European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E113323
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Verstärkter Senat
Spruch:
Die Entscheidung über die Revision ist gemäß § 8 Abs 1 Z 2 OGHG in einem verstärkten Senat zu fällen.
II. am 1. 12. 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl, Dr. Hradil, Dr. Hopf, Dr. Vogel und Dr. Fellinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als weitere Richter in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich der bestätigten und in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt zu lauten haben wie folgt:
1. Die Klageforderung besteht gegenüber der Erstbeklagten mit 63.528,06 EUR zu Recht.
2. Die Klageforderung besteht gegenüber der Zweitbeklagten mit 173.868,75 EUR zu Recht.
3. Die von beiden Beklagten eingewendete Gegenforderung besteht mit 1.609,75 EUR zu Recht.
4. Die weiteren von der Erstbeklagten eingewendeten Gegenforderungen bestehen mit 26.997,16 EUR zu Recht.
5. Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 34.921,15 EUR binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die Erstbeklagte ist schuldig, der Klägerin Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.365,14 EUR seit 21. 5. 2011, aus 8.730,28 EUR seit 21. 8. 2011, aus 13.095,42 EUR seit 21. 11. 2011, aus 17.460,56 EUR seit 21. 2. 2012, aus 21.825,70 EUR seit 21. 5. 2012, aus 26.190,84 EUR seit 21. 8. 2012, aus 30.555,98 EUR seit 21. 11. 2012 und aus 34.921,15 EUR seit 21. 2. 2013 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die Zweitbeklagte ist darüber hinaus schuldig, der Klägerin 108.028,65 EUR samt Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 142.949,80 EUR seit 22. 10. 2009 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
6. Das Mehrbegehren, die Erstbeklagte sei schuldig, der Klägerin weitere 30.908,15 EUR samt Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.863,51 EUR seit 21. 5. 2011, aus 7.727,03 EUR seit 21. 8. 2011, aus 11.590,54 EUR seit 21. 11. 2011, aus 15.454,05 EUR seit 21. 2. 2012, aus 19.317,56 EUR seit 21. 5. 2012, aus 23.181,07 EUR seit 21. 8. 2012, aus 27.044,58 EUR seit 21. 11. 2012 und aus 30.908,15 EUR seit 21. 2. 2013 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Das Mehrbegehren, die Zweitbeklagte sei schuldig, der Klägerin weitere 30.918,85 EUR samt Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22. 10. 2009 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.
7. Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
zu I.
Gemäß § 8 Abs 1 Z 2 OGHG ist zur Entscheidung der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Insolvenzgläubiger, der während des Insolvenzverfahrens nicht aufgerechnet hat, nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit der gesamten Forderung oder nur mit der Sanierungsplanquote aufrechnen kann, ein verstärkter Senat berufen, weil diese Frage in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird (zuletzt 3 Ob 82/08t und 7 Ob 118/08s).
zu II.
Mit der am 22. 6. 2010 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von den Beklagten als Gesellschafter einer näher bezeichneten ARGE, die die Klägerin mit Korrosionsschutzarbeiten beim Bauvorhaben * E* beauftragt hatte, aufgrund der Schlussrechnung vom 21. 7. 2009 zunächst 137.532,52 EUR sA.
Mit Beschluss vom 7. 12. 2010 wurde über das Vermögen der Erstbeklagten das Sanierungsverfahren eröffnet. Die Gläubiger haben aufgrund eines am 21. 2. 2011 angenommenen Sanierungsplans Anspruch auf 30 % ihrer Forderungen, zahlbar in acht Raten. Mit Beschluss vom 27. 4. 2011 wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben.
Mit Beschluss vom 2. 2. 2011 wurde über das Vermögen der Klägerin der Konkurs eröffnet. Am 8. 8. 2011 wurde ein Sanierungsplan angenommen, der vom Gericht bestätigt wurde. Demnach erhalten die Gläubiger eine Barquote von 23,5 %.
Das Erstgericht unterbrach mit Beschluss vom 14. 12. 2010 infolge Eröffnung des Sanierungsverfahrens über das Vermögen der Erstbeklagten das Verfahren gegenüber dieser und mit Beschluss vom 21. 2. 2011 infolge der Konkurseröffnung über das Vermögen der Klägerin das Verfahren zur Gänze.
Die Klägerin meldete ihre Forderung im Sanierungsverfahren der Erstbeklagten an. Die Forderung wurde bestritten.
Nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans und Aufhebung des Sanierungsverfahrens hinsichtlich der Erstbeklagten und nach Annahme und Bestätigung des Sanierungsplans bezüglich der Klägerin wurde das Verfahren über Antrag der Klägerin fortgesetzt.
Die Klägerin begehrte zuletzt von der Erstbeklagten Zahlung von 65.830 EUR sA nach Maßgabe des Sanierungsplans (30 % der behaupteten Gesamtforderung) und von der Zweitbeklagten 173.868,65 EUR sA. Dieses Begehren setzt sich aus einer Werklohnforderung gegenüber beiden Beklagten aus dem Bauvorhaben „E*“ in zuletzt behaupteter Höhe von 173.868,65 EUR sA und zwei weiteren Werklohnforderungen gegen die Erstbeklagte über 24.166,35 EUR und 13.725,20 EUR für Arbeiten an zwei näher bezeichneten anderen Brücken zusammen.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und wendeten compensando Gegenforderungen ‑ im Wesentlichen Mängelbehebungskosten ‑ in die Klageforderung übersteigender Höhe ein.
Das Erstgericht erkannte die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 27.008,59 EUR samt gestaffelten Zinsen zu zahlen. Die Zweitbeklagte verpflichtete das Erstgericht zur Zahlung weiterer 18.178,50 EUR sA.
Rechtlich erwog das Erstgericht, dass Gläubiger von der ihnen durch das Gesetz in §§ 19 f KO und AO eingeräumten Aufrechnungsbefugnis auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens Gebrauch machen könnten, wenn sie während des Ausgleichsverfahrens keine Aufrechnungserklärung abgegeben hätten. Sie seien nicht auf die Quote beschränkt. Damit seien die einander gegenüberstehenden wechselseitigen Forderungen zunächst in voller Höhe zu kompensieren, wobei die Gegenforderungen der Erstbeklagten aufgrund ihrer Tilgungsfunktion im Gesamtschuldverhältnis gemäß § 891 ABGB objektiv auch zugunsten der Zweitbeklagten wirkten.
Das Erstgericht ging bei seiner Berechnungsmethode wie folgt vor:
Es zog in einem ersten Schritt von der der Klägerin ohne Berücksichtigung des Sanierungsplans der Erstbeklagten gegenüber dieser zustehenden Klageforderung von 211.760,20 EUR die der Erstbeklagten ohne Berücksichtigung des Sanierungsplans der Klägerin zustehenden Gesamtgegenforderungen von 121.731,55 EUR ab. Den ermittelten Saldo von 90.028,65 EUR kürzte es auf die Sanierungsplanquote bezüglich der Erstbeklagten (30 %) und gelangte so ‑ mit eingliedrigem Urteil ‑ zu einem Zuspruch von 27.008,59 EUR gegenüber der Erstbeklagten. Nach quotenmäßiger Kürzung verbleibe gegenüber der Erstbeklagten eine Restforderung in Höhe von 27.008,59 EUR. Gegenüber der Erstbeklagten sei das Klagebegehren in der Zwischenzeit zur Gänze fällig geworden, weshalb das Zinsenbegehren entsprechend dem Sanierungsplan zu staffeln sei. Ein dreigliedriger Urteilsspruch sei nicht möglich, weil sich die Forderung nach der vorzunehmenden Aufrechnung noch verändere (gemeint: verändert habe).
