BVwG G304 2192072-1

BVwGG304 2192072-113.7.2022

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:G304.2192072.1.00

 

Spruch:

 

G304 2192072-1/11EG304 2192073-1/11E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerden des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, (BF1), und des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, (BF2), jeweils vertreten durch RA Mag. Paul Hechenberger, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 08.03.2018, Zl. XXXX (BF1) und XXXX (BF2) zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 08.03.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF oder BF1 und BF2) auf internationalen Schutz vom 01.07.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ihre Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak jeweils abgewiesen (Spruchpunkt II.), den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

2. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 11.04.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) mit Beschwerdevorlage-Schreiben vom 09.04.2018 die gegenständlichen Beschwerden samt dazugehörigen Verwaltungsakten ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF, Zwillingsbrüder, sind irakische Staatsangehörige, stammen aus Bagdad und gehören der Volksgruppe der Araber und der muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung an.

Ihre Muttersprache ist Arabisch.

1.2. Das Fluchtvorbringen der BF war unglaubwürdig.

Fest steht, dass die BF im Irak nicht vorbestraft sind, von keiner Behörde gesucht wurden, und von staatlicher Seite wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe niemals verfolgt wurden, mit den Behörden seines Heimatlandes niemals Probleme hatten, in ihrer Heimat nie Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei waren und nicht von Dritten bedroht wurden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF wegen Befehlsverweigerung inhaftiert wurden und als desertierte Polizisten ihr Heimatland verlassen haben.

1.3. Die BF haben in ihrem Heimatland jahrelang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt und mit dem Einkommen daraus sich ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Festgestellt wird zudem, dass die BF im Irak noch familiäre Anknüpfungspunkte haben.

1.4. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, die auf ein schützenswertes gegenständlich berücksichtigungswürdiges Privatleben in Österreich hinweisen.

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. (Ehemalige) Politische Lage (Auszug)

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert.

2.2. Sicherheitslage

Derzeit ist es jedoch staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen.

2.3. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung aus 2005 garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte.

2.4. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Einheiten, die vom Innen- und Verteidigungsministerium, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF), und dem Counter-Terrorism Service (CTS) verwaltet werden.

2.4.1. Volksmobilisierungseinheiten (PMF)

Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation, ein loses Bündnis von etwa 40 bis 70 Milizen.

2.5. Grundversorgung / Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten.

Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig.

2.6. Rückkehr

Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort.

2.7. Dokumente

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zu den Personen der BF:

Dass die BF Zwillingsbrüder sind, aus Bagdad stammen, der arabischen Volksgruppe und muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung angehören und Arabisch als Muttersprache haben, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.3. Dass die BF im Irak jahrelang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt und aus dem Einkommen daraus ihren Lebensunterhalt bestreiten können haben, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt, ebenso wie die Feststellungen zu ihren familiären Anknüpfungspunkten im Irak. Dass sich mittlerweile an den von den Zwillingsbrüdern vor dem BFA glaubhaft gemachten familiären Verhältnissen etwas geändert hätte, wurde von ihnen nicht mitgeteilt und war daher nicht feststellbar.

2.4. Zum Fluchtvorbringen der BF

Die niederschriftliche Einvernahme des BF1 vor dem BFA am 07.12.2017 verlief auszugsweise wie folgt:

„Vorhalt: Bei der Erstbefragung haben Sie als Fluchtgrund folgendes zu Protokoll gegeben:

„Ich war Polizist am Flughafen in Bagdad. Die terroristischen Gruppierungen haben meinem Vater mitgeteilt, dass ich sie entweder mit Informationen versorgen muss oder meinen Job als Polizist kündigen muss. Auch sagten sie meinem Vater, falls ich mich weigere ihre Aufforderung nachzukommen, von ihnen getötet werde. Aus Angst habe ich mit meinem Bruder die Flucht ergriffen. Vor ca. einem Jahr hat ein Fahrzeug mich und meinen Bruder verfolgt und sie haben auf uns geschossen. Ich wurde an meinem rechten Bein verletzt. Ich habe Angst um mein Leben.“Anmerkung: Die protokollierten Fluchtgründe werden dem Antragsteller vom Dolmetscher übersetzt.

F: Sind das Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

F: Möchten Sie noch etwas zu Ihren Fluchtgründen hinzufügen?

A: Ja, ich möchte noch einiges hinzufügen.

Freie Erzählung: Ich bin einfacher Polizist im Innenministerium und arbeitete auch für die Spezialeinheit „ERU“.

Am 08.07.2014 hatten mein Bruder (…) und ich gegen 19 Uhr Dienstschluss und fuhren nach Hause. Um ca. 2 Uhr in der Nacht kamen drei Pickup Autos mit unbekannten, maskierten, bewaffneten und in Militäruniform gekleidete Personen. Sie stürmten das Haus und ich wusste, dass ich verfolgt wurde und sie mich töten möchten. Automatisch liefen mein Bruder (…) und ich Richtung Fachboden. Wir liefen über die Dächer und die unbekannten Personen verfolgten uns und schossen auf uns. Eine Kugel hat meinen Fuß getroffen, aber ich lief trotzdem weiter bis zum Nachbarhaus und ich bat meinen Nachbar um Hilfe. Ich fragte, ob er ein Auto hat und er sagte ja und wir flüchteten.

Die unbekannten Personen verfolgten uns mit dem Auto und schossen auf uns – für ca. 5 Minuten. Wir haben es geschafft zu flüchten. Wir sind dann zurück zum Flughafen Bagdad, wo unsere Dienststelle ist und sind zum Dienst gegangen. Bei der Ankunft habe ich gleich meinen Vorgesetzten (…) über den Vorfall informiert. Er organisierte einen Rettungswagen zum Flughafen und ich wurde im Krankenhaus sofort operiert bis 4 Uhr morgens. Um ca. 12 Uhr mittags hat mein Bruder (…) unseren Vater angerufen und informierte ihn über den Vorfall.

Ein Teil der unbekannten maskierten Personen blieben bei meinem Vater und haben ihn aufgefordert, genaue Informationen über meine Position, Dienststelle und Funktion bei der Polizei bekanntzugeben.

Mein Vater sagte, dass er keine Ahnung hat, was sie genau machen. Die unbekannten Personen fragten meinen Vater, warum er es zulässt, dass seine Kinder so einen Job machen. Mein Vater wurde von den unbekannten Personen geschlagen und mein Vater fing an zu bluten. Nachdem die unbekannten Personen gegangen sind, haben Nachbarn meinen Vater ins Krankenhaus gebracht. Mein Vater war einen Tag im Krankenhaus. Im Krankenhaus wurde mein Vater von der Polizei befragt und er machte eine Anzeige.

Am nächsten Tag lag ein Drohbrief vor der Haustüre. In diesem Drohbrief stand: „Die ganze Familie muss das Haus innerhalb von 24 Stunden verlassen. Das ist eine Warnung.“

Auf dem Drohbrief war weder ein Absender noch eine Unterschrift.

Am gleichen Tag hat mein Vater entschieden, dass die Familie das Haus verlassen muss. Ich und mein Bruder (…) waren zu diesem Zeitpunkt an unserer Dienststelle. Wir gingen zu einem Freund namens (…) (Al Hag ist die Anrede für Herr) nach (…) – gehört zu Bagdad-. (…) besorgte für uns ein Haus mit ca. 50 m².

