OGH 14Ob126/86

OGH14Ob126/8615.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna, Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Rupert Dollinger und Dr. Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann P***, Kraftfahrer, Hörsching, Fischillstraße 2 (oder: Schmidgasse 4), vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Dr. Ernst C***, Rechtsanwalt in Wels, Bahnhofstraße 10, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S*** Gesellschaft mbH in Marchtrenk, Linzerstraße 13, wegen restl. S 47.851,06 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 7. Februar 1986, GZ. 21 Cg 40/85-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wels vom 8. Mai 1985, GZ. Cr 233/84-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.829,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 257,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 2. Jänner bis 14. Mai 1984 (oder: lt. Außerstreitstellung bis 18. Mai 1984) beim beklagten Masseverwalter der S*** Gesellschaft mbH in Wels, über deren Vermögen am 27. Oktober 1982 der Konkurs eröffnet worden war, als Fernfahrer beschäftigt. Auf der Rückfahrt von einem Ferntransport nach Teheran hatte der Kläger in Griechenland einige Tage vor der Rückkunft nach Österreich am 4. Mai 1984 mit dem von ihm gelenkten Sattelfahrzeug der Gemeinschuldnerin einen Unfall. Er kam auf regennasser und rutschiger Fahrbahn in einer Linkskurve, der er sich mit 30 bis 40 km/h genähert hatte, infolge schlecht funktionierender Bremsen und vermutlich auch wegen zu hohen Gewichtes der Ladung von der Fahrbahn ab. Der dabei am Fahrzeug entstandene Schaden übersteigt die Klagsforderung bei weitem. Der beklagte Masseverwalter kündigte das Dienstverhältnis des Klägers zum 14. Mai 1984 (siehe oben) auf. Der fällige Restlohn des Klägers wurde berechnet, aber nicht ausbezahlt.

Im Rechtsmittelverfahren ist nicht mehr strittig, daß den Kläger an diesem Unfall nur ein minderer Grad des Versehens trifft und daß ihm von dem mit Klage begehrten Betrag von S 69.300,-- (Arbeitslohn S 68.500,-- netto; S 800,-- als Kostenersatz für eine bezahlte Strafverfügung) ein Betrag von S 47.851,06 sA netto zusteht. Beide Vorinstanzen stellten die vom Kläger erhobene Forderung mit diesem Betrag als zu Recht und die vom Beklagten wegen Beschädigung des Sattelschleppers in der Tagsatzung vom 17. Dezember 1984 eingewendete Gegenforderung von S 317.000,-- als nicht zu Recht bestehend fest, was sie damit begründeten, daß die auf einem minderen Grad des Versehens beruhende Gegenforderung des Beklagten mangels gerichtlicher Geltendmachung binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnte, gemäß § 6 DHG erloschen sei.

Dem erst im Berufungsverfahren erhobenen Einwand des Beklagten, er habe am 4. oder 5. Mai 1984 die Lohnforderungen des Klägers mit den Schadenersatzansprüchen außergerichtlich aufgerechnet, hielt das Berufungsgericht entgegen, daß eine derartige Aufrechnungserklärung nicht erwiesen sei. Die Prozeßbehauptung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. Dezember 1984 ("der Gesamtschaden in Höhe von S 317.000 wird hiemit als Gegenforderung gegen die Klagsforderung aufgerechnet") lasse jeglichen Hinweis auf einen Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine bereits vorher vollzogene Aufrechnung stütze, vermissen. Vielmehr handle es sich bei diesem Vorbringen um eine prozessuale Aufrechnungseinrede. Dafür spreche auch, daß außergerichtliche Aufrechnung die bedingungslose Anerkennung des Hauptanspruches voraussetze, der Beklagte aber nur einen Teil der Klagsforderung unbestritten gelassen habe. Die Frist des § 6 DHG sei eine von Amts wegen wahrzunehmende Ausschluß-(Präklusiv-)Frist, deren Ablauf die nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemachte Gegenforderung untergehen lasse. Der Anspruch könne dann auch nicht mehr im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden. Die Frist beginne, sobald der Schaden und die Person des Schädigers bekannt seien. Die Kenntnis der Höhe des Schadens sei hingegen nicht erforderlich. Selbst wenn die Lohnforderung des Klägers und der Schadenersatzanspruch des Beklagten einander erst am 18. Mai 1984 aufrechenbar gegenübergestanden wären, hätte die sechsmonatige Ausschlußfrist am 18. November 1984 (oder im Falle der Kündigung des Dienstverhältnisses zum 14. Mai 1984 [siehe oben] am 14. November 1984) geendet. Die erst am 17. Dezember 1984 gerichtlich geltend gemachte Gegenforderung sei daher erloschen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Ansicht des Revisionswerbers, für die Geltendmachung der Aufrechnung könne anstelle einer ausdrücklichen Aufrechnungserklärung auch ein schlüssiges Verhalten (zB der Abzug der Hauptforderung in der Rechnung über die Gegenforderung, Rummel in Rummel, ABGB, Rz 12 zu § 1438; JBl 1974, 624) ausreichen, ist zwar richtig. In der Kündigung des Klägers durch den Masseverwalter wegen des verursachten Verkehrsunfalls und in der Nichtzahlung des fälligen Lohns liegt jedoch entgegen der Behauptung des Revisionswerbers keine schlüssige Aufrechnung der Lohnforderung mit der Gegenforderung aus diesem Unfall, weil die Kündigung noch nichts darüber besagte, ob der Dienstgeber auch Schadenersatzforderungen gegen den Dienstnehmer wegen Zufügung eines Schadens bei Erbringung der Dienstleistungen erheben will und die nachfolgende Nichtzahlung des Entgelts auch andere Gründe haben konnte. Innerhalb der Frist des § 6 DHG liegt somit weder eine schlüssige noch eine ausdrückliche Aufrechnungserklärung (die vom Berufungsgericht nicht als erwiesen angenommen wurde) vor.