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Beklagten keine, der Berufung der Klägerin jedoch Folge und änderte das Urteil dahin ab, dass die Klageforderung gegenüber der Erstbeklagten mit 65.830 EUR und gegenüber der Zweitbeklagten mit 173.868,65 EUR zu Recht sowie die eingewendete Gegenforderung mit 28.606,91 EUR zu Recht bestehe. Die Beklagten seien daher zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 37.223,09 EUR zu bezahlen. Die Erstbeklagte sei zudem schuldig, der Klägerin gestaffelte Zinsen zu zahlen. Weiters sei die Zweitbeklagte schuldig, der Klägerin weitere 108.028,65 EUR sA zu bezahlen.
Die Beklagten hafteten nur für den Betrag von 173.868,65 EUR solidarisch. Die Erstbeklagte schulde der Klägerin ohne Berücksichtigung des Sanierungsplans 211.760,20 EUR. Unter Berücksichtigung der Kürzung durch den von der Erstbeklagten abgeschlossenen Sanierungsplan ergebe sich ein Betrag von 37.891,55 EUR.
Das Berufungsgericht schließe sich nicht der zu dieser Frage zuletzt ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 118/08s, sondern der Entscheidung 3 Ob 82/08t an, wonach der Gläubiger, wenn er von der ihm durch das Gesetz gegebenen Möglichkeit der Aufrechnung während des Ausgleichsverfahrens keinen Gebrauch mache, nach Beendigung des Ausgleichs nur mehr mit der Ausgleichsquote seiner Forderung aufrechnen könne. Die Erstbeklagte könne, da nur eine prozessuale Aufrechnungseinrede erhoben worden sei, nur mit der Quote des Sanierungsplans (23,5 %) aufrechnen, somit mit 28.606,91 EUR. In diesem Umfang komme die Aufrechnung auch der Zweitbeklagten zugute.
Bezüglich der Erstbeklagten stehe der Klägerin daher der um die Sanierungsplanquote der Erstbeklagten gekürzte Betrag von 65.830 EUR zu, wobei dem die dem Sanierungsplan der Klägerin entsprechend gekürzte Gegenforderung in Höhe von 28.606,91 EUR samt gestaffelten Zinsen gegenüberstehe. Bezüglich dieser 37.223,09 EUR sei auch von einer Solidarhaftung auszugehen, denn die Aufrechnung in Höhe von 28.606,91 EUR komme auch der Zweitbeklagten zugute; sie habe jedoch vom insoweit gekürzten Betrag von 145.261,74 EUR (173.868,65 EUR ‑ 28.606,91 EUR) ab Fälligkeit Verzugszinsen zu bezahlen. Zudem bestehe eine weitere Zahlungsverpflichtung der Zweitbeklagten von 108.028,65 EUR (173.868,65 EUR ‑ 28.606,91EUR ‑37.223,09 EUR).
Die ordentliche Revision sei im Hinblick auf die Judikaturdivergenz zulässig.
Die aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision beider Beklagten beantragt die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise stellen die Beklagten einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt mit ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (s I.) und teilweise berechtigt.
Die Beklagten gehen in ihrer Revision unter Bezugnahme auf die Entscheidung 7 Ob 118/08s davon aus, dass die Aufrechnungslage einem Absonderungsrecht ähnle und der Insolvenzgläubiger daher auch nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit seiner gesamten Forderung aufrechnen könne.
Die Klägerin hält dem entgegen, dass der Entscheidung 3 Ob 82/08t der Vorzug zu geben sei.
Dazu hat der verstärkte Senat erwogen:
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens
1.1 Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Klägerin gegenüber der Erstbeklagten eine Forderung in Höhe von 211.760,20 EUR zusteht (Werklohn 173.868,65 EUR sA aus dem Bauvorhaben E* zuzüglich 24.166,35 EUR und 13.725,20 EUR für Arbeiten [„P*“ bzw „Z*“], die die Klägerin nur im Auftrag der Erstbeklagten durchführte). Ebenso unstrittig ist, dass die Werklohnforderung der Klägerin aus dem Bauvorhaben E* gegenüber der Zweitbeklagten mit 173.868,65 EUR zu Recht besteht.
1.2 Die ‑ ungekürzten ‑ Gegenforderungen der Erstbeklagten bestehen mit 121.731,55 EUR zu Recht, wobei eine darin enthaltene Gegenforderung von 6.850 EUR auch der Zweitbeklagten gegenüber der Klägerin zusteht. Das Vorbringen der Beklagten in der Revision, die Gegenforderung von 6.850 EUR sei in dem Betrag von 121.731,55 EUR nicht enthalten, ist rechnerisch unrichtig (vgl S 53 des Ersturteils).
Ebenso unzutreffend ist die Behauptung in der Revision, dass auch die Zweitbeklagte Gegenforderungen gegen die Klägerin in Gesamthöhe von 121.731,55 EUR hat: Die Gegenforderung von 6.850 EUR resultiert aus dem Auftragsverhältnis bezogen auf das Bauvorhaben E*. Die weiteren Gegenforderungen hingegen betreffen Mängelbehebungskosten im Zusammenhang mit jenen Aufträgen, die die Klägerin nur der Erstbeklagten erteilte („P*“ bzw „Z*“).
1.3 Unstrittig ist, dass sämtliche Gegenforderungen im Konkurs über das Vermögen der Klägerin iSd §§ 19 und 20 IO aufrechenbare Insolvenzforderungen waren. Unstrittig sind auch Fälligkeit und Zinsenlauf sämtlicher Forderungen.
1.4 Entgegen der Revisionsbeantwortung ist die Anfechtungserklärung in der Revision, die von den dargestellten Ziffern ausgeht, nicht unschlüssig.
2. Eine materiell‑rechtliche Aufrechnungs-erklärung haben die Beklagten nicht abgegeben.
2.1 Die Aufrechnung tritt nach heute herrschender Auffassung nicht von selbst ein, sondern bedarf einer ausdrücklichen oder schlüssigen (14 Ob 126/86 SZ 59/137; RIS‑Justiz RS0033835 [T2]) Aufrechnungserklärung (Dullinger in Rummel ABGB³ § 1438 Rz 11; Heidinger in Schwimann ABGB³ § 1438 Rz 10; RIS‑Justiz RS0033835; 1 Ob 55/98i SZ 71/155 uva).
2.2 Die Rechtsansicht der Beklagten, ihre Aufrechnungseinwendung im Prozess beinhalte auch eine materiell‑rechtliche Aufrechnungserklärung, geht ins Leere, weil die Beklagten nicht die Abweisung des Klagebegehrens im Hinblick auf die durch die Aufrechnung erfolgte Tilgung begehrten, sondern die Aufrechnungseinrede nur prozessual erhoben. Inhalt der prozessualen Aufrechnungseinrede ist die Einwendung einer Gegenforderung des Beklagten mit dem Ziel, die Aufrechnung mit der Klageforderung im Wege einer Gerichtsentscheidung über Bestand und Aufrechenbarkeit der Gegenforderung herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0033911; 4 Ob 72/11h).
2.3 Im Zweifel ist die Geltendmachung einer Gegenforderung im Prozess, mit der sich der Beklagte nicht auf eine schon vorher („außergerichtlich“) vollzogene Aufrechnung stützt, als bloße Prozessaufrechnung anzusehen; die Erhebung eines Schuldtilgungseinwandes setzt voraus, dass aus dem Vorbringen des Beklagten eindeutig hervorgeht, dass er eine privatrechtliche Gestaltungserklärung bereits abgegeben hat oder während des Prozesses abgeben will (RIS‑Justiz RS0040879; 3 Ob 82/08t).
