs-anweisungen, Belehrungen, etc) an die Beklagte, welche sie an den Anlageberater weiterleitete. Dieser legte dem Kläger diverse Unterlagen vor, darunter auch ein Informationsblatt, eine Erklärung und den Antrag auf bargeldlose Rentenzahlung, gerichtet an die Versicherungsgesellschaft für die Einmalerlagrentenversicherung. In diesem Informationsblatt, das der Kläger am 7. Dezember 2009 unterzeichnete, findet sich unter anderem der Hinweis, dass die Angaben über die Bonusrente auf Schätzungen beruhen, denen die gegenwärtigen Verhältnisse zugrunde gelegt wurden, weil die in den künftigen Jahren erzielbaren Überschüsse nicht vorausgesehen werden können. Die Angaben seien daher unverbindlich. Bei einer ungünstigen Entwicklung des Kapitalmarkts könne es daher - trotz vorsichtiger Einschätzung - zu Änderungen bei der Gesamtrente kommen. Falls die tatsächliche Entwicklung des Tilgungsträgers unter der kalkulierten Beitragsrendite von 6 % per anno liege, könne der Kredit nicht zur Gänze abgedeckt werden. Der offene Kreditbetrag sei in diesem Fall aus der Rentenzahlung und/oder durch Eigenmittel zu begleichen. Falls sich der Tilgungsträger besser als kalkuliert entwickle, stehe das zusätzliche Vermögen - nach Kapitalabdeckung - zur freien Verfügung. Ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass aus den Entwicklungen der Vergangenheit keinesfalls Prognosen für die Zukunft abgeleitet werden könnten. Der Kläger bestätigte, dass keine mündlichen Nebenabreden getroffen worden seien und er das Informationsblatt beidseitig gelesen und zur Kenntnis genommen habe. Die vom Kläger ebenfalls unterfertigte Erklärung enthielt unter anderem den ausdrücklichen Hinweis, dass es sich bei den kreditfinanzierten Tilgungsträgern um eine spekulative Veranlagung handle und auch ein teilweiser Verlust des Kapitals möglich sei, weshalb in einem solchen Fall die Rückführung des Kredits zum Teil oder zur Gänze aus Mitteln des Kreditnehmers zu erfolgen habe, weil der aus den Tilgungsträgern in künftigen Jahren erzielbare Überschuss nicht vorausgesehen werden könne und die Zahlenangaben oder die Gewinnbeteiligung auf Schätzungen beruhten sowie bei ungünstigen Entwicklungen des Kapitalmarkts eine Änderung der prognostizierten Auszahlung erfolgen könne. All diese Unterlagen unterzeichnete der Kläger im Vertrauen auf die Angaben des Anlageberaters, ohne sie vorher durchgelesen zu haben.

Die finanzierende Bank gewährte dem Kläger am 30. November 2005 einen Kredit über 318.000 EUR, Verwendungszweck war der Einmalerlag für die Rentenversicherung mit einer Versicherungssumme von 300.000 EUR. Außer der Vereinbarung, dass es sich um einen fixen Zinssatz pro Zinsperiode handle, war kein gesonderter Zinssatz angegeben. Nur für weitere Zinsperioden war eine Marge von 1,375 % über dem Indikator (3-Monats-LIBOR) angeführt. Die Versicherungsgesellschaft stellte eine Lebensversicherungspolizze mit einer vertraglichen Rente von monatlich 1.188,05 EUR und einer Bonusrente von 343,50 EUR aus. Darin ist auch angeführt, dass sich 15 Jahre nach Rentenzahlungsbeginn die vertragliche Rente vermindert und deren Höhe dem Gewinn- und Abrechnungsverband gemäß § 16 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen unterliegt. Weiters wird die Rentenzahlung jedenfalls für 28 Jahre garantiert, auch, wenn die versicherte Person davor stirbt.

Der Versicherungsschein für die weitere Lebensversicherung sieht einen monatlichen Beitrag in Höhe von 923 EUR ab 1. Dezember 2005 bis zum 1. November 2020 vor. Der Rentenbeginn/die Fälligkeit der Kapitalabfindung ist mit 1. Dezember 2023 angegeben. Zugesichert wird eine Jahresrente in Höhe von 8.370,72 EUR und eine alternative garantierte Kapitalabfindung in Höhe von 163.996 EUR. Dieser Betrag sollte zur Tilgung des Fremdwährungskredits verwendet werden. Die Provisionen wurden aus einem den notwendigen Kreditbetrag übersteigenden Kreditteil finanziert und an die Gesellschaft überwiesen, die das Vorsorgemodell entwickelt hatte. Diese leitete sie dann an die Beklagte und einen Steuerberater weiter, der Anlageberater bekam seine Provision von der Beklagten. Der Kläger hatte keinen direkten Kontakt mit Vertretern der finanzierenden Bank.