Der Revisionswerber macht aber auch geltend, daß die im Prozeß am 17. Dezember 1984 erhobene Aufrechnungseinrede auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage, in dem die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenübergestanden seien, zurückwirke (was in Lehre und Rechtsprechung unstrittig ist, Rummel, aaO Rz 14; dieser Zeitpunkt müßte spätestens mit Lohnfälligkeit am Ende des Dienstverhältnisses (14. Mai oder 18. Mai 1984) eingetreten sein). Daraus leitet der Beklagte ab, daß die Aufrechnung mit einer verjährten Forderung zulässig sei, soweit die Verjährung im Zeitpunkt, als sich die Forderungen aufrechenbar gegenüberstanden, noch nicht eingetreten sei. Der Ablauf der Frist des § 6 DHG bewirke aber, wie Reischauer (RdA 1978, 198 ff) überzeugend begründet habe, nur Verjährung und nicht Präklusion der Forderung.

Bei Vorliegen einer Verjährungsfrist wäre den Ausführungen des Revisionswerbers zuzustimmen, weil nach herrschender Lehre und Rechtsprechung aus der Rückwirkung auch die Wirksamkeit der Aufrechnung mit einer verjährten Gegenforderung abgeleitet wird, wenn die Verjährung erst nach der Aufrechnungslage eingetreten ist (Klang in Klang VI 663 mwN; Gschnitzer in Klang aaO 502;

Ehrenzweig 2 II/1, 333; Koziol-Welser 7 I 254 f; Schubert in Rummel aaO Rz 1 zu § 1451; ZBl 1933/185; SZ 28/76; NZ 1969, 59;

SZ 48/79; zweifelnd Rummel aaO Rz 15 zu § 1438). Die Frist des § 6 DHG ist jedoch keine Verjährungsfrist. Vielmehr handelt es sich nach überwiegender Lehre (Dirschmied, DHG 2 120; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 291, Berger, Rechtsfragen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes RdA 1978, 95 [101]; Koziol in ZAS 1976, 56; derselbe Haftpflichtrecht 2 II 218) und ständiger Rechtsprechung (Arb 9257, 9702; ZAS 1976, 53; 1982, 220; Arb 10.183, 10.324; ZAS 1985, 70) um eine auch von Amts wegen wahrzunehmenden Ausschlußfrist. Der gegenteiligen Ansicht von Reischauer (Probleme der Dienstnehmerhaftung, RdA 1978, 193 [198 ff]) und Peter Bydlinski (RdA 1984, 244 ff) kann nicht gefolgt werden. Die Ansicht von Reischauer läuft im Ergebnis darauf hinaus, den Unterschied zwischen Verjährungs- und Präklusivfristen für das ABGB überhaupt abzulehnen. Peter Bydlinski folgt dem nicht, meint aber, daß die Frist des § 6 DHG eine "normale", wenn auch kurze Verjährungsfrist sei (aaO 246). Beide Ansichten stehen im Widerspruch mit der vom Gesetzgeber verfolgten und ausdrücklich geäußerten Absicht, in § 6 DHG eine Ausschlußfrist und keine Verjährungsfrist statuieren zu wollen (JAB 653 BlgNR 10. GP 3; Arb 10.324).