2.4 Hier ist somit von einer prozessualen Aufrechnung durch die Beklagten auszugehen.
3. Die verfahrensentscheidende Frage, ob ein Insolvenzgläubiger nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit der gesamten Forderung oder nur mehr mit der Sanierungsplanquote der Forderung aufrechnen kann, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
3.1 Erstmals behandelte der Oberste Gerichtshof diese Frage in der Entscheidung 5 Ob 404/58 (SZ 31/149). Nach Erörterung des Meinungsstandes in Deutschland, wonach eine Aufrechnung ohne Beschränkung auf die Ausgleichsquote möglich ist, führte der Oberste Gerichtshof aus, sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Die in § 20 AO enthaltenen Beschränkungen der Aufrechnungs-möglichkeit seien nach Bestätigung des Ausgleichs nicht mehr anwendbar. Mit der Bestätigung des Ausgleichs würden vielmehr die Wirkungen des § 53 AO gegenüber allen Gläubigern eintreten, sofern nicht das Gesetz selbst einzelne von ihnen, wie etwa in § 46 Abs 1 und 2 AO, von diesen Wirkungen ausnehme. Die Aufrechnungsberechtigten seien in die Ausnahmebestimmungen bezüglich der in § 46 Abs 3 AO festgelegten Gläubigergleichbehandlung nicht aufgenommen. Daraus sei zu entnehmen, dass der Gläubiger, wenn er während des Ausgleichsverfahrens von der ihm durch das Gesetz gegebenen Möglichkeit, sei es gerichtlich, sei es außergerichtlich, die Aufrechnung zu erklären, keinen Gebrauch mache, nach Bestätigung des Ausgleichs nur mehr mit der Ausgleichsquote seiner Forderung aufrechnen könne.
3.2 In der Entscheidung 8 Ob 1/71 (SZ 44/7) wurde die gegenteilige Ansicht mit der Begründung vertreten, dass die Wirkungen auf den Zeitpunkt zurückbezogen würden, in dem sich die Forderungen aufrechenbar gegenübergestanden seien; der Gläubiger dürfe aufgrund der Rückwirkung der Aufrechnung nicht auf die Quote gesetzt werden. Allerdings war diese Begründung im Anlassfall nicht entscheidend, weil die Kürzung der Restforderung des Klägers auf die Ausgleichsquote durch das Wiederaufleben materiell‑rechtlich jedenfalls wieder wegfiel.
3.3 In der Folge setzten die Entscheidungen 2 Ob 526/80, 2 Ob 630/87 und 9 ObA 46/03k die in der Entscheidung 5 Ob 404/58 begründete Judikaturlinie ohne nähere Auseinandersetzung mit der Problematik fort (RIS‑Justiz RS0051601).
3.4 Ebenfalls ohne Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Rechtsprechungslinie bejahte hingegen die Entscheidung 6 Ob 2072/96s unter Berufung darauf, dass eine Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit auf die Ausgleichsquote unbillig wäre, eine Aufrechnung mit der vollen Forderung.
3.5 Die Entscheidung 3 Ob 76/97s (JBl 1999, 815 [Dullinger]) betraf den Zeitpunkt des Abschlusses einer Aufrechnungsvereinbarung und damit die Klärung der Frage, ob während des Konkursverfahrens überhaupt eine Aufrechnungslage bestanden hatte. Diese Entscheidung ist daher für die hier zu beantwortende Frage nicht unmittelbar einschlägig. Sie enthält allerdings die Aussage, dass für den Fall des Vorliegens einer vor Konkurseröffnung geschlossenen Aufrechnungsvereinbarung die Grundsätze der Entscheidung SZ 44/7 heranzuziehen seien. Eine Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Rechtsprechungslinie (RIS‑Justiz RS0051601) unterblieb auch hier.
3.6 In der Entscheidung 3 Ob 82/08t ging der Oberste Gerichtshof ausführlich auf die bisherige Rechtsprechung und Literatur ein. Der Aufrechnungsberechtigte müsse sich eine Kürzung jedenfalls dann gefallen lassen, wenn ihm die Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens möglich war. Einem Aufrechnungsberechtigten, der vom Insolvenzverfahren wisse, stehe es frei, die entsprechende Erklärung gegenüber dem Masseverwalter abzugeben.
Das Argument, es wäre unbillig, vom Schuldner des Ausgleichsschuldners Vollzahlung zu verlangen, ihm aber für seine Gegenforderung nur die Ausgleichsquote zu gewähren, schlage nicht durch, weil es dem Aufrechnungsberechtigten frei stehe, die entsprechende Erklärung gegenüber dem Insolvenzverwalter abzugeben, wenn er vom Insolvenzverfahren wisse. Die Erwägungen der Entscheidung SZ 44/7 seien nicht anwendbar, weil dort eine Aufrechnungsvereinbarung vorgelegen sei.
Der erkennende Senat billigte daher ungeachtet der Einwände eines Teils der Lehre weiterhin den Rechtssatz RIS‑Justiz RS0051601 aus den in diesen Entscheidungen genannten dogmatischen Erwägungen.
3.7 In der etwas mehr als zwei Monate später ergangenen Entscheidung 7 Ob 118/08s ging der Oberste Gerichtshof von dieser Rechtsprechung ausdrücklich ab.
Gläubiger könnten von der ihnen durch das Gesetz in §§ 19, 20 KO und AO eingeräumten Aufrechnungsmöglichkeit auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens Gebrauch machen, wenn sie während des Ausgleichsverfahrens keine Aufrechnungserklärung abgegeben haben; sie seien nicht auf die Quote beschränkt. Dies entspreche den §§ 19 Abs 1 KO und AO, denen sonst kaum Bedeutung zukäme. Die vom Gesetz gewollte Begünstigung des Aufrechnungsgläubigers ergebe sich bereits aus den §§ 19 KO und AO und trage der Sonderstellung des Aufrechnungsberechtigten Rechnung.
4. Auch in der Lehre wird die Frage kontroversiell diskutiert.
4.1 Für eine unbeschränkte Aufrechnungsbe-fugnis auch nach Bestätigung des (nunmehr) Sanierungsplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens treten Lehmann (Kommentar zur Österreichischen Ausgleichsordnung [1925] 111 f), Petschek/Reimer/Schiemer (Das Österreichische Insolvenzrecht [1973] 478), Reiterer (Die Aufrechnung ‑ Funktionen und Rechtsnatur von gerichtlicher und außergerichtlicher Aufrechnung und Prozessaufrechnung [1976] 24 ff), Gamerith (in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 19 Rz 18), Schubert (in Konecny/Schubert § 19 KO Rz 13), Dullinger (Handbuch der Aufrechnung 311 ff; dieselbe in Rummel ABGB³ § 1439 Rz 12), St. Riel (in Konecny/Schubert § 149 KO Rz 10), F. Riel (Das Zwangsausgleichsverfahren [2005] 107 f) und Friedl (ecolex 2008/399, 1120 [1122]; derselbe, ecolex 2009/40, 136 [137]) ein.
Dafür werden unterschiedliche Gründe angeführt.