Der zweite Fluchtgrund ist, dass wir am 30.04.2015 eine Teamsitzung mit unserem Vorgesetzten (…) hatten. In dieser Teamsitzung bekamen wir den Befehl, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort sämtliche Personen zu töten. Am Schluss der Teamsitzung fragte ich meinen Vorgesetzten, wie sollen wir unschuldige Menschen töten. Mein Vorgesetzter sagte zu mir, führe zuerst die Befehle aus, dann können sie mit mir darüber sprechen. Ich sagte zu ihm, dass ich das nicht „mache“. Mein Vorgesetzter sagte zu mir: „Wissen Sie, was das heißt, wenn sie meinen Befehl verweigern?“ (…; das ist der in Ö um Asyl ansuchende Bruder des BF zu Zl. 2192973-1) stand plötzlich auf und sagte zu unserem Vorgesetzten: „Wie sind bei der Polizei, um den Menschen und unserem Land zu dienen. Wir schätzen das nicht, Blut der Welt in unserem Nacken zu haben (wortwörtlich übersetzt9.“ Unser Vorgesetzter gab den Befehl, dass ich und mein Bruder (…) für 10 Tage inhaftiert werde und vor einem Untersuchungsausschluss kommen. Nach 10 Tagen Haft wurde ich und mein Bruder aus der Haft entlassen und vom Dienst suspendiert, jedoch waren wir noch ein Monat an unserer Dienststelle eingeteilt – ohne eine Arbeit / Befehl auszuführen. Am 04.06.2015 an einem Donnerstag so gegen 15 Uhr sind mein Bruder (…) und ich zu einem Büro (…) im Stadtteil (…) gegangen und besorgten für uns ein Visum und ein Flugticket für die Türkei. Am nächsten Tag um 06:30 Uhr verließen wir heimlich die Dienststelle Flughafen Bagdad und sind zu Fuß zur Einfahrt Flughafen gegangen und stoppten auf der Straße ein „Flughafentaxi“ und fuhren eine halbe Stunde bis zur Autobahn. Dort stiegen wir aus und gingen zu Fuß zum Eingang Flughafen/ Abflughalle. Wir checkten ohne Probleme ein und flogen ohne jegliche Probleme in die Türkei nach Istanbul.

Frage: Sind das nun alle Ihre Gründe, warum Sie Ihre Heimat verlassen haben?

Antwort: Ja. Unsere Aufgabe bei der Polizei ist, gegen Milizen zu kämpfen und nicht unschuldige Menschen zu töten.“ (AS 159, 160).

Die niederschriftliche Einvernahme des BF1 vor dem BFA wurde wie folgt fortgesetzt:

„F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint ich jedoch nicht gefragt habe? (AS 160)

A: Nein, ich habe alles erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

F: Welcher Erwerbstätigkeit sind Ihre Brüder im Irak nachgegangen?

A: (…) war in einer Ölfirma beschäftigt, (…) war Tischler, (…) war beim Militär, (…) und (….) führten selbstständig ein Bekleidungsgeschäft.

F: Warum sind nur Sie und Ihr Bruder (…) bei dem Vorfall mitten in der Nacht geflüchtet, zumal Sie angaben, dass die ganze Familie im Haus wohnt?

A: Es war nur (…) zu Hause. (…) war in (…) bei der Arbeit und (…) war beim Militär in (…).

F: Woher wussten Sie, dass Sie und Ihr Bruder (…) verfolgt und flüchten mussten?

A: Wegen unserer Berufsausübung. Ich hatte so ein Gefühl, das wir Tag und Nacht von Milizen verfolgt werden.

F: Wo genau wurden Sie angeschossen?

A: Am rechten Fuß kurz vor den Zehen.

F: Von welcher Miliz wurden Sie bedroht?

A: Ich weiß es nicht.

F: Trugen die unbekannten maskierten Personen eine Armbinde?

A: Ich habe es nicht gesehen.

F: Wie waren die unbekannten maskierten Personen gekleidet?

A: Sie trugen eine Militäruniform, aber sie war dunkelgrüner als die offizielle Uniform.

F: Warum wissen Sie als irakischer Staatsbürger und Polizist nicht, von welcher Miliz Sie verfolgt und mit dem Tode bedroht wurden?

A: Ich weiß es wirklich nicht.

F: Haben Sie nie bei der Polizei, die die Anzeige Ihres Vaters aufgenommen, nachgefragt, welche Miliz Sie verfolgt und angeschossen hat?

A: Ja, sie haben gesagt, dass die Anzeige weitergeleitet haben, aber nichtmehr unternehmen können.

F: Wurden Sie bei der Aufnahme der Anzeige auch von der Polizei einvernommen?

A: Ja, ich und mein Bruder wurden gefragt, warum wir verfolgt und geflüchtet sind. Auch ob wir gesehen haben, welche Miliz das war. Sie fragten auch meinen Vater, welche Miliz das war, weil mein Vater es ja erkennen hätte können, da er ja vor der Tür bei Licht von diesen Personen aufgefordert wurde. Mein Vater konnte sie auch nicht erkennen, da sie keine Armbinde trugen, nur die grüne Uniform.

F: Waren die Pick up´s Autos mit einem Abzeichen oder Fahne der Miliz versehen?

A: Ich konnte nur erkennen, dass das Auto weiß war. Mehr konnte ich nicht sehen.

Vorhalt: Sie haben gerade angegeben, dass Sie nicht wissen, von welcher Miliz Sie und Ihr Bruder verfolgt und mit dem Tode bedroht wurden. Bei der freien Erzählung haben Sie angegeben, dass die unbekannten Personen Ihrem Vater aufgefordert haben, dass Sie und Ihr Bruder die unbekannte Miliz mit Polizeiinformationen zu versorgen haben.

F: Wie können Sie wissen, welche Informationen diese Miliz von Ihnen benötigt, wenn Sie nicht einmal wissen, welche Miliz das wissen will?

A: Wie schon gesagt, dass es unsere Aufgabe ist, gegen Milizen zu kämpfen. Wir jedoch werden von den Milizen bedroht. Mein Vater wurde aufgefordert zu sagen, welche Einheit, welche Aufgabe ich und mein Bruder (…) haben. Mehr haben sie nicht gefordert.

F: Haben Sie gegen eine Miliz selbst gekämpft?

A: Ja, habe ich.

F: Gegen welche Miliz haben Sie gekämpft?

A: Al-Mahdi und Asa´ib Ahl al Haq.

F: Wie kann es sein, dass Sie als Schiite und als schiitischer Polizist gegen schiitische Milizen kämpfen, die selbst Teil der Polizei und Militär sind?

A: Das war unsere Aufgabe. Wenn eine Person sich schuldig macht, mussten wir einschreiten. Egal, ob Schiite oder Sunnite.

F: Möchten Sie jetzt sagen, dass Sie auch gegen Mitglieder der schiitischen Milizen kämpfen bzw. töten?

A: Wenn wir den Befehl bekommen, dass diese Person zu verhaften ist, dann musste ich sie verhaften. Ich habe nur festgenommen und gekämpft, aber keine Menschen getötet.

F: Wo war Ihr Vater zum Zeitpunkt, als Ihr Bruder (…) ihn über den Vorfall informierte?

A: Er war im Krankenhaus (…).

F: Wie informierte ihr Bruder (…) Ihren Vater über diesen ersten Vorfall?

A: Über sein Handy.

F: Hatte Ihr Vater sein Handy dabei?

A: Ja.

F: Wie konnte Ihr Vater in dieser Situation noch an die Mitnahme seines Handys denken, wenn er blutüberströmt und zusammengeschlagen in ein Krankenhaus gebracht werden musste?

A: Er geht nirgendwohin ohne sein Handy.

F: Möchten Sie sagen, dass Ihr Vater um 2 Uhr morgens mit seinem Handy vor die Tür geht, um zu sehen, wer draußen ist?

A: Nein, erst als er von den Nachbarn ins Krankenhaus gebracht wurde.

F: Wo befindet sich der Drohbrief?

A: Mein Bruder (…) hat ihn zerrissen.

F: Haben Sie ein Foto vom Drohbrief auf Ihrem Handy gespeichert?

A: Nein.

F: Haben Sie den Drohbrief gesehen?

A: Nein, ich war im Dienst.

F: Woher wissen Sie dann die genauen Worte, die auf dem Drohbrief standen?

A: Mein Bruder hat mich angerufen und erzählt, was auf dem Drohbrief stand.

F: Was hat Ihr Vorgesetzter gemacht, als Sie ihn über den Vorfall informierten?

A: Er sagte, dass er gar nichts tun kann. Ich sollte selbst eine Anzeige erstatten.

F: Haben Sie selbst eine Anzeige erstattet?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Ich hatte Angst und hatte eine Verletzung am Fuß.