Aufgrund der Entwicklung auf den Finanzmärkten kam es zu einer Umstellung der Bewertung der Kreditrisiken. Deshalb richtete die finanzierende Bank ein Schreiben an den Kläger, in dem sie diesen aufforderte, eine aufgrund der nunmehr niedrigeren Renditeerwartung entstandene Deckungslücke durch höhere monatliche Zahlungen abzudecken.

Der Kläger begehrte gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass sie für sämtliche Schäden, Folgen und Nachteile aus der Zeichnung des Pensionsvorsorgemodells vom 7. Dezember 2005 hafte. Er habe die kreditfinanzierte Rentenversicherung aufgrund der Zusicherung der Beklagten gezeichnet, dass keinerlei Eigenmittel erforderlich seien und die Fremdmittel im Zeitverlauf durch die Vermögensveranlagung getilgt würden, im Ergebnis also letztlich Rentenzahlungen lukriert würden, ohne hiefür irgendeine Gegenleistung erbringen zu müssen. Tatsächlich habe er seit Herbst 2008 beträchtliche monatliche Mittel zuschießen müssen, weil eine Deckungslücke zwischen Kredit und Tilgungsträger entstanden sei. Über dieses Risiko habe ihn die Beklagte nicht aufgeklärt, weshalb sie ihm für den daraus resultierenden Schaden hafte.

Die Beklagte wendete ein, der Kläger sei eingehend darüber informiert worden, dass dieses Produkt neben Chancen auch Risiken beinhalte, weil die für eine Zukunftsbetrachtung notwendigen Daten auf Annahmen beruhten, sodass das wirtschaftliche Ergebnis auch besser oder schlechter ausfallen könne, sowie dass es sich bei einem kreditfinanzierten Tilgungsträger um eine spekulative Veranlagung handle, daher auch ein teilweiser Verlust des Kapitals möglich sei und die Rückführung des Kredits diesfalls zum Teil oder zur Gänze aus Mitteln des Kreditnehmers selbst zu erfolgen habe. Im Übrigen treffe den Kläger an dem von ihm behaupteten Schaden das ganz überwiegende Mitverschulden. Er habe blanko Unterschriften geleistet und es unterlassen, die Unterlagen nach deren Übermittlung durch die Beklagte durchzulesen.