4.1.1 Neben Billigkeitsargumenten (Lehmann,Kommentar zur Österreichischen Ausgleichsordnung 111 f; Dullinger, Aufrechnung 311 ff) wird auf den Sicherungszweck der Aufrechnung (Dullinger, JBl 1999, 817 [EAnm]) bzw die pfandrechtsähnliche Wirkung der Aufrechnungsbefugnis (Schubert in Konecny/Schubert § 19 KO Rz 13), die Rückwirkung der Aufrechnungserklärung (Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 19 Rz 18) und die Schutzwürdigkeit der gesicherten Rechtsposition iVm § 19 KO bzw AO verwiesen, wonach die Gläubiger ihre Forderungen nicht anmelden und daher auch die Aufrechnung nicht erklären müssten (Reiterer, Aufrechnung 24 ff; Dullinger in Rummel ABGB³ § 1439 Rz 12; vgl auch Schubert in Konecny/Schubert § 19 KO Rz 13).
4.1.2 Nach Reiterer (Aufrechnung 24 ff) sprächen die §§ 19, 20 KO gegen die Notwendigkeit der Aufrechnung während des Konkurs‑ bzw Ausgleichsverfahrens, weil sie ausdrücklich bestimmten, der Konkurs‑ bzw Ausgleichsgläubiger müsse sich am Verfahren nicht beteiligen (ähnlich Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 19 Rz 18). Die gegenteilige Auffassung mache die §§ 19, 20 KO zu weitgehend inhaltsleeren Bestimmungen.
4.1.3 Teilweise wird auf die Ähnlichkeit der Aufrechnungsbefugnis mit den vom (Zwangs‑)Ausgleich (nun: Sanierungsplan) unantastbaren Absonderungsrechten verwiesen und eine analoge Anwendung des § 149 Abs 1 KO bzw § 46 AO (nunmehr § 149 Abs 1 IO) auf die aufrechnungsberechtigten Gläubiger befürwortet (G. Kodek in Konecny, Insolvenzforum 2004, 106 f; St. Riel in Konecny/Schubert § 149 KO Rz 10; Friedl, ecolex 2008/399, 1120 [1122]; Friedl, ecolex 2009/40, 136 [137]).
4.2 Für eine Beschränkung der Aufrechnung auf die Quote treten Pollak (in Bartsch/Pollak, Kommentar II³ [1937] 435), Wegan (Österreichisches Insolvenzrecht [1973] 226), Buchegger (Ausgleichserfüllung [1988] 79 f), Rummel (in Rummel ABGB² § 1439 Rz 11), Heidinger (in Schwimann ABGB³ § 1439 Rz 16), Lovrek (in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 59), Nunner‑Krautgasser (Aufrechnung und Zwangsausgleich ZIK 2009/7, 4; dieselbe inAufrechnung in der Insolvenz: Grundlagen und aktuelle Rechtsfragen in Jahrbuch Insolvenz‑ und Sanierungsrecht 2014, 163 [183 ff]), Konecny (EvBl 2009/46 [EAnm]), Holly (in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 1439 Rz 16/6) und erkennbar auch Mohr (Sanierungsplan und Sanierungsverfahren nach dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 Rz 250; unklar hingegen in Rz 58) ein. Dieser Auffassung schloss sich zuletzt auch Fichtinger (Die gesetzliche Aufrechnung im Insolvenzverfahren [2015] in Druck 335 ff) an.
4.2.1 Dies wird vor allem damit begründet, dass die Gegenforderung des Gläubigers trotz bestehender Aufrechnungslage von den Wirkungen des rechtskräftig bestätigten Sanierungsplans betroffen sei und daher der die Quote übersteigende Forderungsteil zur Naturalobligation werde, mit der nach herrschender Meinung nicht aufgerechnet werden könne (Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 59; Nunner‑Krautgasser, ZIK 2009/7, 4 [5]; Holly in Kletečka/Schauer ABGB‑ON1.01 § 1439 Rz 16/6).
4.2.2 Weiters wird ins Treffen geführt, dass es im Hinblick auf den ausgeprägten Sanierungscharakter des Insolvenzverfahrens höchst unbillig wäre, wenn die Erfüllung eines Sanierungsplans durch später abgegebene Aufrechnungserklärungen noch vereitelt werden könnte (Rummel in Rummel ABGB² § 1439 Rz 11; Nunner‑Krautgasser,ZIK 2009/7, 4 [6]; Holly in Kletečka/Schauer ABGB‑ON1.01 § 1439 Rz 16/6) und daher eine Obliegenheit des Gläubigers, zur Wahrung seiner vollen Aufrechnungsbefugnis die Aufrechnung rechtzeitig zu erklären, zu bejahen sei; dies sei ihm aufgrund der öffentlichen Insolvenzbekanntmachung auch zumutbar (Nunner‑Krautgasser, ZIK 2009/7, 4 [6]; Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 59).
5. Nach neuerlicher Prüfung der Rechtslage schließt sich der verstärkte Senat den Entscheidungen 5 Ob 404/58 SZ 31/149, 2 Ob 526/80, 2 Ob 630/87, 9 ObA 46/03k und 3 Ob 82/08t an.
5.1 Anzuknüpfen ist zunächst an die materiell‑rechtlichen Wirkungen des Sanierungsplans.
5.1.1 Durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan wird der Schuldner gemäß § 156 Abs 1 IO von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist.
5.1.2 Nach ständiger Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur wird der durch den Sanierungsplan „erlassene“ Forderungsteil zur Naturalobligation (3 Ob 62/90 ÖBA 1991/263; 3 Ob 82/08t; RIS‑Justiz RS0052128; Bartsch/Pollak 3 I 651; Gamerith in Rummel, ABGB3 § 1351 Rz 2; G. Kodek, Ausgewählte Fragen des Zwangsausgleichs, in Konecny, Insolvenz‑Forum 2004 [2005] 95 [99]; Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 51 ff; Nunner‑Krautgasser, Jahrbuch Insolvenz‑ und Sanierungsrecht 2014, 163 [183]; aA Buchegger, Ausgleichserfüllung 48 ff, der von einem Forderungserlass ausgeht; zweifelnd P. Bydlinski, ÖBA 1991/263 [EAnm]).
5.1.3 Die Qualifikation der hier zu beurteilenden Gegenforderungen als Konkursforderungen führt somit materiell‑rechtlich dazu, dass diese trotz bestehender Aufrechnungslage von den Wirkungen des Sanierungsplans erfasst und damit zu Naturalobligationen werden. Eine Aufrechnung mit einer (nicht jedoch gegen eine) Naturalobligation wird aber von der völlig herrschenden Meinung abgelehnt: Das ergibt sich aus § 1439 ABGB Satz 1, wonach die „Richtigkeit“ der Forderung Aufrechnungsvoraussetzung ist (Gschnitzer in Klang VI² 501; Dullinger, Aufrechnung 284 f; Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 19 Rz 4; G. Kodek in Konecny, Insolvenz‑Forum 2004, 106; Nunner‑Krautgasser, ZIK 2009/7, 4 [5]; Heidinger in Schwimann, ABGB3 § 1439 Rz 6; Holly in Kletečka/Schauer ABGB‑ON1.01 § 1439 Rz 5; Schopper, Aufrechnung bei Fremdwährungskrediten, VbR 2014/26, 40 [42]).
5.1.4 Auch die Rechtsprechung betont, dass nur „richtige“ Gegenforderungen Gegenstand der Aufrechnung sein können (1 Ob 55/98i SZ 71/155; RIS‑Justiz RS0110834).
5.1.5 Ebenfalls unstrittig ist in Lehre und Rechtsprechung, dass die Aufrechnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegen müssen (1 Ob 638/95 SZ 69/57; 2 Ob 204/10d SZ 2011/127; RIS‑Justiz RS0120622; Gschnitzer in Klang VI² 494;Dullinger in Rummel ABGB³ § 1438 Rz 10; Griss in KBB4 § 1438 Rz 3).