F: War für Sie Ihre Verletzung und Todesdrohung nicht so ausschlaggebend, um eine Anzeige zu erstatten?

A: Ich wusste es, dass mir nicht geholfen werden konnte, deshalb habe ich keine Anzeige erstattet.

F: Wo genau waren Sie und Ihr Bruder (…) im Zeitraum von 08.07.2014 bis 04.06.2015 aufhältig.

A: Mein Bruder und ich waren immer an unserer Dienststelle und haben sie auch nie verlassen. Wir hatten dort ein Zimmer mit drei Betten.

F: Wie versorgten Sie sich mit Nahrung?

A: Wir hatten eine Kantine und Cafeteria. Das ist der „amerikanische Weg“ – gleichzeitig arbeiten und leben.

F: Wurden Sie während des Zeitraumes vom 09.07.2014 bis 04.06.2015 zu Hause von der unbekannten Miliz aufgesucht?

A: Nein, wir haben von dieser Miliz nur den Drohbrief.

F: Woher wissen Sie, dass Sie von dieser unbekannten Miliz diesen Drohbrief erhalten haben, zumal kein Absender auf dem Drohbrief nach Ihren Angaben versehen ist?

A: Es ist einfach mein Bauchgefühl, dass dieser Drohbrief von ihnen stammt.

F: Hatten Sie eine Ausreisegenehmigung?

A: Nein.

F: Wo befindet sich der Nachweis über Ihre Suspendierung?

A: Wir erhielten keine Kopie.

F: Wann genau wurden Sie vom Dienst suspendiert?

A: Am 30.04.2015.

F: Wie kann es sein, dass Sie vom Dienst suspendiert und trotzdem auf der Dienststelle bleiben bzw. anwesend sein konnten?

A: Bei uns ist es ganz normal. Man kann auf der Dienststelle bleiben, aber man bekommt keine Aufgabe bzw. Befehle.

F: Trugen Sie nach der Suspendierung auch weiterhin Ihre Uniform?

A: Ja.

F: Wie konnten Sie legal vom Flughafen aus, der unter anderem auch Ihre Dienststelle ist, trotz fehlender Ausreisegenehmigung ausreisen?

A: Das Risiko war 50% zu 50%. Entweder schaffe ich es oder nicht.

F: Welchen Rang hatten Sie als Polizist?

A: (…) (Sergeant 1st Class).

F: Wie lautet die genaue Dienststelle?

A: Schnelle Eingreiftruppe am Flughafen Bagdad, Krisenspezialeinheit.

F: Trugen Sie Waffen? Welche?

A: Eine Glock und Kalschnikow.

F: Hatten Sie Einsätze, wo Sie Ihre Waffe einsetzen mussten?

A: Nein.

F: Haben Sie Menschen getötet oder angeschossen?

A: Nein.

F: Waren Sie Mitglied einer schiitischen Miliz?

A: Nein.

F: Warum haben Sie nicht einfach Ihren Austritt aus dem Polizeidienst erklärt?

A: Sie sagten zu uns, dass wir freiwillige Polizisten sind und wir können nicht einfach so kündigen. Wir können nur bei Krankheit kündigen.

F: Sind Sie in Ihrer Heimat vorbestraft?

A: Nein.

F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Ja, vom Innenministerium.

F: Warum werden Sie gesucht?

A: Weil ich die Befehle meines Vorgesetzten nicht befolgte und desertierte.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion – Moslem (Schiite) – verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

A: Nein.

F: Gab es jemals bis zu den besagten Vorfällen auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?

A: Nein.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Sie werden mich töten.

F: Wer wird Sie töten?

A: Die Miliz, die mich bedrohte. Sie werden mich nicht in Ruhe lassen. Außerdem habe ich Angst, dass ich vom Innenministerium zu mindestens 10 Jahre Haft verurteilt werde.

F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

A: Ja, sie werden mich inhaftieren. Ich habe einen Befehl verweigert und deshalb werde ich gesucht.

F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?

A: Sie werden mich überall finden.

F: Warum sind Sie nicht in der Türkei geblieben?

A: Ich war nur 4 Tage in der Türkei.

(…).“ (AS 161 – AS 165).

Das Fluchtvorbringen des BF1 war durchzogen von widersprüchlichen, nicht nachvollziehbaren und vagen Angaben und widersprach sich auch mit den in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 07.12.2017 gemachten Angaben seines Zwillingsbruders, des BF2.

Der BF1 berichtete davon, als Polizist von „unbekannten, maskierten, bewaffneten und in Militäruniform gekleideten Personen“ am 09.07.2014 um „ca. 2 Uhr in der Nacht“ (AS 159) verfolgt bzw. bedroht worden zu sein, und davon, zusammen mit seinem Bruder am 30.04.2015 einen Befehl ihres Vorgesetzten, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sämtliche Personen zu töten, verweigert zu haben und folglich mit seinem Bruder zusammen für zehn Tage in Haft gekommen zu sein (AS 160).

Er konnte nur vage Angaben zu seinen Verfolgern machen, sprach davon, diese hätten einer schiitischen Miliz angehört, ohne anführen können zu haben, welcher Miliz diese Personen angehört haben sollen.

Die Zwillingsbrüder haben sich zudem bezüglich des Aussehens der angeblich bei ihnen zuhause aufgetauchten Milizangehörigen widersprochen, gab doch der BF1 an, dass sie eine Militäruniform getragen hätten, die „dunkelgrüner als die offizielle Uniform“ gewesen sei (BF1, AS 161), während der BF2 angab, dass ihm das Grün in der Uniform heller als dasjenige in ihrer im Innendienst getragenen Uniform vorgekommen sei (AS 169).

Der BF1 gab an, „die unbekannten Personen“ hätten ihn und seinen Bruder mit dem Auto verfolgt und auf sie geschossen (AS 160), was darauf hindeutet, dass die BF von allen bei ihnen am 09.07.2014 um ca. 2 Uhr früh zuhause aufgetauchten „unbekannten, maskierten, bewaffneten und in Militäruniformen gekleideten Personen“ verfolgt worden wären.

Laut seinen Angaben soll der BF1 im Zuge dieser Verfolgung angeschossen (BF1, AS 159).

Die BF haben sich bezüglich des von ihnen geschilderten Vorfalls vom 09.07.2014, bei welchem der BF1 auch angeschossen worden sein soll, zudem insofern widersprochen, als dem Vorbringen des BF2 zufolge der BF seinen Vorgesetzten auf dem Weg zurück zur Dienststelle vom Vorfall informiert und um einen Rettungswagen gebeten, und dieser um 04:00 Uhr morgens bei ihrer Dienststelle bereits auf sie gewartet haben soll (BF2, AS 167), der BF1 seinen Angaben vor dem BFA zufolge jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt am 09.07.2015 ins Krankenhaus eingeliefert und bis 04:00 morgens operiert worden sein soll (BF1, AS 160).

Laut Angaben des BF1 soll sein zuhause gebliebener Vater von bei ihm verbliebenen unbekannten, maskierten Personen blutig geschlagen worden sein (BF1, AS 160).

Auch der BF2 berichtete davon, dass sein Vater von ihnen geschlagen worden wäre (BF2, AS 167).

Während laut Angaben des BF1 sein Vater danach von Nachbarn ins Krankenhaus gebracht worden sein soll (BF1, AS 160), berichtete sein Bruder, der BF2, nichts davon, dass sein Vater deswegen im Krankenhaus behandelt werden müssen hätte. Ihr Vater soll laut Vorbringen des BF1 zudem im Krankenhaus von der Polizei befragt und eine Anzeige erstattet haben (BF1, AS 160).