Ist aber eine Gegenforderung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung infolge Ablaufs einer Ausschlußfrist erloschen, kann sie auch dann nicht mehr aufgerechnet werden, wenn die Präklusion erst nach der Aufrechnungslage eingetreten ist. Die gegenteilige Meinung, die von Ehrenzweig (aaO) und Peter Bydlinski (aaO 246 f unter verfehlter Berufung auf Gschnitzer aaO 501 f), sowie in den Entscheidungen GlUNF 1155 (zur Frist des § 967 ABGB; vgl. Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 967) und Arb 6632 (zu einer kollektivvertraglichen Ausschlußfrist) vertreten wird, kann jedenfalls für die Frist des § 6 DHG wegen des aus den Gesetzesmaterialien klar erkennbaren Zweckes, der mit der normierten Erlöschenswirkung verfolgt werden sollte, nicht geteilt werden. Gleichartige Argumente haben den Obersten Gerichtshof schon in der Entscheidung SZ 14/10 veranlaßt, die Aufrechnung mit einer wegen Ablaufes der Frist des § 17 MG verjährten (!) Forderung nicht zuzulassen. Der Oberste Gerichtshof führte damals aus, die aus § 17 MG hervorleuchtende Absicht des Gesetzgebers gehe dahin, die zwischen dem Vermieter und Mieter getroffene, gegen das Gesetz verstoßende und darum an sich unzulässige Vereinbarung eines übermäßigen Zinses dann zu einer unanfechtbaren zu machen, wenn sich der Mieter seines Anfechtungsrechtes durch einen Zeitraum von drei Monaten verschwiegen habe. Durch die Feststellung dieser kurzen Frist solle verhindert werden, daß die oft mit verwickelten Berechnungen verbundenen Streitigkeiten über die Höhe des Bestandzinses vielleicht erst nach Jahren zur richterlichen Entscheidung kämen. Es müsse daher angenommen werden, daß das Gesetz die gerichtliche Geltendmachung des Rückforderungsanspruches innerhalb der Verjährungsfrist bei sonstigem Erlöschen fordere, wenn nicht etwa die Aufrechnung vertragsmäßig vollzogen wurde. Nach Ablauf der Frist könne daher der Rückforderungsanspruch auch nicht im Wege der Einwendung erhoben werden.

Rummel (aaO Rz 15 zu § 1438) vertritt ganz allgemein die Ansicht, daß die Erklärung der Aufrechnung mit einer bereits präkludierten Forderung mit der Erlöschenswirkung unvereinbar ist, und verweist auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung, die die für verjährte Forderungen geltende Regel des § 390 Satz 2 BGB ("Die Verjährung schließt die Aufrechnung nicht aus, wenn die verjährte Forderung zu der Zeit, zu welcher sie gegen die andere Forderung aufgerechnet werden konete, noch nicht verjährt war") auf Präklusivfristen nicht anwendet (so etwa Kadirk-Staudinger II/1 d § 390 Rz 39, 40; Weber in BGB-RGRK 12 Rz 13; MünchKomm 2 II - von Feldmann § 391, RdNr. 2; BAGE 20, 156, 161 = NJW 68, 813: Der Arbeitnehmer kann gegenüber dem Arbeitgeber nicht mit Forderungen aufrechnen, die im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des Arbeitnehmers durch Ablauf einer Ausschlußfrist schon erloschen sind. Eine entsprechende Anwendung des § 390 Satz 2 BGB ist nichm möglich; der BGH hat seine in BGHZ 26, 304, 308 vertretene gegenteilige Ansicht aufgegeben: JZ 74, 29).

Mit der Frist des § 6 DHG soll das im Arbeitsleben wünschenswerte Ziel erreicht werden, daß über das allfällige Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen möglichst rasch Klarheit geschaffen wird. § 6 DHG trägt diesem in zahlreichen Kollektivverträgen verwirklichten Gedanken Rechnung (RV 631 BlgNR 10. GP 5; Dirschmied DHG 2 120, Berger aaO 101; EvBl 1973/180; auch Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht 81 zu den dieselbe Zielsetzung verfolgenden kollektivvertraglichen Verfallsklauseln). Dieser Gesetzeszweck wäre vereitelt, wenn es der Arbeitgeber in der Hand hätte, auch nach Ablauf der Frist des § 6 DHG durch eine zu beliebiger Zeit abgegebene Aufrechnungserklärung die Aufrechnung von Lohnforderungen mit Schadenersatzforderungen herbeizuführen, wenn sich beide Forderungen (was häufig der Fall sein wird) in der Frist des § 6 DHG aufrechenbar gegenübergestanden sind. Auch an diese Möglichkeit wurde in den Materialien gedacht und daher darauf hingewiesen, daß das Erlöschen des Anspruches nach Ablauf der Ausschlußfrist zur Folge hat, daß dieser Anspruch nach diesem Zeitpunkt auch nicht mehr im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden kann (JAB aaO 3).

Neben der rechtzeitigen (Eventual-)Aufrechnungseinrede im Prozeß, die eine Form gerichtlicher Geltendmachung darstellt (Dirschmied aaO 120; Arb 9257, 9702; ZAS 1976, 53; Arb 10.324) ist auch die - nach herrschender Ansicht nur unbedingt zulässige (siehe dazu aber Rummel aaO Rz 12 zu § 1438) - außergerichtliche Aufrechnung mit einer Schadenersatzforderung während der Frist des § 6 DHG wirksam, weil sie wie die Zahlung wirkt und die Hauptforderung für den Fall des Rechtsbestandes der eingewendeten Gegenforderung zum Erlöschen bringt. Eine derartige rechtzeitige außergerichtliche Aufrechnung ist aber hier nicht erklärt worden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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