5.1.6 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die ständige Rechtsprechung (nur) für verjährte Forderungen (RIS‑Justiz RS0034016; 6 Ob 110/12p SZ 2012/90 = GesRZ 2013, 38 [Torggler]; 7 Ob 9/13v). Das wird mit der Rückwirkung der Aufrechnung begründet, wonach also die Schuldtilgung mit Zugang der Aufrechnungserklärung rückwirkend zu dem Zeitpunkt eintritt, zu dem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden.
5.1.7 Diese Rechtsprechungslinie wird in der neueren Literatur nunmehr nahezu einhellig abgelehnt (Dullinger, Aufrechnung 147 ff; dieselbe in Rummel, ABGB3 § 1438 Rz 14; Eypeltauer, Verjährung und Aufrechnung, JBl 1991, 137; P. Bydlinski, Aufrechnung mit verjährten Forderungen? RZ 1991, 2; derselbe, Die Aufrechnung, Verjährung, Rückwirkung und § 414 Abs 3 HGB, RdW 1993, 238; Heidinger in Schwimann, ABGB3 § 1438 Rz 22 und Rz 24; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB³ § 1451 Rz 4; Holly in Kletečka/Schauer ABGB‑ON1.01 § 1438 Rz 20; Vollmaier in Klang³ § 1451 ABGB Rz 10; Schopper, VbR 2014/26, [43]; aA Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 [2015] 124).
5.1.8 Eine nähere Auseinandersetzung mit der Kritik an der Rechtsprechung zur Aufrechnung mit verjährten Forderungen kann hier unterbleiben:
a) Die „Rückwirkungsthese“ wurde vom Obersten Gerichtshof ausschließlich im Zusammenhang mit verjährten Gegenforderungen als Argument für deren Aufrechenbarkeit gebraucht. Die Aufrechnung mit präkludierten Forderungen lehnt die Rechtsprechung hingegen auch dann ab, wenn die Präklusion erst nach Entstehen der Aufrechnungslage eintritt (14 Ob 126/86 JBl 1987, 127 [krit P. Bydlinski]; 4 Ob 546/95; RIS‑Justiz RS0034034 [T1]). Das wird mit dem Zweck von Präklusivfristen, aber auch mit einem Hinweis auf das deutsche Recht (nun: § 215 BGB) begründet, das ‑ anders als das ABGB ‑ eine Aufrechnung mit verjährten, nicht aber mit präkludierten Forderungen ausdrücklich zulässt (14 Ob 126/86).
b) Das zeigt, dass die Rechtsprechung selbst die „Rückwirkungsthese“ für die Bejahung der Aufrechenbarkeit als nicht allein maßgeblich ansieht, sondern erkennbar den Zweck ‑ in den genannten Vorentscheidungen der Verjährung einerseits und der Präklusion andererseits ‑ beachtet, an dem zu messen ist, ob im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung die Aufrechnungsvoraussetzungen noch vorliegen müssen.
c) Orientiert an dem ‑ noch aufzuzeigenden ‑Zweck der Restschuldbefreiung nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans ist eine Ausdehnung der ‑ hier daher inhaltlich auch nicht zu überprüfenden ‑ Rechtsprechung zur Aufrechnung mit verjährten Forderungen auf den zu beurteilenden Fall jedenfalls nicht gerechtfertigt. Auch Befürworter der vollen Aufrechnungsmöglichkeit nach Abschluss eines Sanierungsplans räumen im Übrigen ein, dass die „Rückwirkungsthese“ die Aufrechnung mit der vollen Forderung nicht begründen kann (G. Kodek in Konecny, Insolvenz‑Forum 2004, 106; Dullinger,JBl 1999, 818 [EAnm]; Reiterer, Aufrechnung 124).
5.2 Aus § 19 IO lässt sich eine volle Aufrechnungsbefugnis nicht ableiten.
5.2.1 § 19 IO in der hier bereits anzuwendenden (§ 273 Abs 1 IO) Fassung des IRÄG 2010 (BGBl I 2010/29), die abgesehen von terminologischen Anpassungen der Vorgängerbestimmung des § 19 KO in der Stammfassung der KO 1914 (RGBl 1914/337) entspricht, lautet wörtlich wie folgt:
„1. Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits aufrechenbar waren, brauchen im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht zu werden.
2. Die Aufrechnung wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass die Forderung des Gläubigers oder des Schuldners zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch bedingt oder betagt, oder daß die Forderung des Gläubigers nicht auf eine Geldleistung gerichtet war. Die Forderung des Gläubigers ist zum Zwecke der Aufrechnung nach §§ 14 und 15 zu berechnen. Ist die Forderung des Gläubigers bedingt, so kann das Gericht die Zulässigkeit der Aufrechnung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen.“
5.2.2 § 19 IO gewährt somit dem Insolvenzgläubiger die Möglichkeit, gegen Aktivforderungen des Insolvenzschuldners mit einer Insolvenzforderung aufzurechnen, sofern ‑ wie hier ‑ die Forderungen zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits aufrechenbar waren und kein Ausschlussgrund iSd § 20 Abs 1 IO vorliegt.
5.2.3 Wesentlicher Regelungsinhalt und Normzweck des § 19 IO ist, dass eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren überhaupt möglich bleibt (Konecny, EvBl 2009/46 [EAnm]) und weiterhin außergerichtlich, also ohne Notwendigkeit der Forderungsanmeldung, erklärt werden kann. § 19 Abs 1 IO privilegiert den Aufrechnungsberechtigten dadurch, dass die Aufrechnungslage als Sicherungsfall für den Insolvenzfall anerkannt wird. Das ist nicht zwingend: Der Gesetzgeber könnte auch ‑ wie in anderen Staaten ‑ die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen nach Verfahrenseröffnung gänzlich ausschließen (Fichtinger, Insolvenzaufrechnung 382 f mwN).
5.2.4 § 19 IO erleichtert überdies die Aufrechnung in der Insolvenz mit dem ‑ auch verfahrensökonomisch wünschenswerten ‑ Ergebnis der sofortigen Schuldbereinigung. Die Aufrechnung wird nämlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Forderung des Gläubigers oder des Insolvenzschuldners zur Zeit der Verfahrenseröffnung nur bedingt oder betagt war. Die Forderung des Gläubigers ist zum Zweck der Aufrechnung nach §§ 14 und 15 IO zu berechnen. Anders als nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen steht somit einer Aufrechnung in der Insolvenz auch nicht entgegen, dass die Forderung des Gläubigers nicht auf eine Geldleistung gerichtet war (Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 19 Rz 22 mwN; kritisch zu dieser Privilegierung Ch. Rabl, Die unbillige Aufrechnung in der Insolvenz, ecolex 2012, 550).
5.2.5 Der systematischen Einordnung der §§ 19 und 20 IO im „Ersten Hauptstück ‑ Wirkungen der Insolvenzverfahrenseröffnung“ entsprechend (Fichtinger, Insolvenzaufrechnung 375) liegt also der Regelungszweck dieser Bestimmungen darin, dem Insolvenzgläubiger die Aufrechnung mit einer Insolvenzforderung unter erleichterten Bedingungen zu gewähren, allerdings mit der durch § 20 Abs 1 IO bedingten Erschwerung, dass bereits zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung die Aufrechnungslage bestanden haben muss. Damit ist aber auch das Argument (Reiterer, Aufrechnung 24 ff) relativiert, eine Verneinung der vollen Aufrechnungsbefugnis im Fall des Abschlusses eines Sanierungsplans mache die §§ 19, 20 IO zu weitgehend inhaltsleeren Bestimmungen: § 19 Abs 1 IO stellt klar, dass die Aufrechnung in der Insolvenz überhaupt ‑ anders als in anderen Ländern (vgl 5.2.3) ‑ und ohne Anmeldung möglich ist.