Am 09.07.2021 um 10:00 Uhr soll dann laut Vorbringen des BF2 in seiner Einvernahme vor dem BFA seine „Mutter einen Drohbrief im Garten bzw. bei der Einfahrt gefunden haben (BF2, AS 167). Der BF1 berichtete in seiner Einvernahme vor dem BFA auch von einem am nächsten Tag erhaltenen Drohbrief, aber auf eine solche Art und Weise, als hätte er den Brief selbst vorgefunden, gab er diesbezüglich wörtlich doch Folgendes an:

„Am nächsten Tag lag ein Drohbrief vor der Haustüre. In diesem Drohbrief stand: „Die ganze Familie muss das Haus innerhalb von 24 Stunden verlassen. Das ist eine Warnung.“ (BF1, AS 160) Der BF1 ergänzte, dass auf dem besagten Drohbrief weder ein Absender noch eine Unterschrift gewesen wäre.

Zum Zeitpunkt, als ihre Mutter den Drohbrief gefunden haben soll, soll der BF2 laut seinem Vorbringen vor dem BFA auf seiner Dienststelle gewesen sein (AS 167). Seinem vorherigen Vorbringen in der Einvernahme zufolge soll sich der BF2 zwischen 09:00 und 10:00 Uhr jedenfalls noch bei seinem Bruder im Krankenhaus bzw. Militärspital aufgehalten haben (AS 167).

Der BF2 berichtete dazu weiter Folgendes:

„Meine Mutter rief mich sofort an und sie las mir den Drohbrief vor. Auf dem Drohbrief stand: „Sie werden in naher Zukunft aus Religion und Lehre liquidiert werden. Wir geben Ihnen 24 Stunden Zeit, das Haus zu verlassen. Ich habe vor einer Warnung gewarnt.“ (wortwörtliche Übersetzung).“ (AS167)

Sein Vorbringen wurde wie folgt fortgesetzt:

„Mein Vater war nicht zu Hause. Nur meine Mutter und mein Bruder (…; erg. Anm.: wobei es sich nicht um seinen Zwillingsbruder handelte) sowie meine Schwägerin und Ihr Sohn.“ (AS 167)

Hätte sich der Vater der BF zu diesem Zeitpunkt tatsächlich wie es dem Vorbringen des BF1 zufolge gewesen sein soll im Krankenhaus befunden, hätte dies mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch der BF2 erwähnt, anstatt nur zu sagen, dass dieser nicht zu Hause gewesen sei.

Während laut Vorbringen des BF1 sein Vater am Tag des Erhalts des besagten Drohbriefs entschieden haben soll, dass die Familie das Haus verlassen müsse (AS 160), sollen dem Vorbringen des BF2 zufolge die im Haus befundenen Familienangehörigen – außer dem Vater, der laut seinen Angaben da nicht zuhause gewesen sein soll, entschieden haben, das Haus zu verlassen. (AS 168)

Laut Vorbringen des BF1 soll er mit seinem Bruder zu einem andernorts in Bagdad wohnhaften Freund geflüchtet sein, welcher ihnen „ein Haus mit ca. 50 m²“ besorgt haben soll (BF1, AS 160).

Der BF2 berichtete jedoch nichts davon, dass der „Freund seines Vaters“ ihnen ein Haus besorgt hätte, sondern gab an, der Freund habe die im Haus befundenen Familienangehörigen „ca. 500 m vom Haus entfernt“ abgeholt und zu sich nach Hause gebracht (AS 168)

Beide BF gaben vor dem BFA an, ihr Vater sei von den bei ihnen zuhause aufgetauchten Personen geschlagen worden, nachdem dieser ihnen nicht die von ihnen verlangten Informationen über seine beiden Söhne gegeben haben soll.

Diesbezüglich hat der BF1 angegeben, „ein Teil der unbekannten maskierten Personen blieben“ bei seinem Vater und hätten diesen aufgefordert, genaue Informationen über seine Position, Dienststelle und Funktion bei der Polizei bekanntzugeben. (AS 160)

Der BF2 gab an, sein Vater habe gesagt, er sei aufgefordert worden, Informationen über ihre Tätigkeit bei der Polizei zu liefern. (BF2, AS 167)

Der BF1 gab in der Einvernahme vor dem BFA befragt wie er wissen könne, welche Informationen diese Miliz von ihm benötige, wenn er doch nicht einmal wisse, welche Miliz das wissen wolle (AS 161), nicht mehr wie davor in der Einvernahme nur auf sich, sondern auf sich und seinen Bruder bezogen diesbezüglich Folgendes an:

„(…) Mein Vater wurde aufgefordert zu sagen, welche Einheit, welche Aufgabe ich und mein Bruder (…) haben. (…).“ (AS 162)

Der BF1 betonte in der Einvernahme:

„Unsere Aufgabe bei der Polizei ist, gegen Milizen zu kämpfen und nicht unschuldige Menschen zu töten.“ (AS 160)

Später befragt, gegen welche Miliz er gekämpft habe, gab der BF1 an:

„Al-Mahdi und Asa´ib Ahl al Haq“. (AS 162)

Der BF1 wurde daraufhin gefragt, wie es sein könne, dass er als Schiit und schiitischer Polizist gegen schiitische Milizen kämpfe, welche selbst Teil der Polizei und Militär seien.

Er beharrte darauf, dass dies ihre Aufgabe gewesen wäre, und gab an:

„Wenn eine Person sich schuldig macht, müssen wir einschreiten. Egal ob Schiite oder Sunnite.“ (AS 162)

Auf die ihm daraufhin gestellte Frage, ob er jetzt sagen möchte, dass er auch gegen Mitglieder der schiitischen Milizen kämpfe bzw. diese töte, gab der BF1 an:

„Wenn wir den Befehl bekommen, dass diese Person zu verhaften ist, dann musste ich sie verhaften. Ich habe nur festgenommen und gekämpft, aber keine Menschen getötet.“ (AS 162)

Seine Angaben in der Einvernahme vor dem BFA, ihre Aufgabe bei der Polizei sei es gewesen, gegen Milizen zu kämpfen und nicht „unschuldige“ Menschen zu töten (AS 160), und wenn eine Person sich schuldig mache, einschreiten müssen zu haben, egal ob Schiite oder Sunnite, und seine nachfolgende Angabe, er habe auf Befehl „diese Person“ bzw. laut seinen vorherigen Angaben die sich schuldig machende Person verhaften müssen bzw. stets „nur festgenommen und gekämpft, aber keine Menschen getötet“ (AS 162), deuten in Zusammenschau darauf hin, dass die Tötung von für schuldig erkannten Personen von seinem Aufgabenbereich grundsätzlich nicht ausgeschlossen gewesen sein soll.

Der BF1 sprach einerseits von einzelnen Personen bzw. Mitgliedern schiitischer Milizen, gegen welche vorzugehen gewesen wäre bzw. welche festzunehmen gewesen wären, und andererseits allgemein davon, gegen schiitische Milizen gekämpft zu haben, welche Milizen er erst befragt danach gegen welche Miliz er selbst gekämpft habe, auf die „Al-Mahdi“- und die „Asa´ib Ahl al Haq“-Miliz eingeschränkt hat.

Hätte der BF1 tatsächlich gegen diese beiden Milizen gekämpft, hätte er davor in der Einvernahme mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch die Mutmaßung einer Verfolgung seitens einer dieser beiden Milizen angestellt, anstatt befragt danach, warum er als irakischer Polizist nicht wisse, von welcher Milz er verfolgt und mit dem Tod bedroht worden sei, mit „ich weiß es wirklich nicht“ (AS 161) zu antworten.

Der BF1 gab zudem an, „unsere Aufgabe“ sei es gegen Milizen zu kämpfen (AS 160, 162), wobei er mit „uns“ sich selbst und seinen Bruder meinte, wie aus seinem Vorbringen mitsamt seiner Angabe, sein Vater sei aufgefordert worden zu sagen welche Einheit, welche Aufgabe er und sein Bruder gehabt hätten, eindeutig hervorgeht (AS 162).

