OGH 8Ob25/14f

OGH8Ob25/14f28.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr.

Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Ing. K***** T*****, und 2) B***** T*****, ebendort, beide vertreten durch die Rechtsanwälte Pieler & Pieler & Partner KEG in Wien, diese vertreten durch die Kerres Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch die Jank Weiler Rechtsanwälte OG in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1) I***** AG, *****, 2) I***** GmbH, ebendort, beide vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3) MMag. Dr. K***** P*****, vertreten durch die Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 4) S***** GmbH, *****, vertreten durch die Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 231.584,47 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2014, GZ 5 R 218/13k‑72, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die von den Klägern geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens und die angeblichen sekundären Feststellungsmängel liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor. Warum die Qualifikation der Anträge auf ergänzende Zeugeneinvernahme als verspätet im Sinn des § 179 ZPO durch das Erstgericht nicht gerechtfertigt sein soll, können die Kläger nicht stichhaltig begründen. Die von ihnen angesprochene PowerPoint‑Präsentation war nach den allein maßgeblichen Tatsachenfeststellungen keine Informationsquelle für die inkriminierte Auskunft des Beraters gegenüber dem Erstkläger. Mit den Überlegungen zur behaupteten Aktenwidrigkeit (vgl dazu RIS‑Justiz RS0043284) im Zusammenhang mit der PowerPoint‑Präsentation zeigen die Kläger daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2. Im Anlassfall geht es nicht um die Beratung über den Ankauf von Wertpapieren, sondern um die vom Erstkläger an den Mitarbeiter der selbständigen Beratergesellschaft gestellte Frage, ob er die gehaltenen Aktien noch bei gutem Wind verkaufen solle. Nach den Feststellungen antwortete der Berater, dass es sich nur um eine vorübergehende Marktkorrektur handle und sich die Kurse wieder fangen würden.

Das Berufungsgericht unterscheidet in dieser Hinsicht zutreffend zwischen den vom zuständigen Mitarbeiter der Beklagten dem Berater gegebenen Informationen einerseits und der Frage, ob die Beklagte eine Aufklärungspflicht aufgrund des Wissensstands ihrer Vorstände über die von den Tochtergesellschaften gehaltenen Aktienbestände der beiden Emittentinnen traf, andererseits.

3. Eine Haftung der Beklagten aus der Zurechnung eines allfälligen Fehlverhaltens des Mitarbeiters der selbständigen Beratergesellschaft (vgl dazu 4 Ob 129/12t; 10 Ob 34/13t) wurde im Vorverfahren bereits verneint (8 Ob 104/12w). Das Gleiche gilt für die Verletzung einer (eigenen) Aufklärungspflicht der Beklagten aus dem Vertragsverhältnis zu den Klägern.

Das Argument der Kläger, das Höchstgericht habe zwischenzeitlich seine neue Grundlagenjudikatur bekräftigt, wonach ein wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen Vertriebspartner und Bank eine Zurechnung zu dieser rechtfertige (4 Ob 129/12t; 9 Ob 46/13z; 10 Ob 34/13t), ist mit Bezug auf den Anlassfall nicht stichhaltig. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang (8 Ob 104/12w) weicht von dieser Judikatur keineswegs ab, sondern zeigt vielmehr auf, dass im Anlassfall die Voraussetzungen für eine solche Zurechnung nicht vorliegen. Eine Zurechnung (auf der Grundlage des § 1313a ABGB) kommt nur in Betracht, wenn der (arbeitsteilige) Berater im Pflichtenkreis der Bank tätig wird. Ein Beratungsfehler kann also nur dann zugerechnet werden, wenn die Bank selbst eine entsprechende Beratungspflicht trifft, für deren Erfüllung sie sich des Beraters bedient. Ist der arbeitsteilige Berater derart in die Interessenverfolgung der Bank eingebunden, so bleiben ihre Beratungspflichten mangels legitimen Vertrauens auf eine objektive Beratung durch den arbeitsteiligen Berater aufrecht. Im Anlassfall betrifft die Fehlberatung nicht den Ankauf, sondern den Verkauf der bereits angeschafften Wertpapiere. Eine Beratungspflicht der (Depot‑)Bank in Bezug auf den Verkauf hat allerdings nicht bestanden. Mit den Verkaufsanfragen war die Beklagte auch nicht etwa konfrontiert, weil sich der Erstkläger nur an den Berater wandte.

4. Der Vorwurf der Marktmanipulation nach § 48a Abs 1 Z 2 lit c BörseG erfordert die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen, wenn die verbreitende Person wusste oder hätte wissen müssen, dass die Informationen falsch oder irreführend waren.