5.2.6 Nicht nur der Wortlaut („... brauchen im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht zu werden“), der mit der Terminologie der die Forderungsanmeldung regelnden Vorschriften der §§ 102 ff IO übereinstimmt, sondern auch die historische Interpretation spricht schließlich dafür, dass sich § 19 Abs 1 IO nur auf die insolvenzspezifische Forderungsdurchsetzung iSd §§ 102 ff IO bezieht: So regelte die in Wahrheit inhaltlich in die KO übernommene Vorgängerbestimmung des § 20 S 1 CO 1868 (RGBl 1869/1) ausdrücklich, dass der Aufrechnung unterliegende Forderungen „keiner Anmeldung im Concurse“ bedürfen (Nunner‑Krautgasser, Jahrbuch Insolvenz‑ und Sanierungsrecht 2014, 163 [184 f mwN]).
5.2.7 Aus § 19 Abs 1 IO ergibt sich daher nur, dass der Insolvenzgläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren zur Wahrung der Aufrechnungsmöglichkeit nicht anmelden muss. Darüber, ob nach Abschluss eines Sanierungsplans nur mehr mit der Quote oder mit der vollen Forderung aufgerechnet werden kann, enthalten die §§ 19 und 20 IO hingegen keine Aussage.
5.2.8 Aus der Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs vom 19. 5. 2011, IX ZR 222/08, ist für eine andere Auslegung von § 19 Abs 1 IO nichts zu gewinnen: Der BGH entschied, dass ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht auch dann erhalten bleibe, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt. Tragende Begründung dafür war, dass bereits unter der Geltung der (deutschen) Konkursordnung, der Vergleichsordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung nach dem Willen des Gesetzgebers eine bei Verfahrenseröffnung bestehende Aufrechnungsmöglichkeit auch nach Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplans weiter bestehen solle. Das gehe aus den ‑ in der Entscheidung näher angeführten ‑ Gesetzesmaterialien hervor. Dieses Verständnis sei auch § 94 dInsO ‑ nach dessen Wortlaut ein zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung kraft Gesetzes oder Aufrechnungsvereinbarung bestehendes Aufrechnungsrecht eines Insolvenzgläubigers durch das Verfahren nicht berührt wird ‑ zu unterstellen.
Abgesehen davon, dass diese ‑ stark historisch geprägte ‑ Argumentation in der deutschen Lehre auf beträchtliche Kritik gestoßen ist (Sinz in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, Insolvenzordnung14 [2015] § 94 dInsO Rz 84 mwN), unterscheidet sich die deutsche von der österreichischen Rechtslage schon deshalb, weil ein entsprechender historischer oder aktueller Wille des österreichischen Gesetzgebers nicht feststellbar ist: Die Denkschrift über die Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordung (1914) verweist lediglich darauf, dass das Recht der Aufrechnung im Konkurs im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem alten Recht belassen worden sei (S 25) und nimmt zur hier interessierenden Frage nicht Stellung.
5.3 Auch die Sicherungsfunktion der Aufrechnung lässt keine andere Beurteilung zu.
5.3.1 Es ist unbestritten, dass die Aufrechnung im Allgemeinen und die durch § 19 IO dem Insolvenzgläubiger eingeräumte Aufrechnungsbefugnis im Besonderen auch einem Sicherungszweck dient (so schon Denkschrift 25). Damit ist aber die Frage nicht beantwortet, ob der Sicherungszweck gebietet, die ohnedies bis zur Bestätigung des Sanierungsplans bestehende volle Aufrechnungsmöglichkeit auch nach Abschluss des Sanierungsplans zu gewähren. Das Argument (Dullinger, Aufrechnung 311 ff), dass das Vertrauen des Aufrechnungsberechtigten auf die Aufrechenbarkeit schutzwürdiger sei als das Vertrauen des Schuldners, nicht mehr als die Quote zahlen zu müssen, hat durchaus Gewicht.
5.3.2 Allerdings steht diesem Billigkeits-argument das zumindest ebenso beachtliche Argument gegenüber, dass es im Hinblick auf den ausgeprägten Sanierungscharakter des österreichischen Insolvenzverfahrens unbillig wäre, wenn die Erfüllung des Sanierungsplans durch später abgegebene Aufrechnungserklärungen noch vereitelt werden könnte (Nunner‑Krautgasser, ZIK 2009/7, 6; Rummel in Rummel, ABGB² § 1439 Rz 11).
a) Der Sicherungszweck rechtfertigt im Hinblick darauf, dass die Erfüllung des Sanierungsplans und die dadurch bewirkte endgültige Restschuldbefreiung nicht nur im Interesse des Insolvenzschuldners, sondern auch der übrigen Insolvenzgläubiger liegt und die Unternehmenssanierung vor allem im Hinblick auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen ein wesentliches rechtspolitisches Gestaltungsanliegen ist (P. Oberhammer, Unternehmenssanierung als rechtspolitisches Gestaltungsanliegen, in FS O. Oberhammer [1999] 119 ff; zum rechtspolitischen Anliegen des IRÄG 2010, die Erfolgschancen einer Sanierung zu erhöhen s Mohr, Der Sanierungsplan in Konecny, ZIK Spezial, IRÄG 2010, 117), den Schutz eines untätigen Gläubigers nicht. Ihm ist es angesichts der öffentlichen Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung grundsätzlich möglich, rechtzeitig, also vor rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans, eine außergerichtliche Aufrechnungserklärung gegenüber dem Insolvenzverwalter abzugeben (3 Ob 82/08t; Nunner‑Kraut-gasser, ZIK 2009/7, 4 [6]; Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 59; Holly in Kletečka/Schauer ABGB‑ON1.01 § 1439 Rz 16/6).
b) Gegenforderungen entstehen im Übrigen in der Regel nicht „zufällig“, sondern aufgrund einer Vertragsbeziehung zwischen Insolvenzgläubiger und Insolvenzschuldner, allenfalls im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung. Die Annahme, dass ein Gläubiger im Vertrauen auf seine Gegenforderung die Einsichtnahme in die Ediktsdatei unterlässt und dadurch von der Verfahrenseröffnung keine Kenntnis hat, überzeugt nicht: In der Regel wird dem Gläubiger die Eröffnung des Verfahrens über seinen Vertragspartner ‑ gerade wie im hier zu beurteilenden Fall, bei welchem die Verfahrenseröffnung sogar erst nach Klageeinbringung erfolgte ‑ bekannt sein.
c) Sollte der Gläubiger hingegen ausnahmsweise unverschuldet aus wenn auch nur leichter Fahrlässigkeit des Insolvenzschuldners an einer außergerichtlichen Aufrechnungserklärung vor rechtskräftiger Sanierungsplanbe-stätigung gehindert worden sein, kommt eine (analoge) Anwendung von § 156 Abs 4 IO in Betracht (Fichtinger, Insolvenzaufrechnung 402; vgl auch Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 59):
Nach den Wertungen des § 156 Abs 4 IO sollen Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Sanierungsplan unberücksichtigt blieben, die daraus resultierenden Nachteile nicht treffen. Das ist dann zu bejahen, wenn der Gläubiger über die Existenz der Forderung nicht Bescheid weiß und diese Unkenntnis auf einem zumindest fahrlässigen Verhalten des Schuldners beruht (Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 141 mwN). Wertungsmäßig ist nun diese Situation dem Fall vergleichbar, dass der Gläubiger sein Aufrechnungsrecht deshalb nicht rechtzeitig, also vor rechtskräftiger Sanierungsplanbe-stätigung, ausgeübt hat, weil ihm zum Beispiel etwaige Gewährleistungs-, Schadenersatz- bzw Regressforderungen gegen den Schuldner erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden oder durch dessen Verschulden endgültig entstanden sind. Für diese Fälle bietet eine analoge Anwendung von § 156 Abs 4 IO ein ausreichendes Korrektiv zur Vermeidung der Erstreckung der Sanierungsplanwirkungen auf Gläubiger, die ihre Aufrechnungsrechte unverschuldet, jedoch aus zumindest leichter Fahrlässigkeit des Schuldners, nicht rechtzeitig ausgeübt haben.