Sein Bruder, der BF2, verneinte jedoch in seiner Einvernahme vor dem BFA am 07.12.2017 die Frage, ob er selbst gegen eine Miliz gekämpft habe, und blieb auch nach darauffolgender Frage, ob er sagen möchte, dass er in fast 10 Jahren Polizeidienest nie gegen eine Miliz gekämpft habe, dabei und gab an:

„Nein, ich habe nie gegen eine Miliz gekämpft.“ (AS 169)

Daraufhin befragt welche Funktion der BF2 bei der Polizei innegehabt habe, gab dieser an:

„Ich war Leiter eines 3köpfigen Teams. Wenn wir einen Befehl zur Festnahme bekommen, dann müssen wir ihn ausführen.“ (AS 169)

Der BF2 soll seinen diesbezüglichen Angaben vor dem BFA zufolge denselben Rang als Polizist wie sein Bruder, der BF1, gehabt haben Er führte befragt nach bei sich getragenen Waffen „eine Glock und Kalaschnikow“ an, und wies dann befragt wo und wie lange er die Ausbildung für die Waffen gehabt habe, auf „eine 2monatige Ausbildung am Flughafen“ (AS 170) hin.

Der BF2 gab auf die Frage, ob er Einsätze gehabt habe, bei denen er seine Waffe einsetzen müssen habe, an:

„Nein, niemals.“ (AS 170)

Dass der BF1 eine zweimonatige Ausbildung zum Gebrauch von Waffen absolviert, dann jedoch niemals Waffen einsetzen müssen haben soll, ist nicht nachvollziehbar.

Ein Widerspruch findet sich zudem darin, dass der BF1 laut seinen diesbezüglich anfänglichen Angaben vor dem BFA nach der angeblichen Befehlsverweigerung am 30.04.2015 zusammen mit seinem Bruder zehn Tage in Haft gewesen und daran anschließend vom Dienst suspendiert sein soll (AS 160), seinen späteren Angaben vor dem BFA zufolge seine Suspendierung vom Dienst jedoch bereits „am 30.04.2015“ erfolgt wäre (AS 163).

Der BF1 berichtete diesbezüglich zudem Folgendes:

„Nach 10 Tagen Haft wurde ich und mein Bruder aus der Haft entlassen und vom Dienst suspendiert, jedoch waren wir noch ein Monat an unserer Dienststelle eingeteilt – ohne eine Arbeit / Befehl auszuführen. (…).“ (AS 160)

Im Gegensatz dazu sollen sich der BF1 und BF2 dem Vorbringen des BF2 zufolge gleich nach ihrer zehntägigen Haft entschieden haben, den Irak zu verlassen. Der BF2 gab diesbezüglich wörtlich Folgendes an:

„Nachdem wir aus der 10tägigen Haft entlassen wurden, haben wir entschieden, dass wir den Irak verlassen müssen (…).“ (AS 168)

Laut Vorbringen des BF2 sollen der BF1 und der BF2 entgegen des diesbezüglichen Vorbringens des BF1 nicht vom Dienst suspendiert worden sein, gab der BF2 befragt ob er vom Dienst suspendiert bzw. gekündigt worden sei, doch ausdrücklich Folgendes an:

„Nein, ich wurde nicht gekündigt und auch nicht suspendiert. Wir blieben auf unserer Dienststelle, aber wir bekamen keine Aufgaben oder Befehle. (…).“ (AS 170)

Der BF1 gab befragt wie es sein könne, dass er vom Dienst suspendiert worden und dennoch auf der Dienststelle bleiben können habe, an:

„Bei uns ist es ganz normal. Man kann auf der Dienststelle bleiben, aber man bekommt keine Aufgabe bzw. Befehle.“ (AS 163)

Der BF2 gab in seiner Einvernahme vor dem BFA am 07.12.2017 befragt ob er wegen seiner Befehlsverweigerung verurteilt worden sei, zudem an:

„Nein, das Urteil wird innerhalb von 3 Monaten vom Untersuchungsausschuss erlassen.“ (AS 171)

Der BF1 hingegen gab an, wegen Befehlsverweigerung gesucht zu werden, weil er die Befehle seines Vorgesetzten nicht befolgt habe und desertiert sie (AS 164). Er würde bei einer Rückkehr wegen Befehlsverweigerung inhaftiert werden.

Konkret zu seiner Rückkehrbefürchtung befragt gab der BF1 an:

„Sie werden mich töten.“ (AS 165)

Weiter dazu befragt, wer ihn töten werde, gab er an:

„Die Miliz, die mich bedrohte. Sie werden mich nicht in Ruhe lassen. Außerdem habe ich Angst, dass ich vom Innenministerium zu mindestens 10 Jahre Haft verurteilt werde.“ (AS 165)

Hätte der BF1 tatsächlich Furcht vor Verfolgung oder Bedrohung bei einer Rückkehr hätte er auf die Frage nach seiner Rückkehrbefürchtung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkretere Angaben gemacht, als nur zu sagen, „sie werden mich töten“. (AS 165)

Der BF2 gab befragt nach seiner Rückkehrbefürchtung Folgendes an:

„Ich werde von den Milizen getötet werden. Außerdem werden sie mich wegen meiner Desertion inhaftieren.“ (AS 172)

Dann befragt ob er bei einer Rückkehr Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden hätte, gab er an:

„Ja, auf jeden Fall, weil ich geflüchtet bin.“ (AS 172)

Während somit der BF1 von einer Furcht vor einer bestimmten Miliz, die ihn bedroht haben soll, sprach, soll sich der BF2 laut seinem Vorbringen allgemein vor „den Milizen“ fürchten.

Auch der BF1 sprach davor in seiner Einvernahme insofern von Milizen, als er befragt woher er gewusst habe, dass er und sein Bruder verfolgt worden seien und flüchten müssen hätten, Folgendes angab:

„Wegen unserer Berufsausübung. Ich hatte so ein Gefühl, dass wir Tag und Nacht von Milizen verfolgt werden.“ (AS 161)

Laut Vorbringen des BF1 soll eine bestimmte Miliz hinter der besagten Bedrohung stecken bzw. ihnen den Drohbrief zukommen lassen haben. Befragt woher er wisse, dass er von einer unbekannten Miliz diesen Drohbrief erhalten habe, wenn doch laut seinen Angaben nicht einmal ein Absender auf dem Drohbrief gewesen sein soll, gab der BF1 an:

„Es ist einfach mein Bauchgefühl, dass dieser Drohbrief von ihnen stammt.“ (AS 163)

Der BF1 konnte demnach somit keine konkreten, sondern nur mutmaßende angeblich auf seinem Bauchgefühl beruhende Angaben dazu machen, woher der besagte Drohbrief stammen würde.

Es ist zudem nicht nachvollziehbar, warum der angeblich im Zuge der Verfolgung durch schiitische Milizen verletzte BF1 keine Anzeige erstattet haben soll. Die Frage, „warum nicht“, beantwortete der BF1 mit:

„Ich hatte Angst und hatte eine Verletzung am Fuß.“ (AS 163)

Gerade Angst und eine durch einen Schuss erlittene Verletzung hätte den BF1 dazu veranlassen müssen.

Befragt, ob für ihn seine Verletzung und Todesdrohung nicht so ausschlaggebend gewesen wäre, um eine Anzeige zu erstatten, gab der BF1 an:

„Ich wusste es, dass mir nicht geholfen werden konnte, deshalb habe ich keine Anzeige gemacht.“ (AS 163)

In einer derartigen Situation, verfolgt, angeschossen und verletzt worden zu sein, wäre mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit jedoch eine sofortige Anzeige zu erwarten gewesen, zumal auch der Vorgesetzte des BF1 ihn mit der Angabe, er solle selbst eine Anzeige machen, dazu aufgefordert haben soll (BF1, AS 162), und bleibt in solch einer Situation zudem jedenfalls keine Zeit, um nachzudenken, ob einem geholfen werden kann oder nicht.

Dass der BF1 nach Verwundung am Fuß somit keine Anzeige erstattet haben soll, ist nicht nachvollziehbar.

Anfangs in seiner Einvernahme nahm der BF1 zudem insofern auf eine ihm auch von seinen Verwandten drohende Gefahr Bezug, als er befragt danach, ob er bei einer Rückkehr wieder an seiner Wohnadresse bzw. bei Verwandten wohnen könne, angab:

„Nein, sie werden mich töten.“ (BF1, AS 158) Später hat er vor dem BFA jedenfalls nicht mehr darauf verwiesen.