Das Erstgericht gab der Klage zur Hälfte statt und wies sie im Übrigen ab. Das Pensionsvorsorgemodell sei ein äußerst komplexes Konstrukt, das mehrere - auch einzeln - risikoträchtige Finanzierungs-, Versicherungs- und Währungsinstrumente bündle. Der Kläger sei zwar im Zuge der Zeichnung dieses Modells im Rahmen der schriftlichen Risikoaufklärung zu den einzelnen Teilgeschäften auf Gefahren und Unsicherheiten hingewiesen worden, das Zusammenspiel all dieser Faktoren zu erkennen, sei jedoch einem Laien im Zusammenhang mit der - auf den ersten Blick plausiblen - Erklärung, dass „Kredit- und Anlagezinsen parallel laufen“ und sich Risiken im Zusammenspiel aller Komponenten ausgleichen, nicht zuzumuten. Hiedurch sei eine nicht vorhandene Sicherheit suggeriert worden. Dass diese Sicherheit nicht bestanden habe, sei notorisch. Es liege im Wesen derartiger Systeme, dass das Verhalten von Finanzmärkten auch von Experten nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden könne. Deshalb hätte der Berater auf dieses Risiko und die Nichtvorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklung und damit auch auf die Unsicherheit der Risikoeinschätzung ausdrücklich hinweisen müssen. Die Beratung sei daher pflichtwidrig erfolgt. Da das angebotene Modell im Wesentlichen aber darauf hinauslaufe, dass dem Zeichner nach Ablauf von 18 Jahren eine monatliche Rente geschenkt werde und ein derartiger Vorgang im modernen Wirtschaftsleben ungewöhnlich sei, hätte der Kläger misstrauisch sein müssen. Er habe unverständlicherweise die ihm unterbreiteten Unterlagen nicht genauer gelesen. Erfahrungsgemäß gäbe es bei derartigen Gelegenheiten, die zu schön seien, um wahr zu sein, einen oder auch mehrere Haken. Dies wäre dem Kläger, hätte er sich mit den Unterlagen entsprechend eingehend auseinandergesetzt, auch klar geworden. Es treffe ihn daher ein 50%iges Mitverschulden.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Der Berater habe dem Kläger die überaus komplexe Struktur des Produkts, insbesondere den Teilaspekt eines Fremdwährungskredits einschließlich des damit verbundenen grundsätzlichen Währungs- und Zinsrisikos schon beim Erstgespräch offen gelegt. Aus der Vereinbarung einer monatlichen Eigenleistung von 50 EUR „zur Steigerung der Sicherheit“ und früheren Tilgung des Kredits folge, dass der Kläger zwar ursprünglich ein sich zur Gänze selbst finanzierendes Modell (keine Eigenleistung) angestrebt habe, jedoch im Hinblick auf die schließlich doch vereinbarte Eigenleistung bereits frühzeitig erkannt habe, dass maximaler Profit bei minimalem Risiko ein in der Realität schlicht unmögliches Ziel sei. Für beide Gesprächspartner sei somit vom Beginn an die Erkenntnis offen gelegen, dass der gewünschte Erfolg des Modells keineswegs gewiss („sicher“) sei, ansonsten eine „Steigerung der Sicherheit“ von vornherein entbehrlich gewesen wäre. Der Berater habe daher davon ausgehen dürfen, dass dem Kläger die grundsätzliche Risikogeneigtheit des Produkts sehr wohl klar gewesen sei, was im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Fremdwährungskredit und Tilgungsträger auch völlig offensichtlich gewesen sei. Überdies habe der Berater bei einem derart komplexen Produkt, dessen Details allein verbal kaum ausreichend erklärbar erscheinen, davon ausgehen dürfen, dass der Kläger die ihm noch vor definitiver Zeichnung im Zuge der weiteren Umsetzung übergebenen schriftlichen Risikoinformationen sehr wohl beachten werde. Nicht festgestellt sei auch eine Zusage, wonach die monatliche Eigenleistung von 50 EUR mit Gewissheit ausreichend sei. Der Berater habe daher auch insofern annehmen dürfen, dass der Kläger angesichts der Unwägbarkeiten der zukünftigen Entwicklung eine eigenverantwortliche Anlageentscheidung im Bewusstsein getroffen habe, dass diese Eigenmittel bei negativer Entwicklung für die Kredittilgung letztlich nicht ausreichen würden. Es sei völlig unverständlich, dass der Kläger die ihm in der Folge unterbreiten Unterlagen nicht genauer gelesen habe. Nicht erkennbar sei, welcher konkrete Beratungsinhalt noch erforderlich gewesen wäre, jedoch unterblieben sei. Dass die Tilgung des Fremdwährungskredits problematisch werden könne, wenn sich die Fremdwährung und/oder der Tilgungsträger negativ entwickelten, sei auf der Hand gelegen. Worüber genau der Kläger hiezu weitere Aufklärung hätte erwarten dürfen oder welches konkrete Schutzbedürfnis insoweit noch bestanden hätte, sei nicht ersichtlich. Dass sich ein anderes Risiko als die jeder solchen Veranlagung immanente ungünstiger als erhoffte Entwicklung verwirklicht hätte, dem Produkt also ein struktureller anderer aufklärungsbedürftiger Umstand nachteilig angehaftet sei, sei nicht ersichtlich. Ein relevanter Beratungsfehler als Grundlage für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch fehle daher.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er die gänzliche Klagestattgebung anstrebt, ist infolge aufzugreifender Fehlbeurteilung des festgestellten Sachverhalts zulässig und im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils teilweise berechtigt.

Auszugehen ist davon, dass der Kläger die Feststellung der Haftung der Beklagten für seinen Vertrauensschaden begehrt, weil er aufgrund der fehlerhaften Beratung der Beklagten Anlageverträge abgeschlossen habe, die er bei vollständiger und richtiger Aufklärung nicht abgeschlossen hätte und ihm dadurch ein Vermögensschaden entstanden sei, dessen Höhe aber infolge Weiterlaufens der langfristigen Verträge noch nicht absehbar sei.