Ein Rückgriff auf die in einigen Entscheidungen erwähnte Einschränkung des Verlusts der vollen Aufrechnungsbefugnis bei „Unzumutbarkeit“ der Abgabe der Aufrechnungserklärung während des Insolvenzverfahrens (vgl etwa 3 Ob 82/08t) ist bei dieser Lösung ebenso entbehrlich wie eine Auseinandersetzung damit, nach welchen Kriterien die „Zumutbarkeit“ zu beurteilen wäre (vgl dazu eingehend Fichtinger, Insolvenzaufrechnung 401 ff).
d) Der Einwand, die Erfüllung eines Sanierungsplans sei durch Gewährung der vollen Aufrechnungsmöglichkeit auch nach seinem Abschluss nicht gefährdet, weil das Bestehen einer Gegenforderung dem Insolvenzschuldner regelmäßig bekannt sei; er bzw der Insolvenzverwalter könne daher ebenfalls eine Aufrechnungserklärung abgeben (BGH IX ZR 222/08), berücksichtigt nicht ausreichend, dass gerade im Zusammenhang mit behaupteten Gegenforderungen eines Insolvenzgläubigers für den Schuldner eine wirtschaftliche Plangestaltung unter Berücksichtigung dieser Gegenforderung in der Praxis auf Schwierigkeiten stößt:
Meldet der Insolvenzgläubiger seine Forderung nicht an und erklärt auch außergerichtlich die Aufrechnung nicht, wird für den Insolvenzschuldner häufig durchaus zweifelhaft sein, ob der Gläubiger von dieser ‑ möglicherweise dem Grunde und der Höhe nach strittigen ‑ Gegenforderung überhaupt Gebrauch machen will. Geht der Schuldner selbst davon aus, dass die Gegenforderung nicht besteht, wird er diese Forderung bei seinem Sanierungsplanvorschlag daher auch nicht berücksichtigen.
Unter diesem Gesichtspunkt ist ein höheres Schutzbedürfnis des Insolvenzgläubigers zu verneinen. Das Argument, der Insolvenzschuldner bzw der Insolvenzverwalter könne ja selbst außergerichtlich die Aufrechnung erklären, trifft im Übrigen uneingeschränkt auch auf den Insolvenzgläubiger zu.
5.4 Schließlich kommt auch eine analoge Anwendung des § 149 Abs 1 IO auf den aufrechnungsberechtigten Insolvenzgläubiger nicht in Betracht.
5.4.1 § 149 Abs 1 IO in der durch das IRÄG 2010 geänderten Fassung lautet:
„Die Ansprüche der Aussonderungsberechtigten und der Absonderungsgläubiger werden durch den Sanierungsplan nicht berührt. Wird der Sanierungsplan bestätigt, so sind die gesicherten Forderungen mit dem Wert der Sache begrenzt, an der Absonderungsrechte bestehen. Gläubiger, deren Forderungen durch Absonderungsrechte zum Teil gedeckt sind, nehmen mit dem Ausfall (§ 132 Abs 6) am Sanierungsplanverfahren teil; solange dieser jedoch nicht endgültig feststeht, sind sie bei der Erfüllung des Sanierungsplans mit dem mutmaßlichen Ausfall zu berücksichtigen.“
5.4.2 Eine unmittelbare Anwendung des § 149 Abs 1 IO auf den Aufrechnungsgläubiger scheidet aus: Die Aufrechnungslage ist kein Absonderungsrecht, das dadurch gekennzeichnet ist, dass ein eigenständiges, neben dem Forderungsrecht gegen den Insolvenzgläubiger stehendes Sicherungsrecht besteht. Der Pfandgläubiger hat für den Fall, dass sein Personalschuldner nicht zahlt, einen Anspruch auf Pfandverwertung, kann sich also dadurch Befriedigung für seine Forderung verschaffen. Der Aufrechnungsberechtigte verfügt dagegen über kein „Absonderungsgut“, das er verwerten könnte. § 149 Abs 1 IO geht vom Entfall der persönlichen Haftung und Fortbestand der Sachhaftung aus.
5.4.3 Erwogen werden könnte daher nur eine analoge Anwendung des § 149 Abs 1 IO auf den Aufrechnungsgläubiger. Eine derartige Analogie wird im Ergebnis von jenen Vertretern der Lehre bejaht, die für eine volle Aufrechnungsbefugnis mit dem Argument eintreten, dass die Rechtsstellung des Aufrechnungsberechtigten wirtschaftlich der Stellung des Absonderungsberechtigten ähnle. Dass sich der Aufrechnungsberechtigte nach §§ 19, 20 IO am Verfahren nicht beteiligen müsse, weil er ohnehin im Umfang seiner Gegenleistung gesichert sei, spreche dafür, dass die Aufrechnungsberechtigung durch den Sanierungsplan nicht betroffen werde (G. Kodek in Konecny, Insolvenz‑Forum 2004, 106 f; die Frage offenlassend jedoch nun in Handbuch Privatkonkurs² [2015] Rz 706; St. Riel in Konecny/Schubert, § 149 KO Rz 10; Friedl, ecolex 2008/399, 1120 [1122]; Friedl, ecolex 2009/40, 136 [137]). In seiner Kritik an der Entscheidung 3 Ob 82/08t bezeichnet es Friedl (ecolex 2009/40, 136 [137]) als inkonsequent, die Stellung des Aufrechnungsberechtigten zwar mit jener eines Absonderungsberechtigten als vergleichbar anzusehen, diesem aber unter bloßem Hinweis auf den Wortlaut des (zum Entscheidungszeitpunkt noch anzuwendenden) § 46 AO die Vorzüge des Absonderungsberechtigten zu verweigern.
5.4.4 Diese in Wahrheit vor allem auf einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise beruhende Auffassung könnte aber nur dann überzeugen, wenn tatsächlich eine „teleologische“ („unechte“) Gesetzeslücke zu bejahen wäre. Eine solche Lücke wäre dann nachgewiesen, wenn das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist (F. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 7 Rz 2; 8 Ob 84/06w; 7 Ob 215/11k SZ 2012/21 uva). Ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht den Gerichten nicht zu (3 Ob 215/02t SZ 2002/178; RIS‑Justiz RS0098756 [T5]).