Die BF1 und BF2 konnten ihr Fluchtvorbringen, von schiitischen Milizangehörigen verfolgt bzw. bedroht worden zu sein, nicht glaubhaft machen, war dieses doch voll von widersprüchlichen, nicht nachvollziehbaren, vagen Angaben.

Auch ihr Vorbringen, wegen Befehlsverweigerung bzw. Desertion verfolgt zu werden, war aufgrund widersprüchlicher, nicht nachvollziehbarer Angaben nicht glaubhaft.

Hinzu kommt, dass keiner der Zwillingsbrüder ein Beweismittel für ihr Fluchtvorbringen vorlegen konnte, weder den besagten Drohbrief noch irgendeinen Nachweis für eine Suspendierung vom Dienst, eine strafrechtliche Verfolgung wegen Befehlsverweigerung bzw. Desertion.

Im Zuge einer aktuellen ACCORD-Anfragebeantwortung vom 08.09.2021(a-11689) bzw. der darin angeführten älteren Anfragebeantwortung vom 26. Jänner 2018 (a-10473) wurde unter anderem festgehalten, dass in Artikel 5 des irakischen Strafgesetzes der Inneren Sicherheitskräfte aus dem Jahr 2008 festgelegt ist, dass derjenige, der seinem Dienst oder Dienstort fernbleibt, beziehungsweise der seinen Urlaub auf mehr als 15 Tage ausdehnt, mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft wird, und ihm im Falle eines wiederholten Fernbleibens eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr droht. In der besagten Anfragebeantwortung vom 08.09.2021 wurde des Weiteren auf einen älteren Länderbericht von Mai 2014 Bezug genommen, in welchem Folgendes festgehalten ist:

„Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo und das Zentrum für Länderinformationen der schwedischen Einwanderungsbehörde (Migrationsverket) unternahmen Ende 2013 eine Fact-Finding-Mission in den Irak, um Informationen über das Justizsystem und die Sicherheitskräfte im Land zu erhalten. Im Bericht zu dieser Fact-Finding-Mission vom Mai 2014 wird erwähnt, dass man bei Zivilist·innen, die ohne Erlaubnis ihre Arbeit verlassen würden, nach zehn Tagen davon ausgehe, dass sie gekündigt hätten. Polizist·innen, die ihrer Arbeitsstelle fernbleiben würden, seien vor das dem Innenministerium unterstellte Polizeigericht gestellt worden. Laut dem Strafgesetz der Inneren Sicherheitskräfte aus dem Jahr 2008 würden sie eine Gehaltsreduktion, eine Haftstrafe von sechs oder in Ausnahmefällen zwölf Monaten riskieren. Von einem Polizisten aus Basra, der im November 2013 bei einer Veranstaltung in Bagdad teilgenommen habe, habe man erfahren, dass Polizisten ursprünglich mit einer bis zu sechsmonatigen Haftstrafe zu rechnen gehabt hätten, wenn sie ohne Ankündigung ihren Arbeitsposten verlassen hätten. Im August (2013) sei jedoch eine Amnestie erlassen worden. Diese Amnestie habe zunächst bis zum 15. Oktober gegolten, mittlerweile gelte sie unbefristet. (Landinfo/Migrationsverket, 8. Mai 2014, S. 17)“

Es ist unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF1, er und sein Bruder seien vom Dienst suspendiert worden und hätten daraufhin – uniformiert (BF1, AS 163) – noch ein Monat lang an der Dienststelle bleiben dürfen (BF1, AS 160) jedenfalls ohnehin nicht nachvollziehbar, inwiefern die BF nunmehr nach ihrer laut Vorbringen der BF1 und BF2 problemlosen Ausreise über den Flughafen Bagdad, wo auch ihre Dienststelle gewesen sein soll, noch für ihre Dienstbehörde interessant sein sollen und wegen Desertion eine Haftstrafe zu erwarten hätten, zumal dem Vorbringen des BF1 zufolge ihre Befehlsverweigerung doch bereits eine zehntägige Haft und ihre Suspendierung vom Dienst nach sich gezogen haben soll und es vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar ist, dass die BF wegen Fernbleibens vom Dienst Konsequenzen zu erwarten hätten.

Der BF1 verneinte vor dem BFA die Frage nach einer Ausreisegenehmigung und gab befragt wie er denn legal vom Flughafen, welcher unter anderem auch seine Dienststelle wäre, ohne Ausreisegenehmigung ausreisen können habe, Folgendes an:

„Das Risiko war 50% zu 50%. Entweder schaffe ich es oder nicht.“ (AS 163)

Der BF2 gab befragt wie er vom Flughafen, welcher unter anderem auch seine Dienststelle wäre, legal ohne Ausreisegenehmigung ausreisen können habe, an:

„Wir haben das einfach gemacht.“ (BF2, AS 171)

Etwas Anderes ist den BF an dieser Stelle offenbar als Antwort nicht eingefallen. Dem BF1 und seinem Bruder wäre in der von ihnen geschilderten Situation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf keinen Fall eine problemlose legale Ausreise über den Flughafen Bagdad möglich gewesen.

Der BF1 berichtete vor dem BFA zudem von problemloser Ausreisevorbereitung, soll er und sein Bruder doch am 04.06.2015, nachdem sie laut seinem Vorbringen nach ihrer zehntägigen Haft noch ein Monat bei ihrer Dienststelle gewesen sein sollen, zu einem bestimmten (Reise-) Büro in einem bestimmten Bagdader Stadtteil gegangen sein und für sich ein Visum und ein Flugticket für die Türkei besorgt haben (BF1, AS 160). Nach Besorgung des Flugtickets und Visums für die Türkei sollen sie laut Vorbringen des BF1 „am nächsten Tag um 06:30 Uhr“ „heimlich“ ihre Dienststelle Flughafen Bagdad verlassen haben. Das angeblich „heimliche“ Verlassen ihrer Dienststelle passt mit ihrer vom BF1 geschilderten uneingeschränkten Flugticket- und Visumbesorgung in einem Reisebüro in der Stadt nicht zusammen. Der BF1 schilderte ihre angebliche Flucht nach heimlichen Verlassen ihrer Dienststelle wie folgt:

„(…) sind zu Fuß zur Einfahrt Flughafen gegangen und stoppten auf der Straße ein „Flughafentaxi“ und fuhren eine halbe Stunde zur Einfahrt Flughafen gegangen und stoppten auf der Straße ein „Flughafentaxi“ und fuhren eine halbe Stunde bis zur Achterbahn. Dort stiegen wir aus und gingen zu Fuß zum Eingang Flughafen / Abflughalle. Wir checkten ohne Probleme ein und flogen ohne jegliche Probleme in die Türkei nach Istanbul.“ (BF1, AS 160).

Dies ist in der geschilderten Situation nicht nachvollziehbar.

Während der BF1 laut seinem Vorbringen zudem nur mit seinem Zwillingsbruder aus dem Irak ausgereist sein soll (BF1, AS 160), soll der BF2 laut seinem Vorbringen mit seinem Zwillingsbruder und noch weiteren zwei Brüdern aus dem Irak ausgereist sein (BF2, AS 168). Seine zwei weiteren Brüder soll der BF2 zuvor angerufen, darüber informiert haben, dass er und der BF2 den Irak verlassen werden, und sie aufgefordert haben, sich auch noch ein Visum für die Türkei zu besorgen (BF2, AS 168).

Der BF2 gab später in seiner Einvernahme befragt danach an, seine beiden anderen Brüder seien in der Türkei aufhältig. Daraufhin befragt, wo genau ihre beiden Brüder aufhältig seien, gab der BF2 an:

„Sie sind in Istanbul.“ (BF2, AS 171).

Dann befragt, warum er nicht bei seinen beiden Brüdern in der Türkei geblieben sei, gab der BF2 an:

„Ich wollte nicht in der Türkei bleiben.“ (AS 171)

Befragt, „warum nicht“, gab er an:

„Jeder hat seine Entscheidung und ich habe entschieden, dass ich nicht dort bleibe. Ich glaube, dass man in der Türkei nicht leben kann und es dort auch keine Menschenrechte gibt.“ (AS 171)

Demnach hätte der BF2 somit auch bei seinen beiden Brüdern in der Türkei „bleiben können“, dies jedoch „nicht wollen“.

