OGH 8Ob84/06w

OGH8Ob84/06w3.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des Schuldners Gerhard G*****, vertreten durch Mag. Sabine Mohr-Egger, Rechtsanwältin in Hohenems, wegen Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Verweigerung der Erteilung der Restschuldbefreiung, infolge Revisionsrekurses des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 20. März 2006, GZ 2 R 53/06v-95, mit dem infolge Rekurses der Gläubiger B*****, vertreten durch Dr. Peter Jandl, Mag. Doris Schöberl, Rechtsanwälte in Wien, und Dr. Lothar G*****, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 18. Jänner 2006, GZ 16 S 1/95s-87, dieser abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird keine Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 28. 4. 1995 wurde das Abschöpfungsverfahren betreffend den Schuldner eröffnet und ein Treuhänder bestellt. Der Schuldner hatte für diesen Fall sein Einkommen aus seinem Arbeitsverhältnis und aus einer Witwerpension abgetreten. Im Jahr 1997 wechselte der Schuldner aber seinen Arbeitgeber und erzielte bei seinem neuen Arbeitgeber in der Schweiz ein wesentlich höheres Einkommen von damals über S 50.000,--. Dies teilte er jedoch weder dem Treuhänder noch dem Gericht mit, sodass der Treuhänder in weiterer Folge nur die von der Pensionsversicherungsanstalt überwiesenen Teile der Witwerpension verteilt. Im Jahre 2000 gab der Schuldner dann das höhere Einkommen bekannt und es wurde in weiterer Folge dann das abschöpfbare Einkommen für die Vergangenheit vom 1. 11. 1997 bis 30. 9. 2000 mit S 372.886,50 und im Übrigen mit laufend S 10.332,10 bestimmt. Über Ersuchen des Schuldners bestimmte das Gericht für die rückständigen Beträge eine ratenweise Bezahlung, die vom Schuldner im Jahr 2001 aber dann auch nur bei der ersten Ratenzahlung eingehalten wurde, sodass weiter S 201.561,82 offen waren. Nach Ende der 7-jährigen Laufzeit des Abschöpfungsverfahrens beantragte der Schuldner eine Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens, mit der auch die Gläubiger einverstanden waren bzw sich dazu jedenfalls nicht gegenteilig äußerten. Das Erstgericht verlängerte das Abschöpfungsverfahren um drei Jahre. Selbst in diesem Zeitraum konnte jedoch nur eine Quote von 8,717 % erzielt werden. Der Schuldner hatte auch aus seinem Arbeitseinkommen bei seinem neuen Schweizer Arbeitgeber von zuletzt etwas über sfr 60.000,-- jährlich nur monatlich EUR 210,-- an den Treuhänder überwiesen. Nach dem Ablauf der dreijährigen Frist beantragte der Schuldner eine Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 1 Z 2 zweiter Absatz KO. Die 10 %ige Quote sei nur geringfügig unterschritten worden. Im Wesentlichen sprachen sich die Gläubiger gegen die Restschuldbefreiung aus.

Das Erstgericht beendete das Abschöpfungsverfahren und erteilte die Restschuldbefreiung. Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass es zwar wesentliche Argumente dafür gebe, bei einer nach § 213 Abs 4 KO verlängerten Dauer des Abschöpfungsverfahrens eine Restschuldbefreiung nur bei Erreichung einer Mindestquote von 10 % anzunehmen (die Billigkeitserwägungen sind bereits bei der Verlängerung zu berücksichtigen) ging aber dann davon aus, dass im Hinblick auf das mangelnde Vorliegen von Obliegenheitsverletzungen nach dem Verlängerungsbeschluss und der Erreichung einer Quote von 8,717 % sowie dem kooperativen Verhalten des Schuldners die Restschuldbefreiung als Billigkeitsgründen erteilt werden könne. Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, dass es zwar das Abschöpfungsverfahren für beendet erklärte, den Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung jedoch abwies. Es stützte sich im Wesentlichen auf den klaren Wortlaut des § 213 Abs 4 KO. Eine Billigkeitsentscheidung bei mangelnden Erreichen der Mindestquote von 10 % sei nicht mehr möglich.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob nach Ablauf der Verlängerungsfrist für das Abschöpfungsverfahren bei Nichterreichung einer Quote von 10 % eine Restschuldbefreiung auch aus Gründen der Billigkeit in analoger Anwendung der Bestimmungen des § 213 Abs 2 und 3 möglich sei, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs des Schuldners ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grunde zulässig, aber nicht berechtigt.

§ 213 KO lautet unter der Überschrift

„Beendigung des Abschöpfungsverfahrens -

Entscheidung über die Restschuldbefreiung"

im Wesentlichen wie folgt:

(1) Das Gericht hat das Abschöpfungsverfahren für beendet zu erklären, wenn

1.) drei Jahre der Laufzeit der Abtretungserklärung verstrichen sind und die Konkursgläubiger während des Konkurs- und Abschöpfungsverfahrens zumindest 50 % der Forderungen erhalten haben oder

2.) die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen ist und die Konkursgläubiger während des Konkurs- und Abschöpfungsverfahrens zumindest 10 % der Forderungen erhalten haben.

Es hat gleichzeitig auszusprechen, dass der Schuldner von dem im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Konkursgläubigern befreit ist....

(2) Ist die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen, ohne dass die Konkursgläubiger während des Konkurs- und Abschöpfungsverfahrens zumindest 10 % der Forderungen erhalten haben, dann hat das Gericht auf Antrag des Schuldners nach Billigkeit zu entscheiden, ob das Abschöpfungsverfahren beendet und der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern befreit ist ....