Festgestellt ist, dass der Kläger eine „sichere“ Veranlagung wünschte und prinzipiell keine Eigenleistung zu erbringen beabsichtigte. Nach Erörterung der mit dem Fremdwährungskredit verbundenen Risken - das Währungs- und Zinsrisiko wird in den Feststellungen ausdrücklich erwähnt, dass darüber hinaus auch das Risiko des sich nicht ausreichend entwickelnden Tilgungsträgers erörtert wurde, ist im Hinblick auf die als ausreichend bezeichnete Liquiditätsreserve anzunehmen - schilderte der der Beklagten zuzurechnende Berater dem Kläger diese Risiken als gering. Darüber hinaus seien in diesem Modell ausreichend Liquiditätsreserven enthalten. Zur Steigerung der Sicherheit und früheren Tilgung des Kredits vereinbarten die Streitteile darüber hinaus auch noch eine Eigenleistung des Klägers in Höhe von 50 EUR monatlich. Daraus folgert der Kläger zu Recht den von der Beklagten zu verantwortenden Eindruck für ihn, das gesamte Geschäft beinhalte im Sinn seines Wunsches ein (relativ) geringes Risiko. Tatsächlich ist das bei einem derartigen fremdfinanzierten Versicherungsprodukt eingebaute Risiko jedoch enorm. Darauf wird auch in den schriftlichen Unterlagen deutlich hingewiesen, der Kläger unterzeichnete seine Vertragserklärungen aber ohne Kenntnisnahme der umfänglichen schriftlichen Erklärungen, weil er auf die Aussagen des Beraters vertraute (so die Feststellungen). Daraus schloss schon das Erstgericht zutreffend, dass der Berater dem Kläger eine nicht vorhandene Sicherheit suggerierte, auf die es ihm aber letztlich angekommen ist.

Das Berufungsgericht führt zwar aus, es gäbe zur Vorhersehbarkeit des Risikos keine erstgerichtliche Feststellung, das Erstgericht hat aber seiner Entscheidung ausdrücklich zugrunde gelegt, dass es notorisch ist, dass sich die Entwicklungen von Währungsverhältnissen, Zinsniveaus und Aktien nicht langfristig vorhersehen lassen. Ob die später tatsächlich eingetretenen Währungsschwankungen von bis zu 20 % zu Ungunsten des Klägers im Abschlusszeitpunkt vorhersehbar waren, kommt es nicht an. Dass solche Schwankungen (auch noch weit aus größere) möglich sind, ist evident. Es gibt langfristig keine sicheren Prognosen. Wesentlich ist bloß, dass der Berater der Beklagten dem Kläger ein an sich hoch riskantes Produkt als mit relativ geringem Risiko behaftet dargestellt hat.

Der Anlageberater ist aber zur Aufklärung seiner Kunden über die Risikoträchtigkeit der in Aussicht genommenen Anlage verpflichtet; welche Verhaltenspflichten ihn dabei im Einzelnen treffen, kann nur aufgrund der konkreten Umstände beurteilt werden, doch treffen ihn jedenfalls dem Anlageinteressenten gegenüber Schutz- und Sorgfaltspflichten. Stellt er etwa - wie nach den Feststellungen hier - ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin und veranlasst er dadurch den Anleger zum Abschluss eines solchen Geschäfts, dann haftet er für die fehlerhafte Beratung selbst dann, wenn auch er von der Seriosität des Anlagegeschäfts überzeugt gewesen sein sollte, weil er ein solches Geschäft nicht ohne weiteres als sichere Anlageform anpreisen darf (RIS-Justiz RS0108074). Der vom Berufungsgericht zu Unrecht in Abrede gestellte Beratungsmangel besteht eben gerade darin, die bei objektiver Betrachtung enorm hohen Risken gegenüber dem Kunden als bloß gering dargestellt zu haben, insbesondere die im Modell enthaltenen Liquiditätsreserven als „ausreichend“ zu bezeichnen, wenn tatsächlich bei jederzeit möglichen größeren Währungs- und Wertentwicklungsschwankungen aus Sicht des uninformierten Kunden überraschend große Eigenleistungen zur Aufrechterhaltung des Vorsorgemodells notwendig werden. Die Beklagte hat daher für die Folgen der Fehlberatung des ihr zuzurechnenden Beraters einzustehen.

Dass der Kläger - entgegen seiner Argumentation auch noch in dritter Instanz - eine erhebliche Eigenverantwortung im Sinn eines Mitverschuldens zu tragen hat, ist ebenso klar. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist anerkannt, dass bei unrichtiger Anlageberatung auch ein Mitverschulden des Kunden in Betracht kommen kann, das die Schadenersatzpflicht des Anlageberaters mindert (RIS-Justiz RS0102779, zuletzt etwa 5 Ob 246/11d mwN). Dazu wurde bereits ausgesprochen, dass sich ein Kunde als Mitverschulden anrechnen lassen muss, wenn er Informationsmaterial nicht beachtet oder Risikohinweise nicht gelesen hat. Ein Anleger handelt auch sorglos in eigenen Angelegenheiten, wenn er irreal hohe Gewinnversprechen nicht hinterfragt (5 Ob 246/11d mwN).

Der Kläger ist als Unternehmer wohl wirtschaftserfahren, zu Recht weist das Erstgericht, aber auch das Berufungsgericht auf die Unwahrscheinlichkeit von Geschenken im Wirtschaftsleben und auf die Unmöglichkeit hoher Erträge bei geringerem Risiko hin. Dies hätte auch dem Kläger klar sein müssen, oder ihn zumindest zur Überprüfung der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen veranlassen müssen. Deren Durchsicht hätte wohl ein ausreichendes Risikobewusstsein hervorrufen müssen. Die dem Kläger zur Verfügung gestellten Unterlagen wiesen selbst für einen Laien verständlich auf die möglichen Finanzierungslücken und den Umstand hin, dass die Berechnungen auf Prognosen (Schätzungen) basieren würden und daher „unverbindlich“ seien (5 Ob 246/11d; 2 Ob 198/11y).

Dass das Erstgericht bei Abwägung der Vorwerfbarkeit der pflichtwidrigen Beratung durch den Anlageberater und der Leichtfertigkeit des Klägers bei Abschluss des Geschäfts (gänzliche Missachtung der übergebenen schriftlichen Unterlagen) zu einem gleichteiligen Mitverschulden des Klägers gelangte, ist nicht zu beanstanden. Wenn ein wirtschaftserfahrener Kunde (Geschäftsführer eines Handelsunternehmens) „blind“ auf die Zusicherungen eines Anlageberaters vertraut, der ihm ein Finanzierungsmodell, das ohne oder bloß mit geringfügiger Eigenleistung eine garantierte Rente in nicht unbeträchtlicher Höhe sichern soll, als von ihm gewünschte sichere, risikoarme Anlage darstellt, so begründet dies eine erhebliche Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten (vgl 5 Ob 246/11d). Zu Recht verwiesen die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang auf die Unwahrscheinlichkeit von Geschenken im Wirtschaftsleben bzw die Unmöglichkeit risikoloser Anlagen mit hohen Erträgen.

Das vom Kläger erhobene Feststellungsbegehren setzt gemäß § 228 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses voraus. Der Mangel dieses Interesses ist auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0039123, RS0038939).

Regelmäßig verneint wird das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RIS-Justiz RS0038817), die Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (Subsidiarität der Feststellungsklage; RIS-Justiz RS0038849, RS0039021), wobei der Geschädigte auch naheliegende zur Ermittlung der Schadenshöhe zweckmäßige Maßnahmen ergreifen muss, um auf diese Weise die Voraussetzungen für die Schadensbezifferung in einer Leistungsklage zu schaffen (RIS-Justiz RS0118968).

Der hier zu beurteilende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger - anders als bei bisher entschiedenen Anlegerhaftungsfällen, in denen das Feststellungsinteresse verneint wurde (vgl 6 Ob 28/12d mwN = RIS-Justiz RS0120784 [T13]) - nicht bloß ein „Anlageprodukt“ (etwa Aktien oder sonstige Wertpapiere) erwarb, das im Sinn des - in diesem Zusammenhang allerdings durchaus strittigen - Vorrangs der Naturalrestitution Zug-um-Zug gegen Rückerstattung des Kaufpreises zurückgegeben werden könnte (vgl 1 Ob 251/11k mwN), sondern mehrere Verträge mit verschiedenen Finanzunternehmen abschloss, die ihm nicht die Anlage bereits vorhandenen Vermögens, sondern erst den langfristigen Aufbau eines solchen in ferner Zukunft ermöglichen sollten. Jedenfalls in diesem Fall scheidet die sofortige Rückabwicklung der „Anlageentscheidung“ (Kreditvertrag, Rentenversicherung sowie fondsgebundene Lebensversicherung) im Sinn der Naturalrestitution aus, zumindest darf der Kläger, der sich - insoweit von der Beklagten unbestritten - auf den möglichen, keineswegs sicher eintretenden, jedenfalls zur Zeit aber nicht bezifferbaren Schaden aus der fehlerhaften Beratung zur Begründung seines Feststellungsinteresses beruft, nicht auf die Möglichkeit einer Leistungsklage verwiesen werden. Vielmehr ist sein Feststellungsinteresse zu bejahen.

Der Revision des Klägers war daher teilweise Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO. Infolge gleichteiligen Obsiegens und Unterliegens im Rechtsmittelverfahren waren die Vertretungskosten gegeneinander aufzuheben; die vom Kläger allein getragene Pauschalgebühr für das Revisionsverfahren hat ihm die Beklagte entsprechend dem Prozesserfolg zur Hälfte zu ersetzen.

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