Eine tatsächliche Furcht vor Verfolgung bzw. Bedrohung im Heimatland geht daraus auf jeden Fall nicht hervor. Die BF haben zudem auf ihrer Reise nach Österreich EU-Staaten passiert, ohne in irgendeinem davon jemals einen Asylantrag gestellt zu haben, wie sie vor dem BFA glaubhaft angaben, (BF1, AS 159; BF2, AS 167).

In Gesamtbetrachtung des Vorbringens der BF bleibt somit festzuhalten, dass dieses unglaubwürdig war.

2.5. Zu den Länderfeststellungen:

Die dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage im Irak betreffen Länderberichte aus Quellen staatlicher und nichtstaatlicher Natur. Darauf hingewiesen wird, dass diese Länderberichtsausschnitte aus dem jeweils angefochtenen Bescheid auch im aktuell gültigen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation enthalten sind und die besagten Länderfeststellungen somit aktuelle Gültigkeit haben.

2.6. Zu einem Privatleben des BF in Österreich

Dass die BF in Österreich kein schützenswertes berücksichtigungswürdiges Privatleben aufweisen geht aus dem jeweiligen Akteninhalt glaubhaft hervor.

Der BF1 berichtete in seiner Einvernahme vor dem BFA davon, zweimal die Woche einen Deutschkurs zu besuchen und einen Deutschkurs Niveaustufe A2 absolviert zu haben und noch nicht zu wissen, ob er diesen bestanden habe (BF1, AS 166).

Der BF2 gab in seiner Einvernahme vor dem BFA an, zweimal die Woche einen Deutschkurs zu besuchen, eine Deutschprüfung jedoch nicht abgelegt zu haben. Auf die Frage, ob er einen abgeschlossenen Deutschkurs mit mindestens Niveaustufe A2 habe, und wie er seine Deutschkenntnisse einschätze, antwortete der BF2 (nur) mit „nein“. (BF2, AS 173)

Beide BF wiesen vor dem BFA auf ehrenamtliche Tätigkeit hin. Berücksichtigungswürdige Sozialkontakte der BF in Österreich gingen aus dem Akteninhalt nicht hervor. Die BF haben kein berücksichtigungswürdiges Unterstützungsschreiben vorlegen können. Die BF1 und BF2 haben keine Integrationsunterlagen vorgelegt bzw. nachgereicht, welche zu ihren Gunsten berücksichtigt werden können hätten.

Es konnten insgesamt keine Umstände festgestellt werden, die auf ein schützenswertes gegenständlich berücksichtigungswürdiges Privatleben in Österreich hinweisen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu Spruchteil A):

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Das Fluchtvorbringen der BF war nicht glaubwürdig.

Fest steht, dass die BF im Irak nicht vorbestraft sind, von keiner Behörde gesucht wurden, und von staatlicher Seite wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe niemals verfolgt wurden, mit den Behörden seines Heimatlandes niemals Probleme hatten, in ihrer Heimat nie Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei waren und nicht von Dritten bedroht wurden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF wegen Befehlsverweigerung inhaftiert wurden und als desertierte Polizisten ihr Heimatland verlassen haben.

Die BF, der im Irak mehrheitlichen muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung zugehörig, die vor dem BFA zudem auch selbst unter anderem eine Verfolgung aus religiösen Gründen verneint haben, konnten eine ihnen bei einer Rückkehr im Irak drohende Verfolgung iSv Art. 1 Abschnitt A der GFK nicht glaubhaft machen, und war eine solche aus dem gesamten Akteninhalt vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zudem auch von Amts wegen nicht erkennbar.

Ihre Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide waren daher als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein „real risk“ einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).

Unter „real risk“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; RV 952 BlgNR XXII. GP 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung.

Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 14.10.1998, Zl. 98/01/0122).

Nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt es dabei grundsätzlich dem Beschwerdeführer, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, Zl. 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande, 5.7.2005).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

3.3.2. Auf Grund des vom BFA durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.

Dass der BF im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Wie aus den Länderfeststellungen hervorgehend, ist die Sicherheit von Rückkehrern von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit und den Verhältnissen vor Ort.

Da das Fluchtvorbringen der BF aufgrund widersprüchlicher, nicht nachvollziehbarer Angaben nur für unglaubwürdig befunden werden konnte, war auch eine von den BF in ihrer jeweiligen Einvernahme vor dem BFA mit der Angabe, bei einer Rückkehr an ihre Wohnadresse im Irak von ihren Verwandten getötet zu werden (BF1, AS 158; BF2, AS 166), behauptete seitens ihrer Verwandten ausgehende Gefahr nicht glaubhaft.

Sie haben, wie aus den Angaben der BF vor dem BFA in ihrer jeweiligen Einvernahme vor dem BFA glaubhaft hervorgeht, in Bagdad noch familiäre Anknüpfungspunkte.

Die BF haben im Irak vor ihrer Ausreise jahrelang eine Erwerbstätigkeit ausüben und mit dem Einkommen daraus ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Sie sind mangels gegenteiligen Vorbringens bzw. mangels bislang eingelangten gegenteiligen Nachweises zudem gesund und arbeitsfähig und werden nach einer Rückkehr trotz amtsbekannten Länderberichten zufolge im Irak allgemein schwieriger Arbeitsmarktsituation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit alsbald wieder eine Erwerbstätigkeit ausüben können und Selbsterhaltungsfähigkeit erlangen.

Von einer im Irak rund um die kämpferischen Auseinandersetzungen und anwesenden schiitischen Milizen und den IS herrschenden extremen Gefahrenlage, durch die praktisch jeder bzw. jeder männliche sunnitische Araber, der in den Irak abgeschoben wird, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 2, 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann vor dem Hintergrund amtsbekannter aktueller Länderberichte jedenfalls nicht ausgegangen werden.

Es wird darauf hingewiesen, dass aus einzelnen Anschlägen und schlummernder terroristischer Gefahr im Herkunftsstaat nicht auf eine allen irakischen Bürgern bzw. eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit den BF bei einer Rückkehr drohende Art. 2, 3 EMRK-Verletzung geschlossen werden kann.

Die BF werden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit problemlos an ihrem Heimatort in Bagdad zurückkehren und von ihren dort verbliebenen Verwandten jedenfalls zumindest vorübergehend bzw. bis zur Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch Unterstützung erwarten können.

In Gesamtbetrachtung aller sich aus dem Akteninhalt ergebenden Umstände kann vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen bzw. der amtsbekannten aktuellen Länderberichtslage somit nicht erkannt werden, dass den BF bei einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 13 8/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher ist in Gesamtbetrachtung aller individuellen Umstände bzw. Verhältnisse der BF von keiner den BF bei einer Rückkehr erwartenden lebens- bzw. existenzbedrohenden Situation iSv Art. 3 EMRK auszugehen.

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG waren daher als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zu Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide:

3.4.1. Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

3.4.2. Es liegen im gegenständlichen Fall keine Umstände vor, dass den BF von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich auch in den Beschwerden nichts dazu angeführt.

Die diesbezüglichen Beschwerden waren daher abzuweisen.

3.5. Zu Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide:

3.5.1. § 10 AsylG 2005 lautet folgendermaßen:

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. (…),

2. (…),

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

(…)

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(….).“

§ 58 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

(…).“

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

(…),

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, (…).

3.5.2. Im Zuge einer Interessensabwägung wird nunmehr geprüft, ob im vorliegenden Fall die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gerechtfertigt ist:

Im gegenständlichen Fall haben die BF in Österreich keine Familienangehörigen.

Ein Familienleben der BF in Österreich iSv Art. 8 EMRK besteht somit nicht.

Die BF waren für die Dauer ihres Asylverfahrens im österreichischen Bundesgebiet stets nur vorläufig aufenthaltsberechtigt, haben einen unsicheren Aufenthaltsstatus und durften nie auf ein weiteres Bleiberecht vertrauen.

Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt ohne weitere maßgebliche Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031 mwN).

Im gegenständlichen Fall halten sich die BF seit ihrer nach illegaler Einreise erfolgten Asylantragstellung vom 01.07.2015, demnach nunmehr mehr als sechs Jahre lang im österreichischen Bundesgebiet auf.

Das Gewicht einer aus einem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist jedenfalls dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl. VwGH 2.10.1996, 95/21/0169), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich (vgl. VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

Das Fluchtvorbringen der BF war durchgehend von widersprüchlichen, nicht nachvollziehbaren und auch vagen Angaben durchzogen, konnte deshalb nicht für glaubwürdig befunden werden, und wurde offenbar nur deswegen erstattet, um in Österreich ein Bleiberecht und bessere Lebensbedingungen als im Herkunftsstaat zu erlangen.

Dadurch, dass der bisherige Aufenthalt der BF auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten beruht hat, haben die von den BF dargelegten ohnehin nicht berücksichtigungswürdigen einzelnen Integrationsschritte ein zusätzlich gemindertes Gewicht.

Die BF konnten keine besonderen Deutschkenntnisse und auch keine berücksichtigungswürdigen Sozialkontakte in Österreich nachweisen bzw. kein berücksichtigungswürdiges Unterstützungsschreiben einer Privatperson vorlegen bzw. nachreichen, hatten während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet seit Anfang Juli 2015 jedoch genügend Zeit und Gelegenheit dazu, um über sprachliche und soziale Integration zu derartigen Integrationsnachweisen zu gelangen.

Hingewiesen wird an dieser Stelle auf die Judikatur des VwGH, wonach selbst die Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/180/0226).

Berücksichtigungswürdige bzw. nachhaltige Integrationsbemühungen der BF gingen aus dem gesamten Akteninhalt samt Vorbringen der BF nicht hervor. Solche hätten wie zuvor angeführt wegen ihres rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, sich in ihrem Asylverfahren zwecks Aufenthaltsberechtigung im österreichischen Bundesgebiet auf unglaubwürdige Fluchtgründe gestützt zu haben, bei der gegenständlichen Interessensabwägung außerdem ein noch gemindertes Gewicht. Das Beschwerdevorbringen hinsichtlich „hervorragender Integration“ der BF geht jedenfalls ins Leere.

Wie aus dem Akteninhalt hervorgeht, beziehen die BF in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung.

Fest steht jedenfalls, dass die BF den Großteil ihres Lebens im Irak bzw. in ihrer Heimatstadt Bagdad verbracht und dort noch familiäre Anknüpfungspunkte haben sowie sich vor ihrer Ausreise über diverse Erwerbstätigkeiten bzw. regelmäßige Erwerbseinkünfte ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten.

Die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen im gegenständlichen Fall somit eindeutig die privaten Interessen der BF an einem weiteren Bleiberecht.

Die Erlassung von Rückkehrentscheidungen gegen den BF war im gegenständlichen Fall somit gerechtfertigt.

Auch die Beschwerden der BF gegen Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide waren daher als unbegründet abzuweisen.

3.6. Zu Spruchpunkt V.) der angefochtenen Bescheide:

3.6.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung durchsetzbar ist, sind gemäß § 46 Abs. 1 FPG von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn die Überwachung der Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint, sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder dies aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist oder Fremde einem Einreise- oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

3.6.2. Wie aus den Länderfeststellungen hervorgehend, ist die Sicherheit von Rückkehrern von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit und den Verhältnissen vor Ort.

Da das Fluchtvorbringen der BF aufgrund widersprüchlicher, nicht nachvollziehbarer Angaben nur für unglaubwürdig befunden werden konnte, war auch eine von den BF in ihrer jeweiligen Einvernahme vor dem BFA mit der Angabe, bei einer Rückkehr an ihre Wohnadresse im Irak von ihren Verwandten getötet zu werden (BF1, AS 158; BF2, AS 166), behauptete seitens ihrer Verwandten ausgehende Gefahr nicht glaubhaft.

Sie haben, wie aus den Angaben der BF vor dem BFA in ihrer jeweiligen Einvernahme vor dem BFA glaubhaft hervorgeht, in Bagdad noch familiäre Anknüpfungspunkte.

Die BF haben im Irak vor ihrer Ausreise jahrelang eine Erwerbstätigkeit ausüben und mit dem Einkommen daraus ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Sie sind mangels gegenteiligen Vorbringens bzw. Nachweises zudem gesund und arbeitsfähig und werden nach einer Rückkehr trotz amtsbekannten Länderberichten zufolge im Irak allgemein schwieriger Arbeitsmarktsituation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit alsbald wieder eine Erwerbstätigkeit ausüben können und Selbsterhaltungsfähigkeit erlangen.

Von einer im Irak rund um die kämpferischen Auseinandersetzungen und anwesenden schiitischen Milizen und den IS herrschenden extremen Gefahrenlage, durch die praktisch jeder bzw. jeder männliche sunnitische Araber, der in den Irak abgeschoben wird, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 2, 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann vor dem Hintergrund amtsbekannter aktueller Länderberichte jedenfalls nicht ausgegangen werden.

Es wird darauf hingewiesen, dass aus einzelnen Anschlägen und schlummernder terroristischer Gefahr im Herkunftsstaat nicht auf eine allen irakischen Bürgern bzw. eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit den BF bei einer Rückkehr drohende Art. 2, 3 EMRK-Verletzung geschlossen werden kann.

Die BF werden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit problemlos an ihrem Heimatort in Bagdad zurückkehren und von ihren dort verbliebenen Verwandten jedenfalls zumindest vorübergehend bzw. bis zur Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch Unterstützung erwarten können.

In Gesamtbetrachtung aller sich aus dem Akteninhalt ergebenden Umstände kann vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen bzw. der amtsbekannten aktuellen Länderberichtslage somit nicht erkannt werden, dass den BF bei einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 13 8/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher ist in Gesamtbetrachtung aller individuellen Umstände bzw. Verhältnisse der BF von keiner den BF bei einer Rückkehr erwartenden lebens- bzw. existenzbedrohenden Situation iSv Art. 3 EMRK auszugehen.

Auch die Beschwerden gegen Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide war daher abzuweisen, ergab sich doch aus dem gesamten Vorbringen der BF vor dem Hintergrund der amtsbekannten aktuellen Länderberichte kein Abschiebungshindernis.

3.7. In den angefochtenen Bescheiden wurde zudem jeweils mit Spruchpunkt VI. gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3.7.1. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

3.7.2. Gesonderte Gründe für die allfällige Rechtswidrigkeit der gesetzten Frist für die freiwillige Ausreise bzw. besondere Umstände, die die drittstaatsangehörigen BF bei der Regelung der persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, und die die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurden in den jeweiligen Beschwerden nicht vorgebracht.

Die Gewährung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise der BF ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung erfolgte somit zu Recht. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide waren daher als unbegründet abzuweisen.

3.8. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als eindeutig geklärt erschien, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG kam zum Schluss, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Verfahrensergebnis führen könnte, lassen sich doch die für die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens gesprochenen widersprüchlichen Angaben der BF zu den Fluchtgründen im Verfahren vor dem BFA nicht leugnen, wurde bis dato von keinem mittlerweile eingetretenen Nachfluchtgrund und von keinen mittlerweile geänderten familiären oder privaten Verhältnissen der BF berichtet, was eine Einvernahme der BF und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von ihnen in einer mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hätte, und ist außerdem von Amts wegen keine maßgeblich relevante Änderung der zugrunde gelegten Länderfeststellungen aus den angefochtenen Bescheiden bekannt, zumal sich diese mit den jeweiligen Länderberichtsausschnitten im aktuell gültigen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation decken und somit aktuelle Gültigkeit haben, weshalb in Gesamtbetrachtung kein Unterschied im Hinblick darauf gesehen wurde, ob die Entscheidung gleich nach Einlangen der Beschwerdevorlage getroffen worden wäre oder mit gegenständlichem Entscheidungsdatum getroffen wird. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde daher abgesehen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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