(3) Wenn es nicht der Billigkeit entspricht, dass der Schuldner nach Abs 2 von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Konkursgläubigern befreit wird, kann das Gericht das Abschöpfungsverfahren für beendet erklären, die Entscheidung über die Restschuldbefreiung bis zu drei Jahren aussetzen und festlegen, inwieweit der Schuldner den sich auf die 10 % ergebenden offenen Forderungsbetrag einzelner oder aller Verbindlichkeiten noch erfüllen muss, damit er von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit ist. Bei der Entscheidung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob ....

(4) Wenn es nicht der Billigkeit entspricht eine Entscheidung nach Abs 3 zu treffen, kann das Gericht das Abschöpfungsverfahren um höchstens drei Jahre verlängern, wenn der Schuldner die Erklärung nach § 199 Abs 2 für die Dauer der Verlängerung abgibt. Nach Ablauf der Frist hat das Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 das verlängerte Abschöpfungsverfahren für beendet zu erklären und gleichzeitig auszusprechen, dass der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Konkursgläubigern befreit ist...."

Hier liegt nun ein Fall des Abs 4 vor, in dem das ja zufolge § 199 Abs 2 KO grundsätzlich mit 7 Jahren angesetzte Abschöpfungsverfahren noch um weitere drei Jahre verlängert wurde. Schon nach dem klaren Wortlaut des § 213 Abs 4 KO soll in solchen Fällen nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 213 Abs 1 KO also hier einer Mindestquote von 10 %, eine Restschuldbefreiung ausgesprochen werden können. Dies entspricht auch - wie sich aus den Erläuterungen zu § 213 Abs 4 ergibt (RV 1218 BlgNR 18. GP; zum Nachweis Mayr, Der neue Privatkonkurs, 85) - der Absicht des historischen Gesetzgebers und der herrschenden Ansicht in der Lehre (vgl etwa Konecny ÖBA 1994, 911 ff [Punkt 5. 6. 4]; Mohr in Konecny/Schubert KO § 213 Rz 27; Deixler-Hübner, Privatkonkurs Rz 185).

Kodek (Privatkonkurs Rz 700) hat in diesem Zusammenhang zwar zugebilligt, dass dies dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht, sich aber im Wesentlichen mit dem Argument für eine analoge Anwendung der §§ 213 Abs 2 und 3 KO ausgesprochen, dass ja auch während der Verlängerungszeit Umstände, zB die Erkrankung des Schuldners eintreten könnten, die bewirken, dass die Quote dann nicht erreicht werde. Er selbst hat dies allerdings dahin relativiert, dass dem Gesetzgeber offenbar die 10-Jahresgrenze als absolute Höchstgrenze vorschwebte. Damit hat er aber auch der zeitlichen Dimension des Abschöpfungsverfahrens Bedeutung zugemessen. Genau daran ist auch anzuknüpfen.

Da eine klare gesetzliche Regelung vorliegt, nach der eben bei einem um 3 Jahre verlängerten Abschöpfungsverfahren bei mangelndem Erreichen der 10 % Quote keine weitere „Billigkeitsentscheidung" möglich ist, bedürfte es des Nachweises einer Gesetzeslücke, um auch für den Fall einer 10-jährigen Dauer des Abschöpfungsverfahrens die Bestimmung des § 213 Abs 2 KO hinsichtlich der Restschuldbefreiung nach Billigkeit anwendbar zu machen. Eine solche Lücke wäre dann nachgewiesen, wenn das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig wäre und die Ergänzung aber auch nicht vom Gesetz gewollten Beschränkungen widerspricht (vgl dazu Koziol/Welser, Bürgerliches Recht13 I, 27 mwN; RIS-Justiz RS0098756 mwN etwa OGH 9 Ob 85/02v). Da das Gesetz aber in vielerlei Hinsicht die Interessen der Gläubiger mit jenen an einer Schuldbefreiung der Schuldner abzuwägen hat und dafür in verschiedenster Weise, besonders auch dem zeitlichen Aspekt und dem Umfang der Gläubigerbefriedigung Rechnung trägt, kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass eine Befriedigung im Ausmaß von 10 % innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren einer solchen innerhalb eines Zeitraumes von sieben Jahren gleichzuhalten wäre. Macht es doch einen nicht zu vernachlässigenden Unterschied, ob ein Gläubiger eine 10 %-Quote nach 7 Jahren oder auch nach insgesamt 10 Jahren nicht erreicht, weil in diesem weiteren Zeitraum von 3 Jahren allein die Geldentwertung eine nicht zu unterschätzende Dimension erreichen kann. Es zeigt sich auch aus der Regelung des § 213 Abs 2 KO im Zusammenhang mit der Restschuldbefreiung nach Billigkeit selbst, dass ja darauf abgestellt wird, ob die Befriedigungsquote von 10 % nach 7 Jahren nur geringfügig unterschritten wurde. Geht man nun allein von der innerhalb von drei weiteren Jahren bei einer Durchschnittsbetrachtung zu erwartenden Geldentwertung oder auch des Zinsenverlustes aus, so kann es durchaus als bewusste Wertung des Gesetzgebers verstanden werden, dass er bei einer schnelleren Zahlung eben noch eine geringfüge Unterschreitung der Quote als mit einer Restschuldbefreiung vereinbar erachtet, nicht aber bei einer noch länger dauernden Zahlungsverzögerung.

Insgesamt kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass eine Gesetzeslücke nachgewiesen und damit die Voraussetzungen für die analoge Anwendung der Bestimmung des § 213 Abs 2 KO hinsichtlich der Restschuldbefreiung nach Billigkeit bei geringfügigen Unterschreiten der 10 %-Quote auch bei einer verlängerten Dauer des Abschöpfungsverfahrens gegeben wäre.

Dementsprechend war dem Rekurs des Schuldners nicht Folge zu geben.

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