Spruch:
Ipso iure compensatur.
Keine Verjährung der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung, wenn diese im Zeitpunkt der Entstehung der Hauptforderung noch nicht verjährt war.
Entscheidung vom 16. März 1955, 3 Ob 782/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung von 20.000 S verjährt sei, weil sie im Zeitpunkte der Erhebung der Kompensationseinwendung verjährt gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof lehnte diese Rechtsauffassung ab und hob auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Ausführungen der Revision übersehen, daß es rechtlich bedeutungslos ist, ob die Gegenforderung von 20.000 S im Zeitpunkt der Erhebung der Kompensationseinwendung bereits verjährt war. Aus der Bestimmung des § 1438 ABGB. ergibt sich, daß kompensable Forderungen, sofern sie sich gegenüberstehen und soweit sie sich decken, "schon für sich", das ist ipso iure, wie durch Zahlung aufgehoben erscheinen. Allerdings bedarf es zur Hervorbringung dieser Wirkung der ausdrücklichen Einwendung der Kompensation bzw. einer darauf gerichteten Willenserklärung der betreffenden Partei. Das Zusammentreffen zweier kompensabler Forderungen stellt sich daher als ein bedingt ipso iure wirkender Umstand dar, so zwar, daß durch die Geltendmachung der Kompensation seitens des hiezu Berechtigten diese ex tunc, d. h. von der Zeit an wirkt, in welcher zuerst beide Forderungen als kompensable einander gegenüberstanden. Es kann daher eine mittlerweile verjährte Forderung zur Kompensation mit einer noch vor eingetretener Verjährung entstandenen Gegenforderung - falls sonst die Voraussetzungen der Kompensation vorliegen - benützt werden (GlUNF. 1155, 6329). Im vorliegenden Fall wäre daher die Frage zu untersuchen gewesen, ob im Zeitpunkt der Entstehung der Hauptforderung die Kompensationsforderung von 20.000 S verjährt war. In dieser Richtung fehlen Feststellungen, so daß schon aus diesem Gründe in dem angefochtenen Punkt die Aufhebung des Berufungsurteiles und mit ihm auch des bezüglichen Teiles der erstrichterlichen Entscheidung unvermeidbar war.
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