5.4.5 Gegen das Vorliegen einer planwidrigen Unvollständigkeit spricht zunächst, dass der Gesetzgeber ganz bewusst für bestimmte Tatbestände eine Gleichbehandlung von Absonderung und Aufrechnung geregelt hat: In § 12a IO (Erlöschen von Vorrechten an Schuldnereinkommen) und in § 116 Abs 1 Z 2 IO (Mitteilung des Anerkenntnisses von strittigen Aus‑, Ab‑ und Aufrechnungsansprüchen) hat der Gesetzgeber Aufrechnung und Absonderung gleichgestellt. Es bestehen daher erhebliche Zweifel, dass das Schweigen des Gesetzgebers in § 149 Abs 1 IO (vgl auch die allerdings den Sonderfall der Geltendmachung von Aus- oder Absonderungsrechten an Arbeitseinkünften betreffende Bestimmung des § 113a IO, die auf Aufrechnungsrechte nicht Bezug nimmt) ungewollt ist (Konecny, EvBl 2009/46 [EAnm]; Nunner-Krautgasser, Jahrbuch Insolvenz‑ und Sanierungsrecht 2014, 163 [184]; Holly in Kletečka/Schauer ABGB‑ON1.01 § 1439 Rz 16/6).
5.4.6 Dass der Gesetzgeber nur in § 12a IO und § 116 Abs 1 Z 2 IO das Aufrechnungs‑ und das Absonderungsrecht gleich behandelt, stellt somit ein beachtliches Indiz gegen eine Analogie dar. Dazu kommt, dass der Gesetzgeber für andere (Sicherungs‑)Rechte als das Aufrechnungsrecht bewusst eine Gleichstellung mit Absonderungsrechten angeordnet hat: So bestimmt § 10 Abs 2 IO unter der Überschrift „Absonderungsrechte und ihnen gleichgestellte Rechte“, dass Zurückbehaltungsrechte im Insolvenzverfahren wie Pfandrechte zu behandeln sind (vgl auch § 10 Abs 3 IO).
5.4.7 Ganz wesentlich gegen eine Analogie spricht aber vor allem, dass die Aufrechnungslage zwar dem Absonderungsrecht insoweit in den wirtschaftlichen Auswirkungen ähnelt, dass dem Gläubiger in beiden Fällen ein Sicherungsinstrument zur Verfügung steht, dass sie sich aber im Übrigen vom Absonderungsrecht inhaltlich ganz grundlegend unterscheidet:
a) Der Aufrechnungsberechtigte verfügt über keine bestimmte aus der Masse absonderungsfähige, verwertbare Sache, also über kein Absonderungsgut (Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht I4 § 19 Rz 17). Er ist Insolvenzgläubiger mit dem Vorteil, sich selbst die Forderungsbefriedigung durch Abgabe einer Aufrechnungserklärung zu verschaffen (Nunner‑Krautgasser, ZIK 2009/7, 4 [5]; Konecny, EvBl 2009/46 [EAnm]).
b) Für das Absonderungsrecht ist kennzeichnend, dass sich der Gläubiger für eine bestimmte, konkretisierte Forderung durch Abschluss des Pfandbestellungsvertrags und Setzung des entsprechenden Modus eine bestimmte akzessorische Sicherheit beschafft, die gerade die Einbringlichkeit der Forderung sichern soll. Das aufrechenbare Gegenübertreten von Forderungen folgt hingegen ‑ wie bereits in anderem Zusammenhang aufgezeigt ‑ oftmals schon aus dem Geschäftsverkehr selbst. Während also das Absonderungsrecht ausschließlich zur Besicherung der Schuld begründet wird, ist die Aufrechnung primär Erfüllungssurrogat mit einer daneben tretenden Sicherungsfunktion.
5.4.8 Die für eine Gesetzesanalogie geforderte Voraussetzung, dass der gesetzlich nicht geregelte Fall dem geregelten Fall soweit ähnelt, dass nach den maßgeblichen Wertungen des Gesetzgebers die geregelte Rechtsfolgenanordnung auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall zu erstrecken ist, liegt daher hier nicht vor. Schon aus diesem Grund kommt eine analoge Anwendung des § 149 Abs 1 IO auf den Aufrechnungsberechtigten nicht in Betracht.
Ein Eingehen darauf, dass die Analogie auch auf erhebliche praktische Schwierigkeiten, etwa im Zusammenhang mit dem Stimmrecht, stoßen könnte, erübrigt sich aus diesem Grund.
5.5. Ob die ‑ von einem Teil der Lehre kritisierte (Dullinger in Rummel ABGB3 § 1438 Rz 12; Holly in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 1438 Rz 15 mwN) ‑ ständige Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der außergerichtlichen Eventualaufrechnung (RIS‑Justiz RS0033970) auch auf den Fall der Aufrechnung in der Insolvenz zu übertragen ist (mit beachtlichen Argumenten verneinend Fichtinger, Insolvenzaufrechnung 404 f, vgl auch § 19 Abs 2 IO), bedarf aber hier keiner Prüfung, weil die Beklagten vor rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans und Konkursaufhebung keine außergerichtliche Eventualaufrechnung erklärten.
6. Der verstärkte Senat beschließt daher folgenden Rechtssatz:
„Macht der Insolvenzgläubiger von der gesetzlichen Möglichkeit, während des Insolvenzverfahrens gemäß § 19 Abs 1 IO aufzurechnen, keinen Gebrauch, kann er nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens regelmäßig nur mehr mit der Sanierungsplanquote seiner Forderung aufrechnen.“
7. Fallentscheidung
7.1 Rechnerisch ergibt sich eine berechtigte Klageforderung der Klägerin gegenüber der Erstbeklagten in Höhe von 63.528,06 EUR (30%ige Quote der unstrittig bestehenden Werklohnforderung von 211.760,20 EUR, resultierend aus dem Werklohnanspruch von 173.868,65 EUR sA aus dem Bauvorhaben E* zuzüglich 24.166,35 EUR und 13.725,20 EUR für Arbeiten an den Projekten „P*“ bzw „Z*“). Der dem Berufungsgericht unterlaufene Rechenfehler bei seinem Ausspruch, dass die Klageforderung der Klägerin gegenüber der Erstbeklagten mit 65.830 EUR zu Recht bestehe, ist daher zu berichtigen.
7.2 Die beiden Beklagten zustehende Gegenforderung von 6.850 EUR ergibt ‑ gekürzt auf die Sanierungsplanquote von 23,5 % ‑ einen Betrag von 1.609,75 EUR.
Nur im Verhältnis zur Erstbeklagten bestehen weitere Gegenforderungen mit 26.997,16 EUR zu Recht (ungekürzt 114.881,55 EUR x 23,5 %).
7.3 Die Erstbeklagte hat daher 34.921,15 EUR sA (statt der vom Berufungsgericht infolge des Rechenfehlers irrtümlich zugesprochenen 37.223,09 EUR) solidarverpflichtet mit der Zweitbeklagten zu zahlen. Die Zweitbeklagte hätte darüber hinaus 110.340,59 EUR sA (173.868,65 EUR ‑ [1.609,75 EUR + 26.997,16 EUR + 34.921 EUR]) zu leisten. Insofern bleibt es aber bei dem von der Klägerin unbekämpft gebliebenen Zuspruch von (bloß) weiteren 108.028,65 EUR sA gegenüber der Zweitbeklagten. In diesem Umfang war daher der Revision teilweise Folge zu geben.
7.4 Bei dieser Berechnung wird die nur der Erstbeklagten zustehende Gegenforderung in der auf die Sanierungsplanquote gekürzten Höhe auch der Zweitbeklagten schuldmindernd angerechnet. Da die Klägerin kein Rechtsmittel gegen das Berufungsurteil erhob, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob einem Solidarschuldner die berechtigte Eventualaufrechnung des anderen Solidarschuldners im selben Prozess zugute kommt, obwohl die Tilgungswirkung der Eventualaufrechnung nach der Rechtsprechung erst mit der Rechtskraft der Entscheidung eintritt (RIS‑Justiz RS0109614; 10 Ob 205/01x SZ 2002/23).
8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 und 3 ZPO. Das Erstgericht behielt die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens vor.
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