Gegenüber dem unmittelbar handelnden Mitarbeiter der Beklagten, der die festgestellten Informationen an den Berater weitergab, ist nach der Tatsachengrundlage ein derartiger Schuldvorwurf nicht gerechtfertigt.

In Bezug auf die beiden Vorstände der Beklagten käme nur ein bewusstes Steuern der inkriminierten Informationen über den vorgesehenen Vertriebsweg (hier) an die Bestandskunden, um den Kursverfall der in Rede stehenden Aktien zu verhindern, in Betracht. Für eine solche Informationssteuerung bietet die Sachverhaltsgrundlage keinen Anhaltspunkt. Die beiden Vorstände, denen die von den Tochtergesellschaften gehaltenen Aktienbestände der Emittentinnen bekannt wurden, sind zwar von einem Schaden für die veranlagenden Tochtergesellschaften ausgegangen. Eine willentliche Einflussnahme auf den Inhalt der weiterzuleitenden Informationen zur Beeinflussung des Aktienkurses kann ihnen aber nicht unterstellt werden.

Im Anlassfall ist nicht einmal feststellbar, woher der Berater die zugrunde liegende Information über die vorübergehende Marktkorrektur als Grundlage für die Aussage, dass sich die Kurse wieder fangen würden, hatte. Soweit die Kläger behaupten, diese Information hätte nur von der Beklagten kommen können, weichen sie von der Tatsachengrundlage ab. Das Erstgericht hat im gegebenen Zusammenhang eine Negativfeststellung getroffen und überdies auch festgehalten, dass zu prüfen gewesen sei, ob die Fehlinformation der vorübergehenden Kurskorrektur von der Beklagten (bzw den Emittentinnen) oder vom A***** dem Berater zur Verfügung gestellt worden sei.

5. Eine Empfehlung im Sinn des § 48f Z 3 BörseG setzt die Erstellung oder Weitergabe einer ‑ in der Regel von einem Fachmann erstellten ‑ Information über ein Finanzinstrument oder einen Emittenten, die für die Öffentlichkeit oder systematisch für eine große Anzahl von Personen bestimmt ist und (direkt oder indirekt) eine bestimmte Anlageentscheidung zu einem bestimmten Finanzinstrument oder einem bestimmten Emittenten empfiehlt, voraus. Eine direkte Empfehlung ist der ausdrückliche Ratschlag zu einem bestimmten Anlageverhalten, wie zB „kaufen“, „halten“, „verkaufen“. Eine indirekte Empfehlung ist ein für einen verständigen Anleger ableitbarer Ratschlag zu einem bestimmten Anlageverhalten, wie zB „Tipp“, „Super‑Performance“ oder die Bezeichnung als „überbewertete Aktie“. Eine reine Produktbeschreibung oder reines Werbe‑ und Informationsmaterial ist im Allgemeinen keine Empfehlung (vgl Muther‑Pradler/Resch in Temmel , BörseG § 48f Rz 13 ff).

Ausgehend von den Feststellungen hat es entgegen der Ansicht der Kläger eine für die Öffentlichkeit bestimmte direkte oder indirekte Empfehlung der Beklagten für eine bestimmte Anlageentscheidung, hier für das Halten der Wertpapiere, nicht gegeben. Zu der auch im gegebenen Zusammenhang von den Klägern wieder ins Treffen geführten PowerPoint‑Präsentation wurde schon dargelegt, dass diese Präsentation keine Informationsquelle im Verhältnis zu den Klägern darstellte. Die hier zu prüfende allfällige Schutzgesetzverletzung der Beklagten bezieht sich auf die Weitergabe von Informationen. Eine von den Klägern argumentierte Pflicht des Mitarbeiters der selbständigen Beratergesellschaft, einen erteilten Ratschlag zu revidieren, steht damit nicht im Zusammenhang.

6. Insgesamt steht die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Voraussetzungen für eine Haftung wegen Marktmanipulation nach dem Börsegesetz nicht gegeben seien, mit den im ersten Rechtsgang vom Obersten Gerichtshof dargelegten Grundsätzen im Einklang und erweist sich damit als nicht korrekturbedürftig. Das Gleiche gilt für die rechtliche Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte über die von den Tochtergesellschaften gehaltenen Aktienbestände (ohne Hinzutreten weiterer, hier nicht feststehender haftungsbegründender Umstände) nicht aufklären musste.

Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision der Kläger zurückzuweisen.

